Die Fabrikation der Buchdruckerschwärze

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Autor: G.
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Titel: Deutschlands große Industrie-Werkstätten. Die Fabrikation der Buchdruckerschwärze
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 425–426
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Deutschlands große Industrie-Werkstätten.

Die Fabrikation der Buchdruckerschwärze.0 Mit Illustrationen von C. Grote.

Die alten Buchdrucker können sich noch auf jene Zeiten besinnen, da an heiteren, windstillen Tagen die dumpfen Druckereisäle verlassen wurden und die Jünger Gutenberg’s fröhlich vor die Thore der Stadt zogen, um „Farbe“ zu bereiten. Da prasselte lustig in einem Erdloche das Feuer, darüber stand auf einem Dreifuß die kupferne birnförmige Blase, in der das Leinöl kochte, und Jung und Alt tauchte in dasselbe an Holz gespießte Semmeln und Schwarzbrotstücke, die, später mit Salz bestreut, ein beliebtes Druckerfrühstück bildeten und zum kräftigen Schluck vortrefflich mundeten. Der Meister sah es nicht ungern, daß seine Leute auf diese Weise ihr Brot fett machten, denn aus dem Leinöl sollte man Firniß sieden, und da entzogen jene Semmeln und Brotstücke dem siedenden Oele die flüssigeren Fetttheile und brachten es rascher zum Eindicken. Vorsicht mußte dabei freilich geübt werden, denn das Oel durfte nicht aufbrausen und überlaufen, sonst ging die ganze Herrlichkeit in Rauch und Flammen auf.

Erzeugung des Rußes in der Buchdruckfarbenfabrik von Gebrüder Jänecke und Fr. Schneemann zu Hannover.

War nun diese Arbeit glücklich vollendet und der Firniß gehörig abgekühlt, dann begann ein mühseliger Proceß, der zweite Theil der Farbebereitung. Aus den mitgebrachten Säcken wurde Ruß in den Firniß hineingerührt, bis nach der Meinung des Meisters die Masse schwarz genug war, um sie selbst für den Druck von Prachtwerken zu verwenden. Also bereiteten die früheren Buchdrucker ihre Buchdruckfarbe nach einer Methode, die schon vor Gutenberg’s Zeiten bekannt war, da es noch die sogenannten Blockbücher gab, deren in Holz geschnittene Bilder- oder Typentafeln mit schwarzer Farbe gedruckt wurden. Manche Leute finden diese ursprüngliche Bereitungsart „romantisch“, was wir nicht leugnen wollen, wenn wir uns die kochende Schar an einer alten Stadtmauer postirt denken und im Geiste den Feuerschein auf alten Giebeln und Erkern spielen sehen, aber praktisch war sie nicht. Alles schickt sich nicht für Jeden, und so war auch mancher guter Drucker ein schlechter Farbemacher; darum finden wir auch in so vielen alten Büchern unsaubere Buchstaben mit gelben Oelringen, die noch nach Jahrhunderten von mangelhaft bereiteter Druckerschwärze zeugen. Trotzdem wurde die alte Einrichtung beibehalten, denn von der lieben Gewohnheit konnten sich auch die Buchdrucker nicht trennen, bis sie im Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Macht der Verhältnisse zum Verzicht auf die Farbebereitung gezwungen wurden.

Die von Friedrich Koenig erfundene Schnellpresse begann damals ihren großen Siegeslauf um die Welt. Sie wirkte reformirend und belebend auf den Buchdruck. Spielend wurden jetzt die höchsten Auflagen bewältigt, die Tagespresse wuchs mit überraschender Schnelligkeit zu einer neuen Macht heran und scheute weder Papier noch Buchdruckfarbe, um überall ihren Einfluß geltend zu machen. Da konnte die Farbenblase der alten Buchdrucker den immer wachsenden Bedarf an guter Druckerschwärze nicht mehr decken, und auch auf diesem Gebiete mußte endlich das große Princip der Theilung der Arbeit zur Geltung gelangen.

Es entstanden bald besondere geschäftliche Unternehmungen zur Anfertigung der Druckerschwärze, Buchdruckfarbefabriken im vollsten Sinne des Wortes, und England, in dem die Schnellpresse ihre ersten Triumphe gefeiert hatte, ging auch nach dieser Richtung bahnbrechend vor. Lange Zeit hindurch versorgte es die Völker des Kontinents mit seinen zu hohen Preisen verkauften Erzeugnissen, und erst in späteren Jahrzehnten, nachdem die Wunden, die uns die lange Kriegszeit geschlagen, geheilt waren, konnte Deutschland daran denken, die englische Konkurrenz aus eigenem Lande zu verdrängen. Heute ist die Zeit jener Abhängigkeit von fremder Industrie längst überwunden, und der gute Ruf der deutschen Buchdruckfarbe auf dem Weltmarkte fest begründet.

Reibwerke zum Raffiniren der Buchdruckfarbe.

Aus kleinen Anfängen erwuchsen bei uns jene großartigen Etablissements, unter denen die Fabrik der Gebrüder Jänecke und Fr. Schneemann in Hannover als eine Musteranstalt hervorgehoben zu werden verdient. Wir wollen gerade ihr einen Besuch abstatten, denn hier lernen wir am besten, wie tadellose Buchdruckfarbe den Anforderungen der Zeit entsprechend hergestellt wird.

Ruß und Leinöl sind noch heute die Hauptrohmaterialien, mit denen unser Farbefabrikant rechnen muß. Von ihrer Güte hängt die Vollkommenheit der Druckerschwärze ab, und darum muß seine Sorge in erster Linie darauf gerichtet sein, besten Ruß und bestes Leinöl zu erhalten.

Der Buchdrucker bezog früher seinen Ruß aus gewöhnlichen Rußbrennereien, deren Produkt oft von zweifelhaftem Werthe war; der moderne Fabrikant hat die Erzeugung desselben selbst in die Hand genommen. Mit den alten Rauchkanälen und Rußkammern hat er längst gebrochen, der dort erzeugte Ruß mag für Stiefelwichse gut sein, für die Farbe, mit der die besten Holzschnitte gedruckt werden sollen, ist er viel zu roh.

Um feineres Produkt zu erzielen, hat man darum zunächst zu den Oellampen gegriffen, und wir finden jetzt in den Farbefabriken weite Säle, in welchen Hunderte von Lampen brennen, denen sämmtlich eine Eigenschaft innewohnt, die sonst nicht gerade zu den Vollkommenheiten einer Lampe zählt: sie rauchen alle gründlich – ist es doch hier ihr Beruf zu rauchen, nicht zu leuchten! Das Ergebniß ihrer Berufsthätigkeit, der Lampenruß, wird dann sorgfältig durch Rohre in lange senkrecht hängende Säcke geleitet, aus denen man ihn durch vorsichtiges Klopfen entfernt und sammelt. Um ein gleichmäßiges Brennen der Lampen in diesen Rauchsälen zu erreichen und dabei das zeitraubende Nachfüllen des Oels zu ersparen, sind Vorkehrungen getroffen, daß dasselbe einer jeden durch Zuteilungen von selbst und regelmäßig zufließe. Ja, man ging noch weiter. Sorgfältige Experimente ergaben, daß die [426] Flamme gewisser aus besonderen Oelen hergestellter Gase noch besseren Ruß giebt, und auf Grund dieser Erfahrung schuf die Fabrik von Gebrüder Jänecke und Schneemann die übermodernste Rußgewinnung, die sogar an Reinlichkeit und Eleganz nichts zu wünschen übrig läßt. Aus der Gasanstalt der Fabrik, in der die Mineralölgase bereitet werden und die wie alle ähnlichen Anstalten mit Retorten, Gaswaschapparaten, Gasometern etc. ausgestattet ist, führen weitverzweigte Röhrenleitungen in zwei große „Rußsäle“, die in der ersten unserer Abbildungen wiedergegeben sind. Gewaltige Reihen sinnreich konstruirter Apparate treten uns hier entgegen. Ueber den zahllosen mit dem oben erwähnten Gase gespeisten Brennern schweben gußstählerne Scheiben, die sich fortwährend in horizontaler Lage drehen. Die Flammen lecken die nach unten gekehrten glatten Flächen und lagern dort ihre unverbrannten Kohletheilchen, den Ruß ab, welcher durch einen scharf an die Scheibe gestellten Schaber abgestrichen und in die unten stehenden Cylinder, die sogenannten Sammelkammern, geleitet wird. Damit nun diese künstlichen Rußfänge (der Techniker nennt sie Batterien) sich nicht erhitzen, sind sie von einem ganzen Geäst von Eisenröhren überspannt, aus denen fortwährend kaltes Wasser auf ihre nach oben gekehrte Fläche herniederträufelt.

Hat man nun endlich den Ruß erlangt, so ist er doch noch nicht sofort verwendbar: er muß noch calcinirt, d. h. ausgeglüht werden, wobei Alles, was nicht reiner schwarzer Färbstoff ist, verbrennt. Dieses Calciniren geschieht in eisernen Cylindern in eigens hierfür gebauten Oefen, und zwar ein- bis dreimal, je nach dem Grade der Feinheit, welchen der Ruß erlangen soll.

Mit so viel Umständen wird hier der schwarze Geselle behandelt, der sonst in der weiten Welt, unter Menschen, verhaßt ist, gegen den die Hygieniker donnern, wenn er in schwarzen Rauchmantel ganze Städte einhüllt, über den sich unsere lieben Frauen so gewaltig ärgern, wenn er in kleinen Flocken unsichtbar in der Luft wirbelt und sich auf die glänzend weiße, zum Trocknen aufgehängte Wäsche heimtückisch niederläßt. Hier in der Fabrik zeigt er sich uns von seiner bessern Seite, er soll ja mit dienen und mit helfen im Werke der Bildung und Aufklärung.

Buchdruckfarbenfabrik von Gebrüder Jänecke und Fr. Schneemann in Hannover.

Mit derselben Sorgfalt wählt und behandelt der vorsichtige Fabrikant sein zweites Rohmaterial, das Leinöl. Er sammelt es zunächst in großen viele Hunderte von Centnern Oel fassenden Cisternen, in denen dasselbe lange Zeit ruhig lagern und alle Unreinigkeiten absetzen kann. Aus diesem alten abgelagerten Oel muß er dann Firniß sieden, in kupfernen Blasen, wie in alter guter Zeit. Das Sieden erfolgt aber nicht mehr unter blauem Himmel, und auch von fetten Brötchen ist dabei keine Rede mehr. In massiven rauchgeschwärzten Gewölben reiht sich Blase an Blase, strenge Ordnung herrscht überall, und ein großer Feuerlöschapparat steht immer bereit da, mit dessen Hilfe eine bei den vorzüglichen Einrichtungen aber kaum noch vorkommende Feuersgefahr sofort beseitigt werden kann.

Aus den Siedeblasen gelangt der fertige Firniß durch Röhrenleitungen in Bassins, um dann je nach Bedarf in große Mischbottiche gebracht zu werden, wo durch Dampf getriebene Rührwerke den Ruß in denselben hineintreiben. Die Druckfarbe erlangt hierdurch etwa den Grad des Fertigseins, welchen ihr die Drucker von ehedem mittels ihres primitiven Verfahrens zu geben vermochten. Heute beginnt hier erst der Raffinirproceß, in welchen uns unser zweites, ebenfalls der Jänecke und Schneemann'schen Fabrik entnommenes Bildchen einen Blick thun läßt. Ein großer Saal – ein drei Mal so großer ist im Bau eben vollendet – ist ganz gefüllt mit Reibwerken, die zwei, drei oder auch vier Stahlwalzen besitzen, die zu verarbeitende Schwärze wird in einen Trichter gebracht und fließt aus diesem auf die Walzen, um bei oft vielfach wiederholtem Durchgange zwischen denselben durch scharfe Verreibung den erforderlichen Grad von Feinheit zu erlangen. Beiläufig sei bemerkt, daß bei ganz feinen Druckfarben, namentlich bei bunten, deren Reinheit eine längere Berührung mit der metallischen Oberfläche der Reibwalzen ungünstig beeinflussen könnte, geschliffene Marmorwalzen das Geschäft des Verreibens besorgen. Ist dies geschehen, so wird das fertige Fabrikat in Fässer, in Blechbüchsen, oder – bei allerfeinsten Sorten – in Malertuben gefüllt und wandert sodann entweder ins Lagerhaus oder wird dem Käufer zugesandt.

An diese Hauptwerke reiht sich in großen Buchdruckfarbefabriken noch ein beträchtlicher Nebenapparat, der dann dem Ganzen den Anstrich einer Industriestätte ersten Ranges verleiht. So finden wir z. B. in der etwa 25 Gebäude umfassenden Fabrikanlage zu Hannover eine 40pferdige Dampfmaschine, neben welcher jetzt sogar eine von 100 Pferdekraft aufgestellt ist, die auch die Kraft für die elektrische Beleuchtung der Fabrik liefert, ferner vier Dampfkessel und einen Gasmotor, eine eigene Böttcherei zur Anfertigung der Versandfässer und eine Klempnerwerkstatt zur Erzeugung von Blechbüchsen, ein chemisches Laboratorium, Druckerpressen zur praktischen Prüfung der Farben, große Expeditions- und Komptoirräume etc. All das sind Dinge, von denen sich wohl die wenigsten unserer Leser hätten träumen lassen bei Betrachtung des Tüpfelchens über dem i, dessen unwägbarer Schwärzegehalt doch all die hier kurz geschilderten Processe durchgemacht, den ganzen weitläufigen und kostspieligen Apparat in Bewegung gesetzt hat, bevor er auf das Papier gelangen konnte.

Solchen Musteranlagen verdankt die Buchdruckerkunst einen nicht geringen Theil ihrer heutigen Vollendung. Mit Hilfe der hochfeinen theueren Druckfarbesorten ist es möglich geworden, jene mit den vollendetsten Holzschnitten geschmückten Prachtwerke herzustellen, die den Stolz und die Ehre unseres Buchhandels bilden.G.