Die Offenbarung Johannis/Kap. 16,2-21. Die sieben Schalenengel

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« Kap. 15-16,1. Prooemium Wilhelm Bousset
Die Offenbarung Johannis
Kap. 17. Die Hure Babylon und das Tier »
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B. 16,2-21. Die sieben Schalenengel.

16,2. Der erste Engel. καὶ ἀπῆλθεν ὁ πρῶτος καὶ ἐξέχεεν τὴν φιάλην αὐτοῦ εἰς τὴν γῆν (S. 168). καὶ ἐγένετο ἕλκος κακὸν καὶ πονηρὸν ἐπὶ τοὺς ἀνθρώπους τοὺς ἔχοντας τὸ χάραγμα (13,16f.; 14,9f.) τοῦ θηρίου καὶ τοὺς προσκυνοῦντας τὴν εἰκόνα[1] αὐτοῦ (s. o. S. 163). Vgl. die sechste ägyptische Plage: Ex 9,10f.; Dt 28,35 LXX ἕλκος πονηρόν; ein übles (bösartiges) Geschwür. Dieses Geschwür kommt über (ἐγένετο ἐπί: Lk 1,65; 3,2; Winer 49c. 480) die, die sich dem Cäsarenkultus gebeugt haben. Gegen das Cäsarentum und seine Anhänger richten sich die folgenden Plagen.

16,3. Der zweite Engel. καὶ ὁ δεύτερος[2] ἐξέχεεν τὴν φιάλην αὐτοῦ εἰς τὴν θάλασσαν· καὶ ἐγένετο αἷμα ὡς νεκροῦ, καὶ πᾶσα [396] ψυχὴ [ζῶσα (ζωῆς)][3] ἀπέθανεν [τὰ][4] ἐν τῇ θαλάσσῃ. (Apposition zu ψυχή). Während 8,8 nur ein Drittel des Meeres von der Plage betroffen wird, wird jetzt das ganze Meer in Blut verwandelt; und alles Lebendige stirbt darin; noch dazu wird das Meer zu Blut, wie es einem Toten eignet. Ex 7,17.21. Vgl. 8,9: κτισμάτων ... τὰ ἔχοντα ψυχάς. Gen 1,30: ὃ ἔχει ἐν ἑαυτῷ ψυχὴν ζωῆς. Winer § 30,2β.

16,4-7. Der dritte Engel. 16,4. καὶ ὁ τρίτος ἐξέχεεν τὴν φιάλην αὐτοῦ εἰς[5] τοὺς ποταμοὺς (S. 168) καὶ [εἰς][6] τὰς πηγὰς τῶν ὑδάτων καὶ ἐγένετο[7] αἷμα. „Und es ward Blut“, ist unpersönlicher Ausdruck für: „die Gewässer wurden Blut“. 16,5. καὶ ἤκουσα τοῦ ἀγγέλου (S. 163) τῶν ὑδάτων λέγοντος· δίκαιος εἶ ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν, ὁ[8] ὅσιος (15,4), ὅτι ταῦτα ἔκρινας (Ps 16,28; 143,18; Dt 32,4). Gemeint ist der (bestimmte) über die Gewässer gesetzte Engel (vgl. den Windengel 7,1, den Feuerengel 14,18; Religion des Judentums 317: Engel über die Wasserkräfte auch Hen 66,2). ὁ ὅσιος ist Vokativ (S. 164) „Du der du heilig bist“, steht parallel dem ὁ ὢν καὶ ὁ ἦν und ist nicht etwa als Prädikat davon abhängig. 16,6. ὅτι αἵματα[9] ἁγίων καὶ προφητῶν ἐξέχεαν. Die ἅγιοι sind (wahrscheinlich) die Christen insgesamt, die Propheten sind eine besonders hervorragende Klasse derselben (s. Einleitung S. 138f.); vgl. 11,18; 18,24. καὶ αἷμα αὐτοῖς ἔδωκας (AC δέδωκας) πιεῖν (AC πεῖν Winer § 8,4) , ἄξιοί εἰσιν. 16,7. καὶ ἤκουσα τοῦ θυσιαστηρίου λέγοντος (der Altar wird als Person gedacht, daher der Gen. s. o. S. 163); vgl. 14,18. Daß die Stimme aus dem Altar erschallt, hat seinen Grund in der 6,9ff.; 8,3 vorliegenden Anschauung, daß die Märtyrer sich unter dem Altar befinden. ναὶ, κύριε ὁ θεὸς ὁ παντοκράτωρ (S. 176) , ἀληθιναὶ καὶ δίκαιαι αἱ κρίσεις σου. 15,3 (s. dort die Parallelen). 19,2 vgl. noch Ps LXX 18,10: τὰ κρίματα κυρίου ἀληθινά. κρίσεις bedeutet hier, anders als in der Psalmstelle, die Gerichte. 16,8-9. Der vierte Engel. 16,8. καὶ ὁ τέταρτος ἐξέχεεν τὴν φιάλην αὐτοῦ ἐπὶ τὸν ἥλιον, καὶ ἐδόθη αὐτῷ (nämlich der Sonne, schwerlich dem Engel) καυματίσαι (die in der Apk nach δίδωμι gebräuchliche Konstruktion) τοὺς ἀνθρώπους ἐν πυρί[10]. 16,9. καὶ ἐκαυματίσθησαν οἱ ἄνθρωποι καῦμα μέγα (Winer § 32,5) καὶ ἐβλασφήμησαν[11] τὸ ὄνομα (beachte auch hier die Betonung des Namens) τοῦ θεοῦ τοῦ ἔχοντος[12][397] [τὴν] ἐξουσίαν ἐπὶ τὰς πληγὰς ταύτας. καὶ οὐ μετενόησαν δοῦναι αὐτῷ δόξαν. Vgl. 9,20f. Den entgegengesetzten Erfolg hatte das Erdbeben 11,13. Wie die vier ersten Posaunen, so haben also auch die vier ersten Schalenplagen nach einander, Land, Meer, Flüsse und Gestirne (Sonne) betroffen, nur daß bei der vierten Plage die Gestirne nicht verfinstert werden, sondern gerade die Sonnenglut angefacht wird. Die letzten drei Plagen sind nun auch hier individueller ausgestaltet.

16,10-11. Der fünfte Engel. 16,10. καὶ ὁ πέμπτος ἐξέχεεν τὴν φιάλην αὐτοῦ ἐπὶ τὸν θρόνον τοῦ θηρίου· καὶ ἐγένετο ἡ βασιλεία αὐτοῦ ἐσκοτωμένη, καὶ ἐμασῶντο τὰς γλώσσας αὐτῶν ἐκ τοῦ πόνου (Winer §47b, 347). Mit dem Throne des Tieres, des Cäsarentums, ist offenbar Rom gemeint, die Plage trifft also jetzt den Sitz der gottfeindlichen Macht selbst. Sie bringt über Rom eine Finsternis. Ex 10,21ff.; Jes 8,22; Ps 105,28. Merkwürdig ist, daß diese Plage zugleich als schmerzhaft geschildert zu sein scheint „sie bissen sich auf die Zunge infolge der Pein“. Nach Dstd. macht die grauenvolle Finsternis die übrigen Leiden noch schlimmer. Sp. nimmt hier eine ungeregelte und ungenaue, resp. überarbeitete Darstellung an. 16,11. καὶ ἐβλασφήμησαν τὸν θεὸν τοῦ οὐρανοῦ (s. z. 11,13) ἐκ τῶν πόνων αὐτῶν καὶ ἐκ τῶν ἑλκῶν αὐτῶν καὶ οὐ μετενόησαν ἐκ τῶν ἔργων αὐτῶν. V. 9. Das ἐκ τῶν ἑλκῶν αὐτῶν ist wohl deshalb hinzugefügt, weil der Apok. die Angst und den Schmerz der Erdbewohner von der Finsternis allein nicht recht ableiten mochte. 16,12-16. Der sechste Engel. 16,12. καὶ ὁ ἕκτος ἐξέχεεν τὴν φιάλην αὐτοῦ ἐπὶ τὸν ποταμὸν τὸν μέγαν[13] Εὐφράτην, καὶ ἐξηράνθη τὸ ὕδωρ αὐτοῦ, ἵνα ἑτοιμασθῇ ἡ ὁδὸς τῶν βασιλέων τῶν ἀπὸ ἀνατολῆς ἡλίου[14]. Die hier vorliegende viel konkretere Weissagung erklärt sich nicht aus 9,14ff.; auch soll hier nicht ganz allgemein eine von Osten kommende Gefahr geweissagt werden (Dstd.). Im Recht sind vielmehr, wie weiter unten noch näher nachgewiesen werden wird, diejenigen Ausleger, welche diese Weissagung auf die mit dem wiederkommenden Nero heranziehenden Partherkönige beziehen (Eichh., Heinr., Ew., Vlkm., Hilgf. Vlt. II 163, Hltzm.). Wenigstens haben sie damit den Sinn, welchen der Apok. letzter Hand mit den hier vorliegenden mythologischen Phantasien verbindet, richtig getroffen. Die Könige sind für den Apok. identisch mit den zehn Königen, die in Kap. 17 als im Bunde mit dem Tiere stehend beschrieben werden. In proleptischer Weise werden hier Figuren eingeführt, die erst nachher ihre Erklärung finden. Zur Vorstellung von austrocknenden oder sich[398] teilenden Strömen vgl. Jos 3,13-17; Jes 11,15f.; 44,27; 51,10; IV Esra 13,43-47. 16,13. καὶ εἶδον ἐκ τοῦ στόματος (9,17; 11,5) τοῦ δράκοντος καὶ ἐκ τοῦ στόματος τοῦ θηρίου καὶ ἐκ τοῦ στόματος τοῦ ψευδοπροφήτου — beachte den für den Apok. charakteristischen breiten Stil; das zweite Tier wird hier also ohne weiteres auf den Pseudopropheten gedeutet s. o. den Exkurs zu 13,11ff.πνεύματα τρία ἀκάθαρτα[15] (Mt 10,1; Mk 1,26) ὡς βάτραχοι(S. 160). Es ist vielleicht eine Anlehnung an Ex 8,1f. (Ew. II) vorhanden. Die unreinen Geister haben Gestalten wie Frösche, falsch ist die Erklärung von Dstd.: „unrein wie Frösche“. Hermas, Visio IV 1,6 gehen aus dem Munde des Ungeheuers Heuschrecken hervor. Auch hier tritt das ursprünglich Mythologische dieser Phantasie deutlich hervor. 16,14. εἰσὶν γὰρ πνεύματα δαιμονίων ποιοῦντα σημεῖα. Es kann entweder übersetzt werden: (diese Frösche) sind nämlich Dämonengeister, oder (in Parenthese gedacht): es gibt nämlich Dämonengeister, die so gut wie ihre Meister (13,19) Zeichen tun (Hltzm.). Die letztere Erklärung ist deshalb vorzuziehen, weil der Zusammenhang des Ganzen dadurch ein strafferer wird. ἃ ἐκπορεύεται[16] (ist εἰσίν bis σημεῖα Parenthese, so schließt sich das ἃ ἐκπορεύεται direkt an das Ende von V. 13 an) ἐπὶ τοὺς βασιλεῖς τῆς οἰκουμένης ὅλης συναγαγεῖν αὐτοὺς εἰς τὸν πόλεμον (S. 175) τῆς ἡμέρας [ἐκείνης][17] τῆς μεγάλης τοῦ θεοῦ τοῦ παντοκράτορος (S. 176). Der große Tag Gottes ist der große Triumphtag, den Jahwe über seine Feinde feiert, eine der spätjüdischen Literatur sehr geläufige Wendung. Religion d. Judent. 246,1. Vgl. 6,17 auch Sach 12,11: ἐν τῇ ἡμέρᾳ ἐκείνῃ. Der Satz weist deutlich auf 17,14 und 19,11ff. Schwierigkeit bereitet die Frage nach dem Verhältnis der Könige der ganzen Erde zu den Königen des Ostens. Es scheint so, als ob der Apok. beide nicht für identisch gehalten habe. Dann will er also von einer zweifachen Vorbereitung berichten. Einmal wird der Weg frei gemacht für die Könige des Ostens[18], und zweitens werden durch die unreinen Geister alle Könige der Erde zum letzten Kampf versammelt.

16,15. ἰδοὺ ἔρχομαι[19] ὡς κλέπτης (3,3)· μακάριος ὁ γρηγορῶν (3,2f.; Lk 12,37) καὶ τηρῶν τὰ ἱμάτια αὐτοῦ, ἵνα μὴ γυμνὸς περιπατῇ (3,18), καὶ βλέπωσιν τὴν ἀσχημοσύνην αὐτοῦ. Hier wie 22,7.12.20 liegt ein plötzlicher Übergang aus der Rede des Propheten in die Rede des Herrn selbst vor. Man kann sich denken, daß der in der Gemeindeversammlung redende Prophet einen solchen Wechsel der Personen in der Verzückungsrede liebte. Der Apok. verwendet das literarisch und bringt durch diesen plötzlichen Wechsel des Subjekts eine besondre Stimmung in seine Weissagung.

[399] 16,16. καὶ συνήγαγεν αὐτοὺς εἰς τὸν τόπον τὸν καλούμενον Ἑβραιστὶ Ἁρμαγεδών[20]. Das συνήγαγεν bezieht sich über V. 15 auf die Parenthese V. 14 zurück, nimmt also das συναγαγεῖν dort wieder auf. Da δαιμόνια Subjekt ist, sollte man συνήγαγον erwarten, wie ℵ tatsächlich lesen. Die früher fast allgemein angenommene Beziehung auf Megiddo II Kön 23,29f.; II Chron 35,22 scheitert daran, daß hier dann von einem „Berg“ von Megiddo die Rede wäre. Denn es gibt kein Gebirge von Megiddo, dieses liegt vielmehr in der Ebene (II Chron 35,22; Ri 5,19). Daher versuchen Hltzm., Hilgf. 440, Vlt. II 158 die Konjektur עִיר מְגִדּוֹ[21]). Ferner kann man fragen, weshalb der Apok. hier einen Berg als Ort der großen Schlacht annimmt, Schlachten pflegen doch auf Bergen nicht geschlagen zu werden. Der Verweis auf Ez 38,18-20; 39,2.4.17 (Sp., Hltzm., Erb.) hilft nicht, weil hier dasselbe Problem vorliegt. Diese Schwierigkeiten bewogen vielleicht schon einen Abschreiber, das Ἁρ aus dem Worte zu entfernen (s. u.). Mit Recht vermutet Gunkel, Schöpfung und Chaos (263-66), hier eine ältere nicht mehr verstandene Tradition. Schon der geheimnisvolle von dem Apok. hebräisch mitgeteilte und nicht übersetzte, also von ihm selbst kaum mehr verstandene, Name deutet darauf hin. Sagen von einem Kampf der Götter auf dem Berg oder um den Berg sind uralt. So versammeln sich die abgefallenen Engel Hen 6,6 auf dem Berg Hermon (vgl. Flügel, Mani 87; Brandt, Mand. Schriften 89; Gunkel 388 A. 2); vielleicht ist hier auch die Schilderung des Untergangs des Antiochus Dan 11,45 „zwischen dem Meer und dem Berg der heiligen Zierde“ heranzuziehen. Jensen, Rhein. Museum XLIX (1894) S. 49, vergleicht den Namen des babylonischen Unterweltsgottes Υεσεμιγαδων, des Gemahls der bekannten Todesgöttin Ereschigal, der uns nur in ägyptischen Zaubertexten neben dem Namen Ἐρέσχιγαλ aufbewahrt ist, und findet in μαγεδων einen Anklang an μιγαδων. Vgl. Cheyne, Encyclopädia biblica s. v. Armageddon; Legge, Proceedings of the Soc. of Biblic. Archaeol. 1900 XXII, p. 121f.

Nicht blos der Name Harmagedon, sondern auch so manche andre schon erwähnten Züge deuten also darauf hin, daß der Apok. in V. 13-16 eine von ihm nicht oder nur halb verstandene mythologische Phantasie weitergegeben und verarbeitet hat. Unter furchtbaren Führern haben — so erzählte der Mythus — einst Dämonenheere den heiligen Götterberg zu erstürmen versucht. Von dämonischen Boten waren sie zusammengerufen, Flüsse trockneten vor ihnen aus. Aber — so fuhr der Mythus, dessen Ende hier abgebrochen ist, wahrscheinlich fort — sie wurden von den lichtstrahlenden Göttern (Apk 19,11ff.) geschlagen und vernichtet. Der Apok. hat diesem Mythus dann durch die Beziehung des Dämonenschwarms auf die Macht der Parther eine zeitgeschichtliche Wendung gegeben.

16,17-21. Der siebente Engel. 16,17. καὶ ὁ ἕβδομος ἐξέχεεν τὴν [400] φιάλην αὐτοῦ ἐπὶ[22] τὸν ἀέρα. Dazu, daß die Plage in die Luft gegossen wird, passen die folgenden Erscheinungen. καὶ ἐξῆλθεν φωνὴ μεγάλη[23] ἐκ τοῦ ναοῦ[24] ἀπὸ τοῦ θρόνου λέγουσα· γέγονεν. Bei der mächtigen Stimme, die aus dem Tempel erschallt, hat man jedenfalls an Gottes Stimme zu denken. In dem Ausdruck ἐκ τοῦ ναοῦ ἀπὸ τοῦ θρόνου liegt offenbar der Versuch vor, die Vision vom Thron Gottes mit der andern von Kap. 8 an herrschenden Vorstellung, nach der ein Tempel im Himmel gedacht wird, zu einem Bilde zu kombinieren. Der Ruf: es ist geschehen (vgl. 21,6), bezieht sich auf die Ausgießung der sieben Plagen, welche so durch ein besondres Wort Gottes eingeleitet und abgeschlossen erscheinen. 16,18. καὶ ἐγένοντο ἀστραπαὶ καὶ φωναὶ καὶ βρονταὶ[25] (S. 176), καὶ σεισμὸς [ἐγένετο][26] μέγας (8,5; 11,19), οἷος οὐκ ἐγένετο, ἀφ’ οὗ (οἱ)[27] ἄνθρωποι ἐγένοντο (ἄνθρωπος ἐγένετο)[28] ἐπὶ τῆς γῆς, τηλικοῦτος σεισμὸς οὕτως μέγας; vgl. Dan 12,1 (Theod.): θλῖψις, οἵα οὐ γέγονεν ἀφ’ ἧς γεγένηται ἔθνος ἐν τῇ γῇ; (LXX): οἵα οὐκ ἐγενήθη, ἀφ’ οὗ ἐγενήθησαν (sc. οἱ υἱοὶ τοῦ λαοῦ σου). Die gehäuften Ausdrücke sollen die Größe des Erdbebens anschaulich schildern. 16,19. καὶ ἐγένετο ἡ πόλις ἡ μεγάλη εἰς τρία μέρη, καὶ αἱ πόλεις τῶν ἐθνῶν ἔπεσαν. Es kann hier dem ganzen Zusammenhang nach bei der richtigen Auffassung von Kap. 17f. nur an Rom und nicht an Jerusalem gedacht werden. Das Erdbeben trifft, wie 11,13 Jerusalem, so hier Rom, aber in ganz anderer und furchtbarerer Weise. Diese Auffassung bestreitet neuerdings J. Weiß 122, mit dem Hinweis darauf, daß hier neben der großen Stadt die Städte der Heiden genannt werden. Aber warum sollte der Apok. nicht erst die eine große Stadt Rom nennen können und dann im allgemeinen die Städte der Heiden? Mit Babylon im folgenden greift er dann wieder auf ἡ πόλις ἡ μεγάλη zurück. An Jerusalem ist in dem ganzen Zusammenhang gar nicht gedacht. καὶ Βαβυλὼν ἡ μεγάλη ἐμνήσθη (18,5; Apg 10,31) ἐνώπιον τοῦ θεοῦ δοῦναι αὐτῇ (S. 160; zum Inf. vgl. 14,6 u. 15), τὸ ποτήριον τοῦ οἴνου τοῦ θυμοῦ τῆς ὀργῆς αὐτοῦ. Hier und 19,15 findet sich derselbe überladene Ausdruck τοῦ θυμοῦ τῆς ὀργῆς, vgl. 14,10; 18,3. Das Erdbeben scheint nur als eine Vorstrafe gedacht zu sein, die Babel trifft. Zugleich wird auf die nun im Folgenden kommende Vernichtung Babels hingewiesen. 16,20. καὶ πᾶσα νῆσος ἔφυγεν καὶ ὄρη οὐχ εὑρέθησαν. 6,14; 20,11. 16,21. καὶ χάλαζα μεγάλη ὡς ταλαντιαῖα καταβαίνει ἐκ τοῦ οὐρανοῦ ἐπὶ τοὺς ἀνθρώπους. Hagelstücke von der Schwere eines Talents (pfundschwer, Hltzm.), so schwer wie man Schleudersteine für Wurfmaschinen machte (Joseph B. J. V 270), vgl.[401] 9,18-25. καὶ ἐβλασφήμησαν οἱ ἄνθρωποι τὸν θεὸν ἐκ τῆς πληγῆς τῆς χαλάζης, ὅτι μεγάλη ἐστὶν ἡ πληγὴ αὐτῆς σφόδρα. Zum dritten Mal, vgl. V. 9 und 11, kehrt dieser Refrain wieder, der die Unbußfertigkeit der Menschen hervorheben soll (vgl. die Steigerung noch über 9,20f. hinaus).

Exkurs. Bei der Beurteilung des Kap. 16 gehen die Kritiker wieder weit auseinander. Vischer streicht nur V. 15. Nach Vlt. sind Kap. 15 und 16 Interpolationen, die mit der Einfügung von 12 und 13 zusammenhängen, und so die ursprünglich zusammengehörenden Kap. 11 und 17 weit auseinandergesprengt haben. Nach Erbes ist das dritte Siebenzeichen vom Redaktor, der auch das Fragment 12-14 eingearbeitet hat, in Anlehnung an Kap. 8-9 geschaffen. Weyland schreibt das Kapitel im wesentlichen dem Redaktor zu, der, um ein Stück der Quelle ב (17-18) einzuarbeiten, hier in Anlehnung an 8-9 ein neues Plagenschema fingiere. Einiges aus der Quelle ב sei in dieses Stück aufgenommen, 16,17b-20 aber gehöre (hinter 11,19) zur Quelle ℵ. Sp. sieht in dem Siebenzeichen einen Bestandteil der Vision J², er muß infolgedessen alle Stücke, die an den Kampf mit dem Tier erinnern, also gerade das Charakteristische aus dem Kapitel streichen, und kommt außerdem wegen des Parallelismus von Kap. 8-9 und 16-17 ins Gedränge. Für Weizs. gehört das Kapitel zum Mechanismus des Redaktors der Apk. J. Weiß unterscheidet von dem Endredaktor der Apk einen Bearbeiter der Babylonvision und weist diesem Kap. 15,5-16,21 zu. Vom Redaktor des Ganzen stamme dagegen 15,1-4; 16,5-7; 16,13-15 und einige kleinere Zusätze.

Wie mir scheint, haben Wzs. und dann mehr oder minder Erbes und Weyland das Richtige getroffen. Kap. 16 ist nichts weiter als ein einleitendes Stück zu Kap. 17. Es läßt sich von vornherein annehmen, daß in Kap. 17 dem Apok. ein selbständiges Fragment vorgelegen hat. Um dieses einzuarbeiten, hat er dann ein neues Sieben-Schema komponiert. Aber seine Phantasie erlahmt hier. Er bringt es wenigstens im Anfang nicht weiter als zu einer allerdings stark variierenden Wiederholung von Kap. 8-9. Wenn in der letzten Hälfte die Weissagungen lebendiger werden, so kommt das daher, daß der Apok. hier ältere Traditionen, die ihm vielleicht schon (namentlich 16,12-16) in schriftlicher Fixierung vorlagen, verarbeitet hat. Das ganze Stück verrät aber überall die Hand unseres Apok., daher die zahlreichen Beziehungen zu den übrigen Kapiteln der Apk; vgl. 15,5 mit 11,19; 15,7 mit 4,6ff., ferner die zahlreichen Beziehungen zu Kap. 13: 16,2.6.10.13, die Berührungen mit Kap. 17: 16,12.14.19, mit Kap. 18: 16,19.20. Am interessantesten ist die durchgängige Verwandtschaft mit Kap. 8 und 9. Zum Zweck des Nachweises dieser Verwandtschaft gibt Sp. 170 folgende Parallele

Posaune Schale
1. Hagel und Feuerregen Geschwür
2. Blutmeer Blutmeer
3. Bittere Quellen Blutquellen
4. Verfinsterung der Gestirne Sonnenhitze
[402]
5. Heuschrecken Finsternis
6. Kriegsheer vom Euphrat Könige vom Euphrat
7. Hagel, Donner, Blitze, Erdbeben. Donner, Blitze, Erdbeben, Untergang Babels, Hagel.

Die Vergleichung ist außerordentlich interessant. Nr. 2, 3, 4 machen weiter gar keine Schwierigkeiten, in Nr. 4 ist eine leichte Änderung (s. u.) eingetreten. Nr. 1 liegt eine entschiedene Differenz vor. Diese rührt vielleicht daher, daß der Apok., als er zum zweiten Mal sein Schema entwarf, darauf aufmerksam wurde, daß in Nr. 1 und 7 des ersten Schemas eine Wiederholung vorläge. Daher hat er diesmal in Nr. 1 die der Hagelplage vorhergehende ägyptische Plage gewählt. Außerdem bringt er, wo er kann, in das alte schon einmal gebrauchte Schema die Beziehung auf das Tier und die Tieranbeter, auf Babel und den bevorstehenden Kampf mit dem Tiere hinein und erreicht so die Verbindung nach rückwärts mit Kap. 13, nach vorwärts mit Kap. 17 und 18. Beziehungen auf die Tieranbeter und die Verfolger der Gläubigen bringt er schon bei der ersten und dritten Plage. In Nr. 6 werden aus den vom Euphrat herstürmenden Reiterscharen konkreter die Partherkönige, die mit Nero redivivus wiederkehren sollen; wahrscheinlich ist hier zugleich eine noch ältere Tradition verarbeitet. In Nr. 7 ist eine Weissagung auf den Fall Babels eingebracht. Und in Nr. 5 greift der Apok. endlich, weil eine Heuschreckenplage für Rom, gegen das sich die Weissagung ja richtete, wenig paßte, wieder zur folgenden ägyptischen Plage und läßt eine Finsternis über den Thron des Tieres kommen. Außerdem geht der Parallelismus bis ins einzelne, an Stelle des Rätselwortes Ἀβαδδών, das dort allerdings gedeutet wird, tritt hier das andere Ἁρμαγεδών. Und der Hinweis auf die Unbußfertigkeit der Menschen 9,20f. kehrt dreimal 16,9.11.21 wieder. So begreift sich die Komposition von Kap. 16 durchaus, wenn man annimmt, daß derselbe Apok., der im wesentlichen Kap. 8 und 9 schrieb, denselben Stoff noch einmal wieder aufarbeitete und ihm eine andere und konkretere Beziehung gab, um eine passende Überleitung und Einleitung für Kap. 17 und 18 zu gewinnen. Auch glaube ich, daß sich bei dieser Annahme am besten die Identität der Kap. 8f. und 16 im großen und ganzen sowie auch die Differenzen im einzelnen erklären lassen. Der Annahme von Erbes und Vlt., daß hier gerade sich der nachtragende und abhängige Überarbeiter in seiner Eigenart zeige, bedarf es nicht, obwohl diese Anschauung viel einleuchtender ist, als die künstliche Annahme von Sp., der in Kap. 8f. und 16 zwei verschiedene Quellen entdeckt, wegen der großen Ähnlichkeit der Kapitel aber wieder gezwungen ist, eine neue Sieben-Plagen-Schrift als gemeinsame Quelle von 8-9 und 16 anzunehmen.


  1. ℵ 79. 161; d. übr. (gegen den Sprachgebrauch der Apk) τη εικονι.
  2. Über die Hinzufügung von ἄγγελος hier und in den folgenden Versen in An. s. Studien S. 33.
  3. ζωης AC 95 s² ae.; ζωσα ℵPQ An.¹²³⁵ 38 f g vg. s¹ c a; beides fehlt in Rel. Pr.
  4. τα ACP (95 ); > d. übr.; die Lesart τα ist als die schwierigere wohl vorzuziehen. τα wäre dann κατὰ σύνεσιν auf ψυχή zu beziehen.
  5. επι ℵ vg. Pr.
  6. > ℵACP An.²³ 95 f g c Pr., + εις Q Rel. Die Wiederholung entspricht dem Sprachgebrauch der Apk.
  7. εγενοντο A 36. 95 f g Pr.
  8. P An.¹²³ 51; ACQ Rel. s¹² > (Schreibfehler).
  9. αιματα ℵ 36. 39; d. übr. αιμα, der Hebraismus ist vorzuziehen.
  10. εν πυρι τους ανθρωπους Q Rel. (exc. An.).
  11. + οι ανθρωποι Q Rel. (exc. An.¹² 38. 95) .
  12. AP An.³; d. übr. >. ἐξουσία steht in der Apk mit dem bestimmten Artikel, WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt wo es sich um die Vollmacht (Macht) überhaupt handelt 9,19; 12,10; 13,4.12; 17,13, wo also ἐξουσία durch keine Näherbestimmung beschränkt erscheint. Wo das letztere aber der Fall ist, steht in der Regel (in 12 Fällen außer an dieser Stelle) kein Artikel (Ausnahmen 9,10, s. d. Lesart von Q Rel., und 22,14).
  13. + τον AC An.(¹)²⁴ 95; der Artikel vor dem Eigennamen ist schwerlich in den Text zu setzen (s. o. S. 173).
  14. Beachtenswert ist die Variante Pr.: regi venienti ab oriente solis, g regi venienti a solis ortu.
  15. Q Rel. (exc. An.¹²³⁵ 95) ακαθαρτα τρια.
  16. εκπορευονται Q am. tol.; και (> α) εκπορευονται g cle. dem. fu. lipss. Pr.; (> α) εκπορευονται ℵc am. tol. a; εκπορευεσθαι ℵ 95.
  17. >ℵA 14. 38. 92. 95 g vg. c a ae. Tic.
  18. Die Lesart: der König des Ostens (s. o.), würde fast besser zum Folgenden passen.
  19. ερχεται ℵ 38. s¹ Pr.
  20. Q Rel. (exc. An.) fu. s¹ Tic.: μαγεδων.
  21. X retrovertiert הר מגדו, seinen kostbaren Berg. Vlt. IV 102 denkt an אֶרֶץ, aramäisch אֲרַע.
  22. εις An. g. vg. s¹ Pr.
  23. > A An.¹.
  24. εκ του ναου ℵA 14. 92. 95 vg. c s¹² ae. Pr.; An.¹² g a εκ του ουρανου; Q Rel. εκ του ναου του ουρανου (Mischlesart) (ähnliche Änderungen namentlich in An. 14,15; 15,6; 16,1).
  25. (ℵ) A An.² 95 g vg. a Pr.; die übrigen Hndschrn. variieren mannigfach.
  26. εγενετο ℵA An.¹²³ 14. 92. 95 g vg. s¹² c ae. Tic.; > Q Rel. a sa. fu. Pr. Die verschränkte Wortstellung ist in der Apk ganz ungewöhnlich, daher ist εγενετο vielleicht fortzulassen.
  27. > οι ℵQ An.² 14. 92.
  28. ανθρωπος εγενετο A 38 c a ae.
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