Die Reformerin der englischen Gefängnisse

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Titel: Die Reformerin der englischen Gefängnisse
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aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 99
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[99] Die Reformerin der englischen Gefängnisse. Elisabeth Fry gehört zu jenen Frauen, deren gemeinnütziges Wirken ihr mit Recht einen Ehrenplatz neben den hervorragenden Frauen auf dem Throne, in der Kunst und Litteratur anweist. Sie besaß die Energie der Barmherzigkeit; sie war die erste, die in jene alten Gefängnisse drang und den Unglücklichen den ersten Strahl leuchtender Menschenliebe brachte; sie war die erste, welche den Machthabern sagte: „Wer ist schwerer verantwortlich, der Sträfling, den die Verhältnisse oft zum Verbrecher stempelten, oder die Gewaltigen, die eine fortgesetzte Reihe von Verbrechen an Leib und Seele der Gefangenen begehen, statt sie wieder der menschlichen Gesellschaft zuzuführe?“

Elisabeth Fry war am 21. Mai 1780 geboren als eine Tochter des Gutsbesitzers John Gurney in der Grafschaft Norwich. Der Vater befolgte eine fromme Richtung und gehörte der Quäkergemeinde an, hier empfing Elisabeth ihre ersten Eindrücke. Ein amerikanischer Prediger gewann sie durch die Macht seiner Beredtsamkeit ganz für den Dienst der Gemeinde; sie erschien alsbald, nachdem sie die bunten Kleider abgelegt, im einfachen Gewande der Quäkerin. Im Jahre 1800 heirathete sie einen englischen Citykaufmann John Fry. Zum Prediger (Minister) wurde sie 1811 gewählt; zwei Jahre darauf begann ihr Verkehr mit den Verbrechern und Verbrecherinnen. Ein Besuch in der Besserungsanstalt für weibliche Verbrecher in Cold Bath Field gab ihr den Hauptanlaß, jene segensreiche Thätigkeit zu ergreifen, der sie bis zu ihrem Tode treu blieb. Die Gefängnisse befanden sich damals in einem beklagenswerthen Zustande: Frauen, der verschiedensten Vergehen angeklagt, waren mit ihren Kindern unter Aufsicht eines Wächters ohne jede Beschäftigung in engen Räumen zusammen gedrängt, in denen sie schliefen, kochten und den Tag verbrachten. Durch unermüdliche Vorstellungen und Eingaben bei den betreffenden Behörden vermochte Frau Fry die Ernennung von Aufseherinnen, anständigere Kleidung für die Gefangenen und Einrichtung von Schulen für deren Kinder sowie Austheilung von Arbeitsmaterial durchzusetzen. Bald erlangte sie einen solchen Ruf, daß sie auch von anderen Städten Englands, von Petersburg, von Amsterdam um ihren Rath gefragt wurde. Unter dem Namen „Britischer Frauenverein“ wurde von ihr und mehreren gleichgesinnten Damen ein Verein gebildet, der es sich zur Aufgabe gestellt hatte, die Besserung weiblicher Gefangener zu fördern. Er richtete seine Aufmerksamkeit auch auf die Transportschiffe, welche die Verbrecherinnen in die Südseekolonien brachten; auch hier gelang es ihnen, eine menschlichere Behandlung der Verurtheilten und Ordnung unter denselben zu erzielen. Im Jahre 1818 war sie nach Schottland gereist, wo sie die Gefängnisse in einem fast noch schrecklicheren Zustand als in England fand. Schuldner, Verbrecher und Wahnsinnige hausten in dumpfer enger Zelle beisammen: auch hier brachte sie eine Aenderung zum Besseren hervor. Ueberhaupt unterstützten die hohen und höchsten Persönlichkeiten des Landes ihre Reformen. Ihren Anregungen folgten andere Damen, gründeten Asyle für entlassene Gefangene und Aufnahmeanstalten für verwahrloste Kinder. Später dehnte Mrs. Fry ihren Wirkungskreis in andern Ländern aus, besuchte mehrfach Frankreich, auch Spanien und Deutschland und fand in König Friedrich Wilhelm IV. einen Beschützer und Förderer ihrer Unternehmungen. Im eigenen Hause waltete sie als einfache Hausfrau und Mutter, ein reicher Familiensegen war ihr zu Theil geworden; denn sie war umgeben von Töchtern und Schwiegertöchtern, 7 Söhnen und 25 Enkeln. Am 12. Oktober 1845 starb sie.

Elisabeth Fry war ein Vorbild echter werktätiger Menschenliebe. Wir entnehmen die Mittheilungen über sie einem neuen, von Lina Morgenstern herausgegebenen Sammelwerk: „Die Frauen des 19. Jahrhunderts. Biographische und kulturhistorische Zeit- und Charaktergemälde“, mit Illustrationen (Berlin, Deutsche Hausfrauenzeitung). Es liegen bisher zwei Lieferungen dieses Werkes vor, welchem die durch ihre eigene gemeinnützige Thätigkeit rühmlich bekannt gewordene Verfasserin hohe Ziele gesteckt hat: „Bei der Wichtigkeit der Frauenbewegung unserer Zeit für die gesammte Menschheit, bei den unleugbaren Fortschritten, die in ihr gemacht worden, und bei ihrem Antheil im Zusammenhang mit der socialen und wirthschaftlichen Frage, welche alle civilisirten Nationen beschäftigt, faßte ich den Entschluß, die verschiedenen Richtungen dieser wichtigen und erfolgreichen Bewegung in Biographien derjenigen Frauen niederzulegen, welche von je eine hervorragende Stellung unter den weiblichen Pionieren unseres Jahrhunderts einnehmen.“ Die Portraits, welche die ersten Hefte enthalten sind mit liebevoller Sorgfalt ausgeführt und erwecken ein günstiges Vorurtheil für die künftig zu erwartenden Charakterköpfe dieser Frauengalerie.
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