Die Salzkammergutbahn

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Textdaten
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Autor: Otto Prechtler
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Titel: Die Salzkammergutbahn
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 594–595
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Bilder aus dem Salzkammergut.
Nach der Natur gezeichnet von Hermann Heubner.

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Die Salzkammergutbahn.
Von Otto Prechtler.
Mit Abbildung.

Hingelehnt und allmählich aufsteigend mit seinen Alpenriesen zwischen den Grenzen von Baiern, Oberösterreich und Steiermark, beherrscht von den krystallenen Gipfeln des Dachsteins, durchrauscht von den grünen Wellen der eilenden Traun – mit den tiefblauen Augen seiner herrlichen Seen – grünt und blüht es, das Paradies der österreichisch-steirischen Alpen, das gemüthlich-anheimelnde Land mit dem prosaischesten aller Namen – das Salzkammergut. Wenn es bisher schon diesem Stückchen Erde an Zufluß von Reiselustigen nicht fehlte, so werden sie fortan in Strömen kommen, da nunmehr auch in dieses „Paradies“ die eherne Schlange der Eisenbahn eingedrungen ist und es seiner ganzen Länge nach durchzieht.

Wir besteigen den Zug in Attnang, dem Ein- und Ausgangspunkte der aus dem deutschen Reiche kommenden Reisenden, und wollen es versuchen, die hervorragendsten, schönsten und interessantesten Bilder der jungen, unvergleichlichen Alpenschienenstraße festzuhalten.

Gerade gegenüber dem Bahnhofe von Attnang steigt in scheinbar sehr kleiner Entfernung der majestätische Traunstein empor, seine König-Ludwigs-Silhouette im blauen Aether, seinen Fuß im Abgrunde des Traunsees badend, weithin schauend in das reichgesegnete Oberland. Immer höher und riesiger scheint der Bergesalte zu wachsen, je näher das Dampfroß durch das liebliche Aurachthal dem weithin berühmten Gmundner Paradiese entgegenbraust. Da liegt die kleine weißschimmernde Seestadt, amphitheatralisch sanft vom nordöstlichen Ufer des herrlichen Sees aufsteigend, überragt von grünen Hügeln, hinschauend auf die zahlreichen glänzenden Villen an den Bergabhängen, welche in den letzten fünfzehn Jahren wie durch ein Zauberwort diesem Eden Oesterreichs entwachsen sind.

War Gmunden, welches den Gartenlaubenlesern erst jüngst in Wort und Bild vorgeführt worden (Nr. 13), noch vor einigen Jahrzehnten eine fast nur von Studenten und spärlichen Touristen im Sommer besuchte Alpeneinsamkeit, so hat die Neuzeit ein kleines Nizza daraus gemacht, das von den höchsten und hohen Herrschaften aller Länder und den Geldfürsten Israels gern bewohnt und von tausend und aber tausend Wanderlustigen besucht wird. Das Seethal von Gmunden, umschlossen einerseits von sanft aufsteigenden, mit Tausenden von Obstbäumen gesegneten oder waldigen Höhen, andererseits von den schneebedeckten Ausläufern des weitverzweigten Hochgebirgs, gewährt aber auch in der That eines der reizendsten Landschaftsbilder, welche die österreichischen Alpen aufzuweisen haben.

An dem aus einer Insel des Traunsees liegenden Schlosse Ort und dem anmuthig situirten alterthümlichen Altmünster, desgleichen an Schloß Ebenzweier, jetzt Besitzung der Gräfin Chambord, vorüber, führt die Bahn in mäandrischen Krümmungen an die Station Traunkirchen, die ehemalige Stätte eines Nonnenklosters. Zunächst hinter Traunkirchen erhebt sich der 1085 Meter hohe Dolomitfels Sonnenstein, durch dessen endlos scheinenden, 1450 Meter langen Tunnel die eherne Schlange ihren Lauf nach Ebensee mit seinem großen Salzsudwerke nimmt. Unweit Ebensee liegen die einsamen Langbathseen, in deren Umgebung der Kaiser von Oesterreich seine Lieblingsjagdreviere hat.

Von Ebensee längs der und über die Traun führt uns der Schienenweg in breiter Waldschlucht der Sommerfrische von Ischl zu, das sich im Laufe der letzten Decennienz zu einem glänzenden Curorte emporgeschwungen hat; namentlich haben die gichtbannenden Soolbäder den Markt berühmt gemacht. Es ist der alljährliche Badeort des Kaisers von Oesterreich, dessen prächtige Villa das Thal beherrscht. Als überaus lohnende größere Ausflüge von Ischl aus müssen wir die Fahrt nach dem großen Attersee mit seinen malerische Uferstationen und dem Seebade Schloß Kammer, so wie die Fahrt nach Mondsee, und den bequemen, höchst interessanten Aufstieg auf den österreichischen Rigi, dem fernhin schauenden Schafberg (1789 Meter hoch), bezeichnen.

Von Ischl führt der Dampfzug uns an dem uralte Laufen mit seinem kleinen Traunfall vorüber – abermals längs der Traun – nach dem kleinen Anzenau mit der weitbekannten Chorinskyklause, jener Holzschwemme-Vorrichtung mit den zu einem kleinen See angestauten Gebirgswassern, deren Eröffnungstag stets in Ischl angekündigt wird, weil der Wasser- und Holzsturz wirklich ein großartiges und deshalb vielbesuchtes Schauspiel gewährt. Von da fortdampfend, berühren wir das uralte Dorf Goisern, dessen römischer Ursprung durch die vielen hier ausgegrabenen römischen Münzen wohl erwiesen ist. Wir begrüßen den Ort als die Wohnstätte Conrad Deubler’s (Jahrg. 1875, S. 400), der eines Ludwig Feuerbach verständnißvoller Freund war und der für seine muthige Geistesfreiheit unglaublich schwer gelitten hat.

Von da gelangen wir an das nördliche Ende des Hallstädtersees und das Oertchen Steg, und längs des dunkeln Spiegels – dem terrassengleich aufsteigenden Hallstadt gegenüber – nach Obertraun. Wir sind hier von steil aufsteigenden Alpengiganten eingeschlossen, über deren Gipfel im Winter monatelang der Sonnenstrahl nicht einmal auf kurze Frist sich Bahn bricht. Stumm und todt, wenn kein Sturm ihn aufwühlt, liegt der grünschwarze See in dem ewigen Alpensarge, an dessen Wänden die kleinen Häuschen der Hallstadt kleben, welche keine Gassen und Gäßchen hat und nur durch Stiegen und selbst Dächer die Communication ermöglicht. Die Bewohner von Hallstadt sind theils in den kaiserlichen Salzwerken bedienstet, theils finden sie einen Haupterwerbszweig im Schnitzen von anmuthenden oder praktischen Holzgegenständen; in jüngster Zeit ward dort sogar eine eigene Holzschnitzerschule gegründet, welcher ein Professor mit Staatsgehalt vorsteht. Der Salzberg von Hallstadt bildet die ältest-benutzte Salzgrube des Salzkammergutes und gipfelt in dem buchenbewachsenen, hochgelegenen und steilaufsteigeden Rudolphs-Thurme mit der Wohnung des Bergmeisters. In neuerer Zeit fand man bei Hallstadt aus Anlaß von Ausgrabungen Menschengerippe von mehr als normaler Größe, Waffen und seltsame Schmuckgattungen, die wahrscheinlich celtischen Ursprunges sind; auch werden die Erdhöhlungen „Celtengräber“ genannt.

In einer desto reizenderen Thalmulde sehen wir das protestantische Dorf Obertraun, von welchem dann die Straße über den Koppen nach dem vielgenannten steiermärkischen Markte Aussee führt. Eine höchst romantische Naturschönheit, durch schauerliche Enge und Steinbildungen eigenthümlich fesselnd, ist [595] das durch den Schienenstrang jetzt ganz zugängige Koppenthal, das die Traun zwischen himmelansteigenden Felsenreihen rauschend und donnernd durchbricht. Hier ragt auch der 1985 Meter hohe Sarstein in die blaue Luft, von dessen Gipfel aus die volle Aussicht über das ganze Salzkammergut sich aufthut. In der Schlucht des Sarsteins zählten wir vierzehn Lawinenstürze, welche von seinen Gipfeln und hohen Wänden herab in die Traun stürzten; eine der letzteren übersprang sogar die Traun und deckte, Wald und Wild mit sich reißend, die Eisenbahn an sechszehn Fuß hoch zu, sodaß noch nach drei Monaten der Zug durch die geöffnete Kluft der Lawine fuhr.

Nun ruht das Dampfroß vor dem schönen Bahnhof in Aussee, dem in letzter Zeit oft und gern genannten Curort mit seiner äußerst lieblichen Lage und waldfrischen Umgebung. Die drei Arme der Traun, welche aus dem Alt-Aussee, Grundlsee und Oedensee hereinreichen, umschlugen den frischlebigen Markt, der im Sommer von vielen Fremden aus allen Gegenden für längere Zeit besucht wird. Vorzugsweise sind es die wundervollen Umgebungen, welche Aussee anziehend und unvergeßlich machen. Vor Allem wandere der Naturfreund durch schattiges Waldthal zum hochromantischen Alt-Aussee, in den die steile, castellähnliche Trisselwand senkrecht hinabfällt. Die Bergriesen in seiner Nähe, namentlich der Loser und Sandling, überschatten seine stillen Gewässer, welche den Eindruck einer wahrhaft poetischen, nicht eben herabstimmenden Melancholie machen. Heiterer und heller spiegelt der Grundlsee den blauen Azur eines wolkenfreien Himmels; seine Ufer sind üppig-grüne Wiesen und sanft aufsteigende Waldhöhen. Ein besonders schöner Menschenschlag haust an den Ufern des Grundlsees, aus welchem die ruhelose Tochter des Salzkammergutes, die grüne Traun, entspringt, von See zu See eilend, bis sie mit der ernstströmenden Donau sich verbindet.

Von Aussee ab, gegen die Wasserscheide der Traun und Enns hin, steigt nun der Schienenweg an den Orten Mühlreith, Pichel und Knoppen – dies weniger durch malerische Umgebung als durch seine Torfstecherei bemerkenswert – vorüber, gegen Kainisch und Mitterndorf, zwei Stationen, welche durch anziehende kleine Ausflüge nenneswürdig sind. Die nächste Station ist Klachau, wo die Salzkammergutbahn ihre höchste Höhe über dem Meere erreicht. Der Ort selbst bietet an und für sich nichts Interessantes als die mögliche Besteigung des 2346 Meter hohen Grimming, dessen fast senkrechter Abfall und zweigetheilter Gipfel eine großartigfesselnde Eindruck machen.

Von Klachau fort befahren wir die letzten, aber hochinteressanten Ausläufe der eigentlichen Salzkammergutbahn, welche in der Station Steinach-Irdning schließt, wenn auch auf den Schienen der Giselabahn die Waggons noch bis an den steierischen Knotenpunkt Salzthal rollen, von wo die Kronprinz-Rudolph-Bahn einerseits nach Leoben, Klagenfurt und Laibach, andererseits nach Admont und Steyer und bei St. Valentin in die Westbahn abzweigt.

Die letzte Strecke der Salzkammergutbahn entrollt ein überwältigendes Bild, wie sich dessen wenig deutsche Bahnen erfreuen dürften. Hinter Klachau öffnet sich ein reichbewachsenes schluchtähnliches, langgestrecktes Thal, durch welches der Wallerbach in schäumenden Cascaden der Ebene und der Enns zustürzt. Nach langem Bogen fährt der Zug in den die Pirggerwand durchziehenden 332 Meter langen Burgstaller-Tunnel, an dessen Ende uns plötzlich im verklärenden Sonnenglanze das weithingeschwungene, alpenumgürtete Ennsthal entgegenlacht; aus seiner Mitte steigt das castellähnliche Schloß Trautenfels auf einem hohen Hügel über der glitzenden Enns empor. Wahrlich ein herzerfreuender, geisterhebender, unvergeßlicher Anblick, werth, die Krone der endenden jungen Bahn zu sein! Noch zischt die eherne Schlange durch den 180 Meter langen Unterburger-Tunnel, in dessen Nähe, tief unten am Fuße des majestätischen Grimming, das Dorf Untergrimming zu versinken scheint. Dann fährt der Zug in den freundlichen Ruhepunkt der Gisela- und Salzkammergutbahn ein, indeß wir uns im Geiste – durch die Luftlinie – wieder nach Attnang versetzen, um die junge Bahn bis an den Inn zu durchfahren.

Von Attnang ab, der Kreuzungsstation nach Wien und Salzburg, führt der Schienenweg in bedeutender Steigung nach Maning-Wolfsegg; die Kohlenlager von Wolfsegg versorgen weitum das Land mit ergiebigster Ausbeute. Eine gute Viertelstunde vom Bahnhofe liegt hoch am Hausruck das weithin sichtbare Schloß Wolfsegg mit überraschender, großartiger Ausschau in’s Land und über die Alpenkette Oesterreichs, Steiermarks und Salzburgs. Von Wolfsegg fort, noch immer aufsteigend, führt die Bahn über das hübschgelegene Holzleithen am Abhange des Hausruck, durch den gewaltigen 706 Meter langen Hausruck-Tunnel an die Marken des Innviertels.

Von der Station Eberschwang aus erreicht man die landesfürstliche Stadt Ried, welche in neuester Zeit einen lebhafteren Aufschwung, aber für Naturfreunde leider keine Gegend aufzuweisen hat. Monotone Fläche, meist sandig, keine Berge und Alpen mehr sichtbar – das ist, kurz gesagt, der Charakter der Landschaft. Längs der Bahn erblicken wir, Ried verlassend, die um einen großen Lindenbaum erbaute Capelle Maria Aich, und bald darauf das alte, ungeheuerliche Schloß Aurolzmünster, welches, wie St. Martin mit seinem auffallend schönen Parke, dem Grafen Arco-Baley gehört. In der Nähe der Bahn liegen auch das berühmte Stift Reichersberg mit seinen großen Alterthumsschätzen und der schöne, hoch am Innufer gelegene Markt Obernberg. Ueber das einstmalige Augustiner-Stift (jetzt „höhere“ Sträflingsanstalt) Suben gelangen wir endlich nach der alten, historisch berühmten Grenzstadt Schärding am klippen- und scheerenreichen, raschhinbrausenden Inn, über den eine uralte Steinbrücke nach Baiern führt. – Und hier scheiden wir von dem Leser mit dem Wunsche, daß ihm vom Schicksal vergönnt sein möge, einmal die Herrlichkeiten der jungen Salzkammergutbahn, deren genialer Erbauer Freiherr von Schwarz sich in ihr ein neues Denkmal zu manchem alten geschaffen hat, aus eigener Anschauung kennen zu lernen.