Die Ursache des Einschlagens vom Blitze:§ 17

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
§ 16 <<<
Die Ursache des Einschlagens vom Blitze ab S. 47
>>> § 18
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicken Sie bitte auf die entsprechende Seitenzahl.


§. 17.

Es ist aber allerdings zu rathen, daß die metallene Ableitung aussen am Gebäude herunter gehe, und nicht eingeschlossen sey. Meine Ursache ist nicht allein, weil der Drath, wenn er für die Menge der durchfahrenden Gewittermaterie zu dünne wäre, glüend, ja in kleine Theile zerstäubet werden und benachbarte brennbare Dinge anzünden könnte **), (denn dieses ist bey Dräthen von der beschriebenen Dicke, |[48] wenn die Materie frey zur Erde abfliessen kann, kaum zu befürchten:) sondern, weil die Gewittermaterie sehr elastisch befunden wird, und, wenn sie in Menge vorhanden ist, nicht bloß durch das Innere des Metalles zu gehen, sondern dasselbe auch als mit einem würksamen Dunstkreise zu umgeben scheinet. Daher, wenn der Drath zwischen Körpern eingeschlossen ist, welche die Gewittermaterie nicht frey durchlassen, so könnten selbige zerschmettert werden *), |[49] oder es könnten wenigstens Personen, die sich im Hause eben dabey befänden, Schaden nehmen *). Wenn er aber in freyer Luft ist, so rauschet der Blitz ohne Schaden daran herunter, sogar, wenn auch der Drath zu dünne wäre und geschmolzen würde, wie man in der Kirche zu Newbury und verschiedenen andern Beyspielen erfahren hat **). Man müßte nur |[50] zur Sicherheit, einen solchen bequemen Ort wählen, die Ableitung am Gebäude herunter zu führen, wo nicht leicht Menschen in der Nähe sich aufhalten, oder aus einer Thür heraus kommen könnten. Einige haben sich indessen bey den Ableitungen des Blitzes noch mehrere ungegründete Schwierigkeit vorgestellet. Sie haben nämlich gemeinet, daß das Metall unterwegs keine andere Körper berühren müßte, welche irgend die Electricität annehmen, so wie man etwa das Abfliessen derselben bey den kleinen electrischen Versuchen durch Glas, Seide und s. f. verwehren muß. Solches ist bey dem Durchfahren eines Schlages gar nicht nöthig, denn die Metalle haben genugsamen Vorzug vor Holz und Steinen, wenn diese auch gleich naß wären, um die Gewittermaterie von ihnen abzulocken, wie die oben angeführten Erfahrungen von den bleyernen Rinnen beweisen, dabey, so weit das Metall gereichet die anliegenden Theile nicht verletzet worden *). Endlich sollte aber das Metall, |[51] wie Herr Watson[1] nicht ohne Grund, wenigstens bey besonderer Gefahr, verlanget, bis in einen Canal, Brunnen oder Siel, darinn Wasser ist, oder doch in recht feuchte Erde hineingeleitet werden. Wir sehen zwar, daß der Blitz, wenn er die Erde erreichet, keinen merklichen Schaden mehr thut, und möchten glauben, es würde genug seyn, wenn der Drath nur die Erde berührte. Er berufet sich aber darauf, daß, da der Ableitungsdrath von dem obenerwähnten Hause in Philadelphia sich an einer eisernen Stange geendiget, welche 4 oder 5 Fuß tief in die Erde geschlagen gewesen, der darauf gefallene Blitz noch 6 bis 8 Fuß weit seinen Schein bey der Stange, über das vom Regen benetzte Pflaster der Strasse, verbreitet hat, und also die Materie nicht so geschwinde von der Erde scheinet angenommen worden zu seyn, als sie herabgestürzet ist *). Es wäre demnach zu besorgen, daß, wenn viel Gewittermaterie auf einmal darauf schösse, solche an dem Ableitungsmetalle sich noch etwas anhäuffen und ihre ausdehnende Kraft äussern möchte. Man könnte ja auch leicht ein Siel oder Gosse in der Nähe finden, dahin sich das Ende eines solchen Drathes, Bleistriemen, oder d. gl. hineinleiten liesse, oder selbiges so tief in die Erde stecken, da man Wasser fände, indem der Zweck ist, daß die Materie des Blitzes sich aufs geschwindeste |[52] vertheilen möge, dazu, nebst den Metallen, das Wasser am geschicktesten befunden worden.

|[47]**) Metallene Dräthe, welche in ein Paar Häusern in Sonthwark, da ein Wetterstrahl einschlug, an den Glocken herunter gingen, wurden dadurch so erhitzet und ausgedehnet, daß sie geschmolzen, und in kleine Stücke und Stäubchen zersprenget wurden, welche allent|[48]halben umher Löcher eingebrannt hatten, und an einigen Orten, wo der Drath eingeschlossen gewesen, waren die umliegenden Theile abgesprenget. (Phil. Trans. Vol. LI. p. 286.[2] sqq.) In dem Marktthurme zu Hannover hatte der Blitz die eiserne Dräthe, welche zu den Glocken gingen, und längst welche er herab gefahren war, auch nicht allein zerrissen und zerschmolzen; sondern es war auch der Boden, da, wo sie durchgeleitet waren, und anderes anstossende Holzwerk dabey angebrannt. (Hannövrische Beytr. 1761. N. 47. p. 731.) Hr Kinnersley[3] hat es sogar durch die electrische Versuche so weit gebracht, wenn ein Drath, dadurch er den Schlag gehen ließ, dünne genung war, daß Schießpulver und Zunder davon entzündet wurden, da bey einem dickeren durch eben dergleichen Schlag keine Erhitzung zu spüren war. ( Phil. Trans. Vol LIII. p. 92.[4]) - Diejenigen brennbaren Theile sind also in der größten Gefahr bey einem Blitze entzündet zu werden, welche an ein dünnes Metall anstossen, dadurch sich die Gewittermaterie gleichsam durchdrängen muß.

*) Man hat dieses auch bey einem elektrischen Ver|[49]suche mit einem dünnen metallenen Drathe, der zwischen zwey Stücken Glas eingeschlossen war, wenn der Schlag dadurch geleitet wurde, erfahren. - Dennoch hatte der Blitz um die Helmstange am Brigittenthurme, welche 2 Zoll im Gevierten dick war, nicht eher als unten beym Ende der Stange die anliegenden Steine weggeschlagen. In der Altonaer Kirche, wo der Strahl durch den dünnen eisernen Drath unter der ganzen Gipsdecke weggelaufen, war nur an den Orten, wo die Nägel gesessen, oder wo der Drath umgewickelt war, der Gips abgeschlagen, dabey doch das Holz darüber unbeschädigt.- Wäre demnach von solchem Metalle, wo itzt noch einige Gewalt durch den Blitz ausgeübet worden, eine Ableitung herunter bis ins Wasser gegangen, darinn sich die Materie sogleich hätte verlieren können, ohne sich anderer anstossenden Körper wegen aufzuhalten; so würde vermuthlich wenig oder nichts zu spüren gewesen seyn. S. §. 23.

*) Derjenige, welcher sich in dem Hause zu Philadelphia (davon §. 12.) an die Mauer gelehnet hatte, daran aussen die Ableitung herunterging, empfand doch eine starke Erschütterung.

**) S. oben §. 10. und Philos. Trans. Vol. LII. P. II. p. 634.[5]

|[50]*) Man kann es auch bey dem sogenannten Leidenschen Versuche[6] wahrnehmen, indem der electrische Schlag allezeit durch eine Kette, Drath oder anderes Metall, gehet, wenn solche gleich in beliebten Krümmungen auf dem Boden liegen, oder sonst andere Körper berühren. Hr. Franklin[7] zeigte es an den vergoldeten Linien auf einem Buche, längst welche der kleine Blitz hinfähret, und nicht den geraden nächsten Weg durch den Zwischenraum nimmt.

|[51]*) Vielleicht war eben die Nässe vom Regen über dem Pflaster die Ursache, daß der Strahl bey der erwähnten Stange sich so verbreitete.

Anmerkungen (Wikisource)[Bearbeiten]

  1. Herr WatsonWilliam Watson (1715–1787), englischer Apotheker, Arzt und Naturforscher. Als Mitglied der Londoner Royal Society führte Watson ab 1744 zahlreiche Experimente zur Elektrizität durch. Besondere Bekanntheit erlangte er für seine Forschungen zur sogenannten „Leidener Flasche“, der frühesten Bauform eines Kondensators. Aufbauend auf den Experimenten Benjamin Franklins veröffentlichte er 1764 einen eigenen Vorschlag zum Schutz von Pulvermagazinen vor Blitzen.
  2. Phil. Trans. Vol. Li. p. 286. – William Mountaine: An Account of Some Extraordinary Effects of Lightning, in a Letter to Dr. Gowin Knight: By Mr. William Mountaine, F. R. S., in: Philosophical Transactions 51 (1759/1760), S. 286–299.
  3. Hr KinnersleyEbenezer Kinnersley (1711–1778), führte in Philadelphia Experimente zur Elektrizität durch und stand in engem Kontakt mit Benjamin Franklin. 1748 demonstrierte Kinnersley, dass elektrischer Strom durch Wasser fließen kann. Auf seinen ab 1751 unternommenen Reisen hielt er Vorträge über den Nutzen von Blitzableitern.
  4. Phil. Trans. Vol LIII. p. 92. – Ebenezer Kinnersley: New Experiments in Electricity: In a Letter from Mr. Ebenezer Kinnersley, to Benjamin Franklin, LL. D. F. R. S., in: Philosophical Transactions 53 (1763), S. 84–97, hier S. 92.
  5. Philos. Trans. Vol. LII. P. II. p. 634. – William Watson: Some Suggestions concerning the Preventing the Mischiefs, Which Happen to Ships and Their Masts by Lightning; Being the Substance of a Letter to the Late Right Honourable George Lord Anson, First Lord of the Admiralty, and F. R. S. by William Watson, M. D. F. R. S., in: Philosophical Transactions 52 (1761/62), S. 629–635, hier S. 634.
  6. bey dem sogenannten Leidenschen Versuche – …
  7. Hr. FranklinBenjamin Franklin (1706–1790), Verleger aus Philadelphia, Mitunterzeichner der Unabhängigkeitserklärung und Mitschöpfer der amerikanischen Verfassung. Franklin führte Experimente zur Reibungs- und Gewitterelektrizität durch und erfand den Blitzableiter.