Die Weimarischen Festtage

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Autor: J.
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Titel: Die Weimarischen Festtage
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 763–764
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[763]

Die Weimarischen Festtage.

Mit Zeichnungen von Richard Starcke.

„Gott grüß Euch, Brüder, sämmtliche Oner und Aner!
Ich bin Weltbewohner – bin Weimaraner –

Wohin willst Du Dich wenden?
Nach Weimar-Jena, der großen Stadt,
Die an beiden Enden viel Gutes hat –“

Also sang der Altmeister Goethe vor mehr als drei Menschenaltern, aber daß auch heut’ noch die Ilmstadt als Mittelpunkt geistigen Gebens ihren alten klassischen Nimbus bewahrt hat, dafür gab die Jubelfeier der Goldenen Hochzeit des großherzoglichen Fürstenpaars Carl Alexander und Sophie vollwichtiges Zeugniß. Ein Jahrhundert ist im Kulturleben der Menschheit keine große Spanne, trotzdem ist dies Festhalten an alten Ueberlieferungen in unserer raschlebigen Zeit ein bedeutsames Zeichen. Und neben die unvergänglichen Spuren, welche die klassische Epoche hinterlassen hat, haben sich diesmal Kundgebungen deutscher Treue und Liebe gestellt, welche unmittelbar aus dem Herzen des Volks ihre Blüthen trieben. Goldene Hochzeiten sind im Laufe der Jahrhunderte im Hause Wettin mehrfach gefeiert worden, aber wohl keine mit so reichem Glanze, mit so überströmender Herzlichkeit und Wärme, gleichsam wie ein Familienfest des ganzen Volks, und wenn ein Gedicht der Weimarer Zeitung vom 8. Oktober begann:

„Heil Euch – ein halb Jahrhundert schwand,
Seit Ihr den Lebensbund geschlossen.
Geläut hinwogt durch Stadt und Land,
Ein Jubelstrom hat sich ergossen.
Das sind erhabene Weihestunden,
Wenn Goldner Hochzeit Myrthe blüht.
Was Euch beglückt, wird mitempfunden
Zugleich im tiefsten Volksgemüth“ –

so waren das keine Phrasen, sondern der ungeschwächte Ausdruck der Wahrheit.

Aus dem Festzug: Huldigung der thüringischen Städte.

Den Beginn der festlichen Zeit machte am 1. Oktober die Aufführung des „Bernhard von Weimar“ von Wildenbruch. Ich glaube nicht, daß der Berliner Dramatiker dies Stück für diese Gelegenheit neu geschrieben hat, sonst wäre die Wahl des Stoffs eine sonderbare; denn was hat ein Held des Dreißigjährigen Kriegs mit der Goldenen Hochzeit des Fürstenpaares in unserem Jahrhundert zu thun? Aber wenn es die Absicht war, überhaupt die Dynastie durch einen Helden des Hauses zu feiern, so war die vorhandene, aber hier noch unbekannte Neuheit ganz willkommen. Bekanntlich haben sich schon mehrere Dramatiker an diesem Stoffe versucht, aber keiner hat dessen Klippen ganz überwinden können. Nur widerwillig folgen die Sympathien einem deutschen Fürsten, der bewußt oder unbewußt mit dem Erbfeind paktiert.

[764] Auch Wildenbruchs Stück ist bei allen Vorzügen nervenerregender Scenen und geschickter Steigerung nicht viel glücklicher gewesen. Man fand, daß die schwankende Charakterzeichnung wenig geeignet sei, für den Helden zu erwärmen, aber man zollte der in jeder Beziehung vortrefflichen Aufführung alle Anerkennung.

Nach dieser Eröffnungsfeier folgte in den nächsten Tagen das Eintreffen der zahlreichen hohen Gäste und Fürstlichkeiten. Weimar als klassischer Wallfahrtsort ist an den dauernden Fremdenstrom gewöhnt, aber einen so glänzenden Kranz von gekrönten Häuptern hat es wohl noch nie beherbergt. So ziemlich alle deutschen und Deutschland befreundeten Staaten waren vertreten, und die weitverzweigten Linien des Hauses Wettin waren selten so vollzählig versammelt wie diesmal. Die anmuthige Ilmstadt hatte mit Fahnen, Masten, Laubguirlanden und Blumengewinden ihr prächtigstes Gewand angelegt und entfaltete unter Mitwirkung der nahen Städte Erfurt, Apolda, Jena etc. ein wahrhaft großstädtisches Leben.

Das eigentliche Fest begann am Mittwoch den 5. Oktober mit dem Empfang der 30 bis 40 Abordnungen, für welche drei volle Tage angesetzt waren. Es würde des zehnfachen Raumes und eines besonderen Herolds bedürfen, um allen diesen interessanten Gruppen, welche Spenden und Adressen aller Art überbrachten, gerecht zu werden. Möge es vergönnt sein, hier nur der glänzendsten und der menschlich rührendsten zu gedenken!

In erster Linie stand die Abordnung des Landtags, welche den Betrag von 400 000 Mark – Ersparnisse an den im Laufe der Zeit von den Kammern bewilligten Summen – als Geschenk zu freier Verwendung überbrachte. Daran schloß sich am selben Tage zunächst die Ueberreichnng einer Landessammlung in der Höhe von 140 000 Mark zum Zwecke eines Stiftungsfonds für Gemeindepflege. Am zweiten Tage folgte eine weitere Spende von 27 300 Mark seitens der Goethe-Gesellschaft und der Freunde Weimars als Beitrag zum Bau eines neuen Goethe- und Schiller-Archivs. Eine vierte Gabe von 27 000 Gulden stammt von einem niederländischen Landeskomitee als Ergebniß der Beisteuer von 30 000 Holländern.

Beleuchtung des Theaterplatzes.

Weitaus die rührendste Deputation aber war die Gruppe von Ehejubilaren aus dem Großherzogthum, die unter Führung der Witwe des Staatsministers Stichling erschien – etwa zehn bis zwölf Personen, greise Ehepaare, Witwen und Witwer vom Lande, die ihre Glückwünsche überbrachten. Ich sah diese greisen Ebenbilder von Baucis und Philemon freudestrahlend an mir vorüberziehen; die Frauen waren mit goldenem Kranze, die Greise mit goldenem Sträußlein entlassen worden, und zwar zum Festmahl, das ihnen im Auftrag des Fürstenpaares im Gasthaus zum „Erbprinzen“ gegeben wurde.

Reichlich drei Tage hatten, wie bemerkt, die Abordnungen beansprucht. An den Abenden war selbst das Theater ausgefallen, nur am Vorabend des eigentlichen Hochzeitstages, am Freitag den 7. Oktober, hatte der Hof eine Serenade sämmtlicher neun Musikvereine, Liedertafeln etc. von Weimar unter der Leitung des Kapellmeisters Lassen angenommen. Der Haupttag selbst wurde mit einem Festkonzert nebst Festrede des Oberbürgermeisters auf dem Rathhaus eingeleitet. Die kirchliche Feier fand in der Hofkapelle statt. Unsere Leser werden keine Einzelbeschreibung des Zuges erwarten, der sich unter Vorantritt des Großen Dienstes durch die lange Flucht der Dichterzimmer bewegte, doch war das eindrucksvolle Gesammtbild dieses Gefolges von Fürsten, Herzögen, Königen bis zum Kaiser in dieser Umgebung von eigenartigem Zauber. Dem Jubelpaar schritten seine Kinder nebst sämmtlichen Enkeln voran. Die Großherzogin trug ein Kleid aus schwerem Goldbrokat, der Kaiser erschien in der Galauniform der Garde du Corps. Die Schloßkapelle selbst bot den Anblick eines Hains. Der Altar war mit hohen Blattpflanzen umgeben, selbst die Knieschemel für das Hochzeitspaar waren mit rothen und gelben Rosen umwunden. Der kirchlichen Feier folgte eine feierliche Defiliercour, die Hoftafel mit ihren offiziellen Trinksprüchen etc. In der Stadt aber, die sich mit einbrechender Dunkelheit zur Beleuchtung rüstete, wuchs allmählich die Menschenmenge fast zu bedrohlichen Mauern. Doch glücklicherweise entbehrte sie aller großstädtischen Radauelemente – es ging alles ohne Störung in musterhafter Ordnung, so daß die Festvorstellung im Hoftheater pünktlich um acht Uhr beginnen konnte.

Die Grundzüge wie die besondere Vertheilung der dramatischen Aufgaben für diesen Abend dürfen als das eigenste, sorgfältig vorbereitete Werk des hohen Jubelpaares betrachtet werden. Außer dem Prolog waren nach vorhandenen Bildern acht Scenen aus der Geschichte der Häuser Wettin und Oranien erwählt – lebende Bilder, deren dichterische Einleitung mehreren Verfassern zugetheilt worden war. Der Gesammteindruck dieser Bilder war ein überwältigender, zumal der Musik eine außerordentliche ausgiebige Mitwirkung eingeräumt war.

Die festliche Beleuchtung der Stadt erstreckte sich allerdings mehr auf die ausgedehnte via triumphalis des historischen Festzuges, der am letzten Tage die eigentliche Krone der Festwoche bildete. – Um die Großartigkeit, Vielseitigkeit und Vollendung desselben genügend zu würdigen, bedürfte es eines besonderen Berichtes. Nach monatelangen Vorbereitungen ward durch das Zusammenwirken der Kunstschule mit den Komitees aller Städte des Großherzogthums etwas erreicht, was an Farbenpracht, Gestaltenfülle und Einheitlichkeit den Vergleich mit dem Dresdener Wettinerfest nicht zu scheuen brauchte, ja in mancher Hinsicht jenes übertraf, namentlich in glücklicher Mischung des ernsten historischen Stils mit volksthümlichem Humor und ausgelassenen Genrescenen.

Der Zug, dessen Länge drei Kilometer betrug – waren es doch 60 Wagen, über 300 Pferde und 2000 bis 3000 Personen – wurde eingeleitet von 24 blasenden Postillonen und zerfiel in sechs große Hauptgruppen, die alle selbständig von besonderen Ausschüssen ausgestaltet waren: Die Wartburgzeit – die Reformation – der Dreißigjährige Krieg – die Blüthezeit der Niederlande – Carl Augusts Epoche – die Neuzeit.

Unser nebenstehendes Bild giebt eine Ansicht des Denkmals von Schiller und Goethe am Abend der Beleuchtung, das größere auf S. 749[WS 1] bringt eine Ansicht des Städtewagens, des letzten im Festzug. Voran schreitet eine Gruppe Jungfrauen mit Palmenzweigen, auf dem Wagen selbst unter einer stattlichen Feste befinden sich sechzehn Jungfrauen als Vertreterinnen von sechzehn Städten, die Bürgermeister derselben umgeben in Person den Wagen. Von ganz eigenartigem Reize waren ferner der Blumenwagen mit einer sich schaukelnden Elfe, der Glockenwagen Apoldas mit mächtigem dröhnenden Geläut, der Wartburgwagen – weiter der Wagen der klassischen Epoche, begleitet von einer Schwadron Pappenheimer und den sämmtlichen Hauptgestalten Goethes und Schillers. Der Letztere war übrigens persönlich mehrfach vertreten. Wäre ein Ausländer Zeuge gewesen, so würde er in seinem Bericht vielleicht sagen: „Die Deutschen haben zwei Nationalheilige, die sie bei jeder Gelegenheit wiederbringen, der eine ist Friedrich Schiller, der andere – Gambrinus,“ denn auch dieser, auf einem hohen Faß reitend, war mehrfach vertreten. Er würde aber auch weiter sagen können: „Im deutschen Volke ist seit zwanzig Jahren die Freude am eigenen Sein, an seiner eigenen Geschichte in sinnvoller, reicher Darstellung gewachsen. Die Nation geht einer neuen Entwicklung des Volkslebens entgegen!“ J.      



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