Die beiden Mädchen

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Autor: Christian Fürchtegott Gellert
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Titel: Die beiden Mädchen
Untertitel:
aus: Sämmtliche Schriften. 1. Theil: Fabeln und Erzählungen, Erstes Buch. S. 119-120
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1769
Verlag: M. G. Weidmanns Erben und Reich und Caspar Fritsch
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck 1746/48
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S. 119
S. 120


[119] Die beiden Mädchen.

Zwey junge Mädchen hofften beide,
Worauf? Gewiß auf einen Mann;
Denn dies ist doch die größte Freude,
Auf die ein Mädchen hoffen kann.

5
Die jüngste Schwester, Philippine,

War nicht unordentlich gebaut;
Sie hatt ein rund Gesicht, und eine zarte Haut;
Doch eine sehr gezwungne Miene.
So fest geschnürt sie immer gieng,

10
So viel sie Schmuck ins Ohr, und vor dem Busen hieng,

So schön sie auch ihr Haar zusammen rollte:
So ward sie doch bey alle dem,
Je mehr man sah, daß sie gefallen wollte,
Um desto minder angenehm.

15
Die andre Schwester, Caroline,

War im Gesichte nicht so zart;
Doch frey und reizend in der Miene,
Und liebreich mit gelaßner Art.
Und wenn man auf den heitern Wangen

20
Gleich kleine Sommerflecken fand:

Ward ihrem Reiz doch nichts dadurch entwandt;
Und selbst ihr Reiz schien, solche zu verlangen.
Sie putzte sich nicht mühsam aus,
Sie pralte nicht mit theuren Kostbarkeiten.

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Ein artig Band, ein frischer Straus,

Die über ihren Ort, den sie erlangt, sich freuten,
[120] Und eine nach dem Leib wohl abgemeßne Tracht,
War Carolinens ganze Pracht.

Ein Freyer kam; man wies ihm Philippinen;

30
Er sah sie an, erstaunt, und hieß sie schön;

Allein sein Herz blieb frey, er wollte wieder gehn.
Kaum aber sah er Carolinen:
So blieb er vor Entzückung stehn.

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Im Bilde dieser Frauenzimmer

35
Zeigt sich die Kunst und die Natur;

Die erste pralt mit weit gesuchtem Schimmer,
Sie fesselt nicht; sie blendet nur.
Die andre sucht durch Einfalt zu gefallen,
Läßt sich bescheiden sehn; und so gefällt sie allen.