Die drei Raben (1812)

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Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Die drei Raben
Untertitel:
aus: Kinder- und Haus-Märchen Band 1, Große Ausgabe.
S. 110-112
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1812
Verlag: Realschulbuchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: old.grimms.de = Commons
Kurzbeschreibung:
seit 1812: KHM 25
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Begriffsklärung Andere Ausgaben unter diesem Titel siehe unter: Die sieben Raben.


[110]
25.

Die drei Raben.

Es war einmal eine Mutter, die hatte drei Söhnlein, die spielten eines Sonntags unter der Kirche Karten. Und als die Predigt vorbei war, kam die Mutter nach Haus gegangen und sah, was sie gethan hatten. Da fluchte sie ihren gottlosen Kindern und alsobald wurden sie drei kohlschwarze Raben und flogen auf und davon.

Die drei Brüder hatten aber ein Schwesterchen, das sie von Herzen liebte, und es [111] grämte sich so über ihre Verbannung, daß es keine Ruh mehr hatte und sich endlich aufmachte, sie zu suchen. Nichts nahm es sich mit auf die lange lange Reise, als ein Stühlchen, worauf es sich ruhte, wann es zu müd geworden war, und nichts aß es die ganze Zeit, als wilde Aepfel und Birnen. Es konnte aber die drei Raben immer nicht finden, außer einmal waren sie über seinen Kopf weggeflogen, da hatte einer einen Ring fallen lassen, wie es den aufhob, erkannte ihn das Schwesterchen für den Ring, den es einsmals dem jüngsten Bruder geschenkt hatte.

Es ging aber immer fort, so weit, so weit bis es an der Welt Ende kam, und es ging zur Sonne, die war aber gar zu heiß und fraß die kleinen Kinder. Darauf kam es zu dem Mond, der war aber gar zu kalt, und auch bös, und wie ers merkte, sprach er: „ich rieche, rieche Menschenfleisch.“ Da machte es sich geschwind fort und kam zu den Sternen, die waren ihm gut und saßen alle jeder auf Stühlerchen und der Morgenstern stand auf und gab ihm ein Hinkelbeinchen, „wenn du das Beinchen nicht hast, kannst du nicht in den Glasberg kommen, und in dem Glasberg da sind deine Brüder!“ da nahm es das Hinkelbeinchen, wickelte es wohl in ein Tüchelchen und ging so lange fort, bis es an den Glasberg kam, das Thor war [112] aber verschlossen. Und wie es das Beinchen hervorholen wollte, da hatte es das Beinchen unterweges verloren. Da wußte es sich gar nicht zu helfen, weil es gar keinen Schlüssel fand, nahm ein Messer und schnitt sich das kleine Fingerchen ab, steckte es in das Thor und schloß glücklich auf. Da kam ein Zwerglein entgegen und sagte: mein Kind, was suchst du hier? „ich suche meine Brüder, die drei Raben.“ Die Herren Raben sind nicht zu Haus, sprach das Zwerglein, willst du aber hierinnen warten, so tritt ein, und das Zwerglein brachte drei Tellerchen getragen und drei Becherchen, und von jedem Tellerchen aß Schwesterchen ein Bischen und aus jedem Becherchen trank es ein Schlückchen und in das letzte Becherchen ließ es das Ringlein fallen. Auf einmal hörte es in der Luft ein Geschwirr und ein Geweh, da sagte das Zwerglein: die Herren Raben kommen heim geflogen. Und die Raben fingen jeder an und sprachen: wer hat von meinem Tellerchen gegessen?

Wer hat aus meinem Becherchen getrunken? wie der dritte Rab aber seinem Becherchen auf den Grund kam, da fand er den Ring, und sah wohl, daß Schwesterchen angekommen war. Da erkannten sie es am Ring, und da waren sie alle wieder erlöst und gingen frölich heim.

Anhang

[XIX]
Zu den drei Raben. No. 25.

hierzu vergl. man No. 11. und von dem Glasberg wird sonst noch so erzählt: es war eine verzauberte Königstochter, die konnte niemand erlösen, als wer den Glasberg erstiegen hätte, worein sie gebannt war. Da kam ein junger Gesell ins Wirthshaus, zum Mittagessen wurde ihm ein gekocht Hühnchen vorgesetzt, alle Knöchlein davon sammelte er sorgfältig, steckte sie ein und ging nach den Glasberg zu. Wie er dabei angekommen war, nahm er ein Knöchlein und steckte es in den Berg und stieg darauf, und dann als ein Knöchlein und als eins, bis er so fast ganz hinaufgestiegen war, aber er hatte nur noch eine einzige Stufe übrig, da fehlte ihm ein Knöchelchen vom Hühnchen, worauf er sich den kleinen Finger abschnitt und in den Glasberg steckte, so kam er vollends hinauf und erlöste die Prinzessin. – So erlöst Sivard stolt Bryniel af Glarbierget, indem er mit seinem Fohlen hinaufreitet; in einem dithmarser Lied kommt vor:

[XX]

so schalst du my de Glasenburg
mit eenen Perd op rieden;

Wolfdieterich wird in einen Graben gezaubert, da waren:

vir perg vmb jn geleit
die waren auch glesseine
vnd waren hel und glat,

nach dem Dresdn. Wolfd. str. 289; im gedruckten heißt es str. 1171.:

mit glasse was fürware
burg und grabe überzogen,
es mocht nichts wan zum tore
sein in die Burg geflogen.

Dies erinnert an die rabbinische Mythe vom Schamir, womit der Auerhahn das Glas sprengt, das man ihm über sein Nest gelegt. (s. auch Reinfried v. Braunschweig) König Artus wohnt bei der Fee Morgan auf der Glasinsel, und leicht ist gar ein Zusammenhang, nicht bloß im Wort, mit dem nordischen Gläsiswoll, wovon anderswo. –

Zu dem ganzen Märchen gehört aus dem Pentamerone hierher IV, 8. li sette[1] palommielle, wo Cianna gleichfalls in der Welt herumzieht, ihre 7 Brüder zu erlösen, nebst einer Menge eigenthümlicher, schöner Wendungen. Wenn das Schwesterchen hier an das Weltende gelangt, so vergl. man dazu, was zu No. 1. aus dem schottischen bemerkt worden. Auch Fortunatus reist so weit, bis er endlich nicht mehr weiter konnte, und Nierup S. 231. bemerkt dazu folgende Stelle aus einem Lied:

gamle Sole ligge der,
og forslidte Maaners Här,
hvoraf Stjerner klippes.

hierzu ein anderes im Wunderhorn I, 300. sonst auch von hohen Bergen, die bis an den Mond reichen, im Titurel einmal:

swer gar der erde ende
so tiefe sich geneiget,
der vindet sunder wende,
daz er antarcticum wol vingerzeiget.

Voß in seiner Abhandlung über die alte Weltkunde [XXI] giebt folgende Fragmente: „die Spinnmädchen erzählen von einem jungen Schneidersgesellen, der auf der Wanderschaft immer weiter und weiter ging, und nach mancherlei Abenteuern mit Greifen, verwünschten Prinzessinnen, zaubernden Zwergen und grimmigen bergeschaufelnden Riesen zuletzt das Ende der Welt erreichte. Er fand sie nicht, wie die gewöhnliche Meinung ist, mit Brettern vernagelt, durch deren Fugen man die heil. Engel mit Wetterbrauen, Blitzschmieden, Verarbeitung des alten Sonnenscheins zu neuem Mondlichte und des verbrauchten Mond- und Sternenscheins zu Nordlichtern, Regenbogen und hellen Dämmerungen der Sommernächte beschäftigt sieht. Nein, das blaue Himmelsgewölbe senkte sich auf die Fläche des Erdbodens wie ein Backofen. Der Mond wollte eben am Rande der hohlen Decke aufgehn, und der Schneider ließ sich gelüsten, ihn mit dem Zeigefinger zu berühren. Aber es zischte, und Haut und Fleisch war bis an den Nagel hinweggesengt.“ – Ein Theil der Fabel erinnert auch an das Altdän. Lied von Verner Ravn, der von der Stiefmutter verflucht war, und dem die Schwester ihr kleines Kind giebt, durch dessen Auge- und Herzblut er seine menschliche Gestalt wieder erlangte.


Hieran schließen wir noch eine märchenhafte Erzählung vom Mond an, die in Menanders Fragmenten oder in Plutarchs kleinen Abhandlungen erhalten ist, wozu man gleichfalls eine äsepische Fabel (edid. Furia 396.) vergleiche. – Der Mond sprach einmal zu seiner Mutter: „die Nächte sind so kalt, ich friere, mach mir doch ein warmes Kleid!“ Sie nahm das Maaß, und er lief fort, wie er aber wieder kam, war er so groß geworden, daß das Röcklein nirgends passen wollte. Da fing die Mutter an, und trennte die Nähte und ließ aus, allein die Zeit währte dem Mond zu lange, und er ging wieder fort seines Weges. Emsig nähte die Mutter am Kleid, und saß manche Nacht auf beim Sternenschein. Der Mond kam zurück, und hatte viel gelaufen, und hatte [XXII] darum viel abgenommen, war schmächtig und bleich geworden, das Kleid war ihm also viel zu weit, und die Ermel schlotterten über die Knie. Da war die Mutter bös, daß er sie so zum Narren habe, und verbot ihm, je wieder ins Haus zu kommen. Deswegen muß nun der arme Schelm nackt und bloß am Himmel laufen, bis daß jemand kommt und ihm ein Röcklein kauft.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: lisette (Druckfehler. Siehe S. 363)