Die grosse Ravensburger Gesellschaft/1

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Vorwort Die grosse Ravensburger Gesellschaft (1890) von Wilhelm Heyd
Name und Ursprung der Gesellschaft
Die Huntpiss an der Spitze und die weiteren Genossen
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1. Name und Ursprung der Gesellschaft.

Ladislaus Suntheim spricht in seiner sogenannten Chronik von einer Handelsgesellschaft, welche die Vorläuferin gewesen sei für die zu seiner Zeit blühenden Fugger und Welser. Er bezeichnet sie im Vergleich zu diesen als die erste Gesellschaft in hochdeutschen Landen. Sie sei in Ravensburg „erfunden und gemacht“, d. h. gegründet worden durch die Bürger, genannt die Mötili[1]. Nach diesen Eingangsworten fährt er so fort: „Und in dieselben Geselschafft sind nachmalen khomen die Humpis, Pesserer, Täschler, Geldrich, Montpratn, Neydeckhenn, Anckareyte und ander, unnd ist die gros Geselschafft wordenn und haben gehannttirt in das Kunigreich von Appels, in Lamparttn, in die Kunigreich von Arragon, Valens, in Kastilia und in Katalonia etc.“ Die Geschichte dieser Ravensburger Handelsgesellschaft soll im folgenden durch neu gefundene Dokumente weiter aufgehellt werden. Ich heisse sie „die grosse Gesellschaft“ nicht bloss nach dem Vorgang Suntheims, sondern weil sie selbst diesen Namen führte. Wiederholt wird sie so bezeichnet in Urkunden aus [8] Bern, Luzern und Konstanz; in Mailand kannte man sie als die compagnia grande, als die magna societas mercatorum altioris Alamaniae oder superioris Germaniae. Was ihr ein Anrecht auf diese Benennung gab, war schon die erhebliche Zahl ihrer Mitglieder, welche sich auf den kleinen Kreis von Ravensburger Patriziern, die Suntheim aufzählt, keineswegs beschränkte, sondern durch Geschlechter der Nachbarstadt Konstanz namhaft verstärkt wurde und sogar in Schweizer Städte hinübergriff. Gross konnte sie aber auch genannt werden wegen der reichen Geldmittel, über die sie verfügte, und wegen der Ausdehnung ihrer Handelsverbindungen, von welcher die eben angeführten Worte Suntheims eine hohe Vorstellung erwecken, die aber durch die mir zugänglichen Urkunden sich noch bedeutender herausstellt.

In den Ravensburgern weckte schon die Nähe des Bodensees frühzeitig die Lust zu kaufmännischen Unternehmungen. Der Natur der Sache nach befassten sich zuvörderst nur einzelne mit dem Handelsbetrieb, und wenn ein Zusammenarbeiten stattfand, so blieb dies anfänglich auf den engsten Familienkreis beschränkt. So sind es zwei Gebrüder Wirt, welche vor 1400 mit Venedig in Verkehr traten und dort ihre Faktoren unterhielten; zwei Gebrüder Segelbach schlagen um dieselbe Zeit denselben Weg mit ihren Waren ein[2]. Und so mag auch das Haus Möttelin (Mötteli) zunächst für sich allein das Geschäft begonnen haben; je weiter es aber seine Kreise zog, desto mehr schien sich ihm die Vereinigung mit andern Ravensburger Kaufmannshäusern zu empfehlen. Daraus entstand, um Suntheims Worte zu gebrauchen, die erste Gesellschaft in hochdeutschen Landen. Dafür, dass die Möttelin ihre Gründer waren, bürgt uns freilich bloss die Tradition, welche der Ravensburger Suntheim in seiner Vaterstadt vorfand. Ueber die Zeit der Gründung erfahren wir von ihm nichts. Wir können aber dieselbe nicht früher als in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts setzen. Denn der [9] Name Möttelin erscheint überhaupt in den Bürgerlisten Ravensburgs erst im Jahr 1337, in welchem Ulrich Möttelin das dortige Bürgerrecht erwirbt[3].


  1. Als ich auf diese Stelle zum erstenmal aufmerksam machte (Württ. Vierteljahrshefte für Landesgesch. 1880, S. 147), las ich den Namen der ersten Gründer „Mönli“. Ich glaube aber nach nochmaliger Einsicht der Handschrift, dass „Mötili“ gelesen werden muss; auch P. Stälin, Gesch. Württembergs 1, 792 sieht die Möttelin als die Vorgänger der Huntpiss an.
  2. Simonsfeld, der Fondaco dei Tedeschi in Venedig 2, 64 und die dazu gehörigen Urkunden.
  3. Hafner, Geschichte der Stadt Ravensburg (Ravensb. 1887) S. 174. 182; vgl. ferner S. 316 f.


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