Don Kichote de la Mantzscha

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Miguel de Cervantes
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Don Kichote de la Mantzscha
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1648
Verlag: Thomas Matthias Götze
Drucker: Salomon Schadewitz
Erscheinungsort: Frankfurt
Übersetzer: Pahsch Basteln von der Sohle (Pseudonym für Joachim Caesar)
Originaltitel: El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Biblioteca Virtual Joan Lluís Vives, Commons; im VD17 unter der Nummer 23:287039F
Kurzbeschreibung: Teilübersetzung des Don Quijote
Erste Übersetzung des Romans ins Deutsche.
Text auch als E-Book (EPUB, MobiPocket) erhältlich
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
Editionsrichtlinien:
  • Die Editionsrichtlinien beruhen auf Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Die Rechtschreibung folgt dem Original.
  • Grundlegende Layout-Informationen (Sperrschrift, Antiqua) bleiben erhalten.
  • Achtung! Die Personalpronomen ihr, ihm, ihn, ihrem … werden ebenfalls getreu den Scans mit einem "j" am Anfang (also jhr, jhm, jhn, jhrem …) übertragen. Auch das Wort immer ist davon betroffen (jmmer).
  • Das große „I“, das in Fraktur wie üblich der gleiche Buchstabe wie das große „J“ ist, wird hingegen nach dem Lautwert übertragen.
  • Eindeutige Kürzungen werden stillschweigend aufgelöst. Bei Mehrdeutigkeit werden die aufgelösten Kürzungen in eckige Klammern gesetzt.

[1]

Don Kichote de la Mantzscha,
Das ist:


Juncker Harnisch auß Fleckenland /


Auß Hispanischer Spraach in hochteutsche vbersetzt.


Kauff mich: Vnd liß mich.
Rewts dich: So friß mich.
Odr ich       Bezahl dich.



Franckfurt /
In Verlegung Thomæ Matthiæ Götzen.
1648.


[2]

[WS: Leere Seite]


[3]

Erster Theil
Der abenthewrlichen Geschichte des scharpffsinnigen Lehns- vnd Rittersassen /


Juncker Harnisches auß Fleckenland /


Auß dem Spanischen ins Hochteutsche versetzt


Durch


Pahsch Basteln von der Sohle.




HoffGeißmar /
Gedruckt bey Salomon Schadewitz.
Im Jahr 1648.


[4]


[WS: Leere Seite]

[5]
Dem Leser.

BEym Eingang acht ich nicht von der Noth zuseyn / viel vrsachen allhiero anzusetzen / so mich zu verdolmetschung dieses Buchs bewogen. Wem das Werck zuvorhero bekandt / wird ohn mein erjnnern wissen / wie höchlichen man sich nach dessen vbersetzung in vnsere Muttersprach verlangen lassen. Meines Orts zum wenigsten / bescheid ich mich / als es etwann kundbar worden / daß nach der Widerkunfft von meinen wenigen Reisen vor ohngefehr acht Jahren / ich dessen etwas zu verdolmetschen angefangen / wie hoch ich darinn fortzufahren vnnd es ans Liecht vnd herauß zugeben von hohes vnd mittelmässigs Stands Orten bin angestrengt worden: also gar / daß mans auch / mit bedrewung offentlichen drucks / zu mehrmahlen heimlich nachschreiben lassen. Worauf ich auß zweyen eins wöhlen vnd es lieber geändert vnnd mit wissen / als zerstümpelt vnd wider willen / zum druck vberlassen wollen: bevorab weiln vnsere Drangsalen[1] mir vorige hieran säumige Hindernüssse / zu allgemeinem vnd meinem höchsten verderb / grosses Theils aussm mittel geraumbt / vnd mir etwas / oder vielleicht mehr / als mir leider gut / Zeit vnd Musse dazu an die hand gegeben.

[6] So viel nun das Werck an sich selbs betrifft / darffs von mir keiner anzeig oder beschreibung: sintemahl Federn vnd Gesang den Vogel vor sich gnugsam an tag zuerkennen geben. Mit einem Wort ist derogleichen Schlachtbücher wol keins diesem an die Seit zusetzen. Welchs ich auch dannenhero geschlossen / daß / ob schon gewöhnlich der Pfenning / wo er geschlagen / am meisten gilt / ich doch in seinem GeburtsLande bey weitem dessen Würde nicht so hoch / als bey jedwedern andern Völckern / hab vermercken können.

Nur was die Dolmetschung anlangt / hab ich dieses mit wenigen zu melden / daß ich die erste in Engelland angetroffen. Vnd hat mich bedünckt / so wenig ich damahln deß Lands Sprache kundig gewesen / daß der Dolmetsch der Eigenschafft der Spanischen Sprach nahe kommen vnd wol zum Zweck getroffen. Habs auch zum offtern berührt / daß durch Fahrlässigkeit ich mich damit nicht versehen vnd also in Entgegenhaltung selbiger mit der Frantzösischen des Vortheils darben müssen / den ich sonsten in Erläuterung vieler dunckeln Orten zum besten gehabt hette.

Die ander ist jetzt gerührte Frantzösische / von dero man zu meiner Zeit im Lande noch nicht gewust: gestalt mir dann selbige erst vorm Jahr zuhanden kommen / als ich die meinige schon wider vberlauffen vnd vieler Orte geändert gehabt. Von dieser ist ohne noth zuvrtheilen: sondern / wie sie nunmehro in viler Handen / wird jedwederm seine Meinung darob gelassen. Meins theils halt ich sie hoch: ob ich schon in dolmetschen mich einer andern Art gebraucht hab. Der Frantzoß geht schnurstracks den Worten nach / zum wenigsten den mehren Theil: dolmetscht ein Wort durch das Ander: Leßt auch die Spanischen Nahmens Sprich- vnd andere derogleichen [7] Wörter / ohn verdolmetscht vnd in seiner Muttersprach Verstand nicht gebracht / in jhrer Sprach verbleiben.

Ich aber habs theils nicht thun mögen / theils auch nicht thun können. Das erste darumb: alldieweiln ich der Lehr nachgehen wollen / welche besagt / daß jedwede rechtmässige Dolmetschung also beschaffen seyn solle / samb wer das Werck / so darinnen gedolmetscht wird / vhrsprüncklich in des Dolmetschen Muttersprach beschrieben. Welches aber nicht möglich / wo nur ein Wort durch das ander gegeben / vnd nicht zum öftern meinung mit meinung vnd verstand mit verstand ins gemein / ausser solcher Worteintzelung / nach vnterschiedlichen Eigenschafften jedwederer Sprachen / solte vmbgesetzt werden. Vnd dieser Lehr Beyspiel geben mir an die Hand / wie aller Völcker rechtschaffene Dolmetschen / also zuförderst Romaner vnd Griechen: welche gleichmässig mehr vff Verstand vnd Meinung / als Worte vnd Text / jhr absehen gehabt. Das ander deßhalben: weiln der Frantzoß bey solcher eintzelen dolmetschung gut machen gehabt / in dem er auß Lateinischer zerstümmelter Sprach in eine andere dannenhero ebenmässig erborgte vmbgegossen: da dann die Worte vnd Arten zureden zum öfftern einander sehr gleich / vnd dannenhero nichts leichters / als ein Wort mit dem andern / eine Art mit der andern zuverwechseln. Welchs aber dem Zuthun ohnmöglich felt / welcher auß Lateinischer / Hispanischer / Italienischer oder Frantzösischer Sprach etwas in vnsere Teutsche zubringen gesonnen: in dem er mit müh andere derogleichen Wort / zumahln wo ein eintzeles widerumb nur mit einem eintzigen zu verdeutschen ist / außdencken / vnd / wegen der vnterschiedlichen Arten zureden in vnterschiedenen Sprachen / seine Gedancken gantz vom Text ableiten muß.

[8] Wer diß nicht glaubt / nehm etwas vor sich / so entweder auß Lateinischer in Hispanische / Italienische oder Frantzösische / das ist / auß der Haupt- vnnd Grundsprach in die darauß geleiteten arme / oder auch auß der verhümpelten Sprachen einer in der andern gleiches Schlags eine / wie zum Beyspiel diese beyde seynd / vbersetzt vnnd gedolmetscht worden / vnd thue einen gleichmässigen Versuch mit der teutschen: so wird er nicht allein waar befinden / was ich allhiero melde / besondern auch / wie ohnglaublich schwer die Dolmetschung einem Teutschen ankomme gegen einen Spanier / Welschen oder Frantzosen zurechnen: Denen selbigen / wo man zwischen jhnen vergleichung anstellen wil / nur eine Lust vnnd Spielwerck ist. Dannenhero ich mir getrawte mit drey Blaten ehe fertig zuwerden / so auß obgesetzten dreyen in die Lateinische Sprach vmbzusetzen seynd / als mit deren einem in die Teutsche.

Gleichwol hab ich / Warheit zubekennen / eben hierob nicht allzuviel zeit verschertzen vnd aller Orte in ergrübelung Wörter oder Verstands so gar aberglaubisch seyn / besondern vielmehr jenes Poeten Meinung nachgehen wollen / welcher sagt:

Ein Jeck ist / der den Kopff vber Mährlein jhm zerbricht:
Die Arbeit thöricht ist / die man vff Thorheit richt.

Hierumb ich mir dann die Freyheit genommen / zuweilen so wol ein Spanisch Wort mit zwey Teutschen[2] zugeben / gestalt dann in vnserer Muttersprach nicht ohngemein / daß man eigentlichers Verstands halber zwey gleichbedeutende Wörter zusammen setzt: als auch eine Spanische Art zureden mit zwey Teutschen oder eine kürtzere mit einer andern weitläufftigern zuvertauschen / bevorab aber Spanischen auff- Zu- oder Geschlechts Nahmen / jedoch nach dem [9] vnd wo sichs hat leyden wollen / andere ebenlautende oder auch gleichbedeutliche mit vnter zubüssen.

Weiln auch / wie dick gemelt / in dieser Dolmetschung zuförderst vff eigenschafft vnserer Muttersprach gesehen worden: Hab ich die Wort / so sich in einem Sprichwort oder sonst im Teutschen nicht ebenmässig reimen / wie im Spanischen / nach art vnd gewohnheit vnserer Sprach in andere Teutsche verändert. Als zum Beyspiel im zwantzigsten Capitel am acht vnd achtzigsten Blat / bald oben in der dritten Zeil meines Drucks / stehet das Wort açacan, welchs Wasserträger heist. Nun ist in Castilien / bevorab zu Madrid / der Brauch / daß das Wasser vff Eseln in den Gassen vmbgetrieben wird. Darumb / weilns eben in gleichem Verstand in vnserer Sprach felt, hab ichs des Sprichworts halber lieber geben wollen durchs Wort: Eseltreiber / dieweiln das ander: Wasserträger / keine solche Art würde gehabt haben: Zumahln weilns im Werck selbs beydes miteinander vberein kompt / wie der Leser auß bezeichnetem Ort mit mehrerm sich zuersehen. Also vff der ander Seiten angezognes Blats vff der 14. 16. vnnd 23. Reye hab ich das Wort: cavallerizo nicht können verteutschen: Stallmeister / wie es an sich selbs im Spanischen lautet / sondern reisiger Knecht / wegen der Gewohnheit / so vns ein anders zeiget: massen selbiger Ort vnnd sonderlichen dieses cavallerizo Ampt außweiset / welches ist: ensilliar un cavallio, das Pferd satteln / in der folgenden 30. Zeil.

Dahin auch zu ziehen etliche Wort / so nicht in ebenmässigem Verstand mit einem eintzigen Wort hetten können gegeben werden / vnd doch im Werck selbs eben das bedeuten / als: galeotes, Galgenschwengel / [10] im 21. Capitel vff der letzten Reyhe des neun vnd achtzigsten Blats: bevorab aber die Wort vosasted oder vuessa merced: welche zwar / wörtlich aussm Spanischen zu verteutschen / Ewr Gnad heissen / in selbiger Sprach aber nie diesen Verstand vnd Deutung haben. Derohalben sie dann der Leser allzeit durch die Wörtlein: Ihr / Euch / der Herr / der Juncker / zuweiln wol nach gelegenheit der vmbstände redender Person / Sache / Zeit oder Zufalls auch: Ewr Veste / Ewr Gestrengigkeit / Ewr Herrlichkeit / gar selten aber Ewr Gnad: verteutscht finden wird.

Vnd in diese Zunfft gehört auch das allervornembste Wort dieses gantzen Wercks / Kichote: welchs an jhm selbs / zwar Peinscheide heisst / aber doch von mir Harnisch geteutscht worden: Weiln nicht alleine im Werck selbs dieses durch des Ritters Nahmen gemeinet wird / sondern auch jenes Wort zu einem gantzem so grossem Werck fast zu schlecht hette seyn wollen. Gleiches schlags ist auch das Wort: Ollia, stracks vff der sechsten Reyhe des Anfangs: so zwar im Spanischen an sich selbs ein Topff heisset / aber / weiln es von einem sonderlichen mischmasch etlicher Speisen verstanden wird / so in Hispanien zum ersten Gericht gewöhnlich vffgesetzt vnd sonsten podrida genennet werden / hab ichs auch nicht Topff / sondern vff andere maß / wie des Orts zu befinden / verdolmetschen müssen. Derogleichen hat sich der Leser auch zu denen Orten zuversehen / da Rohtwällische Wörter gebraucht / vnd auß dem Spanischen WortRegister der Gerigonça besser / als auß der Teutschen Rohtwällischen Schrifftkunst / können verteutscht werden: Wie ab dem neun vnd achtzigsten vnd neuntzigsten Blat abzunehmen.

[11] Hiernechst ist dessen der Leser zuverwarnen / daß / ob ich zwarten / so viel jmmer möglich in dieser Dolmetschung lauterer recht vnd vrsprünglich Teutschen Worte mich beflissen / es doch so gar genaw nicht abgangen seyn möge / daß nicht etliche wenig mit vntergelauffen / so zwar durch eingerissenen Mißbrauch Teutsch worden / aber jhres vrsprungs halber zu vnserer Muttersprach nicht gehören. Weiln ichs aber vor ohnnötig geachtet / hierinnen so gar genaw zugrübeln / hab ich deß wenigen halber das gantze Werck nicht aber eins durchlauffen mögen / zumaln weiln ich die Gewohnheit anderer Völcker / sonderlichen aber der Romaner / zum Gegenbeyspiel vor mir gehabt: gestalt mir dann eben vff diesen wenig Blettern die Wort: Text / Poet / Capitel / Register etc. in der hast ohnvermerckt entwischt. Solte nun vber angewendeten Fleiß noch etwas dunckeles in diesem Werck vbrig seyn: Hette es der Leser theils dem sehr falschen Druck / theils der vielfaltigen Dunckelheit derer von des Buchs Meister geführten Reden beyzumessen.

Die Buchstabliche Art zuschreiben / wird verhoffentlichen / vnnd wo sie anders recht nachgedruckt wird / der Richtschnur Teutscher Schreiberey vffm Fuß nachgehen. Worbey ich noch dieses zuerinnern / daß ich die vornembsten Nahmen dieses Buchs nicht vff Spanisch: Quixote, Mancha, Sancho, Pansa: schreiben vnd drucken lassen / sondern / wie im gantzen Werck zubefinden: Kichote, Mantzscha, Santzscho, Panssa: Hiermit der Teutsche Leser die Spanischen Wort recht außspreche / wie sie der Spanier außspricht / ob is schon nicht ebenmässig vff des Spaniers Art geschrieben seynd. Dann ausserdem würd er von einem Spanier oder andern frembden nit verstanden werden / wann er diese wort: [12] Quixote, Mancha, Sancho etc. also auß dieser Geschicht gegen jhn anziehen würde: wie wir Teutschen selbige vff Lateinische oder Teutsche Art zulesen pflegen: Wie auch hingegen der Teutsche einen / so vff recht Hispanisch das Buch nennete / oder solche Nahmen darauß anzöge / nicht würde verstehen können.

Schließlichen hab ich dieses zur Nachricht beym Eingang erinnern sollen: daß / was zu der eigentlichen Geschicht vnsers Ritters nicht gehörig / derogleichen dann sehr viel Gesänge / Reime vnd weitläuftige grosse vieler Bletter vnd Bogen lange Geschichte vnd Mährlein bey diesem Werck zubefinden / ich zu verdolmetschen mit fleiß vnterlassen: theils weiln sie zuweilen langweilig / der eigentlichen Hauptgeschicht nichts geben oder nehmen / den begierigen Leser allzulange von dem rechten Hauptwercke vffhalten vnnd doch keine sonderliche oder bey weitem der rechten Geschicht nicht gleiche Ergetzung bringen / theils auch / weiln gleichwol des Narrwercks einsten ein Ende gemacht werden muß. Wie dann vff solche maß dieses erste Buch in zwey / wie auch gleichsfalls das ander in zwey / vnnd also beyde Bücher in vier Theil können außgetheilet werden / derer dieses / so viel vor dißmal herauß kompt / ein Viertheil ohngefehr seyn möchte: da sonsten / vnd wo alle außwertige Mährlein vnnd Thorheiten dabey verblieben weren vnd noch verbleiben solten / dieses kaum den vierdten Theil des ersten Buchs außtragen würde.

Vnd dannenhero hat sichs nothwendig begeben / daß ich nicht allein in der Zahl der Capitel etwas andere Ordnung halten / sondern auch die kleinere in gantze Haupttheil beschehene Eintheilung beyseit setzen müssen: Woran aber der Leser sich nicht jrren / vnd diese meine begierd / jhm zu seiner Gemühtsergetzligkeit zuwillfahren / im besten vermercken / auch [13] hierdurch mir anlaß geben wird / die noch vbrigen drey Theil gleicher gestalt ehistes herauß zugeben. So mach er sich nun gefast / also / wie folget / sein Lesen anzufahen.




Das 1. Capitel.
Vom Zustand vnd Ritterlichen Vbungen des weitberühmten Ritters Don Kichote de la Mantzscha.

AN einem Ort der Landschafft Mantzscha oder Fleckenland / dessen Nahmens ich mich nicht erinnern mag / lebte vor wenigen Zeiten ein Rittersasse auß der Zunfft der jenigen / welche den Sperr vnterm Dach verwahrt liegen haben vnd mit einem Altväterischen Schilde / einem hagern Gaul vnd flüchtigem Windhunde versehen seynd. Drey Theil seines Gütleins vnnd Vermögens giengen vff seinen Vnterhalt vnd tägliche Speisung: in dem er zu seinem gewöhnlichen Gerichte etwas mehr Kuhfleisch als Schöpfens zur Abendmahlzeit / den mehrern theil nur Brüh zum titzschen vnd eintuncken / Kraut vnd Zugemühs des Sonnabends / Graupen vnnd Linsen des Freytags genoß / des Sontags aber jhm vber diß etwa noch eine junge Taub zurichten ließ. Das vbrige gieng jhm vollends auff seine Kleidung / welche war ein Wammes von schönem Tuch / ein paar Sammete Sontags Hosen / vnd ein paar Pantoffeln [14] ebenmässig von Sammet. Des Werckeltags trug er ein grawlechtes Kleid vom besten Tuch. In seinem Hauß hielt er eine alte FrawenMagd / so etwas vber viertzig Jahr war / vnd eine junge Base / so noch nicht zwantzig erreicht hatte: wie auch noch einen grossen Jungen / dessen Bestallung nicht weniger war das Pferd zu satteln / als des Schnittelmessers sich zugebrauchen.

Das Alter vnsers Ritters lieff bey nahe an fünfftzig Jahr. Er war harter Art vnnd Eigenschafft / schmächtig vnnd dürr von Fleisch vnd Leibe / hageres Gesichts: stund sehr frühe auff / vnnd war ein Liebhaber der Jagten. Man wil sagen / sein Zunahm sey gewesen Kinnbacken / oder Zwarckfladen (dann dieses falls ist etwas Vngleichheit vnd Vnterschied vnter den Meinungen derer / welche von dieser Sach schreiben) ohngeachtet man durch etliche der Warheit fast ebenmässigr Muthmassungen abzunehmen hat / daß er Raffzahn geheissen habe. Welchs gleichwol vns zu vnserm Fürnehmen wenig zuschaffen gibt / vnnd gnügt vns an dem / daß sonsten im Werck selbs vnnd in folgender Erzehlung nicht im wenigsten vom Pfad der Warheit abgeschritten werde.

So ist nun zuwissen / daß obgedachter Ritter alle mahl / die er müssig war (welchs dann war der gröste Theil des Jahrs) sich begab vff lesung der Ritterbücher mit solcher Begierd vnnd Lust / daß er aller Vbung der Jagt / vnnd noch vber diß der Verwaltung seiner Güter fast gäntzlichen darob vergaß. Vnd schlug seine Begierd vnnd Eiffer / wie auch seine Thorheit vnnd Phantasterey so weit vnd dahin endlichen auß / daß er etliche viel äcker beseehetes Feldes verkauffte / vmb nur Ritterbucher vor solches Geld zukauffen / mit derer lesung er sich belustigen möchte. Derohalben er dann deroselben so viel [15] in sein Hauß zusammen brachte / als jhrer nur zubekommen waren.

Vnter allen aber gefielen jhm keine besser / als die / so der berühmbte Felician de Silvâ[3] gemacht hatte: in dem jhn die Treffligkeit seiner ohngezwungenen Rede vnd dieselben seine verwirrete Wort / so mächtig schön vnd artig zuseyn dauchten / ob weren sie mit lauter Gold vnnd Perlen gestickt gewesen. Vnd daß noch vielmehr / als er vff die anmüthigen Liebsreden / vff die Außforderungsbrieffe vnnd dergleichen kahm / darinnen er an vielen Orten geschrieben fande: die Gebühr der Vngebühr / so meiner Gebühr zur Vngebühr beschiehet / schwächet mir dermassen die Gebühr der Vernunfft / das mit Recht vnnd Gebühr ich mich vber ewere Schönheit zubeklagen habe. Wie auch nicht weniger / als er ferrner laß: der höchste Himmel / welcher ewre Göttligkeit mit den Sternen Göttlich erleuchtet / vnnd euch eine Verdienerin des Verdiensts macht / so ewre Herrligkeit verdienen thut etc. Vber diesen Arten zureden / verlohr der gute Ritter all seinen Verstand / vnnd arbeitete drüber Tag vnnd Nacht / vmb dieselbigen eigentlich zubegreiffen / vnnd derer rechten Verstand zuergrübeln / welchen doch nicht würde ergründet haben Aristoteles selbs / ob er schon lediglich vnnd bloß dieses Wercks halben von den Todten wider hett aufferstehen sollen.

Er kondte nicht gar wol einig seyn mit der Meinung von den Wunden / welche Don Belianis hieb vnnd wider bekahm: in dem er jhm einbildete / daß / wie trefflich auch die Wundärtzte weren / so jhn geheilet hetten / würd er doch das Gesicht vnd gantzen Leib voller Narben vnd Mähl [16] behalten haben. Jedoch lobte er sehr an diesem Schriffttichter / daß er sein Buch schlösse mit zusag / das vbrige der abenthewrlichen vnnd gäntzlichen zu end zuführen ohnmöglichen Thaten noch vollends gantz zubeschreiben: vnd kam jhn zum offtern eine Lust an die Feder anzusetzen vnnd der vorigen Beschreibung vffm Fuß nachzugehen / zufolge dem jenigen / so in selbigem Buch verheissen wird: würd es auch sonder zweiffel gethan vnd gäntzlichen zuwerck gerichtet haben / wo nicht stete andere vnd höhere gedancken jhn daran verhindert hetten.

Zum offtern gerieth er mit dem Dorffpriester des Orts / welcher ein gelehrter Mann war / vnd hatte seinen gradum zu Ciguenssa[4] erlangt / in Streit vnd Zwiespalt / welchs der vornembste Ritter gewesen were / Palmerin auß Engelland / oder Amadis von Franckreich. Aber Meister Nicias / der Barbier selbiges Orts / war mit jhrer keinem einstimmig / sondern sprach / daß jhrer keiner dem Ritter der Sonnen bey weitem nicht gleich were: vnd / wo diesem ja jemand möchte an die Seit gesetzt werden / so wer es der einige Don Galaor, des Amadis auß Frankreich Bruder: dann es wer dessen art vnnd gantzes verhalten recht ritterlich vnnd löblich / er wer auch nicht ein solcher Zärtling vnd weichlicher Ritter / noch ein solcher greiner / als sein Bruder / vnd / so viel Tapfferkeit vnd Stärcke anreichte / geb er jhm gewiß nicht das geringste zuvor.

Endlichen vnd mit einem Wort zusagen / vnser Ritter vertieffte sich dermassen in erlesung der Ritterbücher / daß er gantze Tag vnd Nächte aneinander von morgen biß zu abend vnd wider von abend biß zu morgen mit lesen zubrachte. Vnd durch weniges schlaffen vnnd vieles lesen ertrucknete er jhm selbs das Gehirn solcher massen / daß er allen Verstand [17] vnd Witz verlohr. Der Kopff wurd jhm von all dem jenigen / daß er in seinen Büchern laß / namentlichen so wol von Verzauberungen / als von Zanck- vnd Rauffhändeln / Schlachten vnd Scharmützeln / Außforderungen / Schlägen vnd Wunden / liebkosenden Vnterredungen / Verliebungen / vngestümmen des Meers vnd Sturmwinden vnd andern derogleichen ohngeräumbten ohnmöglichen Dingen aller voll. Vnd dieses alles bildete er jhm so fest in sein Gemüht vnd Gedancken / daß er dafür hielt / es wer aller dieser Wuhst derselben geträumbten Ertichtungen lauter Warheit. Dann / so viel seine Meinung betraff / war wol gewiß keine warhafftere Geschicht Beschreibung in der Welt zu finden.

Er sagte / daß der Spanische Wunderheld Cid Ruy Diaz[5] zwar ein tapfferer Ritter gewesen were / aber bey weitem nicht zuvergleichen mit dem Ritter des brennenden Schwerts / welcher mit eim einigen Streich zwey grausame vnd vber alle maß schreckliche grosse Riesen mitten voneinander gehawen hette. Etwas besser war er mit dem Don Bernardo del Carpio[6] zufrieden / weil er im Rontzevall den verzauberten Roland getödtet / vnnd sich dißfalls ebenmässigs Vortheils gebraucht hatte / wie der Hercules, als er den grossen Anthéon zwischen seinen Armen ersteckte. Mit sonderer Ehrengebühr gedachte er stets des Riesen Morgant[7] / welcher / ob er schon auß dem Geblüt vnnd Geschlecht der Riesen / als die alle vber einen Hauffen vbermütig vnd ohnhöfflich zuseyn pflegen / entsprossen were / jedoch eintzig vnd allein Leutselig vnd von guten Sitten vnd Bescheidenheit gewesen. Aber vber alle stund bey jhm in guten Lob Don Reynard von Montalvan, vnd sonderlichen wann er jhn in seinem [18] Gemüht jhm vorbildete / wie er auß seinem Castell oder Schloß außfiel vnd alles / was er antraff / raubete vnnd hinweg nahm: vnnd vor andern / als er des Mahomets Götzenbild entführete / so von gantzem lauterm Golde war / massen davon die Geschichtsbeschreibung meldet. Den Verrähter aber Galalon belangend / hette er gar gern die alte FrawenMagd / so er zu Hauß vnterhielt / vnnd noch zur Zugab in Kauff seine junge Muhm drumb geben / daß er jhm etliche gute Stöß mit dem Fuß in die Seiten hett geben mögen.

Schließlichen gerieth er nach verloschenem vnnd außgeflogenem all seinem Verstand vnnd Witz / auff den allerwundersambsten Wahn / so jemahls einigem Phantasten der Welt in Sinn kommen / als nemblichen / daß jhn dauchte nicht allein nutzbar sondern auch nothwendig zu seyn / so wol wegen auffnehmens seiner eignen Ehr vnd löblichen Nahmens / als auch zu Dienst des gemeinen Nutzens / daß er ein fahrender oder reisender Ritter würde / vnd mit seinem Pferd vnd besten Rüstung hin vnd wider durch die Welt zöhe / allerley mannliche Abenthewr vnd ritterliche Thaten zuversuchen / auch sich in alle dem jenigen zu vben / so er derogleichen ertichteten vmbreisenden Rittern in vbung vnd brauch gewesen zuseyn gelesen hatte / hierdurch allerley Gewalt / Boßheit vnd Vnrecht in der Welt abzuhelffen / vnd sich in solche Gelegenheiten vnd Gefährligkeiten zu wagen / durch derer glückliche verbringung man ewiges Lob vnd ein berühmbten Nahmen erjagen kan.

Es bildete sich der elende Ritter / so schon durch krafft seines Arms vermeinte des Ordens Cron erlangt zuhaben / zum wenigsten ein Trapezuntisch [19] Reich vnd Kayserthumb ein: vnnd also ersoffen in diesen anmütigen Gedancken vnnd durch vnaußsprechliche Lust vnnd Ergetzligkeit / so er darab empfande / bewogen vnnd angereitzet / eilete er das jenige ins werck zusetzen / wozu jhn sein Gemüht vnnd Begierd truge. Vors allererste rüstete er sich einen Harnisch außzubutzen / so noch von seinen vhranen her jhme hinderlassen worden / vnnd von Rust gantz durchfressen / mit Mohs vnnd Schimmel allenthalben vberwachsen / auch von vndencklichen Zeiten her in eim finstern Winckel gestanden / vor verlohren geschätzt vnnd längst vergessen ware. Diese saubere Rüstung butzte er auß vnnd rüstete sie zu / auffs beste jhm müglich war: doch wurd er gewahr / daß sie ein grossen Mangel hatte / vnnd war nahmentlich dieser / daß darbey kein Thurnierhelm / sondern nur ein schlechte Sturmhaub ohn Visier vnnd Helmlin sich befande. Aber wie dem allem / fand er sich bald auff den Trichter / vnnd durch Spitzfündigkeit seines anschlägigen Kopffs ersetzte er den gantzen Mangel gar artlich: bekahm etwas von dick gepaptem Pappier zur hand / machte drauß ein Muster eines halben oder getheilten Helms / vnnd fügte es an die Sturmhaub auffs artlichste an / also / daß es in etwas einem Thurnierhelm ähnlichte. Ohne ist zwar nicht / daß zuversuchen / ob seine Arbeit vnnd Gemächte auch bestünde / vnnd das Helmlin fast gnug were ein starcken Stoß oder Streich außzustehen / zoch er sein Schwert auß vnnd thät damit zween starcke Hiebe wider das Visier. Bald auff den ersten Streich vnnd also in eim Augenblick zerschlug vnnd verderbte er das jenige alles / drüber eine gantze Woche mit Arbeiten von jhm war zubracht [20] worden. Vnnd bedünckte jhn vbel gethan zuseyn / daß er also leichtsinniglich den Helm in trümmern vnd stücken zerschlagen hette. Jedoch vnd sich desto mehr ins künfftige vor dergleichen Gefahr vnd Zufall zu sichern / machte er sich wider vber die Sturmhaub / fügte dran ein ander newes Visier / welches er mit eisenen Stänglein innwendig vffs beste vnd vff solche maß befestigte / daß er nunmehro der Stärcke vnd Härte desselben gnugsam versichert war. Vnd also ohn weitere Prob vnd Versuch / deren erster jhm so vbelgelungen war / hielt vnnd achtete ers für den zierlichsten vnnd vollkommesten Thurnierhelm.

Hierauff lieff er alsobald in den Stall seinen Gaul zubesehen / welcher ob er zwarten voller mängel war / vnd mehr vnnd schrecklichere Päulen / als ein Schreckenberger Creutzer[8] / vnd mehr Flecken vnnd Narben hatte / als des Gonells Pferd / an welchem nichts war als Haut vnd Beine: jedoch dauchte jhn / daß jhm weder des Alexandri Bucephalus, noch des Cidruydias Babieca[9] bey weitem nicht zuvergleichen weren. Vier gantzer Tage brachte er zu allein mit den Gedancken / was er seinem Hengst vor ein Nahmen geben möchte. Dann / wie er gegen vnd zu sich selbs redete / war es nicht billich / daß eins so vornehmen Ritters also gutes vnnd treffliches Hauptroß ohn ein sondern Nahmen solte der Welt kundbar werden. Vnd also bemühete er sich jhm ein solchen Nahmen zugeben / darob erschiene / was es vorhin gewesen / ehe es eins fahrenden Ritters Hengst wurde / vnd dann / was es nunmehro vnd damahls worden were. Dann es bedünckte jhn der Vernunfft ähnlich zuseyn / weil sein Herr seinen vorigen Stand vnd Wesen verenderte / daß auch das Pferd selbs ein andern newen hohen vnd prächtigen Nahmen bekäme / dessen auch der blosse Schall vnd [21] Klang gleichsam mit eim vngestümm vnd geräusche abgienge / vnd mit dem newen Orden / in den er sich begab / vnd newen Ritterlichen Waffenvbung vbereinstimmete. Vnd also nach vnzehlich vielen Nahmen / welche er in seinem Gedächtnüß vnd Gehirn erspintisirte / außdachte / versuchte vnd bald gut hiesse / bald wider verwarff / bald eine Syllabe darzu setzte / bald ein Buchstaben davon nahm / jetzt zerlegte vnd dann wider zusammen fügte: beschloß er endlichen es Rossübrall zunennen / als mit eim solchen Wort / daß seines bedünckens hochtrabend vnd wolklingend were / auch zugleich seinen vorigen vnd jetzigen Zustand zuverstehen gab / in dem es zuvor nur ein schlecht Roß gewesen / jetzo aber ein Roß vber alle der Welt worden were.

Nach dem er nun mit des Pferds Nahmen fertig worden / vnd zwar also / daß er ab dessen glücklicher erfindung sonderbahre Lust vnnd Ergetzligkeit empfande: vermeinte er / es were nunmehro noch vbrig / daß er jhme auch selbs einen Nahmen gebe. Vnd in ergründung dessen brachte er noch andere acht tage zu / vnnd zu ende deren nennte er sich Don Kichote, welches so viel heisst als Beinscheide oder Vnterharnisch. Vnd dannenhero (wie schon obgedacht worden) haben die Beschreiber dieser also warhafftigen Geschicht gelegenheit vnnd anlaß genommen dafür zuhalten / daß er zweiffels frey Kinnbacken vnd nicht / wie andere haben vorgeben wollen / Zwarckfladen geheissen habe. Aber in dem er sich zurück erinnerte / daß der streitbare Amadis sich nicht so bloß vnnd trucken weg mit dem Nahmen Amadis befriediget / sondern noch den Nahmen seines Königreichs vnnd Vatterlandes dazu gesetzt / vmb dasselbe desto berühmbter vnd bekandter zumachen / vnd sich also Amadis von Franckreich genennet: also beschloß er / als ein guter vnnd trewer Ritter / seinem [22] Nahmen auch den Nahemen seines Vatterlandes beyzufügen / vnd sich also Don Kichote de la Mantzscha, das ist von Fleckenland / zuheissen: dadurch seines erachtens sehr artlich vnnd lebhafftig zugleich sein Geschlecht vnnd auch sein GeburtsLand erklärt würde. Vnd also wolte er auch auß sonderm danckbarem Gemüt sein Vatterland verehren vnd es würdig machen / daß so ein tapfferer Ritter sich davon nennen liesse.

Derowegen / nach dem der Harnisch außgebutzt / auß der Sturmhaub ein Thurnierhelm gemacht / der Nahme dem Roß gegeben / vnnd jhme dem Ritter selbs der seinige bestätigt war / führte er sich selbs zu gemüt / daß ferrner nunmehro kein mangel erschiene / als daß er eine Buhlschafft suchte / in die er sich verlieben möchte: alldieweiln doch ein fahrender Ritter ohne Lieb gleichsam ein Baum ohne Laub vnnd Früchte / vnd ein Leib ohne Seel were. Er sagte bey sich selbs: Wo ja zu meinem Vnglück vnd Straff meiner Sünden / oder auch zu meinem Glück vnnd Wolfahrt mir ein vngehewrer Riese auffstiesse / wie solches gemeinlich den reisenden Rittern zu widerfahren pflegt / vnd ich jhn in einem vnnd stracks erstem Treffen zu boden würffe / oder in der Mitte seines Leibes voneinander hiebe / oder schließlichen vff einige weise vberwünde vnd mir vnterwürffig machte: wird es nicht billich seyn / jemand zuhaben / deme ich jhn stelle vnd zuschicke. Vnd daß er zu jhr hinein komme / meiner Liebsten Bullschafft ein Fußfall thue / vnd mit demütiger vnterthäniger Stimme sage: Ich bin der Riese Caraculiambra, Herr der Insel Malindrania, welchen in eim sonderbahren Kampff vberwande der noch nie so hoch / als er verdient / gelobte Ritter Don Kichote de la Mantzscha: welcher mir befohlen / daß ich mich [23] allhiero vor ewr edlen Tugend gehorsamlich stellete / hiermit ewre Herrligkeit mit mir nach jhrem gefallen vnd beliebung gebahre.

Hilff ewiger Gott / was vberschwenckliche Frewde empfand vnser frommer Ritter in seinem Hertzen / als er diese Reden geführet hatte / vnnd noch so viel desto mehr / nach dem er sich vff eine gewisse Person besann / die er mit dem Tittel seiner Buhlschafft begaben wolte. Dann / als man dafür hielt / so war in einem Dorff nicht so gar weit von dem seinigen eine junge BawrMagd hübscher gestalt / zu der er etwan verwichener Zeit etwas beliebung getragen / ob zwar / wie man nachricht hat / sie dessen nicht inne worden / oder es ja wenig geachtet. Sie hieß Aldonsa Lorentzin: Vnd dieser bedünckte jhn rahtsam zuseyn der Tittel der Herrscherin vber sein Gemüt vnd Gedancken zugeben. Vnd nach dem er lange versucht hatte jhr ein solchen Nahmen zugeben / der dem seinigen nicht vnwürdig were / vnd sich zu dem Tittel einer Fürstin vnd hohen StandsFräwlein wol schickte: entschloß er sie Dulcinéa von Toboso zunennen / weil sie von Toboso bürtig war: welchs seines bedünckens ein wolklingender frembder vnnd nicht so gar gemeiner / bedeutlicher vnd nachdencklicher Nahm were / wie ingleichem auch die andern alle / so er jhme selbs vnd seinen Sachen vorhin gegeben hatte.



[24]
Das 2. Capitel.
Von der ersten Außfahrt / so der scharpffsinnige Ritter Don Kichote auß seinem Vatterland thet.

ALs nun solche Zubereitungen gemacht waren / wolte er sich nit länger säumen seine Gedancken vnd Vornehmen ins werck zusetzen: in dem jhn sonderlich zueilen reitzte der Schade / den seines bedünckens die Welt ab seiner Säumnüß empfande: inmassen dann war das Vnrecht / dem er abzuhelffen / das Krumme / so er zurichten / die Vngebühr / so er zu ändern / die Mißbräuche / so er zu verbessern / vnd die Schulden / so er abzutragen gedachte. Vnd ohne vorwissen einiges Menschen / ohn entdeckung seines Vorhabens / auch daß jhn niemand sahe oder seiner gewahr wurde / waffnete er sich eines Morgens vor der Sonnen Auffgang an einem der hitzigsten Tage des Hewmonats[10] mit seiner gantzen Rüstung / stieg auff seinen Rossübrall / setzte seinen vbel zusammen gefügten Thurnierhelm auff / faßte sich mit der Tartzschen oder Schilde / ergreiff die Lantze / vnd ritte ins Feld herauß / durch ein heimliche Thür des Hofes / mit vnaußsprechlicher Frewd vnd Frolocken / daß er sahe / mit was Geschwindigkeit vnd leichter Müh er zu seinem löblichen Wunsch vnd Fürnehmen den anfang gemacht hatte.

Aber als er kaum in freyem Feld sich befande / wurde er stracks von einem gar erschrecklichen vnd [25] zwar solchem gedancken vberfallen / daß er dadurch fast vom seinem angefangenem Anschlag abwendig gemacht vnd bey nahe anders sinnes worden wehre. Vnd war eben dieses / daß er sich erinnerte / daß er noch nicht zum Ritter geschlagen war / vnd deßwegen / Krafft der Rittersregel / vnd Gesätz nicht konte noch solte wider einigen Ritter der Waffen sich gebrauchen. Vnd / zum fall er schon den Orden erlangt hette / so würd jhme doch / als einem new angehendem Ritter / gebühren wollen / eine blancke Rüstung zu führen / auch sich noch zur Zeit keines Zeichens oder Gemercks im Schild zu gebrauchen / so lang / biß er solches durch seine stärck vnnd krafft erlangt hette. Diese Gedancken machten jhn in seinem Vorhaben sehr stützig. Aber / weil seine Thorheit weit mehr galt vnd bey jhm außrichtete / denn einige Vrsach vnd Rathsames bedencken: als nam er jhm vor / sich von dem ersten Ritter / so jhm auffstossen würde / zum Ritter schlagen zulassen / zum Beyspiel vnd Nachfolg vieler andern / so auch dergleichen vorhin gethan / massen er in seinen Rittersbüchern / welche jhn zu diesem seinem Zustand vervrsacht / vielfältig gelesen hatte. Eine weisse oder blancke Rüstung belangend / ward er raths die seinige ehestes / wann er bey guter muß vnd weile sich befinden würde / vffs sauberste vnd also zufegen vnd außzuputzen / daß sie an der Farb einer Wiesel nichts zuvorgeben solte. Vnd in dieser Meinung gab er sein Gemüth zu ruh / ritte seines wegs fort / vnd stellte seinem Pferde frey zugehen / was Strasse es wolte: Denn hierin vermeinte er daß der Kern Ritterlicher Thaten bestünde.

Also reisete vnser hitziger new angehender Rittersman fort / redete vnterwegens stets mit sich selbst vnd sprach also: Wer wolte zweiffeln / daß nicht in zukünfftigen Zeiten / wann die warhaffte Beschreibung [26] meiner berümbten Thaten ans Licht kommen wird / der Beschreiber derselben / wann er auff die erzehlung dieses meines also früen Außrits kommen wird / jhn auff diese maß beschreiben werde: Es hatte nehrlich der röhtlichte Planet der Sonnen über das Angesicht des weit- vnd breiten Erdreichs die goldfarbene Locken seiner schönen Haar außgebreitet / vnnd hatten kaum die kleinen bundfarbierten Vögelein mit jhren zertheilten Zünglein in lieblicher honigsüsser vbereinstimmung gegrüsset vnd angesprochen / welche gleich erst auß dem sanfften Bette jhres eifernden argwöhnischen Ehemans auffstund vnd sich durch die Thore vnd außläden des Fleckenländischen Crayses den Menschen gezeiget vnd sehen hatte lassen: Als der hochberühmbte Ritter Don Kichote von Fleckenland / auß den weichen Federn seines zum Faullentzen vnd Mussiggang reitzenden Bettes herfür sprang / sich auff seinen weitbeschrienen Hengst Rossübrall schwunge / vnd anfieng durch das vhralte vnd weit vnd breit bekante flache Feld von Montiel zu reiten. Vnnd diß war die Warheit: Dann er freylich durch selbiges Feld reisete. Vnnd that hierzu ferner noch dieses vnd sprach: O selige vnd aber selige Zeit / zu welcher meine weit vnd fern erschallende Ritterliche Thaten an des Tagslicht kommen werden / so da würdig sein / daß man sie in Messing schneide / in Marber grabe vnd auff Taffeln mahle / zu ewigem Gedächtnüß der zukünfftigen Zeiten. O du weiser Zauberer / wer du auch sein wirst / an den das Glück gelangen möchte dieser so frembder ohngewöhnlicher Geschichte Beschreibung zuverfertigen / ich bitte dich / du wollest ja meines thewren Rossübralls / als eines stettigen geferten auff all meinen Reisen vnd scharffen rennen / [27] nicht vergessen. Vnd bald fuhr er fort vnd sagte / gleich ob wer er in der That vnd warhafftig verliebet: O Fürstin Dulcinéa, Herrscherin vber dieses bestrickte vnd gefangene Hertz groß vnrecht thatet jhr mir / als jhr mir abschied vnd Vrlaub gabt / vnd mich mit einer also harten vnd rawen Grawsambkeit anfuhret / daß jhr mir befahlet vor ewrer Schönheit nicht wieder zuerscheinen. Geruhet ja in Gnaden indenck zu sein dieses euch vnterworffenen Hertzens / welchs so grosse Angst vnd Schmertzen wegen ewrer Liebe außstehet.

In solchen Reden reisete er fort vnd sprengete viel derogleichen andere Thorheiten mit ein / alles auff maß vnd weise / wie jhn hierin die Erlesung seiner Bucher vnterrichtet hatte: Derer Sprach vnd Art er / so viel jhm müglich wahr / in allem nach ahnete. Er ritte nur Fuß vor Fuß gar langsamb fort / vnd die Sonne begunte starck gegen jhn zuscheinen vnd so heiß auff jhn loß zustechen / daß nicht wunder gewesen / jhme davon alle sein Gehirn zerschmoltzen wehre / wo er einiges im Kopff anders noch vbrig gehabt hette. Fast denselben gantzen Tag reisete er müssig fort / also daß jhm gar nichts denckwürdigs auffstieß oder begegnete. Welchs jhn dann sehr vnmutig vnnd verdrossen machte: weil er eilends vnd geschwinde jemanden anzutreffen wünschte / mit dem er einen Versuch seiner Krafft vnd streitbaren Arms het thun mögen.

Es seind etliche Geschichtschreiber / welche melden / die erste abenthewr / so jhm begegnet / sey gewesen die im port Lapice. Ander berichten solches von dem streit wider die Windmühlen. Aber / so viel ich dißfalls hab ergründen können / auch deme gemeß ist / so in den Fleckenländischen Jahrbüchern zu befinden: so ist er denselben gantzen Tag fort gereiset / [28] also daß gegen Abend er vnd sein Pferd sich allee ermüdet vnd von Hunger gleichsamb erstorben befunden. Vnd nach dem er von allen seiten wol vmbgeschawet / ob er etwa eines Castells oder nur einiges Hirten Häußleins inne würde / darin er herbergen vnd der Natur nothdurfft ein genügen thun möchte: wurd er einer Schenck oder Kruges gewar nicht weit von der Strassen / die er reisete / welchs jhm so anmütig war / ob sehe er einen Stern / so jhn zu der Porten oder vielmehr dem Schloß seiner Erlösung gleitete. So bald er diese Schencke ersahe / eilete er stracks drauff zu / vnd erreichte sie eben gegen Abend / als es begunte dunckel zu werden.

Von vngefehr stunden aussen an der Thür zwey junge Dirnen vnsers Volcks / auß der Zunfft derer / so sich vmbs Geld gebrauchen lassen / Diese gedachten nach Sevilien zu reisen in Gesellschafft etlicher Maultreiber / so entschlossen wahren dazumahl jhr Nachtlager in der Schenck zu halten. Vnd / gleich wie vnserm Ritter alles / was er gedachte / sahe oder jhm einbildete / bedünckte vff die art vnd weise zugeschehen vnd vorzugehen / wie ers in seinen Rittersbüchern gelesen: so bald er die Schencke ersehen / bildete er jhm ein / daß es ein Castel oder Schloß mit seinen vier Thürnen vnd schönen von hellgläntzendem Silber vberzognen Knöpffen wehre / also gar / daß auch die gewöhnliche Zugbrücke vnnd tieffer Wassergraben daran nicht ermangelten / zusampt allen andern Zubehörungen / damit man dergleichen Schlösser abzumahlen pflegt. Zu dieser vermeinten Festung nahete er sich: vnnd kurtz dafür hielt er seinen Rossübrall an sich / in hoffnung / daß etwa ein Zwärglein sich zwischen den Zinnen der Mawren würde sehen lassen / mit der Trommeten das Zeichen eines ankommenden Ritters zugeben. Als er aber [29] merckte / daß man damit verzog / vnd der Rossübrall vff den Zaum drunge vnd nach der Krippen zu eilete / ritte er an die Thür des Hauses vnnd ward der zwey allda stehenden zuchtlosen Dirnen gewahr / welche jhn zwey schöne Fräwlein oder andere holdselige Jungfern[11] auß dem Frawenzimmer zu sein deuchteten / so in ichtwas sich zu erlustiren etwa da vor der Festung stünden.

Eben dazu mahl trug sich ohngefehr zu / daß ein Schweinhirte / welcher ein Herde Sew / (so man ohne gunst zumelden / also nennet) vom Stoppelfeld zusammen trieb / sein Horn bliese / nach dessen Schall / sie sich zusammen zu finden pflegen. Vnnd gleich zur stund bedünckte sich Don Kichote das jenige erlangt zuhaben / was er gewünschet hatte / in dem er vermeinte / daß etwa ein Zwärg das Zeichen seiner Ankunfft gebe. Also kam er mit vnglaublicher Frewde bey der Schencke vnd den beyden Dirnen an: welche als sie sahen / einen Menschen in solcher gestalt / gantz gewaffnet / mit einer Lantzen vnd Schilde einher vnd gegen sie zu kommen / flohen sie voller Furcht vnnd Schreckens in die Schencke. Aber Don Kichote, als der auß der Flucht leicht jhre Furcht muthmassete / thet das Papierne Helmlin ab dem Gesichte weg / entblössete sein hageres vnd vom staub aller vberschüttetes Angesicht / vnd sprach mit sachter Stimm vnd zierlichem Geberd: Ewr Tugenden lauffen nicht / noch befürchten sich einiger Vnbilligkeit oder vberfals: denn vnser Rittersorden nicht vermag noch einiger weise zulesst / einigem Menschen vnrecht zu thun / vielweniger so adelichen Fräwlein / als dieselbte zu sein jhre gegenwart gnungsamb erweiset.

Die Dirnen sahen sich vmb / vnd bemüheten sich jhn vnterm Gesicht recht zu erkennen / welches jhm [30] das vngestalte Helmlin noch etwas bedeckte. Als sie aber hörten / daß sie vor Adeliche Jungfern verehret wurden / vnd bey sich befanden / wie gar sich dieser Nahme zu jhrem Stand vnnd Handthierung nicht reimete: mochten sie sich des lachens nicht enthalten / vnd das so laut vnd hefftig / daß es den Don Kichote begunte zuverdriessen / vnd sagte zu jhnen: Schönen Jungfern gebührt Sittsamkeit / vnd ist vberflüssiges lachen ein grosse Thorheit / besonders wo solches auß schlechtem Anlaß vnnd geringer Vrsach herrühret. Jedoch sag ich euch nicht dieses darumb / daß jhr euch drob bekümmert oder vbel gebärdet: dann meine Meinung vnd Begierd stehet nur euch zu dienen vnd vffzuwarten. Diese Rede / so den beyden Fräwlin zuverstehen zu hoch ware / vnd die seltzame Gestalt vnd Aussehen vnsers Ritters vermehrte bey den Dirnen das Gelächter / vnd das Gelächter bey dem Ritter den Zorn vnnd Verdruß / so er darob empfande: vnd würd er sonder zweiffel sich etwas weiter an jhnen vergriffen vnnd vergessen haben / wo nicht gleich in demselben Augenblick der Schenck oder Krüger kommen were / welcher / weil er sehr feist vnd dickes grobes Leibes / also dannenhero auch gar friedliebend vnd von natur sanftmütig ware. Dieser als er die wunderseltzame vnd vbel beschaffne Gestalt / so mit so vngleichen vnnd vngeschickten Waffen bekleidet war / als da waren der Zaum / Lantze / Schild vnd Küriß[12] / ansichtig wurde / mangelte es jhm wenig / daß er nicht / zu bezeugung der Ergetzligkeit / so er darob empfande / den Dirnen mit lachen gesellschafft geleistet hette. In der That aber vnd in rechter Warheit / weil er ab dem vngehewren Wust derer so vielen Kriegswaffen vnnd Rüstungen hertzlich erschrack / entschloß er den Don Kichote mit sanfftmütigen gelinden Worten [31] anzureden / vnd sprach also: Wo ewer Veste / Herr Ritter / Herberge suchen / ausser des Beths / dessen in dieser Schencke nicht ein eintziges sich befindet / mögen sie alles anders in grossem Vberfluß hierinnen antreffen. Don Kichote, als er sahe die Demuth des Castellans der Festung oder Schloß-Hauptmanns (dann dafür hielte er beyde die Schencke vnd den Wirth) antwortete er jhm: Herr Castellan / meine Person betreffend / kan ich leicht vor lieb nehmen / dann meine beste Kleidung seynd Waffen / meine Ruh ist Streitten.

Der Wirth vermeinte / weil er jhn Castellan genennet / würd er jhn vor einen freyen Castilianer oder auß Castilien bürtigen frommen Biedermann angesehen haben: wiewol er auß Andalusi war / einer von denen / so auß der Landschafft Sanlucâr jhren Vrsprung haben / ja so ein grosser Dieb als Cacus, vnd der vor einen Räuber gleich so wol / als etwa vor ein Studenten Jungen oder einen Auffwärter bestunde / vnd also antwortete er jhm: Wo es diese Beschaffenheit hat / so werden des Herren Betten harte Felsen seyn / vnd sein Schlaff ein stetigs Wachen. Vnd vff solche maß mag er sicherlich absteigen vnd dessen versichert seyn / daß er in dieser Hütten Gelegenheit vber Gelegenheit finden wird in eim gantzen Jahr nicht ein Auge zu zuthun/ ich geschweig diese einige Nacht. Vnd als er diß sagte / fügte er sich zugleich zum Don Kichote, jhme den Stegbügel zuhalten: welcher kaum vnnd mit sehr grosser Beschwerd vnd Arbeit auß dem Sattel zukommen vermochte / als der selbigen gantzen Tag nüchtern vnd ohngessen verblieben war. Vnd bald sagte er zum Wirth / er solte jhm ja vffs fleissigste seinen Gaul befohlen seyn lassen / als das beste [32] Pferd von der Welt / so jemahls des Futters genossen hette.

Der Wirth beschawte das Pferd wol vnd bedünckte jhn gleichwol bey weitem nicht so gar köstlich zuseyn / als es sein Herr rühmbte / auch nicht auff die Helffte. Gleichwol versorgte ers im Stall / vnd kehrte wider vmb ins Hauß / zu vernehmen / was sein Gast jhm befehlen würde: welchen gleich die zwey Dirnen / so sich schon wider immittels mit jhm versöhnet hatten / entwaffneten. Diese ob sie jhn schon an Brust vnd Achseln der Waffen entblösset hatten / musten vnd konten sie doch jhme nicht vff einige weise der Welt den Halß vom Helmlin befreyen vnnd loß machen / noch den vbel zusammen gefügten vnd mit grünen Schnürlin gebundenen Thurnierhelm abnehmen / sondern wolte von nöthen seyn die Bänder zu zerschneiden / derer Knoten sonsten vnmüglich war auffzulösen. Aber weil Don Kichote sich hierzu durchauß nicht verstehen wolte / blieb er also dieselbe gantze Nacht mit dem Kopff im Sturmhut stecken: welchs die artlichste vnd seltzamste gestalt anzusehen war / als man sich einige von der Welt hette einbilden mögen.

Inmittels vnd in dem jhn die verführten vnnd verlauffenen Dirnen entwaffneten / welche er in seinem Sinn vor vornehme Fräwlin vnnd Jungfern dieses Schlosses hielte / sprach er zu jhnen mit sonderbarer Zierd vnd Anmutigkeit: Es mag niemals einiger Ritter von Frawenzimmer so wol bedienet vnd gewartet seyn gewesen / als Don Kichote, da er von seinem Sitz außreisete: Fräwlin dieneten jhm / vnd Fürstinnen warteten seines Pferds: O Rossübrall: Denn diß ist der Nahme meines Gauls / meine edle Fräwlin / vnnd der meinige ist Don Kichote de la Mantscha. Dann ob ich [33] mir zwar fürgenommen / mich nicht ehe an Tag vnd zuerkennen zugeben / biß die Ritterlichen Thaten / so euch zu dienst vnd nutz ich außzuvben gedencke / mich entdeckt vnnd kundbar würden gemacht haben: jedoch ist die Begierd vnd Zwang gedachte alte Reden des Lanssarote auff gegenwertiges mein Vornehmen zu ziehen / ein Vrsach gewesen / daß jhr jetzo vnnd vor der Zeit meinen Nahmen erfahren habt. Aber es wird die Zeit kommen / zu welcher ewre Gnaden mir befehlen / vnd ich jhnen gehorsamen / vnd die Krafft meines Arms die Begierd entdecken möge / so ich hab euch alle Ritterliche Dienste zuleisten. Die Dirnen / so dergleichen verblümbte Reden zuhören nicht gewohnt waren / beantworteten jhn hierauff nicht mit eim Wort / sondern fragten jhn nur / ob er etwas zu essen begehrte. Ich frühstückte wol einmal mit / sagte Don Kichote, dann ich befinde / daß mirs nicht wenig zuträglich seyn möchte.

Das Glück hatte es also gefügt / daß gleich damahls Freytag war / vnnd in der gantzen Schencke nichts zu essen vorhanden / als etliche Stücklin vnd vbrige Bröcklin von eim Stockfisch / so man in Castilien Bachsteltze / vnd in Andalusien Americaner-Fisch / etlicher Enden Amerdan / vnd anderswo kleine Forellen nennet. Sie fragten jhn / ob seine Liebde vielleicht kleine Forellen möchte / weil vor dißmahl kein anderer Fisch vorhanden / so jhm könte fürgesetzt werden. Wo derer viel seyn / antwortete Don Kichote, mögen jhrer ein Hauffen gleich so viel außrichten / als eine einige grosse: dann mir ist wenig dran gelegen / es geb mir einer einen Reichsthaler an halben Orthen in Müntze / oder einen gantzen Thaler an einem Stück / zumahln weil sichs vielleicht zutragen könte / daß die kleinen Föhrlin gegen die [34] grossen gerechnet der Art weren / wie das Fleisch von jungen Kälbern / so besser ist / als das von Kühen / vnd das Zickelfleisch / so schmackhaffter als der Böcke. Aber sie seyen wie sie wollen / so bring man sie nur eilends her / dann grosse Arbeit vnd die Last der Rüstung mag nicht anders außgestanden vnd ertragen werden / als durch hülffe vnd regierung der Kaldaunen[13] vnd Eingeweide. Also wurd jhm der Tisch an die Thür der Schencke gesetzt / damit er fein im frischen Taffel hielte / vnd bracht jhm der Wirth ein Stück von dem vbel gewässerten vnd noch vbeler gekochten Stockfisch / vnd ein Brodt gleich so schwartz vnd vnsauber / als seine Waffen waren.

Nun war es in Warheit wol lächerlich anzusehen / wie er aß. Denn weil er die Sturmhaube stets vffm Kopff stehen vnd das Visier etwz erhoben hatte / vermochte er nichts mit eignen Handen im Mund zustecken / sondern muste jemand anders jm alles ins Maul geben: welchen Dienst dann die eine von den zweyen Fräwlin verrichtete. Aber da es zum trincken kam / wer es nicht müglich gewesen jhn zu träncken / wo nicht der Wirth ein Schilffrohr genommen / es außgehölet / das ein Ende jhm in den Mund gesteckt vnd zu dem andern den Wein eingefüllet hette: welchen er mit grosser Langmütigkeit vnd Gedult also in sich empfieng / nur damit jhme die Stricke seiner Sturmhauben gantz vnnd vnzerschnitten verblieben.

In dem er also vber diesen Verrichtungen war / nahete ohngefehr zu der Schencke ein Schweinschneider / vnd gleich als er dabey kam / fieng er an zu vier oder fünff mahlen seine Rohrpfeiffe zu blasen. Vnd hierdurch ward Don Kichote vergewissert vnd in seiner Meinung bekräfftiget / daß er in eim berühmbten Castell were / darinn sie jhm mit solchem Seitenspiel zu[14] Tisch hoffierten / vnd daß der Stockfisch


[34a]


[35] Fohren / das schwartze Brodt Herrn Semmel / die Zuchtlosen Dirnen / Fräwlin / vnd der Schencke Schloßhauptmann oder Burgvoigt were. Das einige so jhn kränckte / war dieses / das er befand / wie er noch nicht zum Ritter geschlagen were / vnd deßwegen sich bedüncken ließ / daß er mit gutem Gewissen in einigen Kampff vnd Ritterlichte That sich nicht einlassen würde können / ehe vnd er den Orden der Ritterschafft empfangen hette.




Das 3. Capitel.
Darinnen erzehlet wird die anmutige Art vnd Weise / vermittels welcher Don Kichote zum Ritter geschlagen ward.

VNd mit disen seinen schwermütigen Gedancken endigte sich seine krügerische vnnd schmale Abendmahlzeit: Zu derer außgang beruffte er zu sich den Wirth / verschloß sich mit jhme in den Pferdstall / fiel nieder jhme zun Füssen vnd sprach zu jhm: Nimmermehr will ich mich von dem Orte erheben / darauff ich jetzo mich befinde / behertzter Ritter / biß so lang ewre Freund- vnd Leutseligkeit geruhe mich einer Bitt zu geweren / so ich an dieselbte zusuchen im willens bin: Welche zu ewigem ewrem Lob vnd ersprüßlichem Nutz des menschlichen Geschlechts gereichen sol. Der Schencke / so seinen [36] Gast also zu seinen Füssen liegen sahe / vnd von jhm derogleichen Reden verstande / erstutzte darüber / sahe jhn an / wuste nicht was er thun oder sagen solte / vnd nötigte sich mit jhm / daß er auffstünde: so aber er durchauß nicht thun wolte / ehe vnd der Wirth zusagte / jhn seiner Bitt zu gewären. Ich trug freylich starcke Hoffnung zu ewrer Mildigkeit mein hochgeehrter Herr / sagt Don Kichote, vnd entdecke euch derohalben hiermit / daß die Gabe / so ich von euch gebeten vnd nunmehro schon von ewrer Freygebigkeit erlangt habe / ist / daß jr morgen zu früher Tagzeit mich zum Ritter schlagen wollet. Vnd diese Nacht wil ich in der Capell dieses ewres Castells die Waffen bewahren vnd verfechten / hiermit morgen / wie gesagt / das jenige zu werck möge gerichtet werden / darnach ich mit so hertzlicher begierd mich sehne / auff daß ich durch alle vier Theil der Welt / wie sichs gebührt / ziehe / allerhand Abendthewr vnd Ritterliche Thaten suche vnd versuche / zu behuff vnd hülffe der bedrängten / wie solchs erfordert das Ampt der Ritterschafft vnnd der fahrenden Ritter / von derer Zunfft ich bin / vnd alle mein Sinn / Gemüth vnnd Begierde dergleichen mannliche Thaten zu vollnbringen gerichtet habe.

Der Wirth / welcher / wie obgedacht / mit eim Schelmen gefuttert war / hatte schon ziemlich viel Argwohn vnd Kennzeichen vor sich / daß sein Gast vnterm Hütlin nicht allzuwol verwahrt seyn müste / beschloß vollends seine Meinung von jhm / als er diese seine Reden außgehöret hatte. Vnd darmit man etwas denselben Abend vnd Nacht vber zu lachen hette / entschloß er des Don Kichote Begierde zufolgen / vnd zu seiner Weise sich zu bequemen / vnnd sprach drauff zu jhm / daß sein begehren recht vnd der Billigkeit gemäß / vnd ein solches Vorhaben [37] gewöhnlich vnd gleichsam angeboren were / allen so vornehmen Rittern / dergleichen auch er einer scheinte zuseyn / vnd seine frewdige Gestalt vnnd tapffere Gegenwart solches gnugsam darthäte. Vnd sagte hierauff weiter / daß auch er selbs vor sein Person in Jahren seiner Jugend sich vff solche ehrenwürdige ritterliche Waffenvbung gelegt vnnd durch vnterschiedliche Theil der Welt gereiset were / sein Glück in Ritterspielen zu versuchen / also gar / daß er auch die Vorstätte zu Malága, die Inseln von kiaran, die Compaß von Sevilien / den Marcktplatz bey der Segovranischen Wunderbrück / den Olivenwald zu Valentz / den Vmbkreiß vmb die Mawren von Granada, die Meergegend von Sanlucar, den Diebsbrunnenplatz zu Corduba, die Toletanische Krüge vnd Wirthshäuser / vnd andere viel Lande / da er sich fleissig der Flüchtigkeit seiner Schenckel vnd Geschwindigkeit seiner Hände gebraucht / nicht hette vbergangen vnd verbergen lassen: in dem er / was gerade / krumm gemacht / viel Witwen bethöret / etliche Jungfern gelöset / etliche Vnmündige vbern Tölpel geworffen / vnnd schließlichen sich durch alle Rahtstüle vnd Gericht von gantz Spanien bekant vnd ruchtbar gemacht: endlichen aber sich anhero in dieses sein Castell begeben / da er dann noch lebte vnd sich erhielte / nicht allein von dem seinigen / sondern auch von anderer Leute Schweiß vnd Blut / nehme auff vnnd herbergte in diesem seinem Schloß alle fahrende Rittersleute / was Eigenschafft vnd Standes auch dieselben weren / lediglich vnd bloß auß lieb vnd gunst / so er zu jhnen trüge / vnd hiermit sie zur Danckbarkeit / vnd dieses sein gutes Gemüth in etwas zu belohnen / mit jhme hinwiderumb das jhrige mildiglich theileten. Er sagte jhm auch ferrner / daß in diesem seinem Castell keine Capell [38] were / darin er seine Waffen bewahren vnd verthädigen möchte / weiln er die alte eingerissen / vmb eine newe an die Stell zu bawen. Aber daß im fall der Noth er wol wüste / daß solches herkommen mit den Waffen an jedem Ort könte angestelt werden / wo jhn nur beliebte / vnd daß er vff bevorstehende Nacht solches in dem einen Hoff des Castells verrichten möchte / worauff er vff folgenden Morgen / so es Gott geliebte / der gebräuchlichen Ritterschlagungs Gebräuche gegen jhm sich gebrauchen wolte / in solcher Maß / daß er ein gewaffneter Ritter würde vnd bliebe / vnd zwar so ein Ritterlicher Ritter / daß keiner in der Welt Ritterischer würde seyn können.

Er fragte jhn auch weiter / ob er auch Geld mit sich führte? Drauff jhm Don Quixote antwortet / daß er nicht ein Scherff bey sich hette / vnnd daß darumb / weil er niemals in einiger Geschichtbeschreibung der wallenden Ritter gelesen / daß jrgend der Ritter einer Geld bey sich geführt hette. Hierauff antwortete der Schenck / daß er jrrete / dann daß in den Geschichtbüchern solches nicht außdrücklich nach dem Buchstaben sich befünde / geschehe darumb / daß die Geschichtbeschreiber bedaucht hette vnnötig zu seyn / daß man eine so klare Sach / vnd die so nothwendig bey sich zuführen were / als da sind Geld vnd weisse Hembder / auffzeichnen vnd beschreiben solte / vnd daß man darauß nicht schliessen müste / daß sie dergleichen nicht bey sich geführt hetten. Vnd solte er derohalben gäntzlich vnd gewiß dafür halten / daß alle reisende Ritter / von denen so viel vnd grosse Bücher gefüllet vnd vffgewachsen / wol verwahrte vnd beschlagene Beutel zu aller fürfallender Not bey sich geführet / so wol auch Hembden / vnnd ein klein Büchslein voll öhls oder Salben / damit die Wunden zu heilen / so sie vielfältig im kämpffen empfiengen / [39] weil vff freyem Feld vnd in Wüsteneyen / da sie etwa miteinander stritten vnd verwundet würden / nicht allzeit jemand möchte gefunden werden / so sie bald verbinden vnd heilen könte: es were dann sach / daß sie etwa einen weisen Zauberer zum Freund hetten / welcher jhnen schleunig zu hülff käme / vnd durch die Lufft her etwa in einer Wolcken eine Jungfer oder einen Zwerch mit sich führte / mit eim gläsernen Fläschlein voller Wassers von so trefflicher Krafft / daß / so bald sie dessen ein Tropffen schmeckten / stracks vnd in eim Augenblick von jhren Schäden vnnd Wunden heil würden / ob hetten sie nie einigen Mangel gehabt. Aber zum Fall / vnd so lange diß nicht beschehe / hetten alle Ritter von vhraltem andencken her vor bequem vnd nothwendig erachtet / daß jhre Waffenträger mit Gelde vnnd andern nothwendigen Dingen / als da seynd Faden vnd leinene Tücher / auch öhl vnd Salben / wol versehen weren / vmb damit sich zu heilen vnd zu verbinden. Vnd wofern sichs ja zu weilen zugetragen / daß die Ritter eines Waffenträgers gemangelt / so doch wenig vnd selten geschehen / daß sie selbs solches / als Sachen grosser Nothwendigkeit hinderm Sattel bey sich geführt / in so gar subtilen vnd kleinen Reisetäschlin / daß man sie fast nicht sehen oder bey jhnen mercken können. Dann was die andern grössern Reise- oder Brodkarnier belanget / so man hinder sich am sattel zuführen pflegt / weil solche zu diesen vnd dergleichen Händeln nicht bequäm oder nothwendig / seyen sie bey den fahrenden Rittern nicht bräuchlich gewesen. Vnd hierauff gab er jhm den Raht / weil er jhm / als seinem zukünfftigen / vnd nun schon angehenden Pathen / noch zu befehlen vnd zu gebieten macht hette / daß er von dannen ohne Geld vnd Vorraht anderer Nothwendigkeit nicht fürder reisete / in dem er ins künfftig in der that erfahren könte / wiewol er sich bey derselben [40] befinden würde / wann vnd wo ers vielleicht am wenigsten gedacht hette.

Don Kichote sagte jhm zu / alle dem jenigen / so er jhm gerathen hette / in jedwederm Puncten stet vnd vnverbrüchlich nachzukommen: vnd wurde hierauff bald zugerüstet vnnd angeordnet / wie er seine Rüstung in eim grossen Hof / so seitwarts der Schencke war / bewahren vnnd beschützen solte. Also nam Don Kichote alle seine Waffen zusammen / vnnd stelte sie auff einen Trog / so nahe bey dem Brunnen stunde: Faßte sich mit siner Rundtartschen / nam zur Hand die Lantze vnd fieng an mit eim zierlichen Geberd vnd Geschicklichkeit des Leibes vor vnnd an dem Troge her zu spatzieren / vnd / gleich in dem er also herein zu tretten anfieng / fieng es auch an gantz nacht zu werden.

Der Wirth erzehlte denen allen / so drinn im Hauß wahren / die Thorheit seines Gasts / die Bewahrnüß seiner Rüstung / vnnd wie er jhn in gantz kurtzem zum Ritter schlagen würde / drauff dann der Gast eintzig vnd sehnlich hoffete. Sie verwunderten sich alle sehr ab der so seltzamen vnd vnerhörten Art der Thorheit / verfügten sich von weitem an den Ort / dem Handel zuzusehen: vnd wurden gewahr / wie der gute Ritter mit gar sittsamen sanfften Geberden bald hin vnd wider gieng / bald vff seine Lantzen sich lehnend / die Augen stracks gegen seine Rüstung kehrete / vnd sie also vnverwendetes Gesichts ein gute weil beschawete. Die Nacht fieng sich an mit so grosser Klarheit des Monds / daß er den Planeten selbs nichts bevor gab / der jhm solchen Schein darliehe: in solcher Maß / daß alles / was der new angehende Ritter that oder fürnahm / von jederman wol mochte gesehen werden.

Inmittels kam den einen Eseltreiber von denen / [41] so in der Schencke jhr Nachtläger hatten / eine Lust an zu dem Brunnen zu gehen / vnd vor seine Thier Wasser zu holen. Welches zu verrichten war von nöthen / des Don Kichote Waffen ab vnnd hinweg zu thun / weil sie gleich vff den Wassertrog gestelt waren. Als nun Don Kichote jhn herzu nahen sahe / schrie er mit lauter Stimm gegen jhn zu: O du kühner vnd verwegener Ritter / wer du auch jmmer seyn magst / der du herbey kombst anzurühren die Waffen des allerbehertzesten reisenden Heldes / so jemahls ein Schwert an die Seite gegürtet / siehe wol zu / was du thust / rühre mir die Waffen nicht mit einem Finger an / wo du nicht zur Straff deiner Thumkünheit das Leben allhier auffm Platz lassen wilst. Der Maultreiber kehrte sich nichts an diese Drewwort / wiewol jm besser vnd rathsamer gewesen were / er sich dran gekehrt / vnd also seine eigne Wolfahrt in acht genommen hette / sondern faßte mit eim ledernen Gürtel den gantzen Plunder der Waffen zusammen / warff vnd schleuderte sie ein gute ecke von sich hinweg vnd vber ein Hauffen. Als Don Kichote dessen gewahr wurde / hub er seine Augen gen Himmel auff / vnd in dem er / massen der Augenschein zuverstehen gab / seine gantze Gedancken vnd Sinn auff seine Fürstin Dulcinéa wendete / sprach er: kompt mir zu hülff / gnädige Fraw / in dieser ersten Schmach / so ewrem Lehenstrewen Hertzen begegnet / laßt mir ja in diesem ersten Anstoß ewre Gunst vnd Hülffe nicht ermangeln. Vnd in dem er diese vnnd dergleichen mehr Reden geführet / ließ er die Tartzsche gehen / nam seine Lantze zu beyden Fäusten / vnd versetzte mit derselben so ein harten Streich dem Maultreiber auff den Kopff / daß er jhn zur Erde niederwarff / mit solcher vngestümm / daß / wo er vff solche weise noch mit einem Streich nachgefolget / [42] würde der gute Maultreiber keines Balbiers bedürfft haben / so jhn geheilet hette. Als er diß verrichtet / laß er seine Waffen wider zusammen / vnd fuhr fort vor denen her zu spatzieren mit gleicher sittsamkeit / als er vorhin gethan hatte.

Nicht lange hernach kam noch ein ander von dieser Zunfft / vnwissend / was sich mit dem vorigem seinem Gesellen zugetragen hatte / welcher noch jmmerdar sinnloß vnnd aller ertaubet vff der Wahlstatt liegen blieb / vnnd war eben der Meinung / seinen Mauleseln zu trincken zuholen. Vnd als er hinzu nahete / die Rüstung abzuheben / vnnd den Trog zuöffnen / machte sich Don Kichote gefaßt / sagte kein Wort / bath auch nicht / wie vor / vmb gunst vnd beystand / sondern ließ noch einsten den Schild fallen / faste sich zum andernmal mit seiner Lantz / vnd / ohne zerstücklen derselben / zerschlug er diesem andern Maultreiber mehr als an dreyen Enden den Kopff / in dem er jhme solchen wol an vier Orten auffspaltete. Zu diesem Getümmel vnnd Wesen lieff alles Volck vnnd Gesindlein auß der Schencke zu / vnd vnter jhnen auch der Wirth.

Don Kichote, als er solches sahe / ergreiff er seinen Schild / zoch sein Schwert auß / vnnd sagte: O allerschönste Heldin / Krafft vnd Stärcke meines abgematteten Hertzens / nunmehro ist es zeit / daß du die Augen deiner Hochheit wendest auff deinen gefangenen Ritter / welcher so eines trefflichen Zufalls vnd Abendthewr anjetzo erwartet. Vnd zugleich mit diesen Worten bekam er seines bedünckens ein solches Hertz vnnd mannhafftes Gemüt / daß / wo sich auch schon alle Maul- vnd Eseltreiber der Welt an jhn gemacht hetten / würde er nicht eines Fusses breit zurück gewichen seyn. Die andern Gesellen der Verwundeten / als sie jhre Gespahne also [43] liegen sahen / begunten von weitem mit Steinen vber den Don Kichote zu hageln: welcher / vffs beste er vermochte / mit seiner Tartschen den Leib verwahrte / vnd erkühnte sich nicht vom Troge abzuweichen / damit er seine Rüstung nicht vnverfochten liesse. Der Wirth schrie / sie solten von jhnen ablassen / weil er sie doch schon berichtet hette / daß er ein Thor were / vnd daß er mit solchem schein vnd fürwenden sich von aller Straff loß würcken würde / wann er sie schon alle vber einen Hauffen vmbbrächte. Also schrie auch Don Kichote viel hefftiger / hieß sie / trewlose Leute vnd Verräther / vnd daß der Hauptmann der Festung ein Bößwicht vnd vnrechter Ritter were / weil er zuliesse / daß man vff solche maß mit den reisenden Rittern vmbgienge / vnnd / wo er den Orden der Ritterschafft schon erlangt hette / wolte er jm seine Trewlosigkeit mit der that zuverstehen geben: aber euch andere / sprach er / jhr nichtswerthes / vnnd schlimmes Lumpengesindlein / acht ich alle nicht eins Pfifferlings werth / trett heran / kompt herzu / beleidigt mich / so viel euch jmmer müglich / jhr solt erfahren / daß ich euch vmb ewrer Thorheit vnd Vberschreittung straffen wil. Vnd diß sagte er mit solcher Frewdigkeit vnnd so hertzhaffter Tapfferkeit / daß er eine erschreckliche Furcht denen allen einjagte / so vber jhn her wolten. Vnnd also theils auß solcher Furcht / theils durch beredung des Wirths bewogen / liessen sie ab vff jhn zu werffen: vnd er ließ sie zu / daß man die Verwundeten weg schleppen mochte / vnnd fuhr mit bewahrung seiner Waffen weiter fort / mit gleicher Sittsam- vnd Erbarkeit / wie er zuvor gethan hatte.

Der schimpf dises Gasts gefiel dem Wirth nit allerdings / vnd also entschloß er / den sachen kurtz abzuhelffen / [44] vnd jhn eilends zum elenden Ritter zuschlagen / ehe vnd etwa ein ander Vnglück dreyn kähme. Vnd also nahete er zu jhm / entschuldigte sich der Hochmuth / so diß gemeine Völcklin hinder seim vorwissen vnd willen an jhm verübet: welche gleichwol dieser Thumkünheit gnugsame vnnd billiche Straff von jhm bekommen hetten. Er sagte jhm weiter / wie er schon vorher jhn berichtet / daß in dem Castell keine Capell were / auch noch weniger derer zu vollendung dessen / so noch zu jhrem Vornemen vbrig / vonnöthen thäte: weil das gantze Werck des Ritterschlagens in dem Backenstreich vnd dem Schwertschlag bestünde / so fern als er der Gewonheit des Ordens wissenschafft trüge / vnd daß solches wol in der Mitte des Feldes geschehen könte: auch daß er nunmehr erfüllet hette / was wegen bewahrnüß vnd verfechtung seiner Rüstung vonnöthen gewesen / welches sonst in zwey Stunden könte verrichtet werden / da er doch derer gantzer viere darob zubracht. Dieses alles glaubte jhm Don Quixote gern / vnd sprach / daß er bereit wer / jhme zu gehorsamen / vnnd daß er vffs schleunigste müglich / das Werck vollnbrächte: dann / wo er noch einsten also vberfallen solte werden / vnd sich als einen schon geschlagenen newen Ritter befinde / wer er gemeint / nicht einigen Menschen im Castell leben zu lassen / dieselben nur außgenommen / davon er jhm befehl thun würde: dann allein derer gedächte er wegen der Ehre / so er jhm schuldig / zu verschonen.

Als der Wirth dieses sein Vorhaben vernommen / befurchte er sich eins weitern Zufalls / brachte bald herfür ein Buch / darinn er das Stroh vnd Gersten auffzeichnete / so er den Maultreibern zugeben pflegte / vnd mit eim stümpfflein Liecht / so jhm ein Junge trug / mit den zwey obgedachten Fräwlin begleitet / [45] verfügt er sich an den Ort / da Don Kichote stund / welchem er befahl auff die Knie zufallen: darauff laß er etwas in seinem Buch / gleichsam / ob er etwa ein Gebet mit andacht spräche / vnd mitten vnter dem Lesen hub er die Hand auff / vnd gab jhm einen guten starcken Schlag an den Halß / vnd bald drauff einen tapffern Schwertschlag auff die Achsel mit seinem eignen Schwert / vnd hierzwischen murmelte er stets etwas heimlich mit halbem Munde / gleich ob er betete. Als dieses verrichtet / befahl er der einen von den zweyen Fräwlin / daß sie jhm das Schwert angürtete / welche solches mit sonderbarer Geschickligkeit vnd Bescheidenheit verrichtete: wie dann derer in warheit wol dißfalls vonnöthen war / darmit man sich bey jedem Punct dieser Gauckeley des lachens enthielte / davon man sonst wol hette bersten mögen. Aber die mannliche Thaten / so sie schon von diesem newen Ritter gesehen hatten / hielten die zwey Dirnen zimblich im Zaum vnnd vom Lachen ab. Im angürten des Schwerts sagte das gute Fräwlin: Gott mache ewer Liebde zu eim glückseligen Ritter / vnnd geb jhr Segen vnd Heil im kämpffen.

Don Kichote fragte sie vmb jhren Nahmen / darmit er von nun an wissen möchte / wem er vor empfangene solche Wolthat verbunden seyn würde: weil er gedächte sie in etwas theilhafftig zu machen der Ehr / so er durch krafft seines Arms erlangen würde. Worauff sie jhm in tieffer Demuth antwortete / sie hiesse Tolosa vund were eins Hosenflickers von Toledo Tochter / wonhafftig bey den Kramläden / so man Santschobienaya nennet / vnd daß sie bereitwillig wer / jhme zu dienen / vnd jhn vor jhren Herren zu erkennen. Don Kichote [46] bath sie hierauff / daß sie jhm zur Liebe in künfftig vor jhren Nahmen das Don setzen vnd sich Fräwlin Tolosa nennen wolte. Welchs jhm dann diese erste zusagte / vnd die andere legte jhm den Sporen an / mit welcher er ein gleichmässiges gespräch hielt / wie mit der vorigen / so jhm das Schwert angegürtet hatte. Er begehrte jhren Nahmen zuwissen: worauff sie antwortete / sie hiesse die Müllerin / eins erbarn Müllers von Antequera Tochter. Diese bathe er / daß sie sich hinfort Fräwlin Müllerin nennen solte / vnnd erbot sich gegen jhr grosser Dienste vnd danckbarlichen Willens. Als nun diese Thaydigungen so geschwind vnnd in vollem rennen vffeinander abgangen waren / dergleichen bißhero in Rittersachen noch nie gesehen worden / konte Don Kichote der Zeit kaum erwarten zu Roß zusitzen / vnd sein Glück in Ritterlichen Thaten zu versuchen. Vnd also sattelte er eilends seinen Rossübrall / stieg auff / vmbfieng seinen Wirth / sagt jhm so viel wunderseltzame alfantzerey / in dem er jhm danckte der Wolthat / daß er jhn zum Ritter geschlagen hette / daß es vnmüglich durch beschreibung solche zu erreichen. Der Schencke nach dem er sahe / daß sein sauberer Gast nun schon auß der Thür war / antwortete jhm zwar mit kürtzern worten / jedoch fast mit gleichen rednerischen verblümbden Taydigungen / begehrte keine abstattung der Zehrung / vnd ließ jhn in Gottes Nahmen hinwandern.



[47]
Das 4. Capitel.
Was vnserm Ritter ferrner[15] begegnet / nach dem er auß der Schencke außgeritten war.

ES begünte fast zu tagen / als Don Kichote auß der Schenck ritte / so lustig / so frewdig / vnd mit solchem Frolocken ab seinem erlangten Rittersorden / daß die Frewde jhn fast biß vff den Bauchgurt seines Gauls auffpersten machte: Aber nach dem er sich zurück erinnerte des vielfältigen Raths / so jhm sein Wirth wegen allerhand nothwendiges Reisevorrahts / so er bey sich führen müste / besonders aber wegen Geldes vnd Hembden / gegeben hatte / entschloß er wider vmb vnnd nach Hause zukehren / vnd sich mit dem allem / wie auch mit einem Waffenträger / vfs beste zuversehen vnd außzustaffieren. Er wurde Rahts einen Bawersmann seinen Nachbar vffzunehmen / welcher arm war / vnnd viel Kinder hatte / aber zu solchem Waffenträgerischen Ampt der Ritterschafft sehr wol geschickt. In diesen Gedancken wendete er seinen Rossübrall des Wegs gegen sein Dorff zu / welcher / in dem er gleichsam den Weg nach der Krippen [48] erkennete / mit solchem Eiffer vnd Begierd zu lauffen anfieng / daß es scheinte / ob setzte er keinen Fuß vffs Erdreich nider.

So gar weit war Don Kichote noch nicht geritten / so bedünckte jhn / daß gegen seiner rechten Hand zu / auß eim dicken finstern Gehöltze / so daselbs war / eine linde weichliche Stimme herfür schallete / gleichsam einer Person / so eine elende Klag führete. Kaum hatte er die Stimme gehört / so sprach er bald: Ich dancke Gott im Himmel der Gnade / so er mir widerfahren leßt / in dem sich also stracks Gelegenheiten ereugen / dadurch ich ins Werck setzen möge / was mein Orden vnd Ampt erfordert / vnnd dadurch ich die Frucht meiner tugendhafften Begierde werde abbrechen können. Dieses Geschrey muß sonder zweiffel eines oder einer Betrangten seyn / so meiner Gunst vnd Hülff vonnöthen hat. Vnd damit zohe er den Zügel an sich / warff seinen Rossübral herumb / vnnd wandte sich gegen den Ort / da er den Schall herkommen hatte vernommen. Vnd vff wenig Schritte / so er in den Wald gethan / sahe er ein Pferd an eine Eiche / vnd an eine andere einen jungen Knaben gebunden / so biß an die Gürtelstette gantz nacket vnd entblösset war / seins Alters ohngefehr vff ein fünffzehen Jahr. Vnd dieses war der / so das Geschrey machte / zwar nicht ohne Vrsach: dann es stund bey jhm ein starcker frischer Bawersmann / so jhme mit eim Gürtel viel Streiche vmb den Leib gabe / vnd zu jedem Streich schalt er jhn zugleich mit / vnd gab jhm auch beynebenst eine sonderbahre Lehre / in dem er sprach: das Maul zu / die Augen auff. Der Jung aber antwortet: Ich wils nicht mehr thun / lieber Herr / vmb des Leyden Gottes willen / ich wils mein Lebenlang nicht mehr thun / ich sag euch zu / daß ich hinfort vff die Heerde bessere acht haben wil. [49] Don Kichote als er sahe was vorgieng / schrie er mit zorniger Stimm: Vnhöfflicher Ritter / es steht vbel / daß jr euch an einen solchen macht / der sich nicht vertäydigen kan. Sitzt auff ewer Roß / nehmt ewre Lantze zur Hand (dann an dem Baum / dran das Pferd gebunden war / stund auch eine Stang angelehnet) dann ich wil euch jetzo zuerkennen geben / daß diß verzagter Leute thun sey / dessen jhr euch anjetzo vnterwindet. Der Bawer / als er diese abschewliche Gestalt voller Harnisch vnd Waffen sich vbern Halß kommen sahe / so die Lantze vber den Kopff herschwunge: befand er sich von Furcht mehr als halb todt / vnnd antwortete mit wehmütiger Stimm: Herr Ritter / dieser Knab / den ich hier züchtige / ist meiner Knechte einer / so mir vor ein Hirten Jungen dienet / der Schafheerde zuhüten / welche ich vmb diese gegend weiden habe. Er ist so vnachtsam / daß mir täglich von der Heerde ein Schaf mangelt. Vnd weiln ich solche seine Nachlässigkeit vnd Vnart straffe / so spricht er / ich thue jhm leyd vnd vnrecht / daß ich jhm seinen Lohn fürhalte / so ich jhm sol schuldig seyn: Aber vff meine Seel er leugts in seinen Halß. Wie sagt Don Kichote? also grob der Lügen in meiner Gegenwart zu gedencken? nichtswerther Bawersknoll. Bey der Sonnen / so vns bescheinet / ich bin gefaßt euch mit dieser Lantz durch vnd durch zurennen. Stracks zahlt jhn ohn einig weiteres einwenden. Wo nicht bey dem wahren Gott / der vber vns alle herrschet / ich werd das garauß mit euch machen / vnnd euch gleich vff der stund vffreiben. Stracks lößt jhn auff. Der Bawer neigte das Haupt / vnd ohn einige weitere Antwort lößte er den Jungen auff: welchen Don Kichote drauff fragte / wz / vnd wie viel jhm sein Herr schuldig were. Der Junge sagte: Neun Monat Sold / vff [50] jeden Monat sieben halbe Ort eins Thalers gerechnet. Don Kichote vberschlugs / vnd befande / daß sich die rechnung vff drey vnd sechtzig halbe Ortsthaler belieff / vnnd sagte zum Bawren / daß er solches Geld stracks auß dem Beutel langte / wo er nicht drümb sterben wolte. Der arme furchtsam Bawer antwortet / daß bey den Fußstapffen / drauff er stünde / vnd dem Eide / so er geschworen hette (vnd hatte er doch noch nie geschworen) der halben Orthe nicht so viel weren. Dann es weren davon abzuziehen vnnd gleich vff rechnung vnnd abschlag zu nehmen / drey paar Schuh / so er jhm geben / vnd ein halber Orth vor zwey Adern / so man jhm gelassen / als er kranck gewesen. Diß ist zwar nicht vnbillich / antwortet Don Kichote: aber doch man rechne die Schuh vnd die Adern gegen die Streiche ab / so jhr jhm vnschuldiger weise gegeben. Dann hat er das Leder der von euch bezahlten Schuh zerrissen / so habt jhr jhm hingegen zerrissen das Leder vnd Haut seines Leibes. Vnd hat der Barbier jhm Blut gelassen in seiner Kranckheit / so habt jhrs jhm hingegen gelassen bey guter seiner Leibsgesundheit: daß jhr also dißfalls nichts von rechtswegen zu fordern oder jhm abzuziehen habt. Nur ist diß der Mangel / Herr Ritter / sprach der Bawr / daß ich nicht hier gleich Geld bey mir habe: es komme aber Andres mit mir nach Hause / wil ichs jhm alles zahlen / einen halben Orth vber den andern. Daß ich mit jhm nach Hauß gehen solte? ja narren / sagte der Jung / Nein / nein / Junckher / das denckt nur nicht: dann wann er sehe / daß er allein mit mir wer / vnnd mich in seiner Kluppen hette / er würde mich schinden ärger / als wann ich der heilige Bartel[16] were. Das wird er wol lassen / sagte Don Kichote, laß dir gnügen / dz ichs jhm befehle / vnd er sich für mir schewe. Drumb / wo [51] er mir schweret bey dem Orden der Ritterschafft / so er empfangen / wil ich jhn freyledig gehen lassen / vnd der Zahlung versicherung thun. Herr / ewr Veste sehen was sie reden / sagt der Jung / denn dieser mein Herr ist kein Ritter / hat auch nie keinen Orden empfangen / sondern heißt Hanß Althut / der reiche / vnd ist des Quintanar Nachbar. Da ist wenig angelegen / sagt Don Kichote, dann auch wol die Althütten Ritter seyn können / sonderlich weil man einen jeden / nicht nach dem Geschlecht / sondern nach seinen Wercken vnnd Thaten schätzen sol. Das ist wol war Herr / sagt Andres / aber was solte dieser mein Herr vor tugendhaffte Thaten thun / in dem er mir meinen sawren Schweiß vnnd Blut / meine Müh vnnd Arbeit / meinen Lohn verläugnet? Ich läugne es euch nicht / mein Freund Andres / sprach der Bawer / thut mir nur die Freundschafft vnd geht mit mir / dann ich schwere euch bey allen Orden der Ritterschafften so in der gantzen Welt seyn mögen / daß ich euch zahlen wil / wie obgesagt / einen halben Orth vber den andern / vnd wil euch noch vber diß die Müntze segnen vnd beräuchern. Des beräucherns thue ich mich bedancken / sagte Don Kichote, ist dessen nicht von nöthen / gebts jhm nur an halben Orthen / damit bin ich zu frieden: seht aber wol zu / daß jhrs also im werck erfüllet / wie jhr geschworen habt. Dann sonsten schwer ich euch eben durch denselben Eid / daß ich wider vmbkehren wil / euch zu suchen vnd zu züchtigen / vnnd verhoff euch wol zu finden / wo jhr euch schon besser verbirget / als eine Heidechse. Vnd wo jhr zuwissen begehret / wer der jenige sey / so euch dieses befihlet / darmit jhr desto gewisser vnnd hefftiger verbunden seynd / solchs ins werck zurichten / so wisset / daß ich bin der mannhaffte Don Kichote de la Mantscha, Recher alles [52] vnrechts vnd vnbilligkeit / vnnd hiermit Ade / Gott befohlen: vnd last euch nur nicht entfallen / was jhr zugesagt vnd geschworen habt / bey straff gesprochenen Vrtheils.

Vnd in dem er diß sagte / gab er seinem Rossübral die Spohren vnd in geschwinder Eil kam er jhnen auß dem Gesicht. Der Bawer sah jhm wol vnd eben nach / so weit er vermochte / vnd als er merckte / daß er zum Holtze hinauß / vnnd schon nicht mehr zu sehen war / wendete er sich zu seinem Diener Andres vnnd sprach zu jhm: Kompt her / mein Sohn / denn ich wil euch zahlen / was ich euch schuldig bin / zufolge dem / als mir der Recher des Vnrechts befohlen hat. Diß schwer ich euch / sagt Andres / vnnd wie woltet jhr sonst dem Befehl des frommen Ritters nachkommen / welchem ich wünsche / daß er tausend Jahr leben möge / weil er so ein mannhaffter Ritter vnnd gewissenhaffter Richter ist. Vnd so wahr / als der heilige Kochus lebt / wo jhr mich nicht zahlt / sol er widerkommen / vnd vber euch außüben / was er gesagt hat. Ich schwere gleichsfalls auch / sprach der Bawer: aber vmb der Gunst vnd Liebe willen / so ich zu euch trage / wil ich die schuld steigern / auff daß auch die bezahlung euch zu gut wachse. Drauff fasset er jhn bey dem Arm / bund jhn wider an die Eiche / vnd gab jhm so viel Streiche / daß er jhn für todt liegen ließ. Rufft jetzo / sagt der Bawr / rufft nun / Herr Andres / dem Recher des Vnrechts. Jetzo werdet jhr sehen / wie so gar er das Vnrecht nicht reche / daß er vielmehr dessen Vrsach sey / vnd zu weiterer Vnbilligkeit anlaß gebe. Dann gleich deßwegen kompt mich eine Lust an / euch lebendig zu schinden / wie jhr euch befürchtet habt. Gleichwol band er jhn endlich wider loß / vnnd ließ jhm zu / daß er seinen Richter suchen möchte / das von jhm gesprochene Vrtheil ins werck zu setzen.

[53] Der gute Andres zoch fort / zimlich erbittert / vnd schwur / daß er gehen wolte / den streitbaren Don Kichote de la Mantscha zu suchen / vnd jhm von Punct zu Punct alles zu erzehlen / so sich zugetragen hette / vnd daß der Bawer siebenfeltig jhn würde zahlen müssen. Wie dem allem / so zoch der Jung weinend ab / vnd der Bawer blieb lachend da. Vnd vff diese maß rechete der tapffere Held Don Kichote das vnrecht vnd war sehr froh / ab dem guten ablauff dieser Sachen / in dem jhn deuchtete / daß er einen glückseligen vnd herrlichen Anfang seiner Rittersvbungen gemacht hette / mit sein selbs grosser begnügung vnd befriedigung. Reisete also fort / gegen sein Dorff zu / vnd sagte bey sich selbs mit sachter Stimm:

Billich kanstu dich glückselig nennen / vor allen Frawen / so heut zu Tag vff der Welt leben / O du schönste vnter den schönsten Dulcinéa von Toloso, weil das Glück dir so wol gewolt / daß du dir vnterwürffig vnd deinem Willen vnd Begehren gantz zugethan hast machen können / einen so hertzhafften vnd berühmbten Ritter / als da ist / vnd hinfürs seyn wird Don Kichote de la Mantscha: welcher / inmassen der gantzen Welt wol bekant / erst gestern den Rittersorden angenommen / vnd schon heute abgeholffen hat dem grösten Vnrecht vnd Schmach / so die Vnbilligkeit gestifftet / vnd die Grawsamkeit außgerichtet. Heute hab ich dem vnbarmhertzigen grimmigen Feinde / so also gar ohn vrsach das zarte Kind striche / den Besen auß der Hand gerissen.

In dem kam er vff ein Creutzweg / vnd stracks gerieth er vff die närrischen Gedancken / von den Creutzwegen / drauff die reisenden Ritter gewöhnlich inne hielten /vnd sich bedachten / welchen vnter [54] denselben Wegen sie reisen wolten. Vnd hiermit er jhnen auch dißfalls nachahmete / blieb er ein wenig stutzend. Vnd als er ein gute weil also in gedancken gehalten / vnd sich bedacht / wo hinauß er reiten wolte / ließ er endlich seinem Rossübrall den Zügel schiessen vnnd stellte in den Willen des Pferds auch den seinigen. Das Pferd folgte seiner vorigen vnnd ersten Meinung / vnd traff den Weg gleich zu seinem Stalle zu. Vnd als es also etwa ein zwey Welsche Meilen fortgelauffen war / wurde Don Kichote einer grossen schaar Volcks gewahr / welchs / wie mans hernach erfahren hat / etliche Toletanische Kauffleute waren / so ins Königreich Marcia zogen / vmb daselbs Seide einzukauffen. Jhrer waren sechs / vnd zohen einher / jeder mit seinem Sonnenschirm / benebenst andern vier Dienern zu Roß / vnd drey Maultreibern zu Fuß.

So bald Don Kichote jhrer jnnen vnnd gewahr wurd / bildete er jhm ein / daß wider eine newe Abendthewr vorhanden were: Vnd damit er durchauß vnd in allem / so jhm nur müglich zuseyn dauchte / den jenigen Puncten nachfolgte / davon er in seinen Rittersbüchern / gelesen / ließ er sich bedüncken / daß jhm gleich eben recht da eine Gelegenheit auffstiesse / wie er sie begehret vnd ins werck zurichten gedächte. Vnd also mit besonderer Zierd vnd grosser Hertzhafftigkeit befestigte er sich wol in seinen Bügeln / legte mit der Lantzen ein / faßte den Schild vor die Brust / stellte sich in die mitte der Strassen / hielt vnd wartete biß die reisenden Ritter herzu naheten / dann vor solche hielt vnd achtete er sie. Vnd als sie herbey kamen / vff solche weite / daß man sich gegeneinander sehen vnd hören konte / hub Don Kichote die Stimme auff / vnd mit stoltzen Geberden schrie er: Alle Welt halte still / vnnd wo die gantze Welt [55] nicht bekennet / daß in der gantzen Welt kein schöner Fräwlin ist / als die Kayserin auß Fleckenland / die männiglich vbertreffende Dulcinéa von Toloso.

Vff den Schall dieser Wort / hielten die Kauffleute etwas still / das wunderseltzame Muster zubeschawen / so solche Reden führete: vnnd so wol auß der Gestalt als auch den geführten Reden begunten sie des Herrn selbs Thorheit bald zu mercken. Aber sie wolten doch mit guter muß sehen vnd erfahren / wo diß begehrte Bekantnüß würde hinauß lauffen. Einer vnter jhnen / so etlicher massen ein Spottvogel / vnd ziemlich verschmitzt vnd abgeführt war / sprach zu jhm: Herr Ritter / wir allerseits wissen nicht / wer das gute Fräwlin sey / davon jhr redet. Drümb weißt sie vns nur: Dann wo sie so gar schön ist / als jhr sie rühmet / wollen wir gern vnd ohne vergelt der Warheit statt geben / wie jhr an vns begehret. Wo ich sie euch wiese / antwortet Don Kichote, was würdet jhr sonderbahres vnd newes thun / in dem jhr eine so offentliche vnnd vnzweiffelhaffte Warheit bejahetet? Aber darauff bestehet die Hauptsache / daß jhr sie vngesehen dafür haltet / glaubet / bekennet / bekräfftiget / schweret vnd verfechtet. Oder wo nicht / so habt jhr schon ewern Feind vor der Nase / vnnd den Krieg vor der Hand / jhr vppiches vnd freches Lumpengesind / vnd hudelt euch nur bald her / einer nach dem andern / Mann vor Mann (wie das die Regel des Ritters-Ordens erfordert) oder nur stracks alle zugleich herauß / wie es die Gewonheit vnnd schändlicher Brauch ist / ewrer Schlacht vnd Gezüchte. Hier bin ich / hier wart ich ewrer / vff das gute Recht vnnd Billigkeit / so ich von meiner Seiten habe / einig vnd festiglich gegründet. Herr Ritter / antwortete der Kauffmann / ich bitt ewr Veste [56] demütiglich / im Nahmen vnnd von wegen aller dieser Printzen / so wir allhiero zugegen seyn / damit wir nicht durch bejahen vnd loben eines Dings / so wir vnser Lebtag nicht gesehen noch gehört / vnsere Gewissen beschweren durffen / auch weil dadurch den andern Kayserin vnnd Königinnen auß Alcarria vnd Estrema, dura ein mercklich Nachtheil erwachsen würde / es geruhe dieselbe nur ein Abriß desselben Fräwlins vns zu weisen / wanns auch schon nur eins Gerstenkorns groß were. Dann auß dem Faden kan man bald den Knewel erkennen. Vnd also werden wir leicht befriediget / vnnd der Warheit versichert / auch ewr Veste jhres begehrens gewert werden. Vnd laß ich mich bedüncken / daß wir allbereit vff jhrer seiten / vnd schon so weit gewonnen seyn / daß / ob schon jhr Bildnüß vns zeigte / daß sie mit dem einen Auge schielete / vnnd das ander jhr trjeffend wer / vnd Zinnoberroth vnd Schwefelgelb herauß rinnete / jedoch ewr Vesten zu lieb vnd sonderm gefallen / wir alle das jenige von jhr sagen würden / was sie von vns begehren. Nicht fleußt jhr / verruchtes Pöfelgezüchte / antwortete Don Kichote, so nun gantz von Zorn vnd Eiffer entbrant vnd rasend war / es fleußt jhr nicht / sag ich / dergleichen ichtwas auß den Augen / wie jhr sagt / sondern lauter köstlicher Amber / Biesem vnnd Zibeth / gleichsam zwischen einer Baumwollen herauß: vnnd ist sie nicht krumäugicht oder schielend / noch sonsten hockricht oder vngerades Leibs / sondern gleicher vnd raaniger / als jrgends eine Spindel auß Guadarrama. Aber jhr Kerls solt mir die grosse Schmähung vnd Lästerung / damit jhr die gewaltige Schönheit meines Fräwlins verschimpffiert habt / thewr gnugsam bezahlen.

Vnd gleich als er diß sagte / rannte er mit gesenckter [57] Lantze auff dem loß / so zu jhm also geredt hatte / mit solchem wüten / zorn vnd vngestümm / daß / wo das Gluck nit gewolt hette / daß er in der mitte des Wegs gestrauchelt vnnd der gute Rossubrall mit jhm gestürtzt hette / würd es dem allzukühnen Kauffmann vbel bekommen seyn. Also fiel Rossubrall / schub vnd schwung seinen Herrn von sich auß dem Sattel hinweg / also daß er eine gute ecke ins Feld hinauß portzelte: welcher / ob er sich zwar wider auffraffen wolte / war es jhm doch vor dißmal vnmüglich / also gar befund er sich von der Lantze / Schild / Spohren vnd Sturmhaub ineinander verwickelt / vnnd von der vhralten vberwichtigen Rüstung mächtig beschweret. Vnd inmittels / weil er arbeitete vnd sich bemühete auffzukommen / vnd aber nicht konte / lag er stets vnd schrie: fliehet nit / jhr furchtsamen Memmen / haltet Fuß / jhr ehrvergessenen Bößwichter / wartet meiner. Dann nicht wegen einiger meiner Schuld / sondern auß versehen meines Gauls lieg ich allhiero vff der Erden.

Einer vnter den Maultreibern / so hernach gegangen kam / der nicht sonders gutes Gemüths vnd Meinung seyn mochte / als er den elenden gefallenen so stoltze Wort hörte reden / konte ers nicht so bloß obenhin leyden / daß er jhm nicht die Antwort auff die Ribben geben solte. Vnd nahete also zu jhm / faßte die Lantze / vnd nach dem er sie in stücken zerschlagen / nam er deren eins / prügelte damit vnsern guten Don Kichote so wol ab / daß er jhn / nicht ohne sondern Schaden seiner Waffen / wie Kleyen / zermalmete. Seine Herren schrien jhm zu / er solte jhn nicht so schlagen / sondern zufrieden lassen. Aber der Maultreiber war schon erhitzt / vnnd wolte nicht ehe vom Spiel ablassen / biß er den gantzen Rest von seinem Zorn vber jhn außgeschüttet hatte. Also greifft er nach den vbrigen Stücken der Lantze / vnd [58] zerbrach sie vollends alle vber dem elenden gefallenen: der gleichwol durch das so schreckliche Gewitter seines harten brügelns nicht bewegt wurde das Maul zu halten / sondern schutte wider Himmel vnd Erden Drewwort auß / sonderlich wider diese Räuber vnd Mörder / dafür er sie dann hielte. Endlich wurde der Maultreiber drob müde / vnnd die Kauffleute reiseten jhres Weges fort / vnnd erlustigten sich wol drauff mit der Geschicht / von dem armen gebrügelten Ritter: welcher / als er sich allein zu seyn befunde / versuchte er nachmahls / ob er sich auffrichten vnd vff die Beine kommen möchte. Aber konte ers nicht thun / da er noch frisch vnnd gesund war: wie wolt ers zuwegen bringen / als nunmehro so wol zertroschen vnnd zerschlagen? wiewol er sich noch dabey vor glückselig schätzte / als der da meinte / daß dieses der eigentliche Zufall vnnd Glück der wallender Ritter were: schrieb das gantze Werck der Schuld seines Pferdes zu / vnnd schließlichen war jhm nicht müglich vff die Beine zu kommen / so gar war jhm sein gantzer Leib zerknirschet vnd zerstossen.

[59]


Das 5. Capitel.
Weiterer verlauff des Vnglücks vnsers Ritters.

ALs er nun sahe / daß er sich gantz nit regen noch bewegen konte / bedacht vnd entschloß er sich zu seinem gewöhnlichen Mittel inzwischen seine Zuflucht zunemen / welches war / daß er sich etwa eins gewissen Orts vnd Stücks seiner Bücher erinnerte. Vnd also führte jhm seine Thorheit zu gemüth vnnd gedächtnüß den Punct von dem Balduin vnnd vom Marggraffen von Mantua / als jhn Carlot hefftig verwundet / im Gebirg liegen ließ: nemlich eine solche Geschicht / so den Kindern bewust / den Jünglingen nit vnbekant / vnd von alten Leuten stets gerühmet / gepriesen /ja auch vor wahr gehalten vnd geglaubet worden: wiewol sie deßhalben nicht vmb ein Haar warhafftiger ist / als die Wunderwercke Mahomets. Diese Geschicht nun / bedauchte jhn / wegen gegenwertigen Zustandes / drin er sich befande / sich gar eigentlichen vff seine Person zuschicken. Vnd also mit anzeigung sonderer betrübnüß fieng er an vff der Erd sich hin vnd her zuweltzen / vnd mit schwachem keuchendem Athem eben das jenige zu sagen / was in gedachter Geschicht die Ritter reden / sonderlich aber der verwundete Ritter des Waldes:

Wo bistu Fräwlin mein / daß dich nicht kränckt mein Schmertz?
Kund muß er dir nicht seyn / odr trägst ein falsches Hertz.

Vnd also fuhr er fort vnd erzehlte nacheinander her die gantze reyhe der reimen / biß er auff dieselben kam / so also anfangen:

Edler Marggraff von Mantua / mein Blutsfreund / Vettr vnd Herr.

[60] Vnd fügte das Glück / daß eben als er auff denselben Reim kam / ein Bawer auß seinem Dorff / des Ritters naher Nachbar / diese Strasse zoch / in dem er eine Bürde Geträidig zur Mühlen führte. Als er nun dort einen Menschen vff der Erd nach der Läng außgestreckt liegen sahe / nahete er zu jhm / vnd fragte jhn / wer er were vnd was jhm gebräche / daß er so kläglich seiner gebahrte. Don Kichote glaubte festiglich / vnnd sonder einigen zweifel / daß dieser Bawr / so jhn anredete / sein Vetter der Marggraff von Mantua selbs vnd leibhafftig were / vnnd antwortete jhm nicht anders / als daß er in den Reimen also fortfuhr / vnnd dem Marggraffen in der Person des Bawren seinen Vnfall erzehlte / vnnd drauff zugleich Meldung that / von der Lieb des Kaysers Sohns gegen seine Braut / eben vff den Schlag / wie solches in den Reimen zu befinden. Der Bawr stund / vnd verwunderte sich / in dem er so viel vngereimbdes Dinges von jhm hörte / zoch jhm das Helmlin vom Gesicht ab / welches schon durch die Lantzenstücke gantz in trümmern zerschlagen war / wüschte jhm das Gesicht ab / so von Staub gantz vberzogen / jhn aller vnerkäntlich machte. So bald er jhn aber etwas gesäubert / erkante er jhn / vnnd sprach zu jhm: Juncker Kinnbacken (dann also muß er geheissen haben / als er noch bey guter Vernunfft / vnd noch nicht auß eim rühigen Adelsmann / zu eim vmbreisenden Ritter worden war) wer hat ewr Veste also an dieses Ort gebracht? Aber er fuhr alles fort in seinen Reimen / vnd beantwortete damit alles / was jhn der Bawr fragte.

Als der gute Mann diß sahe / löste er jhm / vffs leichteste müglich / den Brust vnd Schulterharnisch ab / zu sehen / ob er etwa verwundet were: aber er sahe weder Blut / noch andere Zeichen einiger Wunden. Also bemühete er sich / jhn von der Erd auffzuheben / [61] vnd setzte jhn nicht ohne grosse Müh vnd Arbeit vff seinen Esel / weil jhn bedünckte / daß diese Reuterey etwas sanffter / vnnd vor jhn bequemer were. Die Waffen laß er alle zusammen / biß vff die stücken der zerbrochenen Lantzen / vnd bunde sie dem Rossübrall auff / nam jhn bey dem Zaum / vnnd den Esel beym Halffterstrick / vnnd wanderte also mit jhnen fort / jhrem Dorffe zu / in grosser Andacht vnd Auffmerckung auff die vngereimbden Sachen / so Don Kichote schwatzte vnd vorbrachte.

Vnd vff solche weise kam der gute Ritter fort / welcher wol zuplewet vnd zertroschen / sich nehrlich vff dem Esel halten konte / vnd je zu hand einen seufftzer nach dem andern gegen den Himmel abgehen ließ / also / daß er den Bawren von newem vervrsachte zu fragen / vnd zu begehren / daß er jhm sagen solte / was jhm weh thäte. Vnd halt ich dafür / daß jhm der Teuffel eingab / vnd zu gemüt vnd gedächtnüß führte / alle die Geschichten / so sich zu diesem seinem Vnfall reimeten. Dann eben kam er von dem Balduin / dessen er wider vergaß / auff den Mohren Abindarräez, als der Burgvogt von Antekera, Roderich von Narväez jhn aufflud / vnd vff seine Festung gefangen führte: daß / gleich da jhn der Bawer von newem fragte / wie er sich befünde / vnnd was jhm mangelte / antwortete er jhm eben mit den Worten vnd Reden / so der gefangene Abenserrache, gegen gedachten Roderich von Narväez führte / vff gleiche maß vnd weise / wie er solchs in der Diana, Görg Montemajors, welcher es beschreibt / gelesen hatte. Vnd brauchte sich solcher Geschicht so artlich / vnd zu gar bequemer Gelegenheit / daß der Bawer dadurch gleichsam geäfft / darob verdrossen ward / vnnd mit allen Teuffeln vmb sich zu werffen [62] begunte / in dem er ein solchen wust jeckerey vnd narrent häydigungen hörte. Worauß er dann erkante / daß sein Nachbar mit eim Hasenbalck gefuttert vnd mit Affenschmaltz gesalbet were / vnd eilte deßhalben / so geschwind jhm müglich / dem Dorffe zu / vmb des verdrusses loß zu werden / den jhm Don Kichote mit seiner Langweiligen Reden vervrsachte. Zu derer end sprach nun Don Kichote ferrner: Ewer Lieb wisse / Herr Roderich von Narväez, daß die schöne Charifa, derer ich gedacht / anjetzo die liebreiche Dulcinéa von Toloso ist / welcher zu lieb ich gethan habe / noch jetzo thue / vnnd ins künfftige thun werde / die trefflichsten vnd berühmbtesten ritterliche Thaten / so man in dieser Welt jemals gesehen / sicht vnd sehen wird. Hierauff antwortete der Bawer: der Herr bedenck sich recht / daß Gott walte / dann ich bin ja nit weder Don Roderich von Narväez, noch der Marggraf von Mantua / sondern Peter Alfors / ewer Nachbar: wie auch ewr Veste nit ist weder Balduin / noch Abindarräez, sondern der ehrnwolgeachtete Edelmann / Herr Kinbacken. Ich weiß gantz wol wer ich bin / sagte Don Kichote, weiß auch wer vnd wz ich seyn vnd werden kan / nemlich / nit allein die jenigen / so ich gemeldet / sondern auch alle zwölf LehnsFürsten von Franckreich / vnd noch dazu die neune vom guten Gerücht. Dann gewißlich werden meine mannliche Thaten die jhrigen alle / so sie alle in gesampt vnd ein jeder vor sich selbs gethan vnd außgerichtet / gar weit vbertreffen.

Vnter diesen vnd andern dergleichen Gesprächen / kamen sie an im Dorffe gleich zu der stunde / als es begunte nacht zuwerden. Der Bawr aber wartete / biß es noch finsterer wurde / damit man nicht den wol getroschnen Edelman also armselig einher reithen sehe. Als nun die stunde herzu kam / so jn gut vnd bequem [63] zuseyn dauchte / zoh er zum Dorff hinein / vnd verfügte sich in des Don Kichote Hauß / welchs er voller vnruh vnd getümmels befande. Vnd waren drin der Dorffpriester vnd der Barbier selbiges Orts / so mit dem Don Kichote allzeit sonders vertrawliche freundschafft hielten. Bey denen stund die alte Muhme / schrie vnd sprach: Was dünckt den Herrn / Herr Licentiat Peter Perez (dann so hieß der ehrwürdige Herr) vmb den Vnfall meines Herrn? es seynd nun schon 6. Tage / daß weder er / noch sein Pferd / noch der Schild / noch die Lantze / noch die Rüstung weiter im Hause seynd gespüret worden. Daß Gott erbarm / wz sol ich nur dencken? Es ist / halt ich / wol nit anders / ja so gewiß / als gewiß ich geboren bin wider zu sterben / daß die verfluchten Ritterbücher / so er hat / vnd also stätig vnd gewöhnlich zu lesen pflegt / jhme den Verstand vnd Witz verruckt haben. Dann ich mich jetzo guter massen entsinne vnnd zurück erinnere / daß ich jhn zum öfftern hab sagen hören / wann er in vnd mit sich selbs geredet / er wolte ein fahrender Ritter werden / vnd hin vnd wider in der Welt vmbreisen / vmb sein Glück in mannlichen Rittersübungen zuversuchen. Daß die Schandbücher der Teuffel alle weg geführt hette / so gemacht haben / daß der zahrteste Verstand von gantz Fleckenland also seines Witzes ist beraubet worden.

Eben das sagte auch die Base / vnd sprach noch ferner also: Ihr solt wissen / Meister Niclas (diß war des Barbiers Nahme) daß meinem Herrn Vettern vielfältig begegnet seye / daß er zuweiln gantzer zwey Tage / vnd so vil Nächte aneinander vber den ehrvergessenen Büchern gelegen / vnd drin gelesen / vnd zu end derer etwa das Buch auß der Hand geworffen / dz Schwert ergriffen / wider die armen Wände jämmerlich damit loßgehawen vnd gestochen / vnd dann [64] dazu gesagt / daß er vier Riesen / der grösse als vier Thürne erschlagen / vnd daß der Schweiß / der jhm von Arbeit vnnd Müdigkeit halben vber das Gesichte abrann / were Blut von den Wunden / so er in solchem Kampff empfangen. Darauff tranck er hernach einen grossen Trunck frisches Wassers auß / vnnd wurd also wider gesund vnnd gutes muths. Dann er sagte / selbiges Wasser were der alleredleste Tranck / so jhm der weise Eskife, ein grosser Zäuberer / vnd sein besonderer Freund / zugebracht hette. Aber alle Schuld ist mein / daß ich dieses vngereimbten Wesens meines Herren Vetters / die Herren nicht verständigt habe / daß sie etwa dem Vbel weren zuvor kommen / ehe vnd es so weit gerathen were / als es nun leyder geschehen ist / vnd hette nur alle die verdammeten Bücher / derer er schrecklich viel hat / mit Fewr verbrant: Dann sie es gewißlich ja so wol verdienen / als obs Ketzerbucher weren. Ich bin eben auch der Meinung / sagte der Priester / vnnd warlich / es muß der morgende Tag nicht zu end lauffen / ehe man vber die Bucher ein offentlich Halßgericht geheget habe / vnnd sie zum Fewer verdammet seyen / damit sie nicht etwa einem / so sie zu lesen bekahme / vrsach vnd anlaß geben möchten / auch derogleichen Thorheit zu begehen / als dieser mein guter Freund wol mag begangen haben.

Dieses alles höreten der Bawer vnd Don Kichote mitan / vnd verstund der Bawer hierauß vollends klärlich den Mangel vnd Schwachheit seines Nachbars / vnd fieng drauff an helle zu ruffen: Ewr Liebden machen die Thür auff dem Herren Balduin / dem Herren Marggraffen von Mantua / so sehr verwundet anhero kompt / dem Herren Mohren Abindarräez, welchen gefangen geführt bringet der mannhaffte Roderich von Narväez, Burgvogt [65] der Festung Antekera. Vff dieses Geschrey lieffen sie alle herauß / vnd als sie erkanten etliche jhren Freund / die andern jhren Herren vnd Vetter / der noch nicht von seinem sanfftmütigen Esel abgetretten war / weil er so viel nicht vermochte. Lieffen sie jhm entgegen / jhn zu vmbfahen. Er aber sprach: Jederman halte inn / dann ich komme vbel verwundet / auß schuld vnd versehen meines Gauls. Man trag mich in mein Beth / vnd ruffe / wo müglich ist / der weisen Ursanda, auff daß sie mich warte / vnnd meine Wunden heile. Ey suche mir in Sanct Veltens[17] Nahmen / sprach die alte Muhme / sagte mirs nicht mein Hertz / vnd sahe ichs nicht meinem Herrn am Fuß an / daß er hinckete? Ewr Veste komme nur herauff / dann wir wollen schon raht finden / ob schon die Ursanda nicht herkompt.

Eilends trugen sie jhn zu Beth / vnd sahen jhm zu den Wunden / wiewol sie derer gantz keine fanden. Vnd er selbs sprach / es wer alles nur gestossen / weil er ein grossen Fall mit seinem Pferd Rossubrall gethan / in dem er mit zehen der vngehewresten vnd künesten Riesen / so weit vnnd breit vff diesem Erdrich möchten gefunden werden / gekämpfft vnnd sich geschlagen hette. Da / da / sagt der Priester / Riesen gibts auch vff Schawspielen wol. Bey dem heiligen Creutz / ich verbrenne die Bücher stracks morgendes Tags / ehe es noch Abend wird. Tausenderley fragten sie jhn / aber nicht einige Anfwort gab er / sondern begehrte nur / daß sie jhm zu essen geben / vnnd liessen jhn schlaffen / dann damit war jhm vor dißmal am meisten gedienet. Vnd also geschah es. Aber der Priester nam weitläufftigen Bericht vom Bawren ein / wie vnd durch was gelegenheit er den Don Kichote gefunden. Der Bawr erzehlete jhm alles / sampt der Jeckerey vnnd Narrenthaidigungen / so [66] Don Kichote so wol / da er jhn gefunden / als auch hernach vnter dem führen vffm Wege auff die bahn gebracht: Welchs dem Herrn Licentiaten noch grössere Lust vnd Begierd machte / da jenige zuthun / so er des Tags hernach ins werck setzte. Denn er beruffte seinen Freund / Meister Niclas den Barbier / mit welchen er wider in des Don Kichote behausung kam.




Das 6. Capitel.
Von der kurtzweiligen vnnd eigentlichen Durchsuchung / so der Dorffpriester vnd Barbier in vnsers sinnreichen Edelmanns Bücherey anstelleten.

DOn Kichote schlieff biß an den andern Tag in einem Thun jmmer also fort. Der Pfarrer begehrete von der Base die Schlüssel zur Kammer / darinn die Bücher standen / so des so grossen Schadens Vrsacher gewesen weren / welche sie jhm gern vnd mit allem Willen zustellte. Darauff giengen sie alle hinein / vnd vnter jhnen auch die alte Muhm / vnnd funden drinn mehr als hundert stück grosse Foliantenbücher / gar sonders schön eingebunden / vnd noch viel andere kleine. So bald die alte Muhm die Bücher ersahe / kehrte sie wider vmb / vnd gieng eilends vnnd volles Lauffs zur Kammer hinauß: bald drauff kam sie wider / vnd brachte mit sich ein Schüßlein voll Weyhwassers vnd Isopen[18] / vnd sprach: Herr Licentiat / der Herr nehme hiervon [67] vnd bespreng damit die Kammer / daß sich nicht etwa ein Zäuberer hierin befinde auß denen vnzehlichen / so in den Büchern begriffen seynd / vnd vns etwa beschwere vnd verzaubere zur straff dessen / daß wir den Büchern dampff anthun / vnd sie auß der Welt ab- vnd hinweg thun wollen.

Die Einfalt der Muhmen machte den Pfaffen[19] lachend / vnd befahl dem Barbier / daß er gienge / vnd jhm die Bücher eins nach dem andern herab langte / zusehen / was jr Inhalt were / in dem es wol etwa seyn möchte / daß etliche drunter die Straff des Fewers nicht verdienet hetten. Nein / nein / sprach die Base / wir haben nicht vrsach eins einigen zu verschonen / dann sie alle durch die Banck dieses Vnglücks ein Vrsach gewesen seyn. Es wird am allerbesten seyn / daß man sie alle sämptlichen zum Fensten auß in den Hof werffe / vnd sie in einen hauffen zusammen setze / vnd Fewer drunter lege. Oder wo nicht / so trag man sie in den Hinderhof / da man das Frewdenfewr am besten anstellen kan / daß es dem Erdreich kein schaden thue. Eben der meinung war auch die alte Muhme. Also gar begierig vnd erbremst waren sie vff den vntergang vnd verderb diser armen vnschuldigen. Aber der Priester wolte darin nicht ehe willigen / biß er zuvor zum wenigsten der Bücher Tittel vnnd Vberschrifft gelesen hette.

Dis erste Buch / so jhm Meisten Niclas in die Hände gab / waren die vir Bücher des Amadis von Franckreich[20]: bey derer besichtigung sprach der Priester: Es scheint / als ob hierunter ein sondlich geheimnüß verborgen were / dann / wie ich hab sagen hören / so ist diß dz erste Ritterbuch gewesen / so in Spanien gedruckt worden / vnd haben die andern alle von diesem jren vrsprung genommen. Vnd derohalben deucht mich / dz mit diesen Schreiber / als den ersten Lehrer vnd Meister einer so argen Ketzerey / ohn einige entschuldigung oder einred zum [68] Fewer verdammen sollen. Nicht / nicht / Herr / sprach der Barbier / dann ich hab hiernebenst auch mir sagen lassen / daß es das beste Buch sey / vnter allen denen / so von dergleichen Sachen jemahls geschrieben worden / vnd ist also dessen / als das vornembste vnd beste in seiner Kunst / billich zu verschonen. Es ist wahr / antwortet Pfarr / vnnd auß dieser Vrsach mag jhm vor dißmahl das Leben geschenckt seyn. Last weiter jenes ander Buch herkommen / so nahe dabey stehet.

Es seynd / sprach der Barbier / die Sergas des Esplandian,[21] ehelichen leiblichen Sohns des Amadis von Franckreich. Nun warlich / sagte der Priester / es muß den Sohn die Güte vnnd Frömmigkeit des Vatters nicht helffen: Nehmet jhn / alte Fraw Muhme / thut jenes Fenster auff / vnnd werfft jhn zum Teuffel hinauß in Hof / auff daß von jhm der anfang gemacht werde / zu dem Holtzhauffen des FrewdenFewers / so heute sol angerichtet werden. Also that die Muhme mit allem Willen / vnnd der gute Esplandian wanderte also fliegende zum Fenster hinauß in Hof / vnd wartete mit grosser Gedult des Fewers / so man jhnen drewete. Nun weiter fort / sagte der Pfaff.

Dieser / so jetzo kompt / sprach der Barbier / ist Amadis auß Griechenland / wie auch diese alle vff der seiten meines bedünckens eben von demselben Geschlecht des Amadises seynd. Nur jmmer mit allen hinunter in Hof / sprach der Priester. Dann an statt dessen / daß er die Königin Bintiquiniestra vnd den Hirten Dariniel, vnd alle seine Schäfersreime / vnd alle die durchteuffelten vnd verwirreten Reden seines Beschreibers verbrennete / möchte er wol zugleich mit jhnen auch meinen Vatter / so mich [69] gezeuget / verbrant haben / wo er in gestalt eines fahrenden Ritters herumb gezogen were. Gleicher Meinung bin ich auch / sprach der Barbier. Vnnd auch ich / sagte dazu die Wase[22]. Weil dann dem also / sprach die Muhme / so last sie nur herkommen / vnd hinunter in Hof mit jhnen. Da wurden sie jhr alle gegeben / derer gleichwol ein zimliche grosse anzahl war. Vnd sie spahrte die Müh die Stiegen hinab zugehen / vnd wurff sie alle vber Halß vnd vber Kopff zum Fenster hinunter.

Vnd wer ist jene Oehlthonne da / fragte der Pfarr? Es ist / antwortet der Bader / Don Olivante vom Lorbeerkrantz[23]. Der Richter dieses Buchs / sagte der Pfarr / ist eben derjenige / so den Bluhmengarten geschrieben: Vnd wüst ich bey meinen Ehren nicht zusagen / welchs vnter diesen zwey Büchern am wahresten / oder / besser zureden / weniger lügenhafftig sey. Das weiß ich / daß es hinunter in Hoff muß / als ein vngereimbt vnnd verwegenes Buch.

Dieses so drauff folgt / sagt Meister Niclas / ist Florismarte auß Hircaniâ. O sieh da / sprach der Licentiat, ist das der Herr Florismarte, Bey meiner Trew / der muß stracks drunten im Hof wider auffstehen / zu verdruß seiner frembden wunderseltzamen Geburt / vnnd närrischen getraumbten Abendthewren: dann was bessers vff die Bahn zu bringen / war der harten vnd rawen Art zu schreiben nicht müglich. In Hof / Fraw Muhme / mit jhm / vnd mit diesem andern. O recht / das gefällt mir / mein Herr / sagt die alte / vnnd mit grosser Hertzensbegierd richtete sie zu werck / was jhr befohlen war.

Diß ist der Ritter Platihr / sprach der Barbier. Diß ist ein gar alt Buch / sagte der Priester / vnd befind [70] ich in jhme nichts / so einiger verzeyhung oder gnade würdig were: nur mit jhm fort / vnd ohn einiges einwenden leiste er den andern Gesellschafft. Vnd diß geschach also.

Darauff that man ein ander Buch auff / vnd wurden sie gewahr / daß dessen Tittel war: der Ritter vom Creutz. Wegen so eins heiligen Nahmens / sagte der Ehrwürdige Herr / als dieses Buch führet / könte man seiner vnwissenheit verschonen: aber man pflegt doch auch zu sagen: hinderm Creutz steht der Teuffel: nur zum Fewer mit jhm.

Der Barbier ergreiff aber ein ander Buch / vnd sprach: diß ist der Ritterspiegel. Ja / ja / ich kenn schon seine Ehrwürden / sprach der Priester / hierinn wird beschrieben der Herr Reinhard von Montalvan mit seinen Freunden vnd Geferten / so grössere Räuber als Cacus waren / Item / die zwölff Großfürsten von Franckreich / mit jhrem warhafften Geschichtschreiber Turpihn, vnd in warheit / ich dörffte diesem fast kein schärpffer vrtheil sprechen / als der ewigen verweisung: dann es ist mit drinn begriffen ein theil von den erfindungen des weitberümbten Matthes Boyard[24] / darauß auch der Christliche Poet Ludwig Ariost[25] sein Leinwand gesponnen / welchen / so ich vnter diesen Buchern finde / vnd daß er in ein andere frembde Sprach auß der seinen vbersetzt ist worden / wil ich seiner im wenigsten nicht schonen / wird er aber in seiner Italiänischen Sprach vorhanden seyn / wil ich jhn auß ehrerbietung vffs Haupt legen. Ich zwar hab jn in Italiänischer Sprach / sagte Meister Nickel / aber ich verstehe jhn nit. Es wer auch nit gut / daß jhr jhn verstündet / antwortet jhm der Herr Priester: vnd würden wir deßhalben dem Herrn Capitain nichts vor vngut halte / ob er jn schon nit in Castilianische Sprach vbergesetzt hette: dann er hat jhm ein zimlichen theil seiner natürlichen güte dadurch abgenommen.

[71]

Vnd eben diß wird alle den jenigen widerfahren / so dieselben Bücher / die reimweise geschrieben seynd / in eine andere frembde Sprach zu verdolmetschen gedencken. Dann wie grosse Arbeit sie auch auffwenden / vnd was Kunst vnd Geschickligkeit sie dadurch erweisen / mögen sie doch nimmer mehr zu der Art vnd Hoheit gelangen / so die reime in jhrer ersten Geburt mit sich auff die Welt gebracht. Ich sag mit einem Wort / dz man diß Buch vnd die andern alle in gesampt / so da werden befunden werden / dz sie von dergleichen sach auß Franckreich handeln / nur stracks zum Fenster hinauß werffe / vnd in einen trockenen Brunn lege / biß man durch weiteres nachdencken sehe / was mit jhnen vorzunehmen sey: nun hiervon außgenommen den Bernhard von Carpio[26], von welchem hierin gehandelt wird / vnd noch ein andern / so Rontzevoll heisset. Sonsten ausser diesem / wz mir davon zuhanden kommen wird / sol auß meinen in der Muhme / vnnd auß der Mumen in des Fewers hände ohne einige erbarmnüß oder erlassung vberantwortet werden. Diß alles bejahete der Barbier / vnd ließ es jhm gefallen als lauter zentnerwichtige vnd heilige Sachen / weil er wuste / daß die priesterliche würde so ein guter Christ vnd so grosser liebhaber der Warheit ware / daß er vmb alle Güter der Welt nichts falsches oder vnrechtes reden würde.

Vnd als er widerumb ein ander Buch auffthat / befand er / daß es Palmerihn von der Olive war: vnd hart dran stund ein anders / so Palmerihn von Engelland hieß / welche / als sie der Herr Licentiat ersahe / sprach er: Diese Olive hawe man stracks zu kleinen Spänen / vnd verbrenne sie so reine / dz auch nit die Asche davon vbrig bleibe. Aber diese andere Englische Palme behalte vnd beware man wol / als ein sonders kostbares werck / vnd mache man ein kästlin dazu / als etwa das jenige war / so Alexander vnter den [72] Raub vnd Beuthe Darij fand / vnd zu verwahrung der Schrifften des alten griechischen Poeten Homeri bestimpte. Dieses Buch / Herr Gevatter / ist sonderer Hoheit vnnd Ansehens / zweyer Vrsachen halben: einmahl / weil es an sich selbs ein sehr gut Buch ist / vnd dann / weil man sagt / daß es ein weiser verständiger König auß Portugal gemacht habe. Die gantze Abendthewr des Castells Miraguarda ist trefflich gut vnd von grosser Kunst: alle Reden darinn / seynd Hoffmännisch vnd deutlich / vnd bilden sehr artlich für / jedwederer redenden Person Gebür vnd Eigenschafft / mit besonderer Deutligkeit vnnd Verstande. Derohalben sage ich / jedoch euch / Herr Meister Niclas / hierdurch nicht vorgegriffen / daß dieser / vnd der Amadis von Franckreich vom Fewer loßgesprochen seyn / die andern aber alle durch die Banck / ohne weiteres außlesen vnnd vnterscheid / verbannet / verdammet vnnd verbrandt werden sollen.

Nicht / nicht / Herr Gevatter / sprach hierauff dar Barbier / dann dieses / so ich hier habe / ist der bescheidene Don Beliánis.[27] Wolan / sagte der Priester: Diesem Buch mit seinem andern / dritten vnd vierdten Theil / ist ein wenig rebarber vonnöthen / dz man jm dz Gehirn von seinem vbermässigen kollern / zorn vnd Vnsinnigkeit reinige: auch muß man das gantze Stück von dem Castell des guten Gerichts / mit vielen andern wichtigern Alfantzereyen vnd närrischen Tanten herauß thun / vnd jhnen eine vber Meer Ländische Tagfahrt setzen / daß / wo sie sich bessern werden / man sie vff Gnad vnnd Vngnad wider annehmen möge. Inmittels / Gevatter / behaltet jhr solche in ewrem Hause verwahrt / jedoch so / daß sie von niemand gesehen oder gelesen werden. Ich bins zufrieden / sagte der Barbier / wolte sich nicht länger [73] bemühen mit durchschawung der vbrigen Ritterbücher / sondern befahl der Muhmen / daß sie alle die grossen Folianten nehme / vnnd nur vnter hin würffe

Vnd das ließ sie weder eim Narren noch eim Tauben gesagt seyn / sondern recht einer solchen Person / so grössere begierd vnd beliebung trug / die Bücher zu verbrennen / als ein Wocken abzuspinnen / wie groß vnd gut er auch gewesen were. Also machte sie auß ein acht Büchern ein arm voll / vnd gehewte sie zum Fenster hinauß. Vnd weil sie derer gar zu viel vff einen Bissen nam / trug sichs zu / daß deren eins dem Barbier zu den Füssen fiel / daher jhn eine Lust ankam / zusehen von wem es handelte / vnnd befand ein solchen Tittel: Beschreibung des berühmbten Ritters Tirante des weisen[28].

Hilff ewiger Gott / sprach der Pfarr / vnd that ein grossen Schrey dazu / ists müglich daß Tirante der Weise auch vnter dieser Zunfft sey? Gevatter / langt mir jhn her / dann ich achte es dafür / daß ich an jhme einen Schatz der Lust / vnd eine Fundgrube der Kurtzweil gefunden habe. In diesem Buch wird beschrieben der mannhaffte Ritter Herr Kyrieleison von Montalvan, vnd sein Bruder Thomas von Montalvan. Item / der Ritter Jonseca, mit dem Kampff / so der starcke Detriante mit dem Alano hielt / wie auch die gantze sinnreiche Spitzfindigkeit des Fräwlins meins Lebensfrewd mit jhren verliebungen. Item / die Betriegligkeiten der Witwen Ruhige / vnd der Fraw Kayserin / so sich in den Hippolytum jhren Waffenträger verliebt hatte. Herr Gevatter / ich sag euch nichts / als die Warheit / daß wegen seiner Art zu schreiben / diß das beste Buch von der Welt ist: in diesem Essen die [74] Ritter / sie schlaffen / sie sterben vff jhrem Beth / sie machen jhren letzten Willen / ehe sie sterben / mit andern viel Sachen / so in dergleichen andern Büchern gantz nicht zu befinden seyn. Wie dem allem / so sag ich euch / daß dessen Schreiber vnd Meister / weil er nicht mit fleiß vnd auß vorsatz solche Thorheiten geschrieben / verdienet hette / daß man jhn vff die Zeit seines Lebens vff die Galeer geschickt hette. Nehmets mit nach Hauß vnd lesets / jhr werdet befinden / daß es die Warheit ist / was ich euch gesagt habe. Es sol geschehen / sagte der Barbier.

Aber was thun wir mit den kleinen Büchern / so noch dort stehen? Diese mögen vielleicht / sagte der geistliche / nicht von Ritterssachen handeln / sondern etwa von Poeterey vnd Reimen: vnnd als er deren eins auffthat / sahe er / daß es die Diana des Görg Montemajors[29] war / vnd weil er vermeinte / daß alle die vbrigen gleiches gelächters weren / sprach er: Diese haben nicht verdient verbrennt zu werden / weil sie nicht dergleichen Schaden thun noch thun werden / als die RittersBücher angerichtet haben / vnd seynd spitzfündige sinnreiche Bücher / so dem Rechsten keinen Schaden zufügen. Ach / mein Herr / sprach die Base / ewr Würde kan sie mit gutem fug zu verbrennen befehlen / wie auch die andern: denn es würde leicht geschehen können / wenn mein Herr Vetter von der Ritter Kranckheit wider genesen solte / daß durch lesung dieser jhn eine Lust ankähme ein Hirt oder Schäffer zu werden / vnd in den Wälden vnd vff den Wiesen vmbzugehen / zusingen vnd zu pfeiffen / vnd / daß noch erger seyn würde / gar ein Poet zu werden: welchs dann / wie man sagt / eine vnheilsame vnd ansteckende Seuche ist.

Bey glauben / sagte der würdige Herr / das Mägdlin sagt die Warheit / vnnd wird nicht vnrathsam [75] seyn / daß wir vnserm Ritter diese Fallbrück / vnnd anlaß zu vnfall außm Mittel räumen. Vnd weil wir von des Montemajors Diana angefangen haben / bedünckt mich / sie sey nicht zu verbrennen / sondern nur hereuß zu thun alle das jenige / was er von der weisen Felicia erzehlet / wie auch vom verzauberten Wasser / vnnd fast alle seine Reime / also / daß nur die andern in keine Reimen eingeschlossene Reden vbrig bleiben: vnnd also möchte es die Ehre haben / das erste vnter seines gleichen Büchern zuseyn.

Diß Buch / so drauff folgt / sprach der Barbier / ist Diana genent die andere / so Salmontihn gemacht hat: vnd diß dabey hat eben denselben Nahmen / dessen Meister Gil Polo[30] ist. Wolan / sagt der Herr Pastor, des Salmantiûs seine / packe sich jmmer hin zum Fewr / leiste den andern verdampten Büchern gesellschafft vnd vermehre jhre Zahl: die ander aber des Gil Polo, hebe man fleissig auff / als wann sie des Apollo selbs were. Vnd fahrt jmmer fort / Herr Gevatter / eilt ein wenig vnd kompt davon / dann es wird spähte.

Drauff machte der Barbier noch ein anders auff / vnd sagte: Diß seind die zehen Bücher vom Glück der Liebe / so der Sardinische Poet Anthoni von Lobfrahß[31] gemacht. Bey meiner Platte[32] vnd allen priesterlichen Orden / so ich empfangen / sprach der Pfaff / seithero Apollo Apollo, die Masæ Masæ, vnnd Poeten Poeten gewesen / ist nie kein so kurtzweilig vnd so seltzam abendthewrlich Buch geschrieben worden / vnd daß nach seiner art besser vnd vbertrefflicher were vnter dergleichen Büchern / so jemahls ans Tageliecht kommen seyn. Vnd wer diß Buch nit gelesen hat / mag wol eigentlich dencken / daß er nie nichts [76] lustigs vnnd kurtzweiliges gelesen habe. Langt mir jhn her / Gevatter / dann es ist mir lieber jhn gefunden zuhaben / als wann man mir eine Hartzkappe von Florentiner Rasch verehret hette.

Also legte ers mit grosser beliebung beyseits / vnd der Barbier fuhr fort vnnd sprach: diese folgende Bücher seynd: der Schäfer auß Iberia[33] die Nympfen von Henáres,[34] vnnd die entdeckung des Argwohneifers[35]. Hierbey ist nicht mehr zu thun / sprach der Priester / als daß man sie der weltlichen Botmässigkeit der Muhmen vbergebe. Vnd / man frag mich nur nicht warumb: Dann sonsten kämen wir nimmermehr davon.

Dieses / sagt der Barbier weiter / ist der Schäfer von Philida.[36] Dieser ist kein Schäfer / sagte der Pfarr / sondern ein verständiger verschlagener Hoffmann / disen beware man / als ein köstlichen Edelstein.

Diß grosse Buch / so hier kompt / sagt der Balbier / hat ein solchen Tittel: Schatz allerley Reimtichterey[37]. Wo derer nicht so gar vil weren / sagte der Pfarr / weren sie höher geachtet. Diesem Buch ist vonnöthen / daß mans ein wenig bereibe / vnd von etlichen schlechten Sachen reinige / so vnter seiner Hoheit vnd Treffligkeit mit vnterlauffen. Man hebs auff: dann dessen Schreiber ist mein guter Freund / vnd hat noch sonst viel vornehme / treffliche vnd heroische Bücher geschrieben.

Das folgende / sagte der Barbier ferrner / ist des Lopez Maldonado Gesangbuch[38]. Auch dieses Buchs Meister / sagte der Priester / ist mein grosser Freund / jederman wundert sich vber seine Reim / wer sie höret: vnd die Liebligkeit seiner Feder damit er schreibet / ist so groß daß er damit bezaubert vnd betäubet. Etwas weitläufftig ist er in seinen Schäffersgesängen: aber das Gute ist nie vberflüssig. [77] Man heb jhn auff / zusampt den andern außgelesenen Büchern.

Aber was ist das vor ein Buch so nahe dabey steht? Die Galatéa des Michel Cervantes, antwortet jhm der Gevatter. Es ist nun viel Jahr / daß dieser Cervantes mein sehr grosser Freund gewesen / vnd weiß ich / daß er mehr im Vnglück / als in Reymen geübet ist. Sein Buch hat etliche gute Erfindungen / er setzt wol / vnd schleußt nicht vbel. Man muß des andern Theils erwarten / so er verheist / herauß kommen zulassen. Vielleicht / wo er sich bessert / möchte er vollkommenliche Gnade erlangen / so jhm vor dißmal versagt wird. Inmittels vnd so lange man solchs recht erfahre / so haltet jhn verschlossen in ewrer Herberge. Ich bins zufrieden / Herr Gevatter / sagte der Barbier.

Hierauff folgen nun drey in einem Bande / die Araucana des Don Alonso von Ercilla: die Oesterreicherin Hans Rothens / geschwornen von Corduba: vnd der Monserrato des Reimtichters von Valentz / Christoff von Vives. Diese drey Bücher / sprach hierauff der Pfarrer / seynd die besten / so jemals in langen Reimen in Castilianischer Sprach geschrieben worden / vnd mögen mit den berühmbtesten von Italien verglichen werden. Man hebe sie fleissig auff / als kostbare Pfande der Spanischen Poeterey. Endlich wurde der gute Priester müde vnnd verdrüssig mehr Bücher zubeschawen / vnd also beschloß er / vnd wolte / daß man den gantzen Vberrest verbrennen solte.

Aber der Barbier hatte schon wider eins auffgemacht / so da hieß / die Thränen der Angelica. Diese Thränen würd ich gewiß beweinen / sagte der gute Priester / als er diesen Nahmen hörte / wo ich sie hette verbrennen lassen: dann jhr Tichter ist einer [78] von den berühmbtesten Poeten / nicht allein von Spanien / sondern der gantzen Welt / vnnd ist sehr glückselig gewesen in verdolmetschung etlicher Märlin des Ovidij.




Das 7. Capitel.
Was Don Kichote zu Hauß begann / vnd wie er sich zu der andern Außfahrt schickte.

IN dem sie also noch mit den büchern hauseten / fieng Don Kichote an laut zu schreyen: Wol her / wol her jhr tapffern Ritter / hier wil vonnöthen seyn / die stärcke ewrer kräfftigen Arm zu erweisen / dann sonst bringen die Hoffleute den Preiß vom Thurnier. Diesem Geschrey nun zu zueilen / wurde das weitere vffsuchen der Bücher vnterwegen gelassen. Vnd wil man dafür halten / daß vnbesehens zum Fewer zuflohen die Carolea, der Löw von Spanien / die grossen Thaten des Kaysers / welche alle Don Ludwig von Avida getichtet: so ohn zweifel vnter der Zahl der vberbleibenden war vnd zuversichtlich / wo sie seine Ehrwürde / der Herr Priester gesehen hette / würden sie mit so scharpffem Vrtheil verschonet worden.

Als sie sich nun zum Don Kichote naheten / war er schon auß seim Bethe auffgestanden / fuhr in seinem Schreyen vnd Thorheit fort / that ein hauffen Stiche vnd Hiebe vmb sich von allen Seiten / vnnd [79] war so gantz wach vnd wacker / als ob er nie geschlaffen hette. Also fassten sie sich mit jhm / vnd brachten jhn mit gewalt wider ins Beth. Er aber / nach dem er ein wenig athem geholt hatte / wendete sich gegen den Pfarr mit jhm zureden / vnd sprach: Bey glauben / Herr ErtzBischoff Turpin, es ist denen zwölff Fürsten von Franckreich / als wir sie nennen / ein abschewliche Schande / daß sie also ohn einigen widerstand die Rittersleute von Hof / den Sig von diesem Thurnier hinweg tragen lassen / da doch wir andern Waghälse den Preiß in den vorgehenden drey Tagen davon gebracht haben. Ewr Veste schweig / Herr Gevatter / sagt der Pfarr / dann das Glück wird sich mit Gottes hülff ändern / damit / was man heute verleurt / morgen wider gewonnen werde. Ewr Veste nehme jetzo jhre Gesundheit in acht / dann mich bedünckt / sie sey aller ermüdet / wo sie nicht gar etwa sehr verwundet ist. Verwundet wol nicht / sagte Don Kichote, aber wol zerplewet vnd zutroschen / da ist kein zweifel an / dann der Hurensohn Roland hat mich mit eim stam einer Eichen jämmerlich zerprügelt / auß lauter neid / weil er sicht / daß ich der einige bin / der ich seiner Kraft vnd stärcke die Wag halten kan. Aber ich wolt nicht / daß ich Reinart von Montalvan hiesse / wo er mirs nicht zutrotz aller seiner verzauberungen thewr gnug zahlen sol / so bald ich von diesem Lager auffstehe. Jtzt aber bring man mir bald etwas zu früstücken / welchs mir vor dißmal am allernützlichsten ist: der Raach halben laß man mich machen. Also thäten sie / vnd gaben jhm zuessen / Er blieb drauff widerumb vffm Beth schlaffend / vnd sie alle ab seiner Thorheit erstaunet.

Dieselbe Nacht brante vnnd verwante die alte Muhm alle die Bücher / so im Hof vnnd im gantzen Hauß waren. Vnnd haben ohn zweifel derer viel [80] mit brennen müssen / so würdig gewesen weren / daß man sie in ewige Ewigkeit vnter den vornehmbsten alten Hauptbrieffen auffgehoben hette. Aber das Glück wolt jhnen nicht fugen / vnnd die vnverantwortliche Faulheit des durchsuchens. Vnnd also wurde in jhnen erfüllet / was im Sprichwort gesagt wird: daß zu zeiten die vnschuldigen vor die schuldigen büssen müssen.

Eines von den Mitteln vnnd Rathschlägen / so dazumahl der Pfarr vnnd der Barbier zu jhres Freunds besten gaben / war / daß man die Bücherkammer vermawrte / vnd mit Tuch oder Tapezereyen behienge / darmit / wann Don Kichote wider auffstünde / er nichts von Büchern fünde. Wer wüste / wann man die Vrsach außm Weg räumbte / ob nicht auch das Werck selbs auffhören würde. Vnd ordneten darauff an / daß sie nur sagen solten / es hette ein Zauberer die Bücher / die Kammer / vnnd allen Teuffel mit sich hinweg geführt. Vnd also wurd es vffs förderlichste ins Werck gerichtet.

Von dem an / nach zweyen Tagen erhub sich Don Kichote von seinem Beth. Vnd das allererste vnd vornehmbste / so er that / war / daß er gieng seine Bücher zu besehen. Vnd als er die Kammer nicht fande / wo er sie gelassen hatte / gieng er von einem Ort zum andern / selbige zu suchen. Er ertappte den Ort / da sonsten die Thür hinein zugehen pflegte / fühlte dran mit den Händen / wendete vnnd verwendete die Augen hin vnd wider / vnnd sagte kein Wort darzu. Aber nach einer guten weile fragte er die alte Muhmen / wo vnd welcher Ort die Bücherkammer stünde. Die Muhm / so schon gnugsam vnterrichtet war / was sie antworten solte / sprach zu jhm: Was vor ein Kammer? O der Junckher sucht vmbsonst. Es ist weder Kammern noch Bücher [81] mehr im Hauß / denn es alles der leibhafftige Teuffel weggeführt. Nicht / nicht / sprach die Base / es war nicht der Teuffel / sondern ein Zauberer / welcher einsmahls des Nachts / stracks den Tag hernach / als der Herr Vetter weggezogen war / vff einer Wolcken sitzend anhero kam / stieg ab von der Schlangen / drauff er ritte / gieng in die Kammer / vnd weiß ich warlich nicht / was er drinn gethan hat / vnd in geschwinder eil machte er seine Sach fertig / fuhr in die Höhe / flohe zum Dach hinauß / vnd ließ das Hauß voller Rauchs. Vnd als wir vns entsonnen zugehen vnnd zusehen / was er doch fürgehabt hette / haben wir weder Buch / noch Kammer je mehr sehen können. Nur diß erinnern wir vns gar wol / ich vnd die Muhme / daß gleich in dem der alte Bößwicht abzog / sagte er mit lauter Stimm / daß wegen heimliches Neides / so er gegen der Bücher vnd Kammer Herrn trüge / hab er jhm den Schaden im Hauß gethan / den man hernach spühren würde. Er sagte auch / daß er der weise Mugnaton hiesse. Freston wird er gesagt haben / sprach Don Kichote. Ich weiß bey meiner Trew nicht / antwortet die Muhme / ob er Freston oder Friton hiesse: aber das weiß ich wol / daß sein Nahme vff ein ton sich endigte. Es ist nicht anders / sagt Don Kichote. Dann er ist ein weiser Verzauberer / mein grosser Feind / welcher schrecklichen Haß vnd Widerwillen zu mir trägt / weil er auß seinen Künsten vnd Büchern wol sicht / daß ich mit der Zeit mit eim Ritter / dem er wol wil / in ein Kampff gerathen / vnd jhn vberwinden werde / also daß jhm vnmüglich seyn wird es zuverhindern. Vnd deßwegen bemüht er sich mir allen Verdruß zu thun / so er nur kan. Aber ich sag jhm das / daß er nicht wol dem Göttlichen Verhengnüß widerpelfern[39] [82] oder das wird verhütten können / was vom Himmel geordnet vnd versehen ist.

Wer zweifelt daran / sagte die Base? aber / was treibt doch den Herrn Vettern dazu / daß er sich in solches zancken vnd kämpffen einläst? Wers nicht besser zu Hause in guter Ruhe vnd Friede bleiben / als vmbgezogen vnd besser Glück gesucht? denn es gewiß ein wahr Wort ist / daß man sagt: Viel gehen auß Wolle zu scheren / vnd kommen selbs geschoren wider heim. O meine Base / antwortet Don Kichote, wie verstehstu so wenig von der Sach? Ehe sie mich scheren sollen / so wil ich schon abgereufft vnd außgerissen haben die Bärte allen den jenigen / so mir auch das äusserste End eines Haars anzurühren gedencken. Die guten Schwestern beide erkühnten sich nicht / jhm weiter einzureden / denn sie sahen / daß er schon von zorn entbrant war.

So verhielt sichs nun also / daß Don Kichote ein halben Monat zu hauß blieb / ruhig / still / vnd ohn einige anzeigung / daß er noch einsten vnd zum andern mahl dergleichen Thorheit versuchen wolte. Vnd diese Zeit brachte er zu mit den allerholdseligsten Gesprächen mit seinen zwey Gevattern / dam Pfarr vnd Barbier vber dem Punct / daß der Welt kein Ding nothwendiger were / als fahrende Ritter / vnd daß in jhm die fahrende Ritterschafft wider erwecket vnd ans Liecht gebracht were. Der Priester hielt jhm zuweilen Widerpart / zuweilen ließ er jhm seine Meinung gut seyn. Dann / wo er dieses Griffs sich nicht gebrauchte / konte er mit jhme nicht zurecht kommen / noch jhn bey gutem erhalten.

Zu der zeit lag auch Don Kichote einem Bawren seinem Nachbar hefftig an / eim guten ehrlichen Mann (wo anders dieser Nahme eim armen mag gegeben [83] werden) so aber wenig Gehirns im Kopff / vnd ein Sparren zu wenig oder zuviel hatte. Mit einem Wort: Er schwatzte diesem so viel für / sagte jhm so viel zu / vnnd beredete jhn so weit / daß der arme Bawersmann bey sich entschloß mit jhme auß zuziehen / vnd jhm vor einen Waffenträger zudienen. Vnter andern sagte jhm auch Don Kichote, daß er sich nur schicken solte / mit gutem Willen mit jhm zu reisen / dann zuweilen möchte jhm ein solches Glück zuhanden stossen / daß gegen verlassung des wenigen / so er zu Hauß vermöchte / er etwa eine Insel gewinne vnd darinn jhn zum Regenten vnd Stadthalter verliesse.

Durch diese vnd andere derogleichen Verheissungen bewogen / verließ Santscho Panssa oder Großpantsch (denn so hieß der Bawersmann) sein Weib vnd Kind / vnd ließ sich vor seines Nachbars Waffenträger bestellen. Darauff alsobald thät Don Kichote anschaffung Geld zuweg zubringen / verkauffte dz eine Hauß / verpfendete das ander / vnd in der warheit vertrödelte sie alle / vnnd brachte also ein erklägliche summa Geldes zusammen. Er versahe sich auch mit einer andern Rundtartsche / so er von einem seiner Freunde borgte / flickte vnnd befestigte wider seinen zerbrochenen Thurnierhelm / vffs beste jhm müglich war / verständigte seinen newen Waffenträger Santscho des Tags vnd der Stunde / zu der er sich auff den Weg zumachen gedächte / damit er sich mit dem allem wol versehe / so jhm am meisten vonnöthen seyn würde. Vor allen dingen befahl er jhm / dz er ja ein BrodCarnier[40] mit sich nehme / so man hinderm Roß zu beyden seiten des Sattels führet. Er sprach / daß er gewiß einen mit sich nemen wolte / wie auch gleichsfals einen sehr guten Esel / so er zu Hauß hielte / weil er viel zu Fuß zu gehen / nicht gewohnt were.

[84] Den Esel belangend / stutzte Don Kichote etwas drüber / gieng in sich selbs / vnnd spintisierte / ob er sich erinnern könte / daß etwa einiger reisender Ritter ein Waffenträger jemahls Eselmässig / vnd auff eim Esel reitend mit sich geführt hette: aber er kunte sich gantz keines Exempels entsinnen. Wie dem allem / so entschloß er / daß er den Esel mit nehmen möchte / mit der Verwahrung / daß er jhn vffs erbahrste mit eim Pferd versehen wolte / so bald er dazu gelegenheit haben / vnd dem ersten vnhöfflichen Ritter / so jhm etwa auffstiesse / sein Pferd nehmen würde. Endlich versahe er sich wol mit Hembden vnd andern Sachen allen / womit er nur konte / zufolge dem Rath / so jhm vnlangst zuvor der Schencke oder Krüger gegeben hatte.




Das 8. Capitel.
Von der andern Außfahrt vnsers frommen Ritters.

NAch dem also alles zur Reise bereit vnd fertig gemacht war / zohen sie beyde Don Kichote vnd Santscho Pantschmann einsten zu Nachtzeit zum Dorffe auß / also / daß jhrer kein Mensch gewahr wurde / vnd weder der Ritter von der Muhm vnd seiner Basen / noch der Waffenträger von seinem Weib vnd Kindern einigen Abschied genommen [85] hatten. Dieselbe Nacht nun reiseten sie so starck / daß sie gegen Morgen sich gnugsam versichern konten / daß / wie sehr man sie auch suchte / sie doch nunmehro nicht zufinden seyn würden. Santscho Panssa zoh vff seinem Thierlin mit eim BrodCarnier vnd einer Flaschen einher als ein Patriarch / mit grosser Begierde den Tag zusehen / daß er ein Regent vnnd Statthalter der Inseln seyn möchte / so jhm sein Herr zugesagt hatte. Don Kichote befließ sich eben die Strasse vor sich zunehmen / so er in seiner ersten Außfahrt gereiset war: welchs war das flache Feld von Montiel, durch welchs er jetzo mit wenigerer Beschwärnüß vnd Vnlust ritte / als er das jüngste mahl gethan hatte. Dann weiln es zu früher Tagzeit war / vnd die Sonne nur zwerch[41] vnd seitwarts sie beschiene / waren jhnen die Sonnenstralen weniger belästig.

Inmittels sprach Santscho Panssa zu seinem Herrn: Ewr Veste sehe wol zu / Herr fahrender Ritter / daß er nicht etwa auß der acht lasse / was er mir wegen der Insel zugesagt. Dann in Warheit wil ich solche wol zu regieren vnnd zu verwalten wissen / wie groß sie auch sey. Darauff antwortete Don Kichote, wisse / mein Freund Pantschmann / daß ein gewöhnlicher Brauch der reisenden Ritter gewesen / jhre Waffenträger zu Regenten der Inseln oder Königreiche zu machen / welche sie etwa eroberten. Vnd ich bin gäntzlich entschlossen / daß so viel an mir / so ein denckbarer Brauch auch noch nicht vntergehe: sondern begehre vielmehr hierinn allen andern es vorzuthun. Dann andere Ritter pflegten zuweiln / oder vielmehr den mehrentheil zuwarten / biß jhre Waffenträger alt wurden. Vnd nach dem sie nun sich satt gedienet / viel böser Tage / vnnd noch ärgere Nächte außgestanden / gaben sie jhnen erst einen [86] Gräfflichen Tittel / oder zum wenigsten eines Marggaffen etwa von einem Thal oder Land ohngefehr. Aber / wo vns beyden Gott das Leben verleyt / könte es sich leicht schicken / daß / ehe sechs Tage ins Land kähmen / ich ein solch Königreich erwürbe / so andere jhm einverleibte Königreiche in sich hielte / vnd du vber deren eins zum König gekrönt würdest / so art- vnd eigentlich / als dir dessen Cron vffs Haupt gewachsen were. Vnd diß solstu vor so gar seltzam vnd vngläublich nicht halten / weil dergleichen Sachen vnd Fälle dieser art Rittern auffstosson / durch so gar noch vnerfahrne vnd vndenckliche Mittel / daß ich gar leichtlich dir auch noch ein grössers als ich dir zugesagt / könte widerfahren lassen.

Mit der weise / antwortet der Waffenträger / wo ich ja durch ein dergleichen Wunderwerck / davon ewr Veste reden / könig würde / so würde vffs wenigste mein Weib Johanna Gutierrez zur Königin / vnd meine Kinder zu Fürsten des Königreichs werden. Daß versteht sich / sagte Don Kichote, vnnd wer wolte daran zweifeln? Ich selbs / sprach Santscho, zweifel gar sehr dran: dann ich halte gäntzlich dafür / daß ob GOTT schon lauter Königreich vom Himmel vber das Erdreich regnen liesse / würde sich doch nicht einige Cron von derer jrgends einem vff meines Weibs Kopff schicken. Der Herr wisse / daß ein Königin zuseyn / ist sie nicht drey Heller werth: zu einer Gräffin möcht sie sich noch etwa schicken / vnd doch nehrlich. Befihl du es Gott / liebes Pantschmännlin / sagte Don Kichote, der wird dir wol geben / was dir am besten anstehet. Jedoch laß du dein Gemüt nicht so tieff herunter / daß dis dich mit einiger Würde / als zum wenigsten eines Stadthalters köntest oder wollest begnügen lassen. Das wil ich nicht thun / sprach Santscho / sonderlich [87] weil ich so einen trefflichen Herrn an ewr Veste habe / so mir alles das jenige zugeben vehig / daß mir geziemen wird / vnd ich werde verwalten können.




Das 9. Capitel.
Wie die wundersame vnnd vnerdenckliche Abendthewer des behertzten Ritters Don Kichote, mit den Windmühlen abgangen / zusampt anderm denckwürdigem Verlauff.

VNter diesen Reden wurden sie der dreyssig oder viertzig Windmühlen gewahr / so in selbigem Feld stehen. So bald nun Don Kichote selbige ersahe / sprach er zu seinem Waffenträger: das Glück fügt vnd gleitet vnser thun besser / als wir hetten wünschen mögen. Dann du sichst allhier / Freund Santscho, wie sich vff ein dreyssig oder mehr vngehewre Riesen sehen lassen / mit denen ich zu kämpffen / vnnd jhnen sämptlichen das Leben zu nehmen gedencke. Von deren Raub werden wir anfangen vns zu bereichern: weil solche Kriege sehr gut vnnd löblich seyn / auch daran GOTT ein sonderer Dienst beschiehet / daß man ein so schändliches Gezüchte vom Angesicht der Erden wegräume.

[88] Was vor Riesen / fragte Santscho? Sein Herr antwortet jhm: Die / so du da vor vns sihst / mit den schrecklichen langen Armen: Dann zuweilen pflegen sie solcher vff zwey Meilen lang zu haben. Der Herr seh wol zu / sagt Santscho, denn das / so wir da vor vns sehen / seind nicht Riesen / sondern Windmühlen / vnd das / so dran scheinet / als wanns Arme weren / seynd die Flügel / welche / in dem sie also von dem Wind vmbgedrehet werden / den Mühlstein treiben. Es scheint wol / sagte Don Kichote, daß du wenig mit dergleichen Abendthewren vmbgangen. Riesen seind es / vnd wo dich ja einig Furcht ankompt / so heb dich von hinnen weg / vnd verricht etwa an eim Ort dein Gebet / inmittels / weil ich fortziehe vnd in so ein schweren vnnd vngleichen Kampff mich mit jhnen einlasse.

Vnd in dem er diß sagte / gab er seinem Rossübral die Sporen / vngeachtet des zuschreyen seines Waffenträgers / damit er jhm gnugsame Nachricht gebe / daß sonder einigen zweifel das jenige / mit dem er zu kämpffen eilete / nur lauter Windmühlen / vnd nicht Riesen weren. Aber er hatte jhm so tieff eingebildet / daß es Riesen weren / daß er weder des Waffenträgers Geschrey hörte / noch auch die Windmühlen vor Windmühlen zuerkennen vermochte / ob er schon gar nahe dabey war / sondern rante vielmehr mit dergleichen lautem Geschrey einher: Fliehet nicht / jhr nichtswerthen vnd furchtsamen Creaturen. Dann nicht mehr als ein einiger Ritter ist der / so euch zubestreiten ankompt.

Inmittels erhub sich ein wenig Windes. Vnd fiengen an die Flügel sich zu bewegen / welches als es Don Kichote ersahe / sprach er: Vnd ob jhr schon die Arme mehr vnd stärcker schwinget / als der Riese Briareus thet / so wil ich euch doch recht bezahlen.


[88a]


[89] Vnd in dem er diß redete / vnd sich von Hertzengrunde seiner allerliebsten Dulcinéa befahl / vnnd sie bathe / daß sie in so schwerem Streit jhm zu hülff kähme / verwahrte vnd verhüllte er sich wol mit seiner Tartschen / legte ein mit der Lantzen / rennte in vollem biegen mit seinem Rossübrall einher / vnnd thet ein Treffen mit der ersten Windmühlen / so da vor jhm stunde. Vnd in dem er jhr einen Streich mit der Lantzen in den Flügel gabe / treib der Wind mit solcher vngestümm den Flügel herumb / daß er die Lantze in stücken brach / vnd Pferd vnd Reuter eine gute ecke von sich abschleuderte / also / daß der gute Don Kichote vbel zugerichtet / sich da vff der Erden vberportzelte.

Santscho Großbauch nahete bald herbey seinem Herrn zu hülff zukommen / so geschwind der Esel jmmer zulauffen vermochte. Vnnd als er an jhn kam / befand er / daß er sich weder regen noch kehren konte. Also schrecklich war der Fall / so er mit dem Rossübrall gethan hatte. Daß es Gott walte / sagte Santscho, sagt ichs nicht ewr Vesten / sie solte wol zusehen / was sie thäte / denn es weren nur Windmühlen. Vnd konte ja so gar hieran niemand zweifeln / er müste denn selbst den Kopff voller Windmühlen haben. Schweig / Freund Santscho, sprach Don Kichote: Denn Kriegssachen sind einer stetigen vmbwechselung vnd änderung mehr / denn sonst einiges Dings von der Welt / vnterworffen: Zugeschweigen / daß ich darfür halte / vnd ist auch wol gewiß nicht anders / daß der weise Freston, so mir meine Stube zusampt den Büchern geraubet / diese Riesen in Windmühlen verwandelt hat / damit er mich der Ehre eines so herrlichen Siegs beraubte. So gar hefftig ist die Feindschafft / so er zu mir tregt. [90] Aber wenns vmb vnnd vmb kömpt / so werden seine böse Stücklein wider die Güte meines Schwerts wenig außrichten. GOtt schaffe es / sprach Santscho / wie es seiner Göttlichen Allmacht gefällig: vnnd halff seinem Herrn von der Erden auff / vnd jhm wider auff sein Pferd / welches vom Fall zimlich zerschellert vnd verletzt war.

Vnd also wanderten sie beyde fort / vnd besprachten sich mitleidentlich vntereinander von der vergangenen Abendthewer vnnd ritten strackes Weges nach dem Meerport Lapice zu: Denn daselbst / sagte Don Kichote, könte es nicht ermangeln / daß sie nicht viel vnd mancherley Abendthewer antreffen solten / weil es ein solcher Ort were / von welchem auß die Strasse nicht ledig stünde. Nur betrübte jhn / daß Er seiner Lantzen mangelte / dessen / als jhn der Waffenträger erjnnerte / sprach er zu jhm: Es fällt mir ein / daß ich einsten gelesen habe / daß ein Spanischer Ritter / mit Nahmen Titz Pertz von Varsch als jhme im Kampff das Schwert gesprungen war / ein starcken schweren Ast von einem Baum gehawen / vnnd damit selbigen Tag so gewaltige Thaten gethan / vnnd so viel Mohren[42] vnnd Heyden zerschmettert / daß er dannenhero den Zunahmen Schmetterer bekommen / vnnd also nachmahls mit all seinen Nachkommen / Erben / Erbnehmen / vnnd gantzem Geschlecht zugleich Mischmasch vnnd Schmetterer genennet worden. Vnd diß sag ich dir darumb / denn von der Ersten Eichen oder Buchen / so mir in Wurff kommen wird / ich entschlossen / einen nicht weniger harten vnd starcken Stammen Ast abzureissen / als ich mir jenen oberzehlten gewesen zu seyn einbilden kan: Vnd damit gedenck ich solche Thaten zuthun / daß du den jenigen vor glückselig preisen wirst / der würdig seyn wird / [91] zuzuschawen vnnd ein Zeuge zuseyn / dar mächtigen Ritterlichen Thaten / so man fast vor vnglaublich halten möchte. In Gottes Nahmen / sagt Santscho / ich glaube gar gern alles / was vnd wie es ewr Veste vorbringt. Ich bitte aber / sie richte sich doch ein wenig auf / denn ich laß mich fast bedüncken / als ob sie vf der einen Seiten abhenge: vnd kan wol etwa von der Zerschellerung herrühren.

Du hasts errathen / sprach Don Kichote. Aber daß ich mich des Schmertzens nicht mercken lasse / kömpt daher / weiln keinem fahrenden Ritter zugelassen ist / vber einige Wunde sich zu beklagen / wenn sie auch schon so groß were / daß jhm durch dieselbe das gantze Eingeweide herauß fuhre. Wenn sichs so verhelt / antwortete Santscho / so hab ich hierauff weiter nichts einzuwenden. Aber Gott ists bewust / wie gern ichs sehe / daß sich der Junckher nur beklagte vnd mercken liesse / so offt jhm etwas wehe thäte. Mich belangend / muß ich diß sagen / daß ich nicht vnterlassen werde / auch vber den allergeringsten Schmertzen / so etwa seyn mag / mich zubeklagen: Wo nur nicht etwa das nichtklagen auch auff die Waffenträger muß gezogen werden.

Don Kichote kunte sich nicht enthalten / vber der Einfalt seines Waffenträgers zu lachen. Vnd also erklärte er jhm / daß jhme gar wol zugelassen were / wie vnnd wie offt er wolte / mit lust oder vnlust / sich zu klagen / weiln er noch biß dato in den Ritters-Ordnungen dißfalls kein Verbott gelesen hette. Santscho sprach zu jhm / er solte der Zeit warnehmen / denn es nahete herbey die Stunde / imbiß zu halten. Sein Herr antwortet jhm / daß vor dißmahl jhn nicht hungerte. Wo aber jhm geliebte / [92] solte er nur im Nahmen Gottes essen. Auff diß voll Wort bequembte sich Santscho Dickwanst vff seinem Esel auffs beste er mochte / nam auß dem BrodtKarnier / was er darinn verwahret hatte / ritte also essende / vnnd aß reitende jmmer hinder seinem Herrn einher / fein sachte / vnnd bey guter Weile. Vnnd je zuweilen satzte er die Weinflasche an / vnd gab jhr so ein schmertzlichen Truck / daß jhme die Augen darob vbergiengen / welche er mit dem gantzen Kopffe steiff gegen den Himmel wendete: vnnd das alles mit solcher Lust vnd Anmütigkeit / daß es jhm auch der aller lecker- vnd schleckerhaffte Schenck oder Krezschmar[43] / auß der Landschafft Melaga hett mißgönnen mögen. Vnd inmittels / weil er also schluckende vnd schlabberende einher ritte / trug er nicht weiter sorge vor einige Zusag / so jhme von seinem Herrn beschehen war / achtete auch nicht vor mühesam vnnd arbeitselig / sondern vielmehr vor die gröste Lust vff der Welt / also vmbzuziehen vnnd Abendthewer zu suchen / GOTT geb wie gefährlich auch dieselben seyn möchten.

Mit einem Wort zu sagen / dieselbe Nacht wanderten sie vnter etlichen Bäumen hin / von derer einem spältete Don Kichote einen dürren Ast ab / des er an statt der Lantzen brauchen könte / vnnd steckte vorn an denselben die Eiserne Spitze / so er von der vorigen zerbrochenen Lantzen abgenommen hatte. Dieselbe gantze Nacht thät Don Kichote kein Auge zu / sondern gedachte stätigs an sein hertzliebstes Fräwlin Dulcinéa, damit er dem allem nachahmete / was er in seinen Büchern gelesen / wie nemblich die Ritter viel Nächte in Wälden vnnd Wüsteneyen vngeschlaffen zugebracht / vnd nur mit lieblicher Andenckung jhrer Buhlschafften sich belustigt [93] hetten. Santscho Dickwanst aber thet die Nacht auff eine gar andere Weise zubringen. Denn weil er den Magen mit etwas anderm Safft als des Brunnenwassers angefüllet hatte / schlieff er die gantze Nacht in einem thun volles schnarchens hinauß. Vnd wo jhm sein Herr nicht geruffen hette / weren weder die Stralen der Sonnen / so jhme gerad vff die Gosche[44] schienen / also klar vnd hitzig / noch auch der Gesang der Vögel / so mit vollstimmigen zwitschern vnglaublicher Liebligkeit die ankunfft eines newen Tages verkündigten / also scharpff vnd schnödig gewesen / daß sie jhn hetten auß seinem tieffen Schlaff ermuntern können. So bald er erwachte / satzte er an vnd that auß der Flaschen einen Zug: welche er aber etwas welcker vnd zusammen geschrumpffener befunde / als sie die vorige Nacht gewesen / darüber er dann hefftig erschrack vnd hertzlich betrübt wurde / weiln er sich bedüncken liesse / daß sie nicht vff einer dergleichen Strasse wandelten / da dieser Mangel so bald hett mögen ersetzt werden.

Don Kichote wolte nicht Frühestücken: dann / wie gesagt / enthielte / vnd settigte er sich nur mit dergleichen schmackhafften Gedancken vnd Einbildungen. Also machten sie sich wider auff die Fahrt / vnd wanderten jmmer gegen den Meerport Lapice zu / dessen sie denn ohngefähr gegen drey Vhren nach Mittag / ansichtig wurden. Als nun Don Kichote denselben ersahe / sprach er: mein lieber Santscho Panssa, allhier mögen wir wol die Arme biß an den Ellenbogen auffstreichen / denn wir Abendthewer gnugsam antreffen werden. Aber schaw wol zu / daß / wo du mich schon in der grösten Gefahr der Welt sehen wurdest / du ja nicht Hand an Degen legest / mich zu beschutzen / es sey denn / daß du etwa warnehmest / daß die jenigen / so mich anfallen möchten / [94] schlechte Leute vnnd lose Gesindlein weren / dann in solchem Fall kanstu mir mit allem Recht beyspringen / wo es aber Ritter weren / so ist dir durchauß nicht zugelassen / noch einiger weise durch die Gesetz des Ritterwercks vergönnet / daß du mir helffest / biß so lange du zum Ritter geschlagen seyst. Herr / versichert euch / antwortete Panssa, daß ich euch dißfalls trewlichen Gehorsam leisten wil / vnd daß so viel destomehr / weil ich ohne das von Natur friedsam bin / ein mächtiger Liebhaber der Einträchtigkeit / vnd Todtfeind alles Zancks / Zwietrachts / Rauffens vnnd Schlägereyen. Ohne ist es zwar nicht / daß / so viel meine Person belanget / werd ich solche zu verfechten / vnnd mich selbs zu verthäydigen / mich nicht groß an die Ordens-Gesetze kehren: Denn ja so Geist: [45] so Weltliche Rechte zulassen / daß ein jeder sich vffs beste gegen den jenigen verthäydige / der jhn etwa zu verletzen sich zur Vngebühr vnterstehen würde. Das sag ich nicht / sprach Don Kichote. Nur meine ich / so viel anlangt meine Person wider Rittersleute zu beschützen / daß du dißfalls deine natürliche Rachgierigkeit im Zaum vnnd zurück haltest. Sag ich doch / daß ichs thun wil / Antwortet Santscho: vnnd wil diß Gebott so steiff vnnd fest halten / als gewiß ich sol den Feyertag heiligen.

Gleich als sie in diesem Gespräch waren / liessen sich eben vff derselben Strasse zweene schwartze Benedictiner Münche sehen / so vff zwey Dromedari Thieren / (dann jhre zwey Maulesel / darauff sie einher zohen / waren fast nichts kleiner) mit vorgethanen Staubbrillen / vnnd in der Hand habenden Sonnenschirmen eingeritten kamen. [95] Hinder jhnen fuhr her eine Kutsche / so von vier oder fünff Reisigen / vnnd zwey Maultreibern zu Fuß begleitet wurde. In der Kutschen saß / als man hernachmahls erfahren hat / eine Freyin auß Bisçaja, so nach Sevilien zog: Denn daselbst hielte sich jhr Herr auff: vmb von dannen / nach empfangenem stattlichem ansehenlichem Befehlich / vnnd Ampt gegen Indien zusiegeln. Die Münche aber gehörten nicht zu jhr / ob sie schon eben dieselbe Strasse zogen. Kaum hatte Don Kichote diese beyde ersehen / sprach er zu seinem Waffenträger: Wo ich mich nicht jrre / so wird sich allhier der allerrühmlichste Abendthewer ereugen / so jemahls mag seyn gesehen worden. Denn jene zwey schwartze Dinger / so sich dort herfür thun / werden etwa seyn / ja vielmehr seyn sonder zweifel etliche Zauberer / so etwa eine geraubte Princessin vff der darauff folgenden Kutschen entführen. Darumb ist vonnöthen / daß ich nach aller Mögligkeit diesem Vnraht zuvor komme.

Ach GOTT / sprach Santscho / diß wird noch ärger seyn als jenes mit den Windmühlen. Schawt doch recht zu / Herr / denn es seynd Brüder des heiligen Benedixens: vnnd die Kutsche ist etwa mit Wandersleuten besetzt. Hört doch / was ich euch sage / vnnd sehet was jhr thut. Hütet euch / daß euch der böse Feind nicht etwa betriege. Don Kichote antwortete jhm: Ich hab dirs doch schon gesagt / Santscho / daß du wenig vmb der Abendthewer Beschaffenheit weissest: Was ich sage / ist die lautere Warheit / vnnd solst dessen bald jnnen werden. Vnnd gleich als er das redet / ritte er fort / vnnd blieb in der Mitte der Strassen halten / auff welcher die zwey Münche einher zogen. Vnnd als sie ohnegefähr [96] so nahe kamen / daß jhn bedünckte / sie seine Stimme würden vernehmen können / schrie er mit vollem Halse: O jhr Durchteuffeltes vnnd Gesetzloses Gesindlein / gebt vff der Stund frey vnnd ledig diese hochgeborne Fürstinnen / so jhr vff der Kutschen durch Nothzwang entführet. Wo nicht so macht euch gefast eines schmähelichen Todes von meinen Händen zusterben / zu einer gerechten Rach vber ewre trewlose Vnthaten. Die gute Brüder hielten die Zügel an sich / vnnd verwunderten sich vber die massen / so wol ab der wunderlichen Gestalt des Don Kichote, als auch ab den Reden / so er führete. Vnd antworteten jhm: Herr Ritter / wir seynd weder durchteuffelt noch Gesetzloß / sondern zwey Ordensleute des heiligen Bendicts / die wir vnsers Weges ziehen / vnd nicht wissen / ob in jener Kutschen genothzwängte Fürstinnen seyn oder nicht. Mit mir gilts nicht viel schmeichelns / antwortete Don Kichote, Ich kenn euch nur zu wol / jhr meineydiges[46] Gesindlein. Vnd ohne ferrnern Verzug oder Antwort / gab er seinem Rossübral die Spohren / vnnd mit eingelegten Spehr traff er auff den einen der Münche mit solcher Vngestümm vnd Tapfferkeit / daß / wo der Münch nicht von sich selbst von dem Maulesel abgesuncken / würd er jhn wider seinen Willen also abgestürtzet haben / daß / wo nicht gar todt / jedoch hart verwundet / er vff die Erde gesuncken were. Der ander Ordensmann / als er sahe / wie man mit seinem Compan vmbgienge / satzte er die Sporen an die Burg seines lieben Maulesels / vnd fienge an schneller / als der Wind / vber das flache Feld zu rennen.

Santscho aber den Münch also auff der Erden liegen ersehend / stiege fein sacht vnd sittsam von seinem sanfftmütigen Thierlein herab / fiel den Münch [97] an / vnd begunte jhm allhand seine Kappen vnnd Kleider abzuziehen. In dem naheten die zwey Maultreiber / so zu den München gehörten / vnnd fragten jhn / warumb er den Münch also außzöge? Santscho gab jhnen zur antwort / daß jhme dieses von rechtswegen zugehörte / als eine Außbeute der Schlacht / so sein herr gewonnen hette. Die Maultreiber / so schimpffens nicht sonders gewohnet waren / auch auff dergleichen Beuthe vnd Kampff sich wenig verstunden / als sie sahen / daß Don Kichote schon ziemlich weit von dannen war / vnd mit denen / so auff der Kutschen sassen / vnterredung pflegte / naheten sich an den guten Santscho Großwanst / warffen jhn zu Boden / traten jhn mit Füssen / zerbleweten vnnd zerraufften jhn so wol / daß jhm fast kein Härlein im Bart bliebe / vnnd liessen jhn endlich also ohne fühlen vnd Athem holen / vff der Erden halb todt liggen. Der Münch aber stieg ohn viel Federlesens[47] eilends wider auff / aller furchtsam vnnd erschrocken / also / daß jhm keine Farbe mehr im Gesicht blieben war / vnd als er sich wider zu Roß / oder vielmehr zu Esel befand / stach er hinder seinem Burschgesellen her / welcher eine zimliche ecke von dannen seiner wartete vnd zuschawete / wo es mit diesem Vberzug hinauß wolte. Also ohne weiters vffhalten / vnnd erwartung des Außgangs dieses vnversehenen Vornehmens / drollten sie sich jhres Weges fort / vnd machten deromassen viel Creutzen vor vnd hinder sich / als wann jhnen der Teuffel schon vff dem Nacken sässe.

Don Kichote redete vnterdessen / wie gesagt / mit der Freyin / so auff der Kutschen saß / vnd sprach zu jhr: Ewere Schönheit / Gnädige Fraw / hat jetzo wider freye Macht vnnd Erlaubnüß mit jhrer Person zuthun / was jhro geliebt. Denn der Hochmuth [98] ewerer Entführer vnd Räuber ligt zu boden / durch die Krafft meines Arms vberwunden. Vnd damit jhr euch keinen Kummer machen dörffet / vmb den Nahmen ewres Erretters zuerfahren / so wisset / daß ich Don Kichote von Fleckenland heisse / ein fahrender Ritter / vnnd Gefangener des allerschönsten Fräwlins von der Welt / der Dulcinea von Toboso. Zu schuldiger danckbarkeit vor diese hohe euch bezeigte Wolthat begehre ich nicht mehr / als daß jhr vmbkehret gegen Toboso zu / vnd von meinetwegen euch wolgedachtem Fräwlein darstellet / vnd sie des jenigen verständiget / was ich vor ewre erlösung gethan habe.

Dieses alles / so Don Kichote redete / hörte mit fleiß an einer von den Waffenträgern / so die Kutschen begleiteten / welcher auß dem Land Biscaja[48] bürtig war. Vnd als er sahe / daß er den Wagen nicht wolte fortfahren lassen / sondern begehrte / daß man eilends damit vmb / vnd auff Toboso zukehren solte / nahete er zu dem Don Kichote, ergreiff jhn bey der Lantz / vnd sagte zu jhm vff böß Castilianisch / vnd noch ärger Biscainisch: Reit deiner wege / Ritter / daß du dein letztes müssest streiten. Oder / wo du nicht den Wagen mit Ruhe lessest / bey dem lebendigen GOTT / ich schlag dich zu tod / so wahr ich ein Biscainer geboren bin. Don Kichote verstund gar wol / wie viel es geschlagen hatte / so vbel auch der Waffenträger redete / vnd mit grosser sanfftmut antwortet er jhm. Werestu so wol ein Ritter / als wol du keiner bist / ich wolte dich vmb deine Thorheit vnd Thumbkünheit züchtigen / du leibeigenes Viehe. Darauff antwortet der Biscainer: Wie? Solt ich kein Ritter seyn. Ich schwere dir bey Gott / daß du hieran als ein Vnchrist leugest. So bald du [99] die Lantze schwingest / oder den Degen zuckest / solstu deinen Mann gefunden haben. Ich bin ein Biscainer zu Land / ein Edelmann zu Wasser / ein Rittersmann ins Teuffels Nahmen: Du leugst / so du anders sagest / oder sey dir trotz gebotten. Jetzt solstu es jnnen werden / sprach Don Kichote, vnnd warff stracks die Lantze zur Erden / zog sein Schwert auß / faste die runde Tartsche zu recht / vnd eilete vff den Biscainer zu / in willens / jhn seines Lebens zu berauben.

Der Biscainer / als er jhn also gegen sich kommen sahe / wiewol er lieber abgestiegen were / als der sich vff seinen matten Maulesel nicht zuverlassen hatte / konte er nichts anders thun / als nur bald seinen Degen außziehen. Diß kam jhm aber zum besten / daß er sich nahe beym Wagen befunde / auß welchem er bald ein Pulster oder Küssen erwüschte / so jhme an statt eines Schildes dienete. Vnd stracks wischten sie vff einander loß / ob weren sie Ertz- vnd Todfeinde gewesen.[49] Das vbrige Völcklin begehrte sie zustillen / vnd Fried vnder jhnen zu machen. Es war aber nicht müglich. Denn der Biscainer ließ sich mit klaren / wiewol vff seine art geradebrechten Worten verlauten / daß / wo sie jhn nicht liessen zu endschafft seines Kampffs gelangen / wolte er selbst so wol die Fraw in der Kutschen / als auch die jenigen alle vmbbringen / welche jhn daran verhindern würden. Die gute Fraw in der Kutschen / auß Furcht vnd Verwunderung ab den Sachen / so sich zutrugen / befahl dem Kutscher / daß er etwas beyseits außführe. Vnd von weitem sahe sie dem scharpffen vnnd ernsthafftem Streite zu. Als sie nun also in voller Arbeit waren / reichte der Biscainer dem Don Kichote einen mächtigen Streich vber den Arm oberwarts der Rundtartschen / daß / wo die Seite gantz bloß gewesen [100] were / hette er jhn sonder zweiffel biß auffs Gürte von einander gespalten.

Don Kichote, als er den Schmertzen des vngehewren Streiches fühlete / ließ er einen lauten Schrey / vnd sprach: O Herrscherin meines Hertzens Dulcinéa, eine Bluhm aller Schönheit / kompt zu hülffe ewrem Ritter / welcher ewer Frömmigkeit vnd Güte eine gnüge zuthun / in so eim schweren Kampff sich an jetzo befindet. Diese Wort sprechen / das Schwert zucken / den Schild fürwerffen / vnd den Biscainer anrennen / geschahe alles zugleich in einem Augenblick: weil er jhm fürgenommen / auff diesen einigen Streich das gantze Glück des Streits zu wagen. Der Biscainer / als er jhn also gegen sich kommen sahe / konte leicht des Ritters Großmütigkeit / durch dieses sein kühnes beginnen ermessen / vnd entschloß eben das jenige zu thun / was Don Kichote in willens hatte. Derwegen verwahrete er sich mit dem Küssen / vffs beste jhm müglich war / vnnd also stillhaltend erwartete er seines Feindes / sonderlich weil er sein Maulthier / weder auff diese noch vff jene Seite zuwenden vermochte: welches schon aller ermüdet / vnd solcher Kurtzweil vngewohnt / nicht ein Schritt weiter fortgehen konte.

Also kam nun / wie gemelt / Don Kichote vff den Biscainer zu / so seiner gnugsam wahr nam / seinen Degen in der Höhe führte / vnd mit dem Küssen sich wol bedeckete. Alle vmbstehende stunden in grosser Furcht / vnd warteten mit zaghafftem Gemüth / was für ein Außgang die abschewlichen Streiche / damit sie einander dräweten / gewinnen würden. Die Fraw in der Kutschen zusampt jhren Dienern / thäte häuffige Gelübde / allen Bildern vnd Gotteshäusern von gantz Spanien / daß GOTT so wol sie / [101] als auch jhren Waffenträger von gegenwärtiger also schrecklicher Gefahr erretten wolte. Aber der gröste Schade bestehet in dem / daß eben in diesen zum Streich erhabenen Schwerten / der Meister dieser Geschichtbeschreibung / den Kampff also vnvollkommen hencken lesset / vnd endschuldigt sich / daß er von des Don Kichote Thaten nichts weiter beschrieben gefunden / als so viel dessen biß anhero erzehlt worden. Ohne ist es nicht / daß der andere Schreiber dieses Buchs / jhme nicht einbilden vnnd glauben kan / daß eine so wichtige Geschicht also gar solte mit stillschweigen seyn vbergangen worden / oder die sinnreichen Köpffe des gantzen Fleckenlandes ingesampt / so gantz nachlässig gewesen / daß sie nicht / weder in jhren vhralten BücherCammern vnd SchreibStuben zum wenigsten etliche Papier solten behalten vnd vffgehoben haben / so von diesem berühmbten Ritter handelten. Vnd also durch solche Einbildung bewogen / ist er noch guter hoffnung / das End vnd Außgang dieser also anmuthigen Geschicht zu finden: wie er denn durch sonderbahre Begünstigung vnd Zuneigung der himmlischen Läuffte endlichen gefunden hat / massen im folgenden Theil dieser Geschicht weiter sol außgeführt werden.



[102]
Das 10. Capitel.
Darin erzehlt wird das Ende vnd Außgang des wunderseltzamen Kampffs so der frische Biscainer mit dem tapffern Fleckenländer gehalten.

IM ersten Theil dieser Geschicht / haben wir den hertzhafften Waffenträger auß Biscaja, vnd weitberühmbten Ritter Don Kichote, mit erhabenen blossen Klingen in gestalt zweyer starcken mitten voneinander gespaltener streichführender rasender Leute / gegen einander vber haltend gelassen / also / daß wo sie einander also in vollem Hieb hetten erreichen sollen / zu befürchten were gewesen / sie von oben an / biß gantz herunter einander zerspeltet / vnd nicht anders als etwa ein Granatapffel / mitten von einander getheilet hetten / Aber gleich in denselben erhabenen also sorglichen vnd gefährlichen Streichen / hemmete sich die Beschreibung / vnd blieb diese so anmüthige vnd lustige Geschicht vnvollkommen liegen / also / daß der Beschreiber vns nicht einige nachricht geben / woher etwa der Mangel solcher Geschicht zuersetzen were. Solches erweckte mir grosse vnlust / vnd mißfallen / [103] also / daß die Ergetzligkeit / so ich ab der lesung des wenigen Theils empfunden hatte / in grossen Widerwillen vnd Eckel verwandelt wurde: in dem ich bey mir zu erwegen begunte / wie schwer vnd arbeitsamb seyn würde / den Vberrest dieser also trefflichen / vnd meines bedünckens / vberauß kurtzweiligen Geschicht außzuforschen vnd zuhanden zubringen.

Es bedünckte mich vnmüglich / vnnd wider alle Billigkeit zuseyn / daß einem so tapffern Ritter / ein verständiger Mann solte gemangelt haben / so seine vnglaubliche vnd vnerhörte Thaten / auffs Papier zubringen vff sich genommen hette: da doch andern wallenden Rittern auß allen Völckern vnd Landen / so jemahls jhr Glück zuversuchen / vnd sich etwas zu wagen außgezogen / es an dergleichen Beschreibern nicht ermangelt / so gar / daß deren fast jeder einen / oder auch zwey sonderliche / allein vff jhn gleichsamb bestellte Geschichtschreiber erlangt / so nicht allein seine männliche Thaten beschrieben / sondern auch zum allerwenigsten seine Gedancken / vnd auch die geringsten Alfantzereyen vnd Thäydungen abgebildet / wie verborgen vnd heimlich auch dieselben gewesen seyn. Vnd konte fürwahr dieser gute Ritter nicht so vnglückselig gewesen seyn / daß allein jhme das jenige solte gemangelt seyn / dessen ein Vberfluß der Ritter Platir vnd seines gleichen andere gehabt haben. Vnd also konte ich mich nicht bewegen lassen / zu glauben / daß eine so lustige Geschicht solte vnvollkommen vnd zerstümmelt seyn gelassen worden / sondern warff alle Schuld auff die vngüte der Zeit / welche / wie sie alles zu verzehren vnd vffzureiben pflegte / also auch vielleicht diese Geschicht entweder auß dem Mittel gereümbt hette / oder doch zum wenigsten im verborgen hielte. Anderstheils ließ ich mich bedüncken / weil vnter obgezehlten Büchern des Don Kichote [104] sich auch etliche newgebackene / als die Entdeckung des Argwohneiffers / wie auch die Nymfen vnd Schäffer von Henáres, gefunden hatten / daß auch seine Geschichtbeschreibung eine von den newesten seyn müste. Vnd ob schon solche nicht schrifftlich auffgezeichnet zubefinden were / daß solche etwa noch den Leuten seines Dorffs oder andern vmbgrentzenden wissent vnd bekant seyn möchte.

Diese Einbildung machte mich zimblich verwirrt / vnd erweckte in mir eine Begierde eigentlich vnnd warhafftig mich zu erkundigen / des gantzen Lebens vnd Wunderwercks vnsers berühmbten Spaniers / Junckher Harnisches auß Fleckenland / als eines Liechts vnd wahren Spiegels der gantzen Fleckenländischen Ritterschafft / auch des allerersten / so zu vnsern Zeiten / vnd bey diesen also schweren arbeitseligen Läufften / sich einer so schweren Arbeit / dero in stätigem vmbreisen bestehenden Waffenvbung vnterstanden: auch sich gewagt vnd vnterwunden hat / der Last vnd Bürde Vngerechtigkeit vnnd Gewalt abzuschaffen / Wittiben[50] hülffliche Hand zu bieten / Jungfern zu verthäydigen / vnd zu vertretten: bevorab aber solche Jungfern / vnd auß art vnd schlecht deroselbigen / welche vff jhren Zelterlin / mit einem Spißrüthlin in der Hand / an statt aller Bewahr- vnd Beschützung jhrer Jungfrawschafft / vber Berg vber Thal einher wanderten. Dann wo nicht etwa ein leichtfertiger Vogel / oder sonsten ein schlimmer Lumpenkerl / oder auch gar ein ohngehewrer Riese vber sie käm / vnd sie nothzüchtigte: So ist vor alters manche Jungfer gefunden worden / welche wol nach erfüllung jhres achtzigsten Jahrs / binnen welcher Zeit vnnd Alters sie auch nicht einen eintzigen Tag vnterm Dach geschlaffen / eben so rein vnnd ohnbefleckt zu Grab ist getragen worden / als sie von Mutterleib kommen gewesen.

[105] Derowegen sag ich das / wegen dieser vnd vieler andern Vrsachen / vnser wackerer Kichote stetes vnd sonderbahres Lobs wol würdig ist / ja daß man auch mich dahero billigen Rhumbs vnd Ehre nicht berauben solle: auß betrachtung der Müh vnd Fleisses / so ich vff ergründung der weitern Beschreibung vnd Außgangs dieser anmuhtigen Geschicht gewendet habe. Wiewol mir nicht vnverborgen / wo nicht der Himmel selbst / die vngefehr vnd zufäll / vnnd dann das wolmeinende Glück mir hieran jhre hülffliche Hand gebotten hetten / daß die Welt were beraubt blieben / der Kurtzweil vnd Lust / so ein jedweder gleichwol ohngefehr vff ein zwey Stunden lang wird haben können / der diese Geschicht mit andacht zulesen jhm wird belieben lassen. So hat sichs nun derohalben mit erfindung deroselben vff folgende maß zugetragen.

Als ich einsten vnter den Krämern zu Toledo stund / wurde ich gewahr eines Knaben / so alte beschriebene Papier vnd Brieffe / einem Seidenwürcker zu verkauffen gab. Vnd wie ich sehr gern allerley zulesen pflege / obs schon nur zerrissene Papier seyn / so man etwa vff der Gassen findet: also durch anleitung dieser meiner natürlichen Begierd vnd Zuneigung / nam ich eines derer Papiere in die Hand / welche der Knabe feiltruge / vnnd erkante an der Schrifft / daß es Arabische Buchstaben waren. Ob ich nun zwarten die Schrifft erkante / vermocht ich sie doch nicht zulesen. Vnd derohalben schawete ich fleissig vmb / ob ich etwa einen erfahrnen Mohren auff dem Platz sehen möchte / der mir die Schrifft lese. Es durffte aber nicht grosser Mühe / einen Dolmetscher zu vberkommen. Dann wann ich schon dergleichen einen vor eine weitbessere vnd ältere Sprach gesucht hette / würd ich jhn doch wol allhier angetroffen haben. Schließlich fügte sich das Glück also wol / [106] daß ich einen fand / dem ich mein begehren eröffnete / vnd jhme das Buch in die Hand gabe. Dieser schlug das Buch gleich in der Mitte auff / vnd als er gar ein wenig drinnen gelesen hatte / fieng er an zu lachen. Ich fragte jhn / was er lachte? Da anwortet er mir / er lachte eines dinges / so am Rande des Buchs beygezeichnet stünde. Ich begehrte / er solte mirs sagen: Drauff lachte er noch jmmer fort / vnd sprach: Allhier am Rande / massen ich jetzt gesagt habe / steht geschrieben: Von derselben Dulcinéa von Toboso, derer zum dickern in dieser Histori gedacht wird / sagt man / daß sie die fertigste Faust vnter allen Weibern im gantzen Fleckenland gehabt habe / Schweinenfleisch einzusaltzen. So bald ich diese Dulcinéa von Toboso nennen hörte / erstutzte ich drüber / vnd fiel mir stracks ein / daß diese alte Brieffe / die Geschicht vom Don Kichote in sich halten würden. Vnd vff solches muthmassen hielt ich starck bey jhm an / er solte den anfang des Buchs lesen. Vnd in dem er solches that vnd ohnegefehr das Arabisch ins Spanische verdolmetschte / sagte er mir / daß der Anfang also lautete: Geschicht Junckher Harnisches auß Fleckenland / beschrieben durch Cid Hamet Benengeli, Arabischen Geschichtschreiber.

Hier war lachen zu verbeissen / vnd erforderte nicht wenig geschicklichkeit die gröste Frewde zuverbergen / so ich ab diesem Tittel empfande Derohalben kauffte ich alle diese Papier dem Seidenwürcker auß der Hand / vnd zahlte dem Jungen achzehen Pfenninge darfür: welcher / so er witz gehabt / vnd gemerckt hette / daß ich darüber also begierig were gewesen / hette er wol dessen versichert seyn mögen / daß er darauß mehr als drey Ortsthaler bey mir hette lösen können. [107] Darauff machte ich mich eilends in Gesellschafft des Mohren von dannen / verfügte mich in das Closter / bey der grossen Kirchen / bath den Mohren / daß er auß den alten Papieren alle das jenige / so vom Don Kichote handelte / in Spanische Sprach / ohne ab- vnd zuthuung einiges andern Dinges vbersetzte / vnd versprach jhm zu belohnung seiner Muhe / so viel er begehrte. Er war aber mit zwey maß Rosinen / vnd zwey Malter[51] Rocken[52] zufrieden / vor seinen Lohn: vnd versprach mir / daß er es alles wol / trewlich vnd auffs kürtzte verdolmetschen wolte. Damit ich aber desto ehe vnd leichter zur Sachen kommen möchte / vnd ja eine so gewünschte / vnd recht gefundene Gelegenheit nicht auß der Hand liesse / führte ich jn mit mir zu Hause / da er denn binnen anderthalb Monden vnnd wenig Tagen die gantze Geschicht von Anfang biß zu Ende verdolmetschte / eben vff den Schlag vnnd Masse / wie sie allhiero erzehlet wird.

Bald vff der ersten Blätter einem war zusehen / natürlich abgemahlt der Kampff des Don Kichote mit dem Biscainer / vnd stunden sie beyde da / eben in solcher Leibsgestalt vnnd art / wie sie die Geschichtbeschreibung abmahlet / mit empor gehobenen Klingen / der eine mit der Tartschen / der ander mit einem Küssen oder Pulster beschildet. Der Maulesel des Biscainers / war also lebhafft vnd eigentlich abcontrafetet[53] / daß man wol eines Bogenschusses weit darvon erkennen mochte / daß es ein Miettesel seyn müste. Zu den Füssen des Biscainers stund geschrieben: Don Santscho von Atzpelia, welches ohn zweiffel sein Nahme war / vnd vnter dem Rossübrall stund: Don Kichote Rossübrall war vberauß wunderbahrlich vnnd seltzam gemahlet / [108] so lang vnd außgedehnet / so außgesogen vnd hager / so verbeint vnd entblösster Knochen / so gar auß dermassen schwindsüchtig / daß gnugsam an seiner Gestalt abzusehen vnd zu ermessen war / mit was reiffen Bedencken vnd Verstande / auch wie gar billich vnd recht / jhm dieser Nahme war gegeben worden. Nahe bey dem Pferd stund Santscho Panssa oder Dickbauch / seinen Esel mit dem Zaum an der Hand haltend. Vnter jhm war ein gemachter Zettel / drauff stunde: Santscho Sancas oder Breitfuß / darumb daß er vielleicht / wie auß der Abbildung zu sehn war / einen grossen dicken Bauch hatte / fein kurtz beysammen / vnd von der Natur mit breiten Latschen vnd dicken Beinen begabt ware. Vnd darumb wurd jhm sonder zweiffel der Zunahme Pantschmann vnnd Breitfuß gegeben / mit welchen beyden Nahmen er denn zu mehrern mahlen von dem Geschichtschreiber genennet wird. Es befunden sich hierbey noch etliche geringe Auffmerckungen vnd Vmbstände: So aber nicht sonderbarer Wichtigkeit seynd / vnnd der Glaubwürdigkeit der Geschicht / weder ichtwas geben noch nehmen / so warhafftig sie auch seyn mögen.

Daferrn ja wider die Warheit dieser Geschicht einiger Einwurff könte beygebracht werden / würde es kein ander seyn / als daß der Meister vnd Beschreiber deroselben ein Araber sey: Welcher Landsart Eigenschafft ist / daß sie gern pflegen neben der Warheit her zu spatzieren. Wiewol im Widerspiel[54] / vnd weil sie vns so gar feind vnd gramm[55] seyn / vielmehr zuerachten were / daß er ehe zu wenig als zuviel hiervon wurde geschrieben vnd berichtet haben. Vnd eben also laß ich mich auch bedüncken / daß so offt er zu billichem Lob vnd Preisung dieses so tapffern Ritters / hette die Feder ansetzen können vnd sollen / er mit fleiß solches mit stillschweigen vbergangen habe. [109] Welches in warheit nicht wolgethan / vnd noch viel vbler bedacht ist / in dem Geschichtschreiber sollen vnd müssen gerade zugehen / der Warheit ins Maul greiffen / gantz keine eigne vnd fleischliche Begierden mit vnterlauffen lassen / keine Partheiligkeit oder Antheil / keine Furcht / keinen Groll / keine Gunst / oder Liebe sich abwendig machen lassen / von dem schnurgleichen Pfad der Warheit / derer rechte Mutter ist die Geschichtbeschreibung / als eine Nachahmerin der Zeit / eine Beylage alles Thuns vnd Beginnens / ein Zeugnüß des vergangenen / ein Beyspiel vnd Vnterricht des gegenwertigen / vnnd eine Verwahrung dessen / das zukünfftig ist. In dieser zwar bin ich gewiß / daß zufinden werde seyn / alle das jenige / so bey einer lustigen vnd kurtzweiligen Geschicht zu wünschen ist. Vnd wo ja noch hieran etwas nutzliches vnd gutes mangelt / geschicht es nicht so sehr auß schuld des Wercks / als wegen Mißgunst des Hudlers / des Beschreibers. Schließlichen der ander Theil dieser Geschicht zu folge der obgedachten Dolmetschung / fieng vff diese weise an.

Als nun die zwey mannhafften vnnd erbitterten Kempffer auff solche weise jhre schneidende Schwerter empor vnd in der höhe hielten / scheinete es nit anders / als ob sie dem Himmel / der Erden vnd dem Abgrund der Höllen dreweten. Also erschrecklich war jhre Kunheit vnd die Gestalt jhrer Geberden / in der sie anzusehen waren. Der Cholerische Biscainer schlug zum ersten loß / vnd führte gegen Don Kichote einen so starcken erschröcklichen vnnd vnmenschlichen Streich / daß / wo nicht eben im Hiebe die Klinge sich gewendet hette / dieser einige Streich gnugsam gewesen were / diesem so harten Kampff vnd zugleich allen andern Abendthewern vnd mannlichen Thaten vnsers Ritters den Garauß zumachen. Aber das Glück / so jhn zu grössern Sachen [110] erhielte vnd spahrte / wendete auff solche weise das Schwert seines Feindes / daß / ob es schon vff der lincken Achsel antraff / es doch weitern vnnd andern Schaden jhm nicht zufügte / als daß es jhm denselben gantzen Theil von den Waffen entblößte / vnd ein grossen Theil des Helms / wie auch des lincken Ohrs / zugleich in einer Hitze mit hinweg nam / also / daß dieses alles vber einen Plunder mit erschröcklicher Absturtzung zur Erden dahin portzelte / vnd den guten Ritter ziemblich vbel zugerichtet nach sich verliesse.

Hilff ewiger Gott / wer möchte nur gnugsam geschickt seyn zu erzehlen / vnd eigentlich zu beschreiben / den rasenden Zorn vnd fewrige Vngestümm / durch welche das Hertz vnsers Fleckenländers herab entbrante / als er sahe / daß so vnbillicher abschewlicher weise mit jhm gebahret wurde. Mehr sol hiervon nicht gemeldet werden / als nur / daß er sich wider[56] in den Pügeln[57] vffs beste befestigte / das Schwert fest zu beyden Fäusten fassete / vnnd mit solcher krafft vnd vngestümm vff den Biscainer loß hiebe / daß er jhn gerade vor sich auff das Küssen vnnd Haupt traff: Vnd ob er sich schon an diesem Theil des Leibes wol verwahrt befunde / so bedünckte jhn doch nicht anders als ob ein vngehewrer Berg auff jhn stürtzete. Vnnd fieng an auß dermassen / auß dem Mund vnnd auß den Ohren häuffig Blut zuschweissen: begunte auch ziemblich zu wancken / also / daß es das Ansehen gewann samb würde er gäntzlich von der Mehren herab fallen. Welches auch sonder zweiffel beschehen were / wo er sich nicht mit seinem Esel gefasset / vnnd jhme starck vmb den Hals gefallen were. Gleichwol vnnd dessen vngeacht / wurd er Pügelloß / vnnd ließ beyde Arme gehen. Das Maulthier aber / als ab dem hefftigen vngestümmen Streich erschrocken / [111] fieng an Spohrenstreichs vnd auß allen Kräfften / quehr Feld auß zulauffen / vnnd bald vff das ander oder dritte mahl / als sichs mit seinem Reuter in die Höhe lehnete / warffs jhn bald zur Erden dahin. Dieses schawete Don Kichote mit hertzlicher belustigung an / vnnd als er den guten Reuter fallen sahe / sprang er vom Gaul / nahete sich zu jhm / mit vnglaublicher Geschwindigkeit / setzte jhm die Spitze seines Degens ins Gesicht / vnnd sagte jhm / er solte sich ergeben / wo nicht / wolte er jhm also stracks den Kopff vom Rumpff abhawen.

Der Biscainer war so gar erschrocken vnnd verwirret / daß er jhm kein Wort zu antworten vermochte: welchs jhm aber sehr vbel würde gelungen seyn / in betrachtung / daß Don Kichote vom Zorn gantz vberblendet war / wo nicht die Frawen des Wagens / so bißher mit grossem Schrecken vnnd Furcht den Streit angesehen hatten / gegen jhn zugelauffen / vnnd jhn flehentlich vnnd hertzlich gebeten hetten / er wolte jhnen doch die grosse Gnade vnnd Gunst erweisen / vnnd jhrem Waffenträger das Leben schencken. Worauff Don Kichote mit besonderer harter Stim vnd grossem Ernst zur antwort gabe: Schöne Frawen / ich bin zwar zufrieden / daß jhr ewrer Bitte vor dißmal möget von mir gewäret seyn / jedoch mit dem beding vnd auff solche maß / daß dieser Ritter mir angelobe nach Toboso zuziehen / vnnd daselbsten sich dem schönsten Fräwlein vff der Welt / der Dulcinéa zustellen / damit solche mit jhme jhres Willens vnnd Gefallens gebähre. Die erschrockenen vnd trostlosen Frawen sagten jhme zu / ohne einiges erforschen vnd nachfragen / wer die Dulcinéa were / daß der [112] Waffenträger alle das jenige ins werck richten solte / was er jhme befohlen hatte. Wolan / sprach Don Kichote, vff ewer Wort wil ich jhm weitern Schaden nicht zufügen / ob er zwar ein mehrers wol verdient hette.




Das 11. Capitel.
Von dem lehr- vnnd trostreichem Gespräch / so nach geendeter Schlacht vnd erhaltenem Sieg zwischen Don Kichote vnd seinem Waffenträger vorgieng.

GLeich in dem hatte sich der Dickbauch Santscho wider auffgerafft / nach dem er von den Maultreibern wol zertroschen / eine gute weile vff der Erden gelegen / vnd inmittels dem Kampff seines Herrn gantz andächtig zugeschawet hatte. Denn er seufftzete zu Gott inniglich vnnd von grund seines Hertzens / daß er jhme gnad verliehe / den Sieg zuerhalten / vnd durch denselben etwa eine Insul zu gewinnen / darinnen jhn sein Herr krafft seiner Zusag zum Regenten bestellen möchte. Als er nun innen wurde / daß der Streit sein Ende genommen / vnnd sein Herr wider auff den Rossübrall zusteigen begunte / nahete er sich hinzu / daß er jhme den Bügel halten möchte. Ehe aber sein Herr auff stiege / fiel er auff die Knie vor jhm nider / ergreiff jhn bey der Hand / küssete jhm selbige / vnd sprach: Es geruhe nun ewer Gnaden / mein Herr Don Kichote, mir das Regiment [113] vnd Verwaltung deroselben Insul zu vbergeben / welche sie durch diesen harten Kampff gewonnen. Denn ich befinde mich also vehig vnd geschickt / daß ich dieselbe / wie groß vnnd weitläufftig sie auch seyn möge / also zu regieren / vnd zu beherrschen wissen wil / als einiger anderer Mensch / so jemahls einige der Welt Insuln mag vnter seiner Bottmässigkeit[58] vnd Verwaltung gehabt haben.

Darauff antwortete Don Kichote: Mein lieber Santscho / wisse / daß diese vnd andere dergleichen Abendthewren mehr / nicht eben solche Mittel seyen / dadurch man Insuln zuerarnen vnnd zuerwerben pflegt / sondern ist eine von denselben Gelegenheiten / so einem offte vff Creutzwegen zu handen stossen / durch welche man nichts anders zuwege bringt / als etwa etliche Löcher in Kopff / vnd daß man bißweilen mit einem oder anderthalben Ohren wider heim kömpt. Hab nur gedult / denn es werden vns dergleichen Abendthewer zur gnüge vffstossen / vermittels derer ich dich nicht allein zum Regenten / sondern auch zu etwas höhers vnd vornehmers / werde machen können. Dafür danckte jhm Santscho sehr fleissig / küssete jhm noch einsten die Hand vnnd den Kürißrock[59] / halff jhm auff seinen Rossübrall / vnd er selbs auch stiege vff sein sanfftmütiges Thierlein / vnd folgte seinem Herrn vffm Fusse nach / welcher / ohne weitern Abschied oder Vnterredung mit denen vff der Kutschen / strackes Weges vnd volles Lauffs dem Holtze / so nahe dabey war / zuritte. Santscho folgete jhm stets vnd mit vollem Trabe nach / so viel nur sein Thier zu lauffen vermochte. Aber Rossübral lieff so geschwinde / daß / als er sich ziemblich weit mit seinem Esel zurück befande / wurde er genothdrengt / seinem Herrn zuzuruffen / daß er doch seiner warten wolte. Vnd also thät Don Kichote, hielt den [114] Rossübrall mit dem Zügel an / biß sein ermüdeter Waffenträger nahe vnd herzu kam / welcher im herbeynahen zu jhm sagte:

Herr / mich bedünckt rathsam zu seyn / das wir etwa zu einer Kirche / vnsere Zuflucht nehmen / sintemahl ewer Mitkämpffer / als vbel von euch zugerichtet / vielleicht nicht vnterlassen möchte / den gantzen Handel der heiligen Gesell- vnd Brüderschafft / so zu abstraffung der Strassenräuber dieser örter verordnet / entdecken / vnd vns dahero greiffen lassen. Vnd / wo das geschehen solte / wil ich euch gut darfür seyn / daß wir ehe nicht auß dem Gefängnüß loß werden würden / biß vns Haut vnnd Haar schwitzen möchten. Halts Maul / sprach Don Kichote. Denn wo hastu jemahls gesehen / daß einiger wallender Ritter vor Gericht sey gestellet worden / vnd wie grosse todschläge er auch jmmer mag begangen haben. Ich weiß von todschlägen nichts zusagen / antwortet jhm Santzscho / hab mir auch derogleichen nichts biß annoch in Sinn genommen: Gleichwol ist mir dieses nur zu wol bekandt / daß der gedachten heiligen Brüderschafft Ampt ist / vber die jenigen Gericht zu halten / so in offenem Feld mit einander sich zurauffen pflegen. Vmb das ander bekümmer ich mich nicht groß. Sorge du nur nicht / sagte Don Kichote, sondern sey dessen vergewissert / daß auch auß der Chaldeer selbs Händen ich dich erlösen wil / schweig dann auß der Gewalt dieser Brüderschafft. Aber mein sag mir doch bey gutem Glauben / hastu auch jemals auff dem gantzen weiten vnd breiten Erdboden einen mannhafftern Ritter gesehen / als ich bin? Hastu jemahls in einiger Geschichtbeschreibung gelesen von einigem Held / so hertzhaffterer künheit im angreiffen / grösserer krafft vnd beharrligkeit im Kampf außhalten / besserer art vnd geschickligkeit im verletzen / [115] vnd mehrer list vnd geschwindigkeit im abstürtzen seines Feindes sich jemahls gebraucht hette?

Es ist nur allzuwar / antwortet Santzscho / daß ich die zeit meines lebens nicht ein einige Geschicht gelesen / auß vrsach / daß ich weder lesen noch schreiben kan. Aber das mag ich mit grund vnd bestand der warheit wol sagen / daß ich einen thumkünern Herrn / als ewr Veste ist / all mein lebenlang nit bin bedient gewesen. Vnd gebe nur Gott / daß diese so grosse künheiten nit etwa möchten gestrafft werden / an Ort vnd Enden / wie ich newlich gemeldet. Nur diß bitt ich ewre Veste vor dißmahl / daß sie sich doch verbinde / weil sehr viel Bluts von dem Ohr herab rinnet. Denn ich fuhre allhier bey mir im BrodCarnier / Faden vnd Leinwand / wie auch etwz von weisser Salben. Dessen allen könte ich gar wol geübrigt seyn / sprach Don Kichote, wenn ich nur zuvorher bedacht hette / ein Fläschlein voll Balsam des Riesen Fierrabras zuzurichten: Denn mit eim einigen tropffen desselben / wurde man Zeit vnd Artzney gar wol haben ersparen können. Von wz vor Balsam vnd Fläschlin red der Junckher / sprach Santzscho? Es ist ein Balsam / antwortete Don Kichote, dessen Beschreibung ich im gedächtnüß bey mir führe / vermittels dessen man nit vrsach hat / weder vorm tod sich zu förchten / noch von einiger Wunde in Sterbensgefahr zugerathen. Vnd darumb / wo ich ja solchen Balsam zurichten / vnd dir etwz davon zukommen lassen werde / darffstu nit mehr thun / als / wenn du mich gleich in einem Kampff mitten voneinander gehawen sehest / wie es denn zum öfftern sich zu zutragen pflegt / dz du nur den theil des Leibes / so zur Erde würde gefallen seyn / fein eigentlich vnd mit gebührlicher gelindigkeit / ehe vnd das Geblüte gerint / an die ander Helffte / so im Sattel sitzen bleibt / anfügest / nur daß du gute acht habest / fein gerad vnd richtig [116] beyde theil zusammen zusetzen. Vnd wenn das geschehen / darffstu mir bald darauf / ein par schlucke des Balsams / davon ich sage / zutrincken geben: Also bald wirstu mich gesünder befinden / als der beste Apffel sein mag. Dafern sichs also verhelt / sagt Santscho / so entsage ich von nun an / vnd begebe mich alles rechten / so ich an der Beherrschung der obbesagten Insul habe / vnd begehre zu lohn meiner müheseligen vnd trewen Dienste nichts anders / als / daß ewre Veste mir die Beschreibung gebe dises vbertrefflichen safftes: weiln ich gäntzlichen dafür halte / daß eine jedwedre Vntze desselben mehr als ein Ortsthaler gelten würde. Vnd darff ich mehr nicht / mein Leben ehrlich / vnd ohne Mühe vnd Arbeit zuzubringen. Aber vor allen dingen ist mir zuwissen vonnöthen / obs auch viel Vnkosten erfordert den Balsam zuzurichten? Es kostet nicht gar neun Groschen / antwortet Don Kichote, guter drey maß voll zuwege zubringen. Daß mich GOTT behüte / sprach Santscho: Junckher / warumb richtet jhr nicht gleich alsbald den Balsam zu / vnd lehret mich diese Kunst? Schweig du nur stille / antwortet Don Kichote, Ich bin gemeint dir noch viel grössere Geheimnüsse zu offenbahren / auch noch weit mehr vnd grössere Wolthaten zuerweisen. Vor dißmahl ist am rathsambsten / daß wir vns verbinden vnnd heilen. Dann in warheit thut mir diß Ohr weher als mir lieb ist. Hierauff zog Santscho Zwirnsfaden vnnd Salbe auß dem Carnier herfür.

Don Kichote aber / als er innen wurde / daß sein Helm zerbrochen war / wer er vor Leid vnd Zorn fast von sinnen kommen / ergreiff mit der Hand sein Schwert / hub die Augen auff gegen Himmel / vnd sprach: Ich schwere zu GOTT dem Erschöpffer aller Dinge / vnd durch die heiligen vier Evangelisten / wo [117] sie etwa mit der aller gröbsten Schrifft mögen auffgezeichnet seyn / daß ich eben ein solches Leben führen wil / als geführt hat der grosse Marggraffe von Mantua / als er schwur / daß er den Todt seines Bruders Sohnes des Balduins / zurächen gedächte / nemlich / daß er eher vber keinem Tischtuch essen / noch seiner Frawen ehelich beywohnen wolte / auch andere dergleichen mehr Sachen thun / derer / ob ich mich zwar anjetzo so eigentlich nicht erinnern kan / so wil sie doch hiermit alle vnd jede / sampt vnd sonders gemeldet haben / so lange / biß ich mich an dem jenigen zur gnüge vnd vollkömlich gerochen / der mir diesen also schimpfflichen Schaden zugefügt hat. Santscho / als er dises hörte / sprach er zu jhm: Junckher / schlagt ein wenig in euch / vnd gedenckt / wo der Ritter ewer Widerpart das jenige ins werck gerichtet / so jhm befohlen worden / vnd sich vor dem Fräwlein Dulcinéa von Toboso gestellet / daß er alsdenn seiner Zusag ein gnügen gethan / vnd keine andere vnd weitere Straff wird verdienet haben: es sey denn / daß er sich von newem an euch vergreiffe. Du redest gar wol / vnd triffst den rechten Zweck / antowortet Don Kichote. Vnd deßwegen wil ich hiemit meinen gethanen Eyd so weit zurück getrieben / vnd widerumb auffgehoben haben / so viel die Rach belanget / welche ich an dem Ritter zu vben gedachte. Aber hiernebenst bestätige ich den Eyd / schwur hiermit von newem / so viel das Leben betrifft / so ich hinfort zuführen gedacht / biß so lang ich mit Gewalt seiner Hand / einem andern Ritter seinen Helm / vnd zwar einen solchen / der gleicher güte mit diesem sey / werde abgenommen haben. Vnd denck du nur nicht / Santscho / als redete ich dieses also bloß in die Lufft hinein / sondern ich weiß gar wol / weme ich dieses falls nachahmen sol. Denn eben dieses hat sich also mit des Mambrins [118] Helm / so den Sacripant so thewer ankommen ist / von Punct zu Punct zugetragen.

Nur jmmer zum Teuffel mit solchen Eidschwüren / sprach Santzscho / denn sie sind schädlich an der Seligkeit / vnd bringen dem Gewissen nicht wenige gefahr. Vnd wo jhr das nit glauben wolt / Junckher / so sagt mir nur / wen wir ja etwa in vielen Tagen nit einigen mit einem Helm gewapneten Menschen antreffen / was wurde da zu thun seyn? Würdet jhr ewren Eid halten vnd ins werck setzen / vnd also mancherley vngelegenheit vnd beschwerde außzustehen vff euch nehmen müssen: als da ist / in Kleidern schlaffen / keine Nacht in einiger Stadt oder Dorffe sich vffhalten / vnd dergleichen andere tausenderley Bossen / so des alten Narren / des Marggraffen von Mantua / Eidschwur / den jhr jetzund wider auf die bahn vnd in gebrauch zu bringen in willens seyd / in sich hielte? Ewre Veste bedencke nur wol / das vff allen diesen Wegen vnd Strassen / nicht gewaffnete Leute / sondern nur Eseltreiber / Kärner[60] / vnd Fuhrleute wandeln / so nicht allein keine Helme tragen / sondern auch wol vielleicht derer keinen jhr lebetag haben nennen hören. In dieser Sache fehlestu weit / anwortet Don Kichote. Denn du wirst sehen / daß wir nicht wol ein par Stunden vff diesen Creutzwegen werden vmbgezogen seyn / daß vns nit mehr gewaffnete Reuter werden vffstossen / als derer zu Albraca gewesen / so die schöne Angelicam zu vberkommen / sich daselbs gefunden haben. Meinethalben / sagt Santzscho / Gott gebe nur / daß es vns wol von statten gehe / vnd sich nur einsten die Zeit / eine Insul zu erobern herbey nahe / so mich warlich sehr viel Mühe / ja auch vielleicht das Leben selbst / kostet. Ich habe dir doch schon gesagt / Santzscho / sprach Don Kichote, du solst dir deßwegen keine grawe Haar wachsen lassen. [119] Denn wo ja Insuln mangeln solten / so ist doch das Königreich Dennemarck / oder das von Sobradihs[61] vorhanden / welche dir so wol anstehen / vnd sich schicken werden / als sich ein Ring an den Finger schicket: sonderlich in betrachtung / daß solche vff truckenem Erdreich her ligen / vnd dich derer deßhalben mehr zu frewen wirst haben. Aber diß wollen wir biß zu seiner Zeit lassen anstehen. Jetzo sihe zu, ob du etwas zu essen in deinem BrodCarnier hast: sintemahl wir vff der Fahrt seyn / etwa eine Festung oder Schloß zu suchen / drauff wir vnser Nachtlager halten / vnd den Balsam / dessen ich gegen dich gedacht / zubereiten mögen. Denn ich schwere dir bey dem lebendigen Gott / daß mich das Ohr erbärmlich sehr schmertzet / vnd mir je länger je weher thut.

Ich führe allhier bey mir / antwortet Santzscho / eine Zwibel / ein wenig Käse / vnd nicht weiß ich / wie viel stücken Brods. Aber das seind nicht Speisen vor einen so hertzhafften Ritter / als ewre Veste seynd. Du verstehest dich wenig auff die Sache / sprach Don Kichote. Ich sage dir / daß die reisenden Ritter jhnen vor eine Ehr vnd Ruhm achten / in einem gantzen Monat nit einen bissen zu essen / vnd da sie schon etwz von Speise geniessen / so ists doch nur das erste das beste / so jhnen etwa zuhanden stöst. Vnd dieses würdestu vor gewiß gnugsam halten / wo du der Geschichtbeschreibungen so viel / als ich / gelesen hettest. Denn ob mir derer zwar ein grosser Wust vnd Hauffen bekant seind / hab ich doch in allen denselben nie gefunden / dz einige fahrende Ritter gessen hetten / als nun ohngefehr / vnd etwa zu einer vorstossenden Gelegenheit / oder wann sie etwa prächtige vnd kostbare Pancket zuhalten pflegten. Denn die vbrige Zeit brachten sie nur vnter den Blumen vnd vff den Wiesen zu. Vnd ob sichs wol an sich selbst verstehet / daß sie ohne essen vnd andere natürliche notthürfftige Mittel nit leben [120] konten / weiln sie so wol / als wir Menschen waren: jedennoch so versteht sich auch dieses / daß / weiln sie die meiste zeit jhres lebens durch Wälde vnd Holtzungen reiseten gantz einsam vnd allein / ohn einigen Koch oder dergleichen / jhre gewöhnliche Speise wird solche gewesen seyn / wie sie vf Dörffern vnd vnter Bawern brächlich ist / eben des gelichters mit dieser Speise / so du mir anjetzo angeboten. Daß du also / Freund Santscho / nicht vrsach hast / dir einigen Kummer zu machen / vber dem jenigen / darob ich Lust vnd Frewde empfinde / oder auch dich zu vnterstehen / die Welt zu verändern / vnd die fahrende Ritterschafft gleichsam auß der Angel jhres Ordens zu heben. Ewre Veste verzeyhe mir / sprach Santscho: Denn weil ich weder schreiben noch lesen kan / wie ich obgesagt / hab ich mich nie vff dergleichen Ritter Reguln verstehen lernen. Vnd wil von nun an meinen Carnier mit allerhand getreugten Früchten versehen / vnnd proviantiren / euch als einem Ritter zur Speise: vor mich aber / weiln ich nicht Rittermässig bin / wil ich andere etwas krätigere Speisen drein verschaffen. Ich sage drumb nicht / Santscho / sagte hierauff Don Kichote, daß eben die fahrenden Ritter so hart verbunden seynd / nichts anders zu essen / als nur solche Früchte / wie du sagest / sondern nur / daß dieses jhre gemeineste vnd tägliche Speise gewesen sey / wie auch von etlichen gewissen Kräutern / so sie hin vnd wider vff den Feldern vnd Wiesen funden / vnd gar wol kanten / wie denn auch mir solche gar wol bekant seyn. Das muß eine grosse Kunst seyn / anwortet Santscho / dadurch man solche Kräuter kennen kan: Denn / wie ich mir einbilde / so wird es wol dermal eins vonnöthen seyn / dieser Erkennung vnnd Wissenschafft sich zugebrauchen.

Vnd vnter diesen Reden langte er herfür / was er bey sich führte / vnd assen sie beyde also in Friede vnd [121] guter Gesellschafft. Aber weil sie verlangte einen Ort zu jhrer Nachtherberge zusuchen / machten sie mit jhrer armseligen vnnd truckenen Speise kurtze Arbeit / stiegen eilends wider zu Roß / vnd eileten / so viel sie vermochten / damit sie noch vor Nachts etwa in einem Dorff oder Flecken ankommen möchten. Aber die Sonn begunte jhnen zu mangeln / vnd legten nunmehro bey alle Hoffnung / dasjenige / was sie begehrt / zuerlangen. Vnd also kamen sie an eine Schäfferhütten / vnd beschlossen / darinn die bevorstehende Nacht zuzubringen. Wie grosse vnlust aber Santscho darob empfunde / daß sie kein Dorff erreichen konten / so grosse Lust vnd Frewde verursachte eben diesem seinem Herren / daß er vnter freyem Himmel schlaffen mochte / weiln jhn dauchte / so offt jhm dergleichen etwas begegnete / daß er also offt wider eine newe Besitzgerechtigkeit erlangte / dadurch er zu einem leichtern vnd bessern Beweiß seines Ritterordens kommen vnd gelangen könte.




Das 12. Capitel.
Was dem Don Kichote mit etlichen Ziegenhirten begegnete.

IN gedachter Hütten wurde Don Kichote mit allem Willen von den Ziegenhirten vffgenommen. Vnd nach dem Santscho / vfss beste er konte / so wol dem [122] Rossübrall / als auch sein Thierlein beschickt hatte / empfand er den Geruch von etlichen stücken Ziegenfleisch / so in einem Kessel beym Fewr zugesetzt stunden vnd kochten. Gieng derohalben stracks der Nase nach / in meinung alsobald zuversuchen / ob er das Fleisch in solcher Gestalt vnd Beschaffenheit finden möchte / daß man es auß dem Kessel gerade zu in den Magen versetzen könte. Weiln aber die Ziegenhirten eben dazumahl den Kessel vom Fewr abhuben / vnnd etliche Schafffell vff die Erde breiteten / vnd also in grosser eil jhren Bawertisch zurüsteten / muste er sich vor dißmahl etwas mit gedult schmieren. Hierauff luden sie jhre zwey Gäste zur Mahlzeit / mit gnugsamer anzeigung jhres guten Willens / vnnd darbietung des jenigen / so sie da im Vorrath hatten. Vnd also setzen sich der Hirten sechse / welche in diese Hütte gehörig waren / ringst vmb die Schafffell herumb / als sie zuvorher mit ziemblich tölpischen Höffligkeiten den Don Kichote gebeten hatten / er solte sich vff einen Trog niedersetzen / welchen sie vmbstülpeten / vnd also an jhren Bawertisch hinstelleten. Also satzte sich Don Kichote nieder: Santscho aber blieb vorm Tische stehen / vmb seinem Herrn den Becher / so vom Horn gearbeitet wahr / einzuschencken.

Als jhn aber Don Kichote also vor sich stehen ersahe / sprach er zu jhm: Damit du erkennen mögest / wie viel guts die fahrende Ritterschafft in sich helt / vnnd wie die jenigen / so sich in einigem derer Dienste gebrauchen lassen / so gar vff der höchsten Sprosse / vnd gleichsam an der Spitze stehen / zu aller Ehr vnd Herrligkeit dieser Welt erhaben zu werden / als wil ich / daß du dich hieher an meine Seite vnd in die Gesellschafft dieser guten Leute / nidersetzest / vnd seyest mir gäntzlich gleich / vnd gleichsam ein ding mit [123] mir / der ich dein natürlicher Herr bin / vnnd daß du mit mir auß einer Schüssel essest / vnd auß einem Becher trinckest. Denn von der fahrenden Ritterschafft kan man mit grund der Warheit das jenige sagen / was man von der Lieb zu sagen pflegt / daß sie nemblich alle Ding einander ehnlich vnnd gleichförmig mache. Grossen danck / Junckher / antwortete Santscho / aber gleichwol mag ich ewer Veste nicht bergen / daß / wo ich nur etwas gutes zu essen habe / so wil ich so lieb vnd vielleicht noch lieber stehende / vnd vor mich allein meine Mahlzeit verrichten / als bey einer Tafel dem Kayser an der Seiten sitzen. Vnd wenn ich die rechte Warheit sagen sol / so schmeckt mir viel besser das jenige / so ich in meinem armen Eigenthumb etwa in einem Winckel sitzend ohne Gepräng / ohne Ehr vnd Pracht esse / obs schon nicht mehr als Brod vnd Zwibeln were / als die besten Kalkuttischen Hanen von anderer Leute Tisch / da ich verbunden were langsam vnd mit guter musse die Speise zu käwen / wenig zu trincken / mich so eigentlich vnd zum offtern zu wischen / nicht zu niesen / noch auch zu husten / so offt mich dessen gelüstet / noch auch einig ander ding zuthun / so die Einsamkeit vnd Freyheit mit sich bringt. Daß also mein lieber Junckher mir lieber were / daß ewre Veste diese Ehre / so sie mir anzuthun gedenckt / als einem Diener vnnd Mitglied der fahrenden Ritterschafft / wie ich denn krafft meines Waffenträgerampts in warheit bin / in andere bequemlichere Gelegenheiten verwandelte / die mir mehr nutz vnnd frommen bringen könten. Dann dieser gantzen Ehre / ob ich sie zwar mit hohem danck annehme / wil ich hiermit von nun an biß zu ende der Welt in bester form entsagt / vnnd mich derer begeben haben. Wie dem allem / sagte Don Kichote, so mustu dich doch nidersetzen. Denn wer sich selbst erniedriget / den erhöhet GOTT. Vnd mit diesen [124] Worten fassete er jhn bey dem Arm vnd zwang jhn / daß er sich bey jhm nidersetzen mußte.

Die Ziegenhirten verstunden diese Rothwelsche Sprache von Waffenträgern vnd fahrenden Rittern nicht / vnnd thaten nichts als tapffer mit der Speise zum Maule loß wischen / stillschweigen vnd jhre Gäste angaffen / welche mit gar zierlicher art vnd sonderbahrer lust / das Ziegenfleisch stückweise zu beyden Backen einschoben. Als die erste Tracht mit dem Fleische verbracht war / schütteten sie eine grosse menge getreugte Eicheln / vber die Schafffelle herauß / vnd satzten dabey auff / ein halben Käse / so viel härter war / als wenn er von Thon oder Kalck were zusammen gesetzt worden. Vnterdessen feyerte das hörnere Trinckgeschirr nicht / sondern gienge zum offtern die runde herumb / zuweilen voll / zuweilen leer / nicht anders als die Töpffe oder Krüge mit dem Wasserrade vmbzugehen pflegen / also gar / daß davon in weniger Zeit / eine von den zwey Flaschen so in gegenwart stunden / geledigt wurde.

Nach dem nun Don Kichote seinen Magen gestillet hatte / nam er eine Handvoll Eicheln / sahe sie gar eigentlich an / vnnd fieng auff diese Weise anzureden: O wie eine glückselige Zeit ist das gewesen / welche von alten ist die güldene genennet worden / nicht darumb / daß in solcher das Gold / so in dieser vnser eisernen Zeit in so hohem Werth gehalten wird / ohne einige Müh vnd Arbeit konte erworben werden / sondern vielmehr / weiln die jenigen so dazumahl lebten / von diesen zwey Worten / das meinige vnd das deinige / noch gantz nichts wusten. Alle ding waren in derselben heiligen Zeit gemein. Niemand dorffte vmb seine gewöhnliche Nahrung vnd Vnterhalt zuhaben / mehr vnd weitere Mühe vnnd Arbeit vff sich nehmen / als nur die Hand empor heben / vnd seine Speise von den dicken Eichen nehmen / welche [125] mit jhrer lieblichen vnd gnugsam reiffen Frucht einen jeden anschawenden freundlich an sich lockten. Die hellen Brünnlein vnd fliessenden Bäche / reichten schmackhafftes / vnd wegen seiner Klarheit durchscheinendes Wasser in grossem vberfluß dar. In den Steinbrüchen vnd holen Bäumen / stellten die sorgfeltigen vnnd wolverständigen Bienen jhr weltliches Regiment an / vnd boten frey dar / zu eines jedweden gebrauch / ohne einigen entgelt vnd gegengenieß / das fruchtbahre Einkommen / jhrer also lieblichen Arbeit. Die starcke Pantoffelhöltzene Bäume[62] gaben mit gutem Willen / ohn einige Müh vnd Arbeit / jhre breite vnnd leichte Rinden von sich / mit welchen man anfieng die geringen / vff Pfäle gesetzte Bawerhäuserlein zudecken / allein zu dem Ende / daß man sich darunter vor dem Vngewitter vnnd vnbequemer Lufft verwahren konte. Es ware dazumahl nur lauter Frewde / lauter Freundschafft / lauter Einigkeit. Es hatte dazumahl das schwere Eisen der krummen Pflugschar sich noch nicht erkühnet / das mitleidige Eingeweide vnserer ersten Mutter auffzuthun vnd zusuchen / denn sie that vor sich selbst ohne einigen zwang / alle Theil jhres fruchtbahren vnnd weit vmbfangenden Schoses herfür / also / daß es gnugsam war / alle Menschen / so sie damals besassen / davon zu settigen / zu erhalten vnd zu belustigen. Dazumahl war es wol also beschaffen / daß die einfältigen schönen Jungfräwlein von einem Thal ins ander / von einem Berg vff den andern / vnauffgebunden / vnd mit zu Feld geschlagenen Haren[63] einherspatzierten / vnd waren mit mehr Kleidern nicht versehen / also weit es billich war / das jenige ehrlich zubedecken / so die Erbarkeit erfordert / vnd stets erfordert hat: Ihr Zierad vnd Schmuck / bestund nicht in dergleichen auffbutzungen / so anjetzo im schwang gehen: in dem man sich des Tyrischen Purpurs / vnnd der [126] durch so viel vnnd mancherley Wege durchmarterten Seide mit sonderer beliebung gebrauchet. Sondern sie schmückten sich etwa mit Kleidern von grünen Kletten durchflochten / mit welchem sie vielleicht wol so zierlich vnd stattlich einher prangeten / als jrgend vnsere stutzerischen Hof-Jungfern mit jhren newen seltzamen vnd frembden Trachten / so die müssige Lüsternheit erfunden / heutiges Tages zu thun pflegt. Dazumahl brachte ein jedes die Liebesgedancken seines Gemüths schlecht vnd einfeltig vff die Bahn / eben auff die maß vnd weise / wie solche ein jeder bey sich in seinem Hertzen geschöpfft / vnd gebrauchten sich nicht eines künstlichen Vmbschweiffs der Rede / oder beflissen sich mit gedreheten geschmierten Worten jhre begierde zuschmücken. Es war da keine arge List / kein Betrug / keine Boßheit / so sich vnter die Warheit vnd Auffrichtigkeit hette mit einmischen können. Die Gerechtigkeit gienge in vollem Schwang / vnd dorffte sich niemand erkühnen / jhren Lauff zu hindern durch einige Gunst oder Gaben oder Geschenk / so heutiges Tages der Gerechtigkeit so hoch schädlich seyn / sie hemmen vnd verfolgen. Die Vrtheilung vnd Erkenntnüß nach eigenem gutdüncken hatte den Verstand des Richters damahls noch nicht eingenommen / denn es war noch nicht weder Sache noch Part vorhanden / darüber man hette richten vnnd vrtheilen können. Die Jungfrawschafft vnd Erbarkeit wandelte damahls / wie ich erst gesagt habe / allein vnnd ohn einige Gesellschafft sicherlich / wo sie wolten / vnd durfften sich gantz keines Muthwillens / vnkeuscher Zumuthung / oder anderes Schadens vnd Vnheils befahren. Jetzo aber in diesen vnsern vermaledeyeten Läufften / ist keine sicher / vnnd wann man sie schon in ein andern vnnd newen Labyrinth / dergleichen etwa in Creta gewesen / einschlösse / vnnd darin verborgen hielte. [127] Denn die Liebsseuche dringt doch etwa durch einen Ritz oder Klunse[64] / oder sonst durch die Lufft / vermittels des Eiffers der verfluchten Einsamkeit / zum Hertzen ein / vnnd bringt zuwege / daß die stille / vnd vermeidung der Gesellschafft dem guten Frawenzimmer / zum argen gedeyet. Zu gnugsamer sicherheit nun des weiblichen Geschlechts ist je länger je mehr / vnd nach dem etwa die Boßheit der Welt je grösser vnd grösser worden / der Stand der reisenden Ritter an den Tag vnd in Gebrauch kommen / welcher vornemblich dahin angesehen ist / daß Jungfrawen beschützet / Wittwen beystand / vnd Waisen / wie auch andern notthürfftigen Leuten / Hülff geleistet werde.

Vnd dieses Ordens bin auch ich / meine lieben Brüder jhr Ziegenhirten / gegen die auch der Speisung / vnnd willfährigen Beherbergung / so jhr an mir vnd diesem meinem Waffenträger erweiset / freundlich bedancken thue. Denn ob schon / krafft des Gesetzes der Natur / alle lebendige Menschen verbunden vnd schuldig seyn / den fahrenden Rittern alle Freundschafft vnd guten Willen zu erweisen: Jedoch vnnd in betrachtung dessen / daß jhr von solcher natürlicher Verbündnüß vnnd Schuldigkeit nicht gewußt / vnnd gleichwol mich so willfährig vff- vnnd angenommen / auch mir aller Ehr vnnd Freundschafft geleistet / ist es nicht vnbillich / daß vor ewren guten Willen / ich euch allen möglichen danck wisse.

Diese lange Predigt / welche gar wol hette können nach- vnnd vnterwegen bleiben / thet vnser Ritter / weiln in Eicheln / so sie jhm gaben / jhme die alte Güldene Zeit zum Gedächtnüß vnd zu Gemüht führeten. Vnd ließ er jhm also belieben / diese vnnötige Reden gegen die Ziegenhirten [128] zuhalten / welche gleichsam erstummet vnd entzuckt / ohne einige antwort vnd einrede / jhme mit grossem fleiß zuhöreten. Auch Santscho selbst schwiege stockstille / aß Eicheln / vnd sprach der andern Flaschen / so sie / den Wein zuerfrischen / an einen Pantoffelholtzbaum angehencket hatten / trefflich offte zu. Don Kichote brachte länger zu mit seiner Predigt / als die Hirten mit jhrer Abendmahlzeit: zu welcher ent- vnd beschliessung / einer vnter den Ziegenhirten zu Don Kichote sagte: Herr reisender Ritter / darmit der Herr desto mehr Vrsach habe zu rühmen / daß wir jhn mit gutem vnd bereitwilligem Gemüth bey vns bewirtet / als wollen wir jhm eine besondere Lust vnd Ergetzligkeit bestellen / mit dem / daß wir einen vnserer Purschgesellen / so nicht lange säumen wird / anhero zukommen / ein Liedlein wollen singen lassen. Derselbe ist ein sehr bescheidener vnd in steter verliebung lebender junger Hirtenknecht / vnd vber diß kan er auch lesen vnd schreiben / vnd fiedelt auff einem Discantgeiglein[65] also hübsch vnnd wol / daß man es nicht besser wünschen mag.

Kaum hatte der Ziegenhirt dieses außgeredt / da empfanden sie schon den Klang der Fiedel in jhren Ohren / vnd nahete der / so darauff geigte / je mehr vnd mehr: welcher war ein liebreicher Jüngling ohne gefehr von zwey vnd zwantzig Jahren. Seine Gesellschafft fragte jhn / ob er zu nacht gessen hette / vnd als er ja sagte / sprach zu jhm der jenige / so dem Don Kichote die Anerbietung gethan: Wolan / Thönges / so kanstu vns nun wol den freundlichen Gefallen thun / vnd etwa ein Liedlein singen / damit dieser vnser Herr Gast / den wir jetzo beherbergen / sehen vnd spüren möge / daß auch im Gebirg vnnd in den Wälden Leute seyn / so sich auff die singerey vnd Seitenspielkunst [129] verstehen. Wir haben jhm deine gute Geschicklichkeit gerühmet / vnd tragen grosse Begierde / daß du solche im werck selbst beweisest / vnd vnsere Wort / mit der That bekräfftigest. Derohalben bitte ich dich / lieber setze dich nider / vnd singe von deiner Liebe / das hübsche Spanische Lied / so dir dein Vetter gemacht / vnd im Flecken hierbey jederman so wolgefallen hat. Meinethalben / sprach der Hirtenknecht / vnd ließ sich nicht weiter nöthigen, sondern setzte sich vff einen alten Stamm von einer Eichen nider / stimmete sein Viölchen / vnd also stracks darauff fieng er an mit sonderbahrer Liebligkeit vff folgende maß zu singen.

1
Ich weiß / du liebst mich / trewes Hertz /
Ob du mirs schon nicht sagest /
Noch mit dem Gsicht entdeckst dein Schmertz /
Noch mit dem Mund jhn klagest /
Das macht dein Witz /
Doch mir die Hitz
Deinr heimlichen Lieb genüget.
Verborgne gunst /
Entdeckte brunst /
Der Lieb offt leid zufüget.

2
Zwar kund du mir thätst offtermahl /
Wiewol mit stummen Lippen /
Dein Hertz sey härter als Metall /
Raw dein Gemüth wie Klippen /
Doch vnterm schein
Der scheltung dein /
Vnd deins vermeinten Neides /
Die Hoffnung offt
Mir vnverhofft
Den Saum weißt jhres Kleides.

[130]

3
Ein paar sich als ein Fälcklein schwingt /
Mein kühn vnd fest vertrawen /
Glück zu stoltzieren mich nicht dringt /
Vnglück macht mir nicht grawen:
Drümb nie ich ward
Zaghaffter art
Wenn man gleich mein nicht achtet:
Nichts wuchs davon
Der Muht / ob schon
Nach meiner Lieb man trachtet.

4
Wann Lieb bringt Freundligkeit mit sich /
Der man an dir auch spüret /
So helt mein Hoffnung nich den Stich /
Mein einbildung nicht jrret /
Vnd wo Freundschafft
Vnd Dienst hat Krafft
Ein hart Hertz zu erweichen:
Wird mit der Zeit /
Mein Dienstbarkeit /
Auch jhren Zweck erreichen.

5
Denn wo du drauff geacht zur Zeit /
Wirstu offt haben sehen /
Mich dir zu lieb im Sontags Kleid /
Auch wol des Montags gehen /
Denn Lieb vnd Pracht /
Seynd einer Schlacht /
Wer liebt / thut sich schön schmücken /
Stets saubr vnd rein /
Ich mich zu seyn /
In deim beyseyn thet schicken.

6
Wegn dein ich laß das tantzen nach
Vnd mein gewöhnlich singen /

[131]

So du gehört hast manchen Tag
Vorm Hanenschrey schon klingen:
Erzehl nicht mehr
Dein Lob vnd Ehr /
So dein Schönheit verdient /
Welchs obs schon wahr
Vnd Sonnenklar /
Doch man mir args drumb gönnet.

7
Terésa schön von Berrocan,
Wenn ich dich lob / thut sagen:
Offt beth man vor ein Engel an /
Dem wol die Klawn verrahgen:
Danck sey dem Schmuck
Vnd Weibs Betrug /
Den falsch auffgsetzten Haaren /
Der Gleißner Schminck
Dadurch behing
Cupid offt selbst im Garen.

8
Ihr ich vergaß / daß macht den Groll:
Ihr Ohmb mit mir drumb hatte
Ein Strauß / mich fordert / weistu wo:
Was er that / vnd ich thate?
Ich leist nicht mehr
Dir Lieb vnd Ehr /
Wil dir nicht mehr sehr dienen
Die Einsamkeit /
Mich mehr erfrewt /
Bessr ist diß mein beginnen.

9
Die Kirch hat gnugsam Stricke noch
Fein sannft eim anzufügen
Nur deinen Hals schmieg vnters Joch /
Meinen wil ich wol schmiegen.

[132]

Wo nicht / ich schwer /
Solst mich nicht mehr
Ausserm Gebirg ertappen /
In dieser Welt /
Sey dann verstellt
In Capuziners Kappen.


Vnd mit dem beschloß Thönges seinen Gesang. Denn ob wol Don Kichote bey jhm anhielt / daß er noch weiter vnnd etwas mehres singe / so wolte es doch Santscho gantz nicht zulassen / weiln er mehr begierig war zu schlaffen / als dem singen zuzuhören. Darumb sprach er zu seinem Herrn: Ewre Veste mögen nunmehro mit gutem Gewissen gleich alsbald sich an den Ort verfügen / da sie heint[66] diese Nacht schlaffen sollen: Denn die Arbeit / so diese gute Leute den gantzen Tag vber verrichten / leydet nicht / daß sie gantze Nächte mit singen zubringen können. Ich mercke wol / woran dirs mangelt Santscho / antwortete jhm Don Kichote, vnnd gibt mirs gnugsam der Augenschein / daß die fleissige Besuchung der Flasche jhre belohnung vielmehr beym Schlaffe / als bey dem singen suchet. O es schmeckt vns allseits drauß wohl / GOTT sey lob / antwortete Santscho. Ich läugne es nicht / sprach Don Kichote, aber leg du dich in Gottes Nahmen zur Ruhe / wie vnnd wo du am besten kanst. Denn denen jenigen / so meines Berufs vnnd Zunfft seynd / stehet besser an zu wachen / als zu schlaffen. Jedoch kan nicht schaden / daß du mir noch einsten zum Ohr sehest / denn es mir weher thut / als es wol solte. Santscho thet / was jhm befohlen wurde. Einer aber vnter den Ziegenhirten / als er die Wunde sahe / sprach er zum Junckhern / er solte sich nur zu frieden geben / denn er wüste eine gute Artzney / dadurch das Ohr leicht widerumb heil werden solte. Vnd also nahm er etliche Bletter [133] von Roßmarien / so in deroselben gegend in grosser menge wuchs / käwete sie / vnd mischte ein wenig Saltz darunter / legte sie auff das Ohr / bund jhm damit dasselbe feste zu / vnd versicherte jhn / daß es einer andern vnd weitern Artzney nicht bedürffen würde. Vnd also verhielt sichs auch in der Warheit. Nunmehro aber / sagte der Ziegenhirt weiter / wird am besten seyn / daß jhr vnterm Dach ewere Ruhe nehmet / denn vnter dem freyen Himmel zu schlaffen / möchte der Wunden schädlich seyn / ob wol sonsten diese Artzney also beschaffen / daß jhr euch keines widerwertigen Zufalls dabey zu beförchten. Santscho regete auch vor seine Person fleissig an / daß sein Herr fortmachte / vnd in die Hütte / zu S. Peter genant / schlaffen gienge. Diß that nun Don Kichote, vnd brachte den meisten Theil der Nacht zu / mit Liebesgedancken von seinem Fräwlein Dulcinéa. Pantschmann aber bequemete sich an ein Räumlein zwischen dem Rossübrall vnd seinem Esel / vnd schlieff nicht als ein vnglückseliger Liebhaber / sondern als ein wol zerpleweter vnd zertroschener Bawersmann.




Das 13. Capitel.
Vom Gespräch so Don Kichote mit dem Vivaldo von seinem Rittersorden hielte.

ES begunte kaum der Tag ein wenig anzubrechen / vnd durch die Gitter des Morgends herfür zu leuchten / da stunden fünff von den sechs Ziegenhirten auff / [134] kamen den Don Kichote zuerwecken / vnd fragten jhn / ob er mit fortzureisen in willens were / so wolten sie jhm Gesellschafft leisten. Don Kichote, so ohne das eben dasselbige in willens war / stund auff / vnd befahl dem Santscho / daß er eilends so wol dem Pferde den Reut: als auch dem Esel den Bawersattel aufflegte: welches er dann mit allem fleiß that / vnnd machten sie sich also allerseits vff den Weg. Sie waren aber kaum eine Viertheilmeil gereiset / da stiessen jhn vff einem Creutzwege eines Fußsteiges ein sechs Hirten auff / so mit schwartzen Bawerröcken angethan waren / vnd Kräntze von Cypressen / vnnd wilden Feldrosen gemacht / vff den Köpffen hatten.

Als sie nun vffeinander stiessen / grüsseten sie einander gantz höfflich / vnd in dem eine Part die andere fragte / wo sie hinaus gedächten / befunden sie / daß sie alle eines Weges reiseten / vnd also zogen sie in einer Gesellschafft fort. Der eine zu Roß / so Vivaldo hieß / fragte den Don Kichote, was doch die Vrsach were / so jhn bewegte / in einem so friedsamen Lande vff solche maß gewaffnet einher zuziehen? Don Kichote antwortete / die Verrichtung vnnd Erfüllung meines Ordens leydet nicht / daß ich vff einige andere weise reisen kan. Ein sanffter vnnd langsamer Schritt / anmütige Ergetzligkeit / vnnd gute Ruhe vnnd Rast dienen vor wollüstige Hoffleute. Aber Mühe vnnd Arbeit / Vnruhe / Rüstung vnd Waffen sind allein vor die jenigen erfunden vnnd erdacht / welche die Welt fahrende Ritter zunennen pflegt / von derer Orden ich / wiewol vnwürdig / der geringsten einer bin. So bald sie diß von jhm verstanden hatten / merckten sie stracks / daß er mit einem Hasenbalge gefüttert were. Vnd dessen desto mehr versichert zu seyn / vnnd zu prüffen / [135] vff was Sprosse vnnd Staffel der Narrheit er stünde / fragte jhn Vivaldo widerumb / was doch diß gesagt wer / fahrende Ritter?

Haben die Herren nicht gelesen / antwortete Don Kichote, die Geschicht vnd Historien von Engelland / in welchen die berühmbte Thaten des Königes Arturi, so wir in vnserer Castilianischen Muttersprach stets König Artus nennen / beschrieben werden: von welchem man von langen zeiten hero / ins gemein im gantzen Königreich Groß Britanien gehalten hat / daß er nicht todes verblichen sey / sondern sich durch seine Zauberey vnd Beschwerung in einen Raben verwandelt habe / vnnd werde mit der Zeit vnnd nach Außgang gewisser Jahre wider zur Regierung kommen / vnnd sein Reich vnd Crone wider an sich bringen. Dannenhero denn niemand mit Warheitsgrunde wird beybringen können / daß nach deroselben Zeit bis auff diese jetztige Stunde einiger Engelländer jemahls einen einigen Raben getödtet habe. Zu zeiten nun / vnnd bey leben dieses frommen Königs / ist der berühmbte Rittersorden der Ritter des runden Tisches erfunden vnd eingesetzt worden. Vnd dazumahl seyn auch zugleich gantz eigentlich / vnd ohne Zusatz einiges Buchstabens vorgangen / die Liebsgeschichte zwischen Don Lanzarot vom See vnd der Königin Chinebra, derer Mitlerin vnd Kupplerin gewesen ist die hochgeehrte Fraw Quintagnona, von welcher denn herkommen die kunstlichen / vnd in gantz Spanien genugsam bekanten Spanischen Reimgetichte vom Ritter Lanzerot, vnd dem also liebreichen Lauff vnnd Fortgang seiner Liebshändel [136] vnd andern männlichen Thaten / deßgleichen Ritter noch nie geboren / der so trefflich von Frawenzimmer were geliebt vnd in Ehren gehalten worden. Von der zeit her nun / je mehr vnnd mehr hat sich dieser Rittersorden begunt zuentspinnen / vnd vber viel / vnd vnterschiedliche Theil der Welt weit vnd ferrne außzutheilen. Vnd in diesem Orden / seynd durch mannliche Thaten sonderlich berühmbt vnd bekant gewesen / der mannhaffte Ritter Amadis auß Alt-Franckreich / mit seinen Söhnen vnd Enckeln / biß ins fünffte Glied / der starcke Jelixmart auß Hircanien, der niemahls gnugsamb hochgepreisete Tirant der Weise / vnd / den wir gleichsamb fast zu diesen vnsrigen jetzigen Zeiten gesehen vnnd gehört haben / vnd mit jhme vmbgangen seyn / der vnvberwindliche vnd tapffere hertzhaffte Ritter Don Belianis aus Griechenland. Dieses nun / meine liebe Hertzen / heist ein fahrender Ritter seyn / vnd dieses / davon ich gesagt habe / ist der Orden dieser Ritterschafft. Zu der / wie eben gesagt / ich / ob zwar vnwürdig / mich begeben / dazu gehuldigt vnd geschworen habe / vnd treibe vnd verrichte eben das jenige / was auch der obgedachten Ritter thun vnd vorhaben gewesen. Vnd darumb wandele ich allhier in diesen öden vnd Wüsteneyen herumb / Abendthewr zu suchen / vnd bin gäntzlich entschlossen / vnd gesinnet / diesen meinen Arm / vnd mich selbst gantz vnd gar in der gefährlichsten Sache / so das Glück mir an die Hand geben möchte / zu hülff der schwachen vnd dürfftigen / darzuwagen vnd gebrauchen zulassen.

Aus diesen obgedachten Reden vernahmen die Reisigen vollends gäntzlich / daß Don Kichote einen Sparren zu wenig hatte / vnd konten auch nunmehro die Art vnd die Sprosse seiner Narrheit / so [137] jhn stach vnnd ritte / gar wohl erkennen: ab derer sie denn sich gleichermassen verwunderten / als auch andere alle / so jemahls dieselbe zuerkennen vnd zu erfahren / angefangen haben. Dem Vivaldo, als einem verständigen vnd kurtzweiligen Menschen / geliebte / vmb die Zeit vffm Wege zuvertreiben / dem Don Kichote ferrnere Gelegenheit an die Hand zugeben / daß er mit seinen vngeräumbten Tanten fortführe / vnd sprach derowegen zu jhm: Mich bedünckt Herr fahrender Ritter / der Herr führe einen der strengesten Orden / so etwa vff der gantzen Welt seyn mögen. Vnd halte ich meines theils darfur / daß auch der Carthäuser Orden[67] so hart vnd strenge nicht sey.

So strenge möchte derselbe wohl seyn / antwortete Don Kichote, aber daß er bey weitem nicht so nothwendig / vnd der Welt nützlich sey / als der vnsrige / wolt ich wol meine Hand druber zu pfand setzen. Denn man pflegt recht vnnd wol zusagen / daß ein Kriegsmann nicht weniger thue vnnd verrichte / in dem er den Befehl seines Obristen oder Hauptmanns ins werck setzet / als der Hauptmann selbst so etwas jhm etwas anbefihlet. Es ist nemblich das meine Meinung / daß die Geistlichen in guter Ruhe vnnd Friede alles gutes von GOTT / der Welt zu gut / erbitten. Wir Kriegsleute aber vnd Ritter / setzen ins werck / alle das jenige / so sie bitten: in deme wir die Welt mit der Stärcke vnserer Arme / vnd Schneide vnserer Schwerter / beschützen vnd verthäydigen. Vnd thun dasselbe nicht im verborgenen vnd vnterm Dach / sondern vnterm freyen Himmel: in dem wir vns nicht verdriessen lassen / des Sommers die hellglentzenden vnerträglichen Strahlen der Sonnen / vnd im Winter die erstarrende Kälte zuertragen. Daß wir also mit allem fug vnd recht Gottes Diener [138] auff Erden vnd die arme seind / durch welche Gericht vnd Gerechtigkeit ins werck gesetzet wird. Vnd wie Kriegssachen / vnd alle das jenige / was darzu gehörig / nicht können ohn vberauß grosse Mühe vnd Arbeit verrichtet werden / also folgt daher / daß die jenigen / so Kriegsleute geben / sonder zweiffel weit grossere Arbeit thun / als die andern / so in der stille in guter Ruhe vnnd Fried zu GOTT jhr Gebet vor derjenigen / so wenig außzurichten vermögen / Heil vnd Wohlfahrt abschicken. Zwar sag ich nicht / ist mir auch nie in sinn kommen / daß der Stand eines fahrenden Ritters so gut vnd heilig sey / als eines im Closter eingesperrten OrdensBruders. Nur dieses wil ich schliessen vnd erzwingen / eben auß dem / was ich selbs dulde vnd außstehe / daß vnser Orden zweiffels ohne / viel mühesamer / zerbleweter / hunger- vnd durstleidiger / elender / zerlumpter / vnd lausiger ist / weiln kein zweiffel / die verlebten reisenden Ritter in verwichenen zeiten haben den gantzen Lauff jhres Lebens mit viel Mühsamkeit vnnd Vnglück zugebracht. Vnd wo derer etliche durch die Krafft jhres tapfferen Armes zu Kayserlicher Hoheit erhaben worden / so hat sie es warlich jhr eigen Blut vnnd Schweiß gekostet. Vnd gleichwol wo eben den jenigen / die also hoch gestiegen / Zauberer vnd Schwartzkünstler gemangelt hetten / derer Hülfe vnnd Kunst jhnen zustatten kommen / würden sie gewiß jhrer Begierden beraubet / vnnd von jhrer selbst eignen Hoffnung sehr betrogen seyn worden.

Der Meinung bin ich auch / antwortete der Reisige. Aber vnter andern vielen Sachen / missfällt mir sonderlich diß einige gar sehr an den fahrenden Rittern / daß / wann sie sich gleich in dem Stande befinden / daß sie eine sehr wichtige vnd gefährliche Abendthewer wagen / darauff jhnen augenscheinliche Leibs- [139] vnd Lebensgefahr stehet / so gedencken sie nicht eben in derselben gegenwertigen Gefahr daran / daß sie sich etwa GOTT befühlen / wie gleichwol einem jeden Christen gebühren vnnd obligen wil / in dergleichen Gefahren zu thun / sondern sie befehlen sich nur vnnd an dessen statt jhren Buhlinnen mit solcher Innigkeit vnnd Andacht / als ob dieselben jhr GOTT weren. Welchs mich in warheit / ein recht Heydnisch vnnd Abgöttisch Werck zu seyn bedünckt. Herr / antwortet Don Kichote, dieses muß also vnd nicht anders hergehen / vnd würde der fahrende Ritter / so anders thete / einen grossen Fehler begehen. Dann es der Brauch vnd Herkommen der reisenden Ritterschafft ist / daß der reisende Ritter / so in vorfallendem einigem Kampff vnd wichtigem Waffengebrauch seine Buhlin vor sich hat / gegen sie die Augen mit liebreichen vnnd hertzbrechenden blicken wende / vnd dadurch sie gleichsam bitte / daß sie jhme günstig seyn / vnd in dem so zweiffelhaftigem vorhabendem Kampff hülffreich erscheinen wolle. Vnd wil jhme allerdings gebühren / daß / obs schon niemand höret oder vernimmet / er doch etliche gewisse Wort gleichsam zwischen den Zänen mummele / vnd sich mit denselben von gantzem Hertzen seiner Buhlin befehle. Vnd dessen haben wir hin vnd wider in Geschichtbeschreibungen vnzehlich viel Exempel. Darauß ist aber drumb nicht zuschliessen / daß die Ritter auch Gott sich zu befehlen vnterlassen solten. Denn es bleibt jhnen doch noch zeit vnd raum gnugsam vbrig / solches zwischen vnnd vnter dem Werck vnd Arbeit zuverrichten.

Wie dem allem / antwortete der Reisige / so bleibt einem doch noch ein grosser Zweiffel im Hertzen vbrig. Denn ich hab zum öfftern gelesen / wie zwey reisende Ritter zuweilen vntereinander Wort zu wechseln pflegen / vnnd nach dem etwa ein Wort das [140] ander gibt / werden sie vffeinander im Zorn entbrant / werffen die Pferde herumb / rennen eine gute ecke ins Feld / vnd stracks ohne einiges stillhalten / vnd so viel die Pferde zulauffen vermögen / wenden sie sich wider gegeneinander / vnnd mitten im lauff befehlen sie sich jnniglich jhren Buhlinnen. Vnd pflegt sich in solchem zusammentreffen zuzutragen / daß der eine vber seines Gauls Rücken abstürtzet / vnd mit seines Feindes Lantze durch vnd durch gerennet wird / vnd dem andern gleichsfalls mangelts nicht weit / daß / wo er sich nicht gnugsam an seines Pferdes Kamm halten thete / er nicht auch zu Boden fallen solte: Allhier sehe ich in Warheit nicht / wie der also sterbende Zeit vnd Raum gehabt / in diesen also geschwindem vnd hastigen Verlauff des Wercks sich GOtte zubefehlen. Viel besser würd es gewesen seyn / daß er dieselben Wort / so er darauff gewendet / daß er sich seiner Buhlin befohlen / vielmehr dazu auffgewendet hette / so jhme / als einem guten Christen / hette gebühren wollen: Zugeschweigen / daß ich meines theils darfür halte / daß nicht alle fahrende Ritter Buhlinnen haben / denen sie sich befehlen könten / weil sie nicht alle verliebt zu seyn pflegen.

Das kan nicht seyn / antwortete Don Kichote, das kan nicht seyn / sag ich noch einmahl / daß einiger fahrender Ritter ohn einige Buhlschafft seyn solte. Denn wie der Himmel nicht ohne Sternen seyn kan: also gantz eignet vnd gebühret auch allen fahrenden Rittern / daß sie verliebt seyn müssen. Vnd mag ich mit bestand der Warheit sagen / daß nie einige Geschicht sey gesehen oder gelesen worden / darinnen man einigen Ritter ohne Verliebung gefunden habe. Oder wo ja einiger ohne Lieb gewesen ist / so were er doch nicht vor ein rechtmässigen Ritter / sondern vielmehr vnd eben dieses Mangels halber / vor einen vnechten vnd vnehrlichen zu halten / vnnd müste zu [141] der Festung des obbesagten Ritterordens nicht zur rechten Thür eingangen / sondern zu einem Loch vnd Fenster / als ein Räuber vnd Dieb / eingestiegen seyn.

Wie dem allem / sprach der reisige / so deucht mich / wo ich mich recht besinne / daß ich gelesen habe / wie Don Galaor, des mannhafften Amadises von AltFranckreich Bruder / niemahls einige gewisse oder besondere Buhlschafft gehabt / derer er sich hette empfehlen können. Vnd ist gleichwol deßhalben nicht in wenigerm Werth gehalten worden: wie er denn in warheit ein sehr tapfferer vnd weitberühmbter Ritter gewesen. Darauff gab vnser Don Kichote zur antwort: Mein Herr / eine einige Schwalbe macht keinen Sommer: zugeschweigen / daß ich gar wol weiß daß dieser Ritter in geheimb sehr verliebt war / ob schon seine Natur mit sich brachte / die er nicht endern konte / daß er ins gemein allem Frawenzimmer / so jhn hübsch zu seyn dauchte / hold vnd günstig ware. Aber mit einem Wort zu sagen / so ist gewiß vnd vnläugbar / daß er nur eine einige Buhlschafft hatte / so er zu einer Herrscherin seines Gemüths vnd Hertzens gesetzt / derer er sich zum offtern vnd in höchster geheimb empfale / als der sich ein geheimer Ritter zu seyn befliesse.

Weiln es dann die Natur vnd Eigenschafft selbs des Ritterordens mit sich bringt / sprach der Reisige / daß ein jeder fahrender Ritter verliebt seyn muß / so ist glaublich / daß auch der Herr verliebt sey / als der sich eben zu demselben Orden bekennet. Vnd zum fall er nur nicht etwas verschwiegen / vnd geheimb zu seyn sich befleissiget / als Don Galäor gewesen / bitt ich jhn mit höchstem fleiß / als mir müglich / im Nahmen dieser gantzen Gesellschafft / wie auch von wegen mein selbs / er vns sagen wolle den Nahmen / das Vatterland / die Geschickligkeit vnd Schönheit seiner [142] Buhlschafft / die sich ohne zweiffel vor glück selig schätzen wird / daß die gantze Welt wisse / daß so ein stattlicher tapfferer Ritter / als der Herr zuseyn scheinet / sie liebe vnd jhr auffwarte. Vff diese Wort thet Don Kichote einen sehr tieffen Seufftzer / vnd sprach: Ich vermag zwar nicht zu bejahen / ob meine allerlieblichste Freundin gern oder vngern habe / daß die gantze Welt wisse / daß ich jhr Diener sey. Nur diß kan ich sagen / damit ich auff die mit so grosser bitt an mich gethane Frage antworte / daß jhr Nahme ist Dulcinéa, jhr Vatterland Toboso, ein Ort im Land zu Fleckenland / jhre Geschickligkeit zum wenigsten also beschaffen / weil sie doch ja meine Königin vnd gnädiges Fräwlin ist / daß sie eine Fürstin seyn möge. Ihre Schönheit ist vbermenschlich / weil in vnd an jhr alle die Vnmügligkeiten vnd Chimerische zueignungen vnd beschreibungen der Schönheit / damit die Reimtichter jhre Buhlschafften zuverehren pflegen / vollkömblich erfüllet werden. Ihr Haar ist ein lauteres Gold / jhre Stirn ist ein Elysisch Wiesenfeld / jhre Augbraaen seynd himmlische Schwipbogen[68] / jhre Augen seynd zwey Sonnen / jhre Wänglein seynd Rosen / jhre Lippen seynd Corall / jhre Zän sind Cristall / jhr Hals ist Alabaster / jhre Brüstlein sind Marber / jhre Hände sind Helffenbein / jhre weisse Farbe ist ein lauterer Schnee / dieselben Glieder aber / so die Erbarkeit vor dem menschlichen Gesicht verborgen vnnd verdecket hat / sind also beschaffen / wie ich dafür halte / vnd ermessen kan / daß nur allein ein verständiges Nachsinnen vnnd reiffe Betrachtung / sie mit grossem Lob herauß streichen / keines weges aber mit jchtwas vff der Welt vergleichen mag.

Hierauff antwortete Vivaldo: Ihr Geschlecht aber / altes Herkommen vnd Stamm möchten wir [143] wol gerne wissen. Darauff antwortete Don Kichote: Sie nimbt zwar jhren Vrsprung nicht von den alten nunmehro außgestorbenen Romanischen Curtziern / Laiern[69] / oder Scipionen: auch nicht von noch jetzo vbrigen Columnesern vnnd Vrsienern: noch auch von den Monkaten vnd Retesenen / auß Cathalonien: vnd noch viel weniger von den Rebelieren / vnd Villanoben auß Valentz: von den Palafochen / Ruhssen / Rocaberten / Corelirern / Lunen / Alagonen / Vrreern / Fossen vnd Gurreern auß Arragon: von den Zerden / Menaricken / Mendosen vnnd Gutzmannen aus Castilien: von den Alencastern / Palladen vnd Menesern auß Portugall: Sondern ist bürtig von Toboso auß Fleckenland / auß einem Geschlecht / so zwar new / aber doch so beschaffen / dz es ein herrlichen vnd löblichen Anfang auch den Durchleuchtigsten Geschlechtern der künfftigen zeiten machen vnd geben könte. Vnd hierauff rahte ich niemand / daß er mir dißfalls widerspreche / es geschehe denn vff maß vnd weise / wie der Cerbino vnten an die Sigszeichen der Waffen des grossen Rohlands meldete / als er dabey setzte: Niemand rühre diese Waffen an / Odr muß Rolanden mit Streit bestan. Ob schon mein Geschlecht / antwortete der Reisige seinen Vrsprung von den Catschopinen auß Loredo hat / so würd ich mich doch nicht erkühnen / es dem Tobosischen auß Fleckenland entgegen zusetzen / wiewol / die rechte Warheit zu sagen / dergleichen GeschlechtsNahmen mir biß dato noch nie zu Ohren kommen. Wie das? sprach Don Kichote, solte dieser Nahme noch nie erschollen seyn?

Mit grosser andacht vnnd auffmerckung hörten die andern sämptlich dieser Vnterredung vnnd [144] Gespräch der beyden zu / vnd erkanten / vnd spühreten allesampt / auch die Ziegenhirten vnnd Schäffer selbs / den grossen vbermässigen Mangel / so vnser guter Don Kichote an seinem Verstand hatte. Nur einig vnnd allein Santscho Großpantsch hielte diß alles / so sein Herr sagte / vor lauter Evangelium / in dem er wuste / wer er war / vnd jhn von Kindheit auff gekant hatte. Der einig Zweiffel / den er hatte / bestund in diesem / daß er die Reden von der schönen Dulcinéa von Toboso nicht wol glauben könte / weil niemahls / weder ein solcher Nahme / noch eine solche Fürstin jhme war wissend worden / ob er schon so gar nahe bey Toboso wohnete. Mit solchen Vnterredungen brachten sie den Weg zu / biß sie an den Scheideweg kamen / so vff Sevilien zuführet. Vnd daselbst nam Don Kichote seinen Abschied von seinen Wirthen / vnd von den Reisigen / welche jhn bathen / er solte mit jhnen auff Sevilien zureisen / als ein solchen Ort / so sehr bequem were / allerhand Abendthewr anzutreffen: in dem auff jeder Gasse / ja auff jedwederm Winckel daselbs / dessen mehr / als jrgend anderswo zubefinden. Don Kichote bedanckte sich der Nachricht / vnd des guten Willens / dessen sie sich erbothen / jhme Freundschafft zuthun / vnd sagte / daß jhme vor dißmahl nicht geliebte / auch nicht gebühren wolte / vff Sevilien zureisen / so lange / biß er alle Gebirge derselben gegend der Malandrinischen Strassenräuber / derer sie alle voll zuseyn / das gemeine Geschrey war / entsaubert hette. Als nun die Reisigen seinen guten Vorsatz vernahmen / wolten sie mit ferrnerm anhalten jhm nicht beschwerlich seyn / sondern nahmen auch gleichfals von jhme abschied / liessen jhn / vnd zohen jhres Weges fort / auff welchem es jhnen nicht mangelte / von der vielfältigen Thorheit des Don Kichote zuhandeln / [145] welcher inmittels jhm vornam weitere Abendthewr zuversuchen / wie denn ferrner in verlauff dieser warhafften Geschichtbeschreibung sol erzehlt werden / derer andern Theil wir hiermit beschliessen.




Das 14. Capitel.
Darinn der vnglückliche Zufall erzehlet wird / welcher Junckher Harnischen vffgestossen / in dem er etlichen verwegenen auß Jangua bürtigen Leuten vnterwegens begegnete.

ES erzehlet der weise Cid Hamet Benenchelj, daß / nach dem Don Kichote also abschied genommen hatte / hab er vnd sein Waffenträger sich in das Holtz gewendet. Vnd als sie länger dann zwo Stunden drinn herumb gezogen / hielten sie endlich bey einer Wiesen / so mit schönem frischem Graß vberwachsen war / vnd geruhrts an mit einem also gar anmühtigem frischem Bach angefeuchtet wurde / daß sie dannenhero gereitzet vnd verursacht wurden die gröste Hitze / so schon gewaltig anzutretten begunte / bey der Mittagsruhe vorbey streichen zulassen. Also stiegen nun Junckher Harnisch vnnd Pantschman ab / vnd liessen so wol das lastbare Thierlin / als auch den Hengst Rossübrall von der menge Grases / so sich selbiges Orts befand / fein weitläufftig / [146] vnd nach jhrer besten bequemigkeit jhre Weide vnd Nahrung suchen / sie auch selbsten machten sich an jhre Schweideler[70] vnd Brodsäcke / vnd assen / ohne sondere verehrung vnd weitläufftig kramantzen / bey gutem Friede vnnd in vertrawlicher Gesellschafft / Herr vnd Knecht mit einander / das jenige auff / so sie mit jhrer kalten Küchen zum Vorraht funden.

Knecht Santscho hatte nicht in obacht genommen / daß er dem Rossübrall die Fußschleiffen angelegt hette / weiln er dessen versichert ware / daß er jhn allzeit sanfftmütig / zahm vnd also gar nicht beissend oder schlagend / mörrisch vnd ohnverträglich erkennet vnd befunden hatte / daß auch alle Stuten von den Angern[71] vmb Cordua herumb jhn nicht hetten zu einigem vngleichem beginnen vnd vnzimlichem fürnehmen reitzen oder verursachen mögen. Aber es war von dem widerwertigen glück also versehen / vnd brachte der Teuffel / welcher freylich nicht jmmer schläfft vnd ruhet / so viel zu wege / daß gleich damahln eine Heerde Meehren[72] auß Gallicien eben in diesem Thal herumb giengen vnd weideten / welche etlichen gewissen Eseltreibern auß Jangua zuständig waren. Nun ist aber dieser Leute brauch / daß sie mit jhrem Hauffen an Orten vnd Gelegenheiten / wo es viel Graß vnd Wasser gibt / Mittagsruh zu halten pflegen. Vnd war eben dieser Platz / da Junckher Harnisch sich zu befinden jhme erkohren hatte / diesen Leuten von Jangua hierzu sehr bequem vnd allerdings wol gelegen.

Vnd trug sich dannenhero zu / daß den guten Rossübrall eine Begierd vnnd Lust ankam sich mit diesen Fraw moyen etwas zu ergetzen. So bald er sie nun witterte / schlug er auß dem Geschirr seines natürlichen Ganges / hieb vber die Schnur voriger seiner Gewohnheit / vnnd begunte / ohn erlaubnüß [147] vnnd abschied nehmen von seinem Herren / fast etwas spohrenstreichs gegen die guten Schwestern anzutraben / hierauff ferrner seine Notthurfft mit jhnen abzuhandeln vnd selbiger sie theilhafftig zu machen. Aber sie / welche dann / als es fast das Ansehen hatte / mehr Lust vnd Beliebung zur Weyde / als zu seiner Person tragen mochten / empfiengen jhn mit Huffschlägen jhrer Hinderfüsse vnd Gebiß der Zäne / so sauber vnd artlich / daß in gar kurtzer frist sie jhme den gantzen Bauchgurt allerdings entzwey rissen vnd er also ohne Sattel gantz bloß stehen bliebe. Aber es trug sich mit jme noch etwas mehrers zu / welches er auch gewiß mehr vnd besser / als das vorige fühlen mochte. Dann die Eseltreiber / als sie die Gewalt sahen / so Rossübrall jhren Mehren anthet / lieffen sie mit jhren Stangen vnd Hebbäumen[73] zu / vnd zerprügelten den armen Hengst so erbärmlich / daß sie jhn vbel zugericht vnd in elender gestalt platt zur Erden niderschlugen.

Gleich aber / als dieses alles sich also zutrug / naheten Don Kichote vnd Santscho / als welche diese abprügelung des guten Rossübralls ersehen hatten / dem Orte nicht ohn grosses keichen vnd athemen in grosser eill zu. Vnd sagte Don Kichote zum Santscho: Als ich sehe / Freund Santscho / so seind diese nicht Ritter / sondern nur sonsten ander Lumpengesindlin / geringes vnd schlimmen herkommens. Welches ich aber deßhalben sage / weiln du mir dißfalls vnd gegen diese / gar wol vnd mit gutem fug die Hand bieten vnd Hülffe leisten kanst / damit wir an jhnen die Vnbilligkeit vnd Schmach gebührlichen rechen / welche vor vnsern Augen vnd in vnserm Anschawen am Rossübrall begangen worden. Was zum Teuffel haben wir vor Raach zu vben / antwortet Santscho / da doch dieser wol mehr als [148] zwantzig / vnnd vnser nicht mehr als zweene / ja wer weiß ob nicht kaum anderthalben seynt? Ich bestehe bevor hundert / sagte Don Kichote wider / legte ohne ferrneres weitläuffiges thaidigen Hand an seinen Degen / vnnd fiel diese Leute von Jangua mit grosser Vngestümm an. Ebenmässig thet auch Santscho Panssa, als welcher hierzu durch das Beyspiel seines Herren angetrieben vnnd gereitzet wurde. Vnd also fort zum ersten Angriff versetzte Don Kichote einem vnter jhnen einen so harten Streich / daß er jhm das lederne Wambs / so er an hatte / mit einem guten Theil seiner Schulder / von einander spaltete.

Diese Jangwitzer / als sie sahen / daß jhrer von diesen einigen zwey Leuten also vbel gewartet wurde / da doch sie in grosser anzahl sich beysammen befunden / griffen sie zu jhren Zoberbäumen[74] / brachten dise beyde fein ordentlich vnter sich in die Mitte / vnd fiengen an mit hartem ernst vnd grosser gewalt auf sie hinein zu stürmen vnd vffzukloppen. Vnd ist nicht weniger / daß sie also fort vff den andern Streich den armen Santscho zur Erden nider schlugen / gestalt dann ein ebenmässiges auch seinem Junckhern widerfuhre / also gar / daß jhn seine Hurtigkeit[75] vnd tapfferes Gemüth hierwider nicht zuhelffen oder zu schützen vermochte. Vnd fügte sein Glück / daß er eben seinem Rossübrall / welcher sich noch nicht wider in die Höhe erhoben vnd vffgerichtet hatte / zu den Füssen zu fallen kam. Woher man dann den Grimm vnd Grawsamkeit leicht abzunehmen hat / mit welchem solche Stangen vnd Prügel alles / was sie antreffen / metzgen vnd zu trümmern schlagen können / wo sie in des ergrimmten vnnd erbrembsten Bawersvolcks Hände gerathen. Als nun oberwehnte Jangwitzer die böse Arbeit / so sie gemacht hatten / sahen vnd betrachteten: [149] Versambleten sie jhr Vieh vffs schleunigste / als jhnen müglich war / zu hauffe / zohen jhres Weges fort / vnd liessen die zwey guten Abendthewr in vbler Gestalt / vnd noch viel vblerer Gemütsbefriedigung hinder sich.

Der erste / so sich etwas wider zu fühlen begunte / war Santscho Panssa, welcher als er sich nahe bey seinem Junckhern an also liegend befande / sprach er mit schwacher vnnd ermatteter Stimm: Herr Junckher Harnisch / holla / Herr Junckher Harnisch. Was begehrstu / Bruder Pantschman / antwortete Don Kichote, mit eben so weibischer vnd kläglicher Stimm / als Santscho. Ich möchte wol leyden / wo es müglich were / antwortete Santscho Panssa, daß ewer Veste mir ein paar schlucke von dem Wasser des greßlichen Feoblas darreichten / ist es anders sach / daß sie dessen gleich jetzo an der Hand haben. Dann wer mag wissen / obs nicht vielleicht so wol wider Beinbrüche vnd Lendendrüsche / als wider frische Wunden vnd Stiche gut vnd dienlich seyn möchte. Ja wol / wann ich das allhiero bey mir hette / ich vnglückseliger / was solte vnnd würde vns wol mangeln / antwortet Juncker Harnisch. Aber ich schwere dirs Santscho Panssa, bey wallendem Rittersglauben / daß / ehe zweene Tage ins Land kommen / (wo anders das Glück es nicht etwa anders schickt) ich sothanes Wasser in meiner Gewalt gedencke zu haben / es müsste dann gar kein Recht im Lande seyn. Wolan / in wie viel Tagen bedünckt dann ewer Veste / daß wir werden vnsere Fusse wider regen können / antwortet Santscho Panssa. Von mir zwarten mag ich wol sagen / (sprach der zerprügelte Ritter Don Kichote) daß ich selbigen Tagen nicht so gar eigentliches ziel vnd zweck setzen könne. [150] Aber ich schreib dessen schuld mir selbsten zu / in dem mir nicht hette gebühren wollen / Hand an Degen wider solche Leute zulegen / welche nicht / gleich wie ich gewaffnete Ritter seynd. Vnd also glaub ich / daß zur straff / weiln ich die Ordnungen vnd Gesetz des Ritterordens vberschritten / der Gott des Krieges vnd Streits verhengt habe / dz ich also gezüchtiget würde. Hierumb dann / vnd wegen solcher vrsach thut es von nöthen / daß du hiermit des jenigen ermahnet vnd erinnert seyest / welches ich dir jetzo sagen werde / weiln darinn vnser beyder Heil vnd Wolfahrt gäntzlichen bestehet. Vnd ist nun dieses / daß / wann du ins künfftige sihest / daß derogleichen Lumpengesindlin vns etwa gewalt vnd vnrecht thut / du nicht darnach wartest vnd dich dazu verlassest / ob würde ich wegen solcher zum Degen greiffen vnd Hand an sie legen. Dann ich wils durchauß vnd kurtzumb nicht thun. Sondern nim du deine Fuchtel zur hand / vnd straff du sie nur wol / vnd allerdings nach deinem wolgefallen. Dann wo ja etwa einer oder ander Ritter jnen zu hülff kähmen / vnd sie verthäydigen wolte / wil ich dich schon zu vertretten / vnd jhnen mit gantzer meiner Krafft bey vnd zuvor zukommen wissen. Dann du ja nunmehro durch mehr als tausenderley zeichen vnd nachrichtungen wirst gesehen vnd erfahren haben / wie weit vnd hoch sich die stärcke vnd macht dieses meines gewaltigen vnd kräfftigen Arms erstrecke. Also gar vbermütig war der arme Herr von vnd wegen des Sigs worden / welchen er wider den tapfferen Biscanier erlangt hatte.

Aber es gefiel dem Santscho Panssa diese seines Herrn meinung so gar nit / daß er nit vmb hin möchte / jhme also drauf zu antworten vnd zu sagen: Herr / ich bin ein fridliebender / sanfftmütiger vnd stiller sittsamer Mensch / vnd kann eines oder anders vnrecht vnd vberlast / so mir widerfehret / wol vnd leichtlich vertragen. Dann ich hab Weib vnd Kind / so ich vnterhalten [151] vnd ernehren muß. Vnd also sey auch gleichsfalls ewr Veste hiermit angedeutet (an statt vnd weiln solches jhro zubefehlen mir nicht zustehen wil) daß ich durchauß vnd vff keine weise oder art von der Welt zum Degen greiffen wolle oder werde / Gott geb es sey wider gemeine vnd Bawersleute / oder auch wider rittermässige Personen. Vnd also verzeih vnd vergeb ich von nun an vor Gott vnd dessen Angesicht / alles das vnrecht vnd vberlast / was mir widerfahren ist vnnd noch widerfahren möchte / es mögen mir solches gethan haben / oder mögen mirs jetzo thun / oder wo es auch ins künfftige thun würden / hohes oder niederes Standspersonen / arme oder reiche / Edelleute oder Zöllner / ohn einiges ansehen / Würden / Standes / Zunfft vnd Aempter.

Welche des Dieners rede / als sie von seinem Herrn angehöret vnd vernommen war worden / antwortete jhm selbiger: Ach daß ich doch etwas Lufft vnd Athem holen möchte / daß ich vor matt vnd müdigkeit meiner kräffte nur ein wenig mit dir reden könte. Vnd wolte Gott / daß der Schmertz / welchen ich an den Ribben dieser Seiten hefftig empfinde / sich ein wenig / vnd so gut es nur beschehen möchte / legte vnd stillete / damit ich dir doch zu verstehen geben könte / Panssa, in was grossem jrrthumb du schwebest. Wolan höre / du armer Sünder / wo etwan der Wind des Glücks / welches vns biß anhero so sehr zuwider gewesen / zu vnserm vortheil vnd besten sich wendete / vnd die Segel vnserer begierden zufüllen vnd anzutreiben beginnete / also daß wir etwa in einem Hafen einer Insel vnter denselben / so ich dir versprochen hab / sicherlichen vnd ohn einigen Schwerdtschlag vnnd Widerstand anländeten / wie würde es also dann vmb dich beschaffen seyn / wann ich nach eroberung deroselben dich zum Herrn drüber machte. So wirstu dir also dann / merck ich wol / das gantze Werck nur schwer gnugsam oder wol gar ohnmöglich machen / mit vorgeben / [152] du seyest nicht Rittermässig / begehrest kein Ritter zu seyn / vnd bettest auch weder Krafft vnd Stärcke / noch auch Willen vnnd Meinung / dich wider zugefügtes Vnrecht vnd Vberlast zurechen / vnd deine Herrschafft handzuhaben. Dann du solst wissen / daß in newen / vnd erst newlich eroberten Königreichen vnnd Landen die Gemüther der eingebornen vnd inwohnenden Leute / niemahln so still vnd ruhig / vnnd dem newen Herren also gäntzlichen zugethan vnd gewogen seynd / daß man sich nicht zu befürchten solte haben / sie möchten etwa newerungen machen / damit sie nur alle Sachen verändern / das oberste zu vnterst kehren / als man zu sagen pflegt / vnd dannenhero jhr Glück versuchen vnd wagen mögen. Vnd also ist freylich von der noth / daß der newe Besitzer vnd Beherrscher eines Landes / guten Witz vnd Verstand habe / vnd sich selbs wol zu regieren vnd in acht zunehmen wisse / ja er muß auch so viel Krafft vnnd Macht haben / daß er in allerhand Zufällen vnd Begebenheiten / so wol andere angreiffen vnd vberwältigen / als auch sich selbst schützen vnnd verthäydigen könne. In diesem gegenwertigen Zufall / antwortete Santscho / so vns voranjetzo begegnet ist / möchte ich wol selbigen Witz / wie auch selbige Krafft vnnd Stärcke gehabt haben / davon ewer Gestrengigkeit reden. Aber ich schwere euch bey armen Mannsglauben / daß mir vor dißmahl mehr vonnöthen thun Pflaster vnd Schweden / als Schwatzen vnd reden. Ewer Veste sehen doch zu vnd versuchen / ob sie sich empor heben vnd auffstehen können. So wollen wir also dann dem Rossübrall auffhelffen / ohngeacht ers wol nicht verdienet vnnd würdig ist / in dem er die Hauptvrsach dieses vnsers gantzen zerprügelns gewesen. Zeit meines Lebens hett ich solche Sachen vom Rossübrall nicht gedacht oder geglaubet / weiln ich jhn jederzeit vor eine keusche vnnd gleich einer [153] sanfftmütige vnnd friedliebende Person gehalten. Wie dem allen / so sagt man wol recht / es gehöre viel vnnd langwürige Zeit dazu / wann man jemanden recht außlernen vnd wol erkennen solle / vnd sey doch nichts sicheres vnd gewisses im gantzen Menschlichem Leben. Wer wolte doch gesagt vnd gemeinet haben / daß nach den also gewaltigen Wunden vnnd Streichen / so ewer Gestrengigkeit dem vnglückseligen wallenden Ritter gegeben hatte / also fort drauff gleichsamb vff der Post vnd strackes Fusses diß grosse vngestümm vnd Sturmwetter der Bengel vnnd Prügel / so vber vnsere Lenden vnnd Schultern hauffenweise gehagelt / hette kommen vnd erfolgen sollen?

So merk ich wol / antwortet Don Kichote, es werden auch deine Lenden / Santscho / zu derogleichen Vngestümm vnnd Sturmwetter gewidmet vnd außersehen seyn. Aber die meinigen / welche bey zartem Cammertuch vnd Holländischem Schleyer erzogen seynd / müssen freylich wol dieses Vnglück mit grösserem Schmertzen fühlen vnnd empfinden. Vnd woferrn es nicht an dem were / als ich mir einbilde / ja was sag ich einbilde / sondern als ich vielmehr gewiß vnd eigentlichen weiß / daß alle diese Vngelegenheiten bey vbung der Waffen / gewöhnlich mit vnterlauffen / vnnd mit deroselben ohnabsonderlich verbunden vnd vereinigt seynd / so wolt ich nur gerade zu vff dieser stell auß lauterm verdruß vnnd vnmuth dahin sterben. Hierauff antwortete der Waffenträger: Herr / Alldieweiln dann all dieses Vnglück von den Früchten vnd Einkünfften des Ritterordens herrühret / so sagen mir doch ewer Gestrengigkeit / ob sichs dann zu mehrmahlen vnd sehr offt zuzutragen pflege / oder ob es seine vmbschränckte Ziel vnd gewisse gesetzte Zeiten habe / in denen sichs ereuget. Dann mich meines theils wil bedüncken / daß vff zwey solche [154] einnahmen wir gewiß einer weiteren vnd dritten vnvehig vnd darzu gantz vngeschickt vnd vntüglich werden befunden werden / wo GOTT vermittels seiner vnendlichen Barmhertzigkeit vns nicht sonderlich beyspringen vnd zu hülff kommen würde.

Du solst wissen / Freund Santscho / antwortete Don Kichote, daß das Leben der fahrenden Ritter tausenderley Gefahr vnd Vnglück vnterworffen ist. Vnd nichts destominder stehet in jhrer Hand vnd Gewalt / vnd ist im nechsten Dörfflin dabey / daß sie auß wallenden vnd vmbschweiffenden Rittern zu Königen vnd Käysern werden können / gestalt dann solches die Erfahrung an vielen vnnd vnterschiedlichen Rittern / derer Geschichtbeschreibungen ich außführliche Wissenschafft habe / sattsam vnnd augenscheinlichen erwiesen. Vnnd könte ich dir gar wol gleich also fort jetzund (wo mein allzugrosser Schmertz mir hierzu raum vnd zeit gebe) etliche erzehlen vnd anführen / welche eintzig vnnd allein vermittels der Stärcke vnd Krafft jhres streitbahren Arms die hohen Stufen / so ich dir erzehlt / erlanget vnd erstiegen haben. Vnd eben diese haben sich so wol vorhero / als auch folgends hernach / in mancherley vnd vnterschiedlichen Widerwertigkeiten vnnd Elend befunden. Dann der streitbare Amadis von Franckreich / kam vnter die Gewalt seines Todfeindes, des Zauberers Arcalaj, von welchen vor gewiß vnd warhafftig außgegeben wird / daß / in dem er jhn also gefangen hielte / er jhn an eine Säule des Hofes angebunden hatte / vnd jhm mehr als zweyhundert Streiche mit dem Riemen des Hefftzügels seines Pferdes gabe. Vnd es ist noch sonsten ein verborgner vnd heimlicher Bücherschreiber / welchem man gar viel Glaubens beymisset / der da sagt / daß / nach dem selbiger den Ritter der Sonnen / durch einen sonderbahren [155] Fund vnd Hinderlist vnter seine Hände bekommen hatte / hab er jhn vnter seinen Füssen hinweg in ein gewiß Castell tieff hinunter gesencket / vnd hab sich gedachter Ritter im hinunterfallen vnter dem Erdrich in einer sehr tieffen Höle vnnd Grub an Händen vnd Füssen angefesselt befunden: Daselbs hab man jhm eine von denen Artzneyen / welche man Schneewasser vnd Sand Artzneyen nennet / zu- vnd hinunter geworffen / dannenhero er fast vffm letzten Loche hat beginnen zu pfeiffen. Vnd wo jhm nit in selbiger grosser Angst durch einen weisen Zauberer / seinen sehr grossen Freund / wer Hülff vnd Rettung widerfahren / würd es dem armen Ritter sehr vbel vnd vnerträglich ergangen seyn. Also / daß ich gleichwol vnter dem Hauffen dieser so vieler guten Leute noch wol mit durchlauffen vnd gelitten werden kan / weiln ja der Schimpff vnd Hohn / so dieselben außgestanden / viel grösser ist / als das jenige / so vns jetzo zuhanden stösset. Dann ich wil dir hiermit zuwissen gethan haben / Santscho / daß die jenigen Schläge vnd Wunden einem nicht schimpfflich oder vffzurücken seynd / welche mit derogleichen Werckzeugen geschlagen worden / so ohngefährlich einem etwa vff- vnd zuhanden stossen. Vnd also befindet sich in dem Außfoderns- vnd Palgensgesetzen[76] mit außdrücklichen Worten geschrieben / daß / wo ein Schuster etwa einen mit einer Schuhleiste oder Stiffelbret schlüge / welches er eben zur hand hette / ohngeacht selbige von Holtz / gleich wie auch die Prügel / gemacht vnd geschnitten seynd / so könne man doch drumb mit Warheit nicht sagen / daß derjenige sey geprügelt worden / welchen er also mit gedachten Höltzern geschlagen hat. Vnd dieses sag ich der Vrsach halber / darmit du nicht etwa meinen möchtest / weiln wir bey diesem Zwiespalt vnd Streit ziemblich zerplewet vnd abgeschlagen worden / daß wir deßhalben etwa sonderlichen [156] Schimpff vnnd Hohn davon tragen müsten. Dann die Waffen / welche diese Leute fuhrten vnnd vns damit abschmierten / waren nicht andere / als nur jhre Stöcke vnd Stecken / vnd hatte deren nicht einiger (so viel ich mich zurück erinnere) weder Degen noch Schwert / noch Dolch bey sich. Mir zwarten / antwortete Santscho / haben sie so viel frist vnnd raum nicht gelassen / daß ich mich so eigentlich hiernach hette vmbsehen können. Dann ich hatte ja nehrlich die Hand an meinem Tzschentzschel gelegt / als sie mir mit jhren Hebbäumen den Creutzsegen vber die Länden solcher massen sprachen / daß sie mich so wol des sehens der Augen / als der Krafft meiner Schenckel berauben theten / in dem sie mich eben dahin zupurtzeln vervrsachten / da ich mich biß annoch liegend befinde / vnd mir nicht sonders angelegen seyn lasse / darauff so eben zu sinnen / ob es eine Schande vnd Schimpff sey oder nicht / daß sie mich mit jhren Stecken vnd Stangen also zerprügelt haben / wie hingegen zu etwas nachdencken / mir freylich wol anlaß vnd vrsach gnugsamb gibt der Schmertzen / der jenigen Stösse vnd Püffe / welche mir gewiß also tieff in mein Gedächtnüß eingedruckt verbleiben werden / als lebhaft vnd eigentlich ich solche an meinen Schultern fühle vnd empfinde.

Wie dem allen / so thue ich dir doch zuwissen / Bruder Santscho / antwortete Don Kichote, daß keines Dinges so reiffes vnd beständiges Gedächtnüß ist / dem nicht endlichen die Zeit sein Ziel vnd Maß geben / vnd die gewöhnliche Endschafft verursachen solte / gestalt dann auch kein Schmertz so empfindlich vnd groß ist / welchen der Todt nicht endlichen vertreiben vnd hinwegnehmen könne. Wolan / antwortete Panssa, was möchte dann wol vor ein grösser Vnglück seyn / als das jenige / so nur nach der Zeit [157] sich sehnet vnd wartet / die dasselbe wenden vnd hinnehmen möchte / vnd welches nach dem Tode verlanget / daß derselbe komme / dem Vnglück ein Ende zu machen. Wo diese vnsere Widerwertigkeit auß dem Hauffen der jenigen Vnfälle were / die da mit ein paar Pflastern können geheilet werden / so wer es noch so gar vbel vmb vns nicht bewant. Aber ich beginne zu spüren vnd zu erkennen / daß auch alle Pflaster eines gantzen Siechenhauses[77] nicht gnugsam vnd erklecklich[78] seyn mögen / vnser Vnheil vnd Widerwertigkeit nur in etwas guten Stand zum wenigsten zu versetzen. Laß diß bleiben Santscho / antwortete Don Kichote, vnd ermanne dich wider von deiner Mattigkeit. Dann also wil ich auch thun / vnd laß vns sehen / wie es vmb den Rossübrall beschaffen ist / dann / als mich bedünckt / ist dem armen Tropffen nicht das wenigste Stück dieses Vnglücks zutheil worden. Darüber ist sichs gantz nicht zu wundern / sagte Santscho / weiln er doch ja so wol ein vmbreisender Ritter ist. Hierob aber verwundere ich mich am meisten / daß mein Thierlein also frey außgangen ist / vnd nichts von der Zech hat zahlen dörffen / da doch wir andern fast ohne Lenden vnd Ribben davon kommen seynd.

Allzeit lesset das Glück in Widerwertigkeiten noch eine Thür offen / antwortete Don Kichote, vmb denselben etwas linderung vnnd ergetzligkeit widerfahren zu lassen. Vnd dieses sag ich darumb / alldieweiln dieses Thierlein den Mangel des Rossübralls ersetzen / vnnd dessen stelle inmittels wird vertretten können. Dann es wird mich biß etwan zu einem der nechsten Schlösser von hinnen außtragen müssen / da ich mich an meinen Streichen vnd Wunden möge wider heilen lassen. Vnd diß so vil desto mehr / weiln ich eine derogleichen Reuterey mir für keine [158] Schande oder Nachtheil halten werde / in dem ich mich zurück erinnere / daß ich wol ehe gelesen habe / daß der gute alte Silenus, als ein Vfferzieher vnnd Schulmeister des frewdigen Gottes des Lachens[79] / als er zu der Stadt von hundert Thoren einzoch / mit besonderbahrer Frewdigkeit vnnd Ergetzung seines Gemüths / vff einem sehr schönen Esel reutermässig sitzend sich befande. Es mag wol nicht weniger seyn / antwortete Santscho / daß er rittermässig also einher gezogen ist / wie ewr Gestrengigkeit sagen / aber es ist gleichwol ein grosser Vnterschied vnter dem / wann man zu Roß sitzet / vnd wann man als ein Sack voll Vnflaths die quehr vber ein Thier herab henget. Worauff Don Kichote wider antwortete: Die Schläge vnd Wunden / so man in Kriegen vnnd in der Schlacht bekompt / bringen einem vielmehr vnd ehe Ruhm vnd Ehr zuweg / als daß sie derer einen berauben solten. Also / daß du mir nichts ferrner hiergegen einzustrewen vnnd zu widerreden hast / mein Freund Panssa, sondern vielmehr / wie ich dir schon befohlen habe / erheb dich vnd stehe auff / vffs beste dir zuthun möglich ist / vnd setze mich vff masse / wie dirs am annehmblichsten seyn wird / auff dein Thierlein / vnd laß vns von hinnen ziehen / ehe die Nacht einbreche / vnd vns in dieser Oede vnnd Wüsteney vberfalle.

Hab ich doch ewer Veste sagen hören / sprach Panssa, daß es bey den vmbreisenden Rittern gar sehr im brauch sey / daß sie den meisten Theil des Jahrs in den Wildnüssen vnnd Einöden schlaffen / vnd solches jhnen vor ein sonderliches Glück schätzen. Diß geschicht zwar wol / sagte Don Kichote, aber nur / wann sie nicht anders vnd weiter können / oder wann sie etwan verliebt seyn. Vnd dieses ist also wahr vnd gewiß / daß auch ein Ritter gewesen / [159] welcher sich vff einem Fels vnnd Klippen / an der Sonnen / im Schatten / vnd mitten vnter allerhand Vngewitter vnd rauher Lufft zwey gantzer Jahr vffgehalten / also daß seine Verliebte davon nichts gewust oder erfahren. Vnd derer einer ist auch Amadis gewesen / welcher zu der Zeit / als er sich den schönen finstern Ritter nennete / sich im Felsen / der arme genant / zur Herberg einlegte / nicht weiß ich eigentlichen / ob vff acht Jahr oder acht Monat lang: Dann ich bin dißfalls meiner Rechnung nicht gewiß. Diß gnüget mir vor dißmahl / daß er sich daselbs vffgehalten / vnd / nicht weiß ich wegen was Liebstückleins / so jhm Fraw Oriana bewiesen / busse gethan habe. Aber laß vns das vor dißmal beyseits stellen / Santscho / vnnd komm von statten / ehe etwa auch dem Thierlein ein anderes Vnglück vffstehe / allermassen / dem Rossübrall beschehen. So müste auch hier der Hencker seyn Spiel haben wollen / sprach Santscho / vnnd nach dem er dreissig mahl ach geschrien / sechtzig mahl geseufftzet / vnnd hundert vnd zwanzig mahl gestönet vnd gekröchset / auch gleich so offt den jenigen verflucht vnd vermaledeyet hatte / der jhn an das Ort gebracht vnnd angeführt / erhub er sich von seinem Lager / vnnd blieb biß in die Mitte seines Gangs vnd Weges / als ein Türckischer Flitzschbogen / ineinander gekrümmet / also / daß jhm nicht müglich war sich in die Höhe vffzurichten. Vnd vermittels aller dieser Müh vnd Arbeit / machte er ja endlichen seinen Esel fertig / welcher gleich so wol wegen allzugrosser Freyheit vnd Nachlassung selbiges Tages sich etwas weit auß der Kuhweide gemacht hatte. Also fort drauff halff er auch dem Rossübrall vff die Beine / welcher wo er nur eine Zunge zu seufftzen vnd stöhnen gehabt hette / seit jhr versichert / er würde weder dem Santscho / noch seinem Herrn ichtwas hierunter zuvor gegeben haben.

[160] Endlichen aber / vnnd kürtzlich von der Sach zu kommen / so brachte Santscho den Don Kichote vff den Esel / vnd den Rossübrall bunde er mit dem Hefftzügel hinden an des Esels Schwantz / vnd also leitete er den Esel beym Zaum jmmer fort / vnd wanderte allmehlich des Weges fort / wo jhn bedünckte / daß etwa die rechte Landstrasse zugehen möchte. Vnd fügte das Glück / welches sein beginnen jmmer zu besserem vnd besserem Stande schickte vnd begleitete / daß / in dem er kaum einer halben Meil Weges gangen war / jhm die rechte grosse Strasse vffstieß / auff welcher er eines Krugs oder Schencke gewahr wurde / welche aber zu seinem höchsten verdruß vnnd zu des Don Kichote grosser ergetzligkeit ein Castell oder Schloß seyn muste. Santscho vermaß vnd verschwur sich hoch / es wer eine Schencke / sein Herr aber / daß es nicht ein Krug / sondern ein Schloß were. Vnd werete jhr Zanck vnd Streit so lang / biß sie ohne dessen endung vnd entschied zeit vnd gelegenheit hatten zu dem Wirthshause zu nahen / zu welchem dann Santscho ohne ferrnerer befragung mit seiner gantzen Heerde einzohe.



[161]
Das 15. Capitel.
Von dem jenigen / was dem verschmitzten[80] Rittersmanne im Wirtshauß widerfuhr / welches er jhm einbildete / daß es ein Castell oder Schloß were.

DEr Wirth / oder Krüger / welcher den Don Kichote also vberzwerch auff dem Esel sitzen sahe / fragte den Santscho / was Schadens oder Mangels er an sich hette. Santscho antwortete jhm / es were nichts / als nur / daß er von einem Felsen herab gestürtzt vnd jhme dannenhero die Seiten in etwas geschellert hette. Es hatte der Krüger zum Weib / eine / so nicht der Art vnd Gelichters[81] war / als wol sonsten derogleichen Gesindlein vnd Pack zu seyn pfleget / sondern sie war von natur etwas gutthätig vnd barmhertzig / vnd ließ jhro die Vnfälle vnd Widerwertigkeiten jhres Nechsten zu hertzen gehen. Vnd also nahete sie sich bald / den Don Kichote zu artzneyen vnd zu warten / ordnete auch an / daß jhre Tochter eine / ein junges Mägdlein gar hübscher gestalt / jhr halff vnd zu pfleg- vnd wartung dieses jhres Gastes / handlangung[82] thete. Es dienete aber in dieser Schenck vnd Kruge auch [162] zugleich damahln eine junge Magd / auß Asturias bürtig / breit von Gesicht / platt vnd quetschicht am Hintertheil des Haupts / mit einer eingedruckten plätzschichten Brackennase[83] / mit einem Auge schielend / vnd am andern nicht allerdings gesund. Weniger ist zwarten nicht / daß die Hurtigkeit jhres Leibes die anderen Mängel vnd Gebrechen vberflüssig ersetzte. Sie war noch nicht gar sieben Spannen[84] lang / von der Fußsolen biß zum Haupt / vnd die Schultern welche sie etwas druckten vnd beschwerten / waren ein Vrsach / daß sie mehr vnter sich zur Erden sehen muste / als jhr wol angenehm vnd gefällig seyn mochte. Diese adeliche Dirne nun / halff dem obenerwehnten Jüngferlein / vnnd bereiteten diese beyde dem guten Junckher Kichote ein sehr vbelbeschaffenes Bette vff einem alten Bretterwercke vnd Söller[85] / an welchem augenscheinlich abzunehmen ware / daß es vor Jahren muste eine geraume Zeit vor eine Strohboden seyn gebraucht worden.

Vff diesem Geniste hatte nun auch ein Eseltreiber sein Gemach vffgeschlagen / welcher sein Bette etwas weiter abwerts von des Don Kichote Bette stehen hatte. Vnd ohngedacht solches nur von Saumsattelriemen vnd Stricken / wie auch seiner Eseldecken / zugerichtet war worden / so reichte jhm doch des Don Kichote Bette bey weitem das Wasser nicht / in dem es nur von elenden vier vbelgehöbelten vnebnen Brettern gemacht / vnd vber zwey nicht gleich hohe Bäncke vberzwerch gelegt / auch vber dieses nur von einem eintzigen Bettpfüle[86] zubereitet war / welcher an den dünnesten Orten einer alten Zieche[87] nicht ohngleich scheinte / die etwa mit rasen oder Erdrichsballen angefüllt vnd ausgestopfft wer worden / also daß / wo man nicht durch etliche Ritzen vnd Löcher hette erkennen können / daß es gleichwol [163] Flecken oder Wollenbälle waren / hetten sie am Griff / vnd dem äusserlichen ansehen nach / wegen jhrer härte fast den Steinen gleichen sollen. Die zwey Leylachen oder Betttücher waren von Leder / damit man die Schirmschilde zu vberziehen pfleget. Hierbey war auch noch eine weisse Vberdecke / derer Fädeme / wo man sie hette zehlen sollen / würde derselben nicht einer an der Rechnung gefehlt vnd ermangelt haben. In dieses vermaledeyte Bette legte sich nun Don Kichote, vnd also fort drauff belegten jhn die Krügerin vnd jhre Tochter von oben an biß vnten auß mit Pflastern / vnnd leuchtete darzu die Maritornes, welche man auch die Asturische nennete.

Vnd als die Wirthin vnter dem schmieren vnnd Pflastervfflegen gewahr wurde / daß Don Kichote hin vnd wider an seinen Gliedern so zerbeult vnnd zerplewet außsahe / sagte sie / daß dieses alles Stössen vnd Schlägen vielmehr / als etwa einem Fall gleich vnd ohnlich sehe. Mit nichten seynd es Schläge gewesen / sprach Santscho / sondern es käme dahero / daß der Fels viel Spitzen vnd Ecken gehabt / derer jede jhre absonderliche Peule vnd Prausche[88] gemacht vnd vervrsacht hette. Ebenmässig sagte er auch zu jhr: Die Fraw sey gebeten / vnd mache es hiermit also / daß etliche Fasen vnd Wickel vbrig bleiben mögen. Dann es möchte sich noch einer finden / welcher jhrer vonnöthen hette / in dem auch mir die Seiten etwas wehe thun. So werdet jhr vielleicht / antwortete die Krügerin / auch gefallen seyn? Gefallen zwar nicht / sprach Santscho Panssa, als nur / daß von dem Schrecken / so ich hierob empfangen / daß ich meinen Herrn fallen gesehen / mir solcher massen der Leib wehe thut / daß mich bedünckt / ob wer ich zu tausendmahlen geprügelt worden. / Das könte wol seyn / [164] antwortete die Jungfer / denn es auch mir zum offtern begegnet / daß mich geträumbt / samb fiel ich von einem Thurn herunter / vnnd wolte gantz kein ende nehmen / daß ich einsten die Erde erreichet hette / vnd wann ich dann von dem Traum erwacht war / befund ich mich so gar zermalmet vnd zurschlagen / als wann ich in rechtem Ernst also gefallen were. Eben diß ist der rechte Grund der Sache / Liebe Fraw / antwortete Santscho Panssa, daß ich ohn einiges träumen / vnd in dem ich noch viel wackerer vnd munterer war / als wol eben jetzund / nicht viel weniger Schläge vnd Peulen / als mein Herr Don Kichote, an mir befinde. Wie heißt dann dieser Ritter? fragte die Maritornes von Asturias. Junckher Harnisch auß Fleckenland / antwortete Santscho Panssa, vnd ist ein Ritter / welcher sein Glück waget vnd versucht / vnd zwarten einer von den besten vnd mannhafftesten / so man in langen Zeiten in der Welt mag gesehen haben. Was ist dann ein solcher vffs Glück sich wagender Ritter? fragte darauff widerumb die Dirne. Seit jhr so eine Frembdlingin in der Welt / daß jhr das nicht wisset? antwortete Santscho Panssa.

Wolan so solt jhr wissen / meine liebe Schwester / daß ein wagender Ritter ein solch Ding ist / welches mit zweyen Worten / bald ein zerprügelter Mann / bald ein Kayser seyn kan. Jetzo ist er die vnglückseligste vnd allerdürfftigste Creatur von der Welt / vnd morgen möchte er wol dreyer Königreiche Cronen vnd Scepter haben / die er seinem Waffenträger schencken vnd vbergeben könte. Wie kömpts dann / dz jr / als jr diesem also guten Herrn dafür dienet / sprach die Krügerin / auch vielleicht nicht eine Graffschafft vermöget / gestalt der Augenschein ziemblich erweiset? Es ist noch zeit gnugsam / antwortete Santscho: [165] Dann es ist nicht länger / als nur ein Monat / daß wir vnser Glück suchen / vnd diß annoch haben wir dessen noch nichts denckwürdiges angetroffen. Vnd zuweilen geschichts wol / daß man dieses sucht / vnd aber gar ein anders antrifft. Weniger ists gleichwol nicht / daß wo mein Herr Don Kichote von diesen Schlägen oder diesem Fall / solte ich sagen / wider gesund vnd heil wird / vnd ich davon nicht etwa erlahme vnd zum Krüppel werde / wolte ich meine Hoffnung vnnd Anwartung / mit dem besten Ehrentittel von gantz Hispanien nicht vertauschen.

Alle diese Reden hörete Don Kichote mit grossem fleiß vnd besonderer vffmerckung an / satzte sich etwas vffrechts / so gut er konte / im Beth / nam die Wirthin bey der Hand / vnd sprach: Glaubt mir sicherlich schöne Fraw / daß jhr euch wol glückselig halten vnd nennen könnet / alldieweiln jhr in diesem ewren Schloß meine Person zur Herberge vffgenommen habt / vmb welche es also beschaffen vnnd bewand ist / daß / in dem ich selbige nicht selbs lob / es auß der Vrsach beschiehet / weiln man zusagen pflegt / daß eigen Lob gerne stincket. Mein Waffenträger aber wird euch sagen / wer ich sey. Nur dieses sag ich euch / daß ich den Dienst so jhr mir jetzo bezeiget / ewig in meinem Gedächtnüß eingeschrieben behalten werde / vmb euch dasselbe zuvergelten / so lang ich das Leben behalten werde. Die Krügerin / jhre Tochter / vnd die gute Maritornes stunden vnd waren hierob aller bestürtzt / in dem sie des reisenden Ritters reden anhöreten / welche sie aber gleichwol verstunden / als wann er Griechisch mit jhnen geredet hette / ob sie wol so viel drauß ergründen vnd abnehmen konten / daß sie alle vff grosse Verheissungen / vnd allerhand freundliches Erbieten giengen vnd außschlügen. Vnd weiln sie derogleichen Sprache vnd Art [166] zu reden ohngewohnet waren / sahen sie jhn an / verwunderten sich ab jhme / vnd bedünckte er sie gar ein ander Mensch zu seyn / als andere / so bey jhnen gewöhnlich vnd bräuchlich waren. Vnd als sie jhme seines anerbietens vff gut Krügerisch gedanckt hatten / namen sie Abschied von jhm vnd liessen jhn ligen. Aber die Maritornes auß Asturias pflegte des Santscho / der dann guter wartung nicht weniger / als sein Herr / vonnöthen hatte.

Nun hatte aber der oberwehnte Eseltreiber mit dieser Asturias abrede genommen / daß sie sich die nechstfolgende Nacht mit einander ergetzen wolten. Vnd sie hatte jhm zugesagt / daß wann die Gäste zu ruh seyn / vnd jhr Herr vnd Fraw schlaffen würden / sie kommen wolte jhn zubesuchen / vnd / so weit ers begehrte / seinem Willen ein gnügen zu thun. Vnd wird von dieser guten Dirne erzehlet / daß sie niemahln derogleichen Jaworte von sich gegeben / die sie nicht solte gehalten haben / ob sie schon solches vff einem Berge / vnd ohne beywesen einiges Zeugen gethan hette. Dann sie hielt gleich viel vff sich / als ob sie vom Adel were / vnd achtete es jhr vor keine Schande / daß sie in diesem Stande leben / vnd in einem schlechten Krug dienen vnd vffwarten muste / in dem sie berichtete / daß jhr Vnglück vnd widerwertiges ergehen sie zu diesem Stand gebracht hette.

Das harte / enge / zerstümmelte vnd meinaydige Bette des Don Kichote war das allererste / vnnd stund gleich in der mitte dieses gestirnten Stalles / vnd nah bey dasselbe machte auch Santscho das seinige / welches nur allein von einer ströernen Schilffdecke vnd einem groben Sack leimtenen Leylach zubereitet stunde. Nach diesen zweien Betten folgte erst des Eseltreibers Bette / das dann / wie obgesagt / von Stricken vnd aller zubereitung der besten 2. Maulesel / [167] so er mit sich führte / zugerichtet vnd außstaffiert ware / ohngeacht / daß seiner Maulesel zwölfe / vnd dieselbe alle glatt / fett vnd trefflich waren. Dann er war einer von den reichen Eseltreibern von Areválo, inmassen der Beschreiber dieser Geschicht meldet / welcher dann seiner / als den er sehr wol kennete / vnd wie man sagen wil / jhm auch etwas mit Blutfreundschafft verwant war / gar sonderlichen gedencket. Vber diß so ist auch der Cid Mahamet Benengelj ein sehr sorgfältiger Geschichtbeschreiber gewesen / welcher in allen seinen Sachen eigentlich vnd genaw alles in acht genommen. Welches man auch hierauß leicht ermessen vnd abnehmen kan / alldieweiln er dise sachen / so oberzehlt / ohngeachtet sie so gar gering vnd schlechter wichtigkeit seynd / gleichwol nicht mit stillschweigen hat vbergehen wollen. Wovon dann die jenigen Beschreiber der wichtigen vnnd vornehmen Geschichte ein exempel vnd beyspiel nehmen können / welche vns alle Händel so gar eng vnd kürtzlichen erzehlen / daß man denen kaum mit den äussersten Lippen einen Geschmack abgewinnen kan / vnnd lassen entweder durch fahrlässigkeit / oder auß bösem Hertzen / oder wegen Vnwissenheit das beste / vnd was am meisten zum Grund des Wercks gehörig / zurück vnd im Tintfaß stecken. Gott gebe dem jenigen / welcher das Buch: Tablante de Ricamont[89] geschrieben / viel guts zu tausendmalen / wie auch dem andern / der des Graff Tomillas Thaten beschreibet / daß sie so gar eigentlichen vnd vmbständlichen alle jhre erzehlungen auß dem grund herauß führen.

So sag ich nun / nach dem der Eseltreiber bey seinen Thieren im Stall gewesen / vnd jhnen das ander Nachtfutter[90] gegeben hatte / streckte er sich auß vnd vber sein Strickbette her / vnd legte sich / seiner vbertrefflichen Maritornes daselbs zuerwarten. Santscho war [168] schon allereingeschmiert / vnd hatte sich zur ruhe gelegt / vnd ob er zwarten sich bemühete einzuschlaffen / wolte jhm doch solches der grosse schmertz seiner Seiten mit nichten zu lassen. Don Kichote aber lag für schmertzen seiner Lenden / mit offenen Augen / als ein Hase. Im gantzen Krug war es stockstille / vnd sahe man im gantzen Hause kein ander liecht / als eine vberbliebene Lampe / welche in der mitte des Vorhoffs hieng vnd brennete. Diese wundersame Stillheit / vnnd die tieffen Gedancken / so vnser Ritter allzeit führte vnd im sinn hatte / nemblich von dem wunderlichen ergehen / so vff jedweden Blettern derer Bücher erzehlt werden / die seines Vnglücks vrsacher waren / führte jhm zu gemüth eine der wunderseltzambsten Thorheiten / so man sich einbilden vnd erfinden könte. Vnd war dieses / daß er sich einbildete / wie er in einem berühmbten Castell oder Schloß angelangt vnd eingekehrt were. Dann / wie wir oben gedacht haben / so waren seines bedünckens alle Krüge vnnd Klappschencken[91] / darinnen er einkehrte / nur lauter Castell vnd feste Schlösser. Vnd weiter / daß des Krügers Tochter des Herren dieses Schlosses Kind vnd Tochter were / welche durch seine Hurtigkeit vnd Anmutigkeit der Geberden bewogen vnd vberwunden / sich in jhn verliebt vnnd jhm versprochen hette / daß sie selbige Nacht heimblich / vnd jhrer Eltern vnwissend / kommen / vnd eine gute weil bey jhm schlaffen wolte. Vnd in dem er dieses grosse vngehewr / so er selbs in seinem Kopff geschmiedet vnd zugerichtet hatte / in seinem Gemüth jhm starck einbildete vnnd vor gewiß vnd warhafftig hielte / hub er an sich zu ängstigen / vnd den gefährlichen Zustand hin vnd her zu erwegen / in welchem er seine Ehr vnd Redligkeit gerathen zu seyn befande. Vnd setzte jhm in seinem Hertzen gäntzlichen für / daß er entgegen vnnd wider [169] sein Fräwlein Dulcinéa von Toboso, keine Trewlosigkeit begehen / vnnd an jhr brüchig werden wolte / ob sich auch schon die Königin Ginebra selbs mit jhrer Fraw Quintagnona jhme vor Augen stelleten.

Als er nun gleich vff diese vngereimbte Thorheiten seine Gedancken festiglich gewendet hatte / kam die Zeit herbey / vnd nahete die Stunde (welche vor jhn gantz vnglückselig war) zu welcher die Asturische Magd ankommen solte / welche auch also fort im Hembd vnd barfuß / mit den Haren in eine Barchene Nachthaube gewickelt / mit sachten vnd behutsamen Schritten in das Zimmer eintrat / darinn diese drey herbergten / vmb jhren Eseltreiber zu suchen. Aber nehrlich mochte sie zur Thür hinein kommen / da wurde Don Kichote jhrer gewahr / setzte sich etwas vffrecht in seinem Bette auff / wie sawr vnd schwer es jhm auch wegen seiner Pflaster wurde / vnd wie weh jhm davon seine Lenden thaten / vnd streckt die Arme auß / sein schönes Jungfräwlein von Asturias zu empfahen / welche gantz enge sich in einander zoch / stock still schwiege / mit den Händen vor sich weggriff / vnd jhren Allerliebsten suchte. Gleich aber in dem traff sie vff des Don Kichote Arme / welcher sie forn bey jhrem Arm fest ergriff / zohe sie nach sich / vnd setzte sie vff sein Bette nider / also daß sie nicht mucksen oder eine einig Wort reden durffte. Er befühlte jhr alsobald das Hembd / welchs / obs zwar von der grobhärichtesten Sackleinwand war / bedünckte es jhn doch auß dem allerkleinsten Flohr[92] vnd weichesten Zündel gemacht zu seyn. An den Händen trug sie Armbänder vom Glase / aber jhm gaben sie in seinen Augen ein hellen Widerschein der allerköstlichsten Perlen auß Morgenland. Die Haar / welche [170] etlicher massen den groben Mähnen eines Pferden ähnlichten / hielte er vor die schönsten hellgläntzenden Goldfäden auß Arabien / derer Schein vnd Glantz auch die Sonne selbs verfinsterte vnnd dunckel machte. An statt des Athems / welcher sonder einigen zweiffel nach vbermächtigem altem abgeschmacktem Sallat roche / bedunckte jhn / daß auß jhrem Munde ein lieblicher gewürtzter Geruch herauß gienge. Vnd endlichen mahlte er sie jhme selbs in seinem Sinn vnd Gedancken eben in solcher gestalt vnd weise ab / wie er in seinen Büchern von derselben andern Fürstin gelesen hatte / welche den vbelbeschädigten Ritter / der durch jhre Lieb war vberwunden worden / mit all jhrem Zierath vnnd Bekleidung / so daselbs beschrieben stehen / zu besehen vnnd zu besuchen ankahm.

Vnd war die Blindheit dieses armen Rittersmanns so groß / daß weder das anfühlen / noch der Geruch vnd Athem / noch andere Sachen / so diese gute Jungfer vmb vnd an sich hatte / jhn seines Irrthumbs nicht benehmen konten / welche doch sonsten vielleicht einem jedweden / der nur nicht ein Eseltreiber gewesen were / hetten bewegen vnnd reitzen können / daß er alles / was er im Leib gehabt / hette herauß vnd von sich geben mögen. Ihm aber kam es für / samb[93] hätte er die Göttin der Schönheit selbs in seinen Armen. Vnnd als er sie also wol verwahrt / vnnd feste in seinen Armen hielte / fieng er an mit liebreicher vnnd gelinder mehlicher Sprach zu jhr zu sagen: Ich wolte wünschen / O schönes vnd vortreffliches Fräwlein / daß ich mich in einem solchen Zustand befinden möchte / darinn ich die so hohe grosse Gnad / so jhr mir durch darzeigung ewer gewaltigen Schönheit bezeiget habt / ersetzen vnnd wider vergelten möchte. Aber es hat leider dem Glück gefallen / welches dann niemahln sich ermüdet befindet / [171] die frommen zu verfolgen / mich in dieses Bette niederzuwerffen / darinnen ich also zerschlagen vnd zumalmet erliege / daß / ob ich schon / so viel meinen guten Willen anlangt / dem ewrigen gern ein sattsames Gnügen thun möchte / so würde mirs doch vor dißmahl gantz ohnmöglich seyn / zugeschweigen / daß zu dieser Ohnmügligkeit auch noch eine andere weit grössere kömpt / welche dann ist die Zusag vnnd Versprechen / so ich der jenigen / derer an Schönheit kein Mensch gleich ist / der Dulcinéa von Toboso, der einigen Herrscherin vber meine allergeheimbteste Gedancken / gethan habe / daß / wo dieses nicht im Mittel vnnd die Hindernüß were / würde ich ja nicht ein so thörichter närrischer Ritter seyn / daß ich die glückselige Gelegenheit vmbsonst vnnd vnnützlich auß Handen lassen solte / welche mir ewre sonderbahre grosse Güte darbeut

Die Maritornes stund in grosser Pein vnnd Noth / vnnd fieng an vor angst zu schwitzen / in dem sie sich zwischen des Don Kichote Armen also hart gehalten vnnd fest gedruckt befunde / begehrte auff seine Reden / derer er gegen sie sich gebrauchte / nicht acht zuhaben / oder dieselben verstehen vnnd ergründen zu lernen / sondern bemühete sich mit Gewalt ohn einiges Widerreden vnnd Antwortgeben / auß seinen Händen sich loß zuwircken. Der gute Eseltreiber / welchen seine böse vnziembliche Begierden auß dem Schlaff erweckt hatten / nam seiner Buhlschafft gleich in dem Augenblick wahr / als sie zur Thür hinein tratt. Er horchte mit fleissiger Auffmerckung alle dem jenigen zu / was Don Kichote sagte / vnd / weiln er hierüber eifferig wurde / daß die Asturische Dirne / einem andern zu lieb / jhm Zusag vnnd Glauben gebrochen hatte / [172] begunte er sich des Don Kichote Bette etwas näher zu machen / stund still vnd hielt jnnen / biß er sehe / wohin doch derselben Reden / so er mit seinem Verstand nicht allerdings erreichen vnd ergründen konte / noch endlich außschlagen würden. Als er aber gewahr wurde / daß die junge Metze[94] sich mit gewalt bemühete loß zu machen / Don Kichote aber hingegen dahin arbeitete / wie er sie an sich behalten möchte / bedünckte jhn dieses ein vnbillicher schertz zu seyn / hub den Arm hoch in die höhe / vnd versetzte dem verliebten Ritter einen so vngehewren erschrecklichen Streich vber den rechten Backen / daß er jhm das gantze Angesicht mit Blut benetzte vnd vberschwemmete. Ja er war auch damit noch nicht zufrieden / sondern warff sich noch dazu vber seine Ribben vnd Seiten her / vnd vberlieff jhm dieselben mit den Füssen / geschwinder als wann er getrabt hette / gantz vnd gar vber vnd vber. Das Bette / so ohne das ziemlich schwach war / vnd vff nicht gar festen Seulen bestunde / als es des Eseltreibers vberfall vnd zulage zuertragen nicht vermochte / fiel mit dem gantzen Hauffen zur Erden.

Vber welchem grossem Getöse vnd Tumult der Krüger erwachte / vnd also fort jhm einbildete / daß dieses der Maritornes Bubenstücklin[95] seyn müsten / bevorab weiln sie seines ruffens ohngeacht / jhm nicht geantwortet hatte. Vnd mit diesem Verdacht vnd Argwohn stund er vom Bette auff / zündete ein Liecht an / vnd gieng dem Gethöne nach biß an den Ort / da er den Lerm gehört hatte. Die Dirne / als sie jhren Herrn kommen vermerckte / vnd befande / daß er sehr zornig vnnd graß außsahe / schmiegte sie sich / als aller erschrocken vnnd vertutzt / an des Santscho Panssa Bette / welcher noch schlieff / vnd in selbigem druckte sie sich vffs engste vnd schmeidigste /


[172a]


[173] gleichsam als in einem Knewel / zusammen. Der Krüger gieng hinein / vnd sprach: Wo bistu Huer? Versichert / diß seynd deine Stücklin. Eben in dem erwachte Santscho. Vnd als er diesen gleichsam zusammen gepackten Ball fast vber sich liegend befand / vermeinte er nicht anders / es drückte jhn der Alp / fieng an von beyden Seiten hefftig vmb sich zuschlagen vnd zuschmeissen / vnd vnter andern Streichen / versetzte er derer nicht weiß ich wie viel der Maritornes, welche / als sie befand / daß es jhr ziemblich wehe zu thun begunte / satzte sie alle Scham vnd Erbarkeit hindan vnd auß den Augen / gab dem Santscho so gute vnd so viel wider / daß er wider seinen Willen des Schlaffs sich abthun / vnd darauß vollends gäntzlichen erwachen muste. Santscho nun / als welcher er sahe / daß also gar vnbillich mit jhm gebahret vnd vmbgegangen wurde / vnd wuste nicht von wem jhm solches widerfuhr / hub sich / so viel jhm jmmer müglich / vffs höheste empor / vnd vmbfaste sich mit der Maritornes vffs allerengeste / vnd fing sich also zwischen diesen beyden die allerschärpffste / vnd auch zugleich alleranmuthigste Schlägerey vnd Rauffen an / so man vff der Welt mit Augen hette sehen mögen.

Als nun der Eseltreiber an dem Schein des Liechts / so der Wirth in der Hand hielt / sahe vnnd erkante / wie gar elendiglich es seiner Allerliebsten ergieng / ließ er vom Don Kichote ab / vnnd nahete sich zur Maritornes, vmb die hülffliche Hand in jhren Nöthen jhro zubieten vnd sie mit nothwendiger Rettung nicht zulassen. Ein ebenmässiges thet auch der Krüger / aber in gar einer andern Meinung vnd Vorhaben. Dann er gieng hinzu die Magd zu straffen vnnd zu züchtigen / in dem er gäntzlichen glaubte / daß zweiffels frey sie dieses gantzen Spiels [174] eine Vrsacherin vnnd Anfängerin gewesen were. Vnd also giengs nach dem Sprichwort / wie man pflegt zu sagen: Die Katze an der Mauß / die Mauß am Stricke / der Strick am Knüttel. Dann der Eseltreiber schlug vff den Santscho / Santscho vff die Magd / die Magd vff jhn / der Krüger vff die Magd / vnd zerschmierten vnd zerpleweten sich also alle vntereinander / mit solchem Ernst vnd Hastigkeit / daß sie nicht ein Augenblick ruheten vnnd innen hielten. Vnd war noch das beste / daß dem Krüger das Liecht verleschte. Dann als sie sich nun im finstern befunden / schlugen sie also vbereinander / gleichsam in ein Ballen zusammen gepackt liegend / so gar jämmerlich vnd ohn einige Barmhertzigkeit vnd Mitleiden vff einander loß / daß / wo jhrer eins nur die Hand hinbrachte / liessen sie gewiß nichts gesund vnd ohne Peulen nach sich.

Von ohngefehr war eben dieselbe Nacht in dieser Schencke auch ein Gerichtsdiner eingekehrt / welcher von den jenigen war / so man von der Heiligen alten Brüderschafft[96] von Toledo nennete. Dieser / als er auch vor seine Person den ohngewöhnlichen Lerm dieses Katzbalgens erhörte / ergriff er seinen halben Stock / wie auch die blecherne Büchse / darinnen er seines Ampts vnd Tittels zeugnüß hatte / gieng also im finstern in das Gemach hinein / vnd sprach: Haltet innen im Nahmen der Gerechtigkeit / haltet innen im Nahmen der Heiligen Brüderschafft. Der erste nun / vff den er stieß vnd antraff / war der zerschlagene vnd zerprügelte Don Kichote, welcher vff seinem vmbgeworffenem Bette außgestreckt lag / hatte das Maul in der Höhe / ohne Sinn vnd eintziges Fühlen. Als er nun diesen erfühlte / griff er jhm mit der Hand in den Bart / vnd sprach ohn vnterlaß: Folge vnd gehorsamb der Gerechtigkeit. Als er aber befunde / [175] daß der jenige / den er angetroffen vnd gefast hatte / sich nicht hierob bewegte / noch auch regte oder wendete / bildete er jhm ein / daß er todt seyn müste / vnnd daß die jenigen / so drinnen waren / seine Mörder vnd Todtschläger seyn müsten. Vnd in diesem Argwohn / erhub er die Stimme noch mehr / vnd sprach: Man schliesse die Thür des Wirthshauses zu / vnd sehe wol zu / daß niemand entkomme / dann allhier hat man einen Mann vmbbracht. Diese Rede brachte eine grosse Furcht vber sie alle / vnd ein jedweder ließ ab vom Streit / so bald sie diß Wort höreten. Der Krüger verschlich sich in seine Cammer / der Eseltreiber vff sein Eseldeckenbette / vnnd die Magd in jhren Bettwinckel. Nur die beyden vnglückseligen Don Kichote vnd Santscho vermochten sich nicht von der Stelle zu bewegen / vff welcher sie lagen. Inmittels ließ der Gerichtsdiener von des Don Kichote Barte ab / vnnd gieng hinauß ein Liecht zu suchen / vmb die Mißhändler zu ertappen / vnd gefangen zu nehmen. Aber er funde des Liechtes nicht. Dann der Krüger hatte die Lampe mit fleiß außgelescht / als er sich in sein Zimmer versteckte. Vnd wurde also der Gerichtsdiener verursacht zum Fewerherde sich zu machen / vff welchem er endlich mit grosser Müh vnd vieler Arbeit mit verspielung vieler Zeit ein ander Liecht anzündete.



[176]
Das 16. Capitel.
In welchem ferrners erzehlet wird die vnzahlbare Müh vnd Arbeit / welche der tapffere Don Kichote nebst seinem frommen Waffenträger / Santscho Panssa in der Schencke oder Krug / den er zu seinem grossen Vnglück vor ein Castell oder Schloß hielte / außgestanden habe.

HIerzwischen vnd in wehrender dieser Zeit / war Don Kichote von seiner Ohnmacht wider zu sich selbs kommen / vnd mit ebenmässigem Hall vnnd Thon der Stimme / wie er des Tages zuvor seinem Waffenträger zugeruffen hatte / als er in dem Prügelthal die länge lang außgestreckt lage / fieng er auch allhiero an jhm zu ruffen vnd zu sagen: Santscho mein Freund schläffestu? schläffestu mein Freund Santscho? Was zum Hencker solte ich schlaffen / ich armer Teuffel? antwortete Santscho / als welcher voll laun vnd vnmuths war. Hats doch fast das ansehen / als wann alle Teuffel diese Nacht mit mir zuschaffen gehabt hetten. Wol kanstu dieses vnnd sonder allen zweiffel glauben / antwortete [177] Don Kichote, dann entweder ich muß gar nichts wissen vnd erfahren haben / oder dieses Schloß muß ein verzaubertes Castell seyn. Dann du solst wissen / jedoch so mustu mir zuvor schweren / daß du dieses / so ich dir jetzo sagen wil / biß nach meinem Tode verschwiegen vnd in geheimb halten wilst. Ja ich schwere / antwortete Santscho. Ich sag dieses darumb / sagte Don Kichote weiter / dann mir ist gantz zuwider / vnd mag nicht vertragen / daß einem einigen Menschen seine Ehre vnd guter Leimuth abgeschnitten werde. Sag ich doch ja / ich schwere / widerholte Santscho: Dann ich wils ja verschweigen biß nach ewer Gestrengigkeit Lebenszeit. Wolte aber Gott / daß ichs also fort morgendes Tages eröffnen vnd nachsagen möchte. So thue ich dir dann so viel vbels an / antwortete Don Kichote, daß du mich in so kurtzer Zeit gerne todt sehen möchtest? Es ist nicht dahin gemeinet / sagte Santscho wider / sondern nur darumb / daß mir gantz vnnd gar zuwider / vnd meiner Natur entgegen ist / daß ich etwas lange bey mir behalten sol. Vnd wolte ich ja nicht gern verursachen / daß es durch allzulange frist der vffhebung vnd verwahrnüß bey mir verfaulen vnnd vermodern möchte. Es sey nun / warumb es wolte / sagte Don Kichote, so verlaß ich mich doch eines grössern zu deiner Lieb vnd Höffligkeit.

Vnd also solstu nun wissen / daß heinte diese Nacht mir eine von den allerseltzambsten Abendthewren widerfahren ist / so ich werde jemahln fürbringen vnd herauß streichen können. Vnd damit ich dirs in aller kürtze erzehlen möge / so ists gar newlich / daß des Herrn vber dieses Castell Tochter zu mir kam / welche das geradeste vnd schönste Fräwlin ist / so weit vnd breit vff dem grossen Theil dieses Erdrichs kan gefunden werden. Was würde ich dir nur von der [178] Zierde vnd Schmuck jhrer Person sagen können? Was von andern geheimbten Sachen? welche ich aber / vmb meinem Fräwlein Dulcinéa von Toboso Trew vnd Glauben zu halten / allhiero ohnberührt lassen / vnd mit stillschweigen vberstreichen wil. Nur allein dieses wil ich dir sagen / daß der Himmel mir neidig ist / vnnd dieses also hohe grosse Gut / so mir das Glück selbs zu meinen Handen gebracht / mir mißgönnet. Oder vielleicht / ja viel mehr ist es gantz gewiß vnd warhafftig also / daß / wie ich gesagt habe / dieses Schloß verzaubert ist. Dann eben zu der Zeit / als ich mit jhr in dem allersüssesten vnd alleranmütig- vnd liebreichsten Gespräche war / siehe / da kam eine Hand / ehe ich michs versahe / vnd / mir ohnwissend / wannenher sie kahme / welche etwa an eines ohngehewren Riesen Arm stunde / vnnd versetzte mir ein Streich vff die Backen in solcher maß / daß mir solche mit Blut gantz benetzet vnd vbergossen seynd worden. Hernachmahls vberlieff vnnd zermalmete mich der Riese also schrecklich / daß es weit ärger anjetzo vmb mich stehet / als gestriges Tages / da die Eseltreiber wegen vbertritt meines Rossübralls / vns das vnrecht vnnd gewalt anthäten / als dir wol wissend ist. Dannenhero ich dann muthmasse / daß der Schönheit dieses Fräwleins herrlichen Schatz etwa ein verzauberter Mohr allhiero verwahren vnnd bewachen muß / vnnd daß er nicht mir zukommen / oder vor mich vffgehoben seyn werde.

Gleich so wenig auch vor mich / antwortete Santscho / alldieweiln mehr als vier hundert Mohren mich auff solche maß abgeplewet vnnd zerprügelt haben / daß die gestrigen Stangenpüffe vnnd Knüttelschläge / gegen dieses nur lauter Mandeltorten vnnd Pfefferkuchen seynd gewesen. Aber / [179] mein Herr / er sage mir doch / wie nennet er nun diese gute / vnnd nicht sonders gewöhnliche Abendthewr / durch welche wir also hübsch / wie wir wol fühlen / seynd zugerichtet worden? Wiewol ewer Veste haben noch etwas weniger Vngemachs hierauß empfunden / in dem sie die so vberauß treffliche Schönheit / wie sie zuvor gesagt / in jhren Händen gehabt haben. Ich aber / was hab ich doch gehabt / als die allergrössesten vnnd ohngehewersten Püffe vnnd Stösse / als ich Zeit meines Lebens ins künfftige zu bekommen vnnd außzustehen gedencke? Ach ich armer vnglückseliger Mensch! O der elenden müheseligen Mutter / so mich zur Welt gebohren hat! Der ich ja kein wallender Ritter bin / auch keiner Zeit meines Lebens zu seyn / oder zu werden gedencke / vnnd gleichwol nichts desto minder / so kompt mir allezeit der gröste Theil alles vnglücklichen Ergehens vnnd Vnfalls zu / vnnd trifft mich am meisten. So bistu dann etwa auch vbel geschlagen worden? fragte Don Kichote. Ey freylich / sprach Santscho / hab ichs dann zum Teuffel nicht schon gesagt? wehe mir drumb vnnd meinem gantzen Geschlecht! Gib dich zu frieden / mein Freund / sprach Don Kichote, dann ich wil jetzo einen köstlichen Balsam zubereiten / vermittels dessen wir in einem Augenblick wider gesund werden wollen.

Inmittels war der Gerichtsdiener mit anzündung des Liechts fertig worden / vnnd gieng wider hinein den jenigen zu beschawen / den er todt vnd erschlagen zu seyn gemeinet hatte. Eben nun / wie Santscho jhn also herein tretten sahe / vnd seiner also im Hembde gehend / mit einem Tuche vber vnd vmb den Kopff hergewunden / die Lampe in der Hand [180] haltend / vnd schrecklich graß vnnd mörrisch außsehend / gewahr wurde / fragte er seinen Herrn: Herr / möchte dieses wol zum Vellten[97] etwan ohngefehr der verzauberte Mohr seyn / der wider vmbgekehrt were vns noch einsten zu züchtigen / wo jhm ja noch etwas in seinem Tintfaß vbrig verblieben were? Es kan der Mohr nicht seyn / antwortete Don Kichote, dann die verzauberten lassen sich von niemanden sehen. Lassen sie sich nicht sehen / so lassen sie sich doch fühlen / sprach Santscho / wo nicht / so fragt nur meine Schultern vnd Lenden / die werdens euch fein zu sagen wissen. Ja auch die meinigen würdens wol zu sagen wissen / antwortete Don Kichote. Aber dieses ist nicht anzeigung vnd beweiß gnugsam / daß man darauß schliessen / vnd dafür halten könte / daß eben dieser / der sich allhiero sehen lesset / der verzauberte Mohr seyn müste.

Allhand kam der Gerichtsdiener etwas näher heran / vnd als er diese beyde in so anmütiger Gesellschafft mit einander sprachen funde / hielt er etwas an sich vnd blieb stutzend vnd zweiffelnde stillstehen. Nun ist es nicht weniger / daß Don Kichote noch allezeit mit der Guschen empor lage / vnd vermocht sich / wegen der Schläge vnd Püffe / wie auch des schmierens vnd der vffgelegten Pflaster / nicht zu regen oder zu wenden. Der Gerichtsdiener tratt nahe zu jhm hin / vnd sprach zu jhm: Nun wolan / wie gehts / mein guter Mann? Ich wolte etwas höfflicher Reden / antwortete Don Kichote, wann ich als jhr were. Braucht man dieser Orte Landes eine solche Art zu reden gegen reisende Ritter / jhr grober Tölpel? Der Gerichtsdiener / als er sahe / daß er von einem also schlechter gestalt vnd vbel außsehenden Menschen / so gar vbel angelassen wurde / konte es nicht vertragen / hub die Lampe zusampt [181] dem gantzen Wust des öhls vber sich in die Höhe / vnd schlug damit den Don Kichote vff solche maß wider den Kopff / daß er jhn Hauptwund / vnd sehr vbel zugerichtet hinder sich verliesse. Vnd als nun alles in der Cammer war finster worden / gieng er also fort seines Weges wider hinauß. Santscho Panssa aber sagte darauff: Herr / zweiffels frey ist dieser der verzauberte Mohr / vnnd wird gewiß den Schatz vor andere bewahren vnd verwachen / vor vns aber nichts / als gute Ohrfeigen vnd Lampenstösse. Also verhelt sichs freylich / antwortete Don Kichote, vnd hat man sich hieran nicht groß zu kehren / oder sich dieser Schwartzkünstlerey vnnd Zaubersachen hoch anzunehmen. So ists auch vmbsonst / daß man sich deßhalben erzürnen / oder auch vnmut vnd widerwillen wider sie tragen solte. Dann weiln dise dinge alle vnsichtbar / vnd ein ohnbegreiffliches geplerr[98] seynd / werden wir keine Mittel finden können / wie vnd an wem wir vns rechen möchten / ob wir schon vfs höchste vns darumb bemüheten. Stehe vff / Santscho / wo du nur anders kanst / ruff dem Hauptmann vnd Statthalter dieser Vestung / vnd verschaffe / daß man mir ein wenig Baumöhl / Wein / Saltz vnnd Roßmari gebe / vmb den heilsamen Balsam zuzurichten. Dann ich halte in warheit dafür / daß ich dessen wol rechtschaffen anjetzo von thun haben werde / in dem mir sehr viel Bluts auß der Wunden fleust / welche mir dieses Gespenste geschlagen hat.

Santscho erhub sich von seinem Lager mit grossem Schmertzen seiner Gebeine vnd Knochen / gieng also im dunckeln der gegend nach / da der Krüger sich befande / vnd als er den Gerichtsdiener / welcher stund vnd horchte / wie es mit seinem Feinde hinauß lieffe / ohngefehr antraff / vnd im gehen begegnete / sagte er zu jhm: Herr / wer jhr auch seyn möget / thut vns den [182] gefallen vnnd freundschafft / vnnd gebt vns ein wenig Roßmari / Oehl / Saltz vnnd Wein / alldieweiln die hohe Noth erfordert / daß man damit einen von den besten fahrenden Rittern / so auff der Welt mögen gefunden werden / heile vnnd wider gesund mache. Dann es ligt derselbe allhiero in diesem Bett / vnnd ist vbel geschlagen vnnd verwundet / von den Händen des verzauberten Moren / welcher sich in diesem Wirthshause vffenthelt. Als der Gerichtsdiener derogleichen hörte / hielte es jhn vor ein Menschen / der nicht bey rechter Vernunfft were. Vnd weiln es schon begunte zu tagen / machte er die Thür des Wirthshauses auff / rieff dem Krüger vnnd sagte jhm / was derselbe gute Mensch begehrte. Der Wirth versorgte jhn mit alle dem jenigen / was er gefordert hatte / vnnd Santscho machte sich wider zum Don Kichote, welcher lag / vnnd den Kopff in den Händen hielte / vnnd klagte nur jmmer vber den Schmertzen / so er von der OehlLampen empfangen hette / durch welche jhm gleichwol mehr Vbels vnnd Vngemachs nicht zugefügt war worden / als daß sie jhm zwey etwas auffgelauffene vnnd geschwollene Peulen vor dem Kopff empor gehoben hatte. Vnnd welches er vermeinte / daß es Blut were / war nicht mehr als nur der Schweiß / den er vber der Angst des vorgegangenen Vngewitters geschwitzt hatte. Kürtzlichen zu sagen / so nahm er diese eintzelne Stück / machte davon ein gemischtes / that sie alle vntereinander / vnnd kochte sie eine ziembliche geraume Zeit / biß er sich bedüncken liesse / daß das Werck seine Vollkommenheit würde erreichet haben. Hierauff begehrte er stracks ein Gutturff[99] oder Aengster[100] / vmb dieses alles hinein zu giessen. Als aber kein solches Glaß in der Schencke zu befinden [183] war / entschloß er sich / es in eine Blechsne Oehlflasche zu giessen / mit derer einer dann der Wirth jhn gutwillig verehrete. Vnnd also bald sprach er vber dieses Gefeß mehr dann achtzig Pater noster, vnnd gleich so viel Ave Maria, Salve vnnd Credo,[101] vnd einem jedweden Worte leistete er in form vnd gestalt eines Segens mit einem Creutzstreich gesellschafft.

Bey dieser gantzen Handlung waren nun zugegen Santscho / der Krüger vnnd Gerichtsdiener. Dann so viel den Eseltreiber belanget / derselbe war allmehlich hingangen / vnnd begunte in guter Ruh vnnd Fried seine Maulesel abzufüttern. Als nun dieses vollendet war / wolte er auch stracks drauff der Krafft vnnd Würckung dieses kostbaren Balsambs / wie er jhm einbildete / selbs in der Person einen Versuch vnnd augenscheinliche Probe thun / vnnd also tranck er von dem / so nicht in die Flasche gehen wolte / vnnd in dem Topff / darinn es gekocht war worden / vbrig verblieben war / ohngefährlich ein gut halb Maß. Nehrlich hatte ers hinunter getruncken / da fieng er an vff solche maß sich zu brechen vnnd zu vbergeben / daß jhm auch nicht das geringste im Magen wer vbrig blieben. Hierauff erfolgte ferrner wegen der Angst vnnd Bewegung im heraußwürgen / daß jhm ein häfftiger vnnd vber alle maß grosser vnd häuffiger Schweiß außbrach. Deßwegen er dann befahl / daß man jhn ja wol vnnd warm zudecken / vnd eine Zeitlang allein lassen solte. Welches sie dann auch solcher massen verrichteten / vnnd blieb er also länger als drey Stunden schlaffend / zu derer Ende er dann erwachte / vnnd sich widerumb gantz leichtes vnnd hurtiges Leibs / auch so gar der vorigen [184] zerquetschung vnd verletzung quitt vnd loß befande / daß er sich nunmehro gäntzlichen widerumb vor gesund vnd geheilet hielte. Vnd er glaubte in rechter Warheit / er hette des Fierrabras Balsam selbs angetroffen / vnd könte nunmehro vnd von dem an / vermittels dieser Artzney / allerhand Schlägerey / Schlachten vnd Zancksachen / wie gefährlich sie auch jmmer seyn möchten / ohn einige Furcht vnd Schrecken / außstehen vnd jhnen den Kopff bieten.

Santscho Panssa, welcher eben so wol die schleunige Besserung seines Herrn vor ein groß Wunderwerck hielt / bath jhn / daß er jhm doch dieses vollends geben möchte / so im Topffe noch vbrig were / dessen dann auch kein geringer Hauffen ware. Dieses ließ jhm Don Kichote zu. Santscho aber fassete den Topff zu beyden Fäusten / mit starckem Vertrawen vnd gutem Glauben vnd noch besserem Willen vnnd Gemüth / goß den Tranck zum Magen hinein vnd verschluckte dessen nicht viel weniger / als sein Herr zuvor gethan hatte. Nun war es aber an dem / dz des armen Santscho Magen nicht so zart / als seines Herrn seyn muste / vnd also / ehe er sich vbergab / befand er so viel angst vnd krümmens im Leibe / mit so hefftigem Angstschweiß vnd Ohnmachten / daß er eigentlichen vnd gewiß dafür hielte / es hette die Stunde seines Absterbens schon herbey genahet. Vnd als er sich nun also gequehlt vnd zermartert befunde / verfluchte er so wol den Balsam / als auch den Schelmshals / der jhn jhm gegeben hatte. Da jhn aber Don Kichote in solcher gestalt sahe / sprach er zu jhm: Ich glaub sicherlich / Santscho / daß alle dieses Vbel dir nur dahero widerfehret / weiln du kein gewaffneter Ritter bist. Dann ich halte gäntzlichen dafür / daß dieser Safft den jenigen kein Nutz vnnd Frucht bringen müsse / welche [185] nicht dieses Ordens seyn. Weiln dann ewer Gestrengigkeit das wusten / antwortete Santscho / wehe mir vnd meinem gantzen Geschlecht / warumb liessen sie dann geschehen / daß ich dessen kosten mochte? Eben in dem bekam der Tranck seine Würckung / vnd fieng der arme Waffenträger an / durch beyde Röhren sich hinden vnd forne / mit solcher hast vnd gewalt seiner Last zu erleichtern / daß weder die Schilffdecke / auff welche er sich wider nieder vnd zu Bett gelegt hatte / noch auch das Sackleinene Vbertuch / damit er sich bedeckte / jhm ferrner etwas nütze wurden. Er schwitzte / vnd troff von Feuchtigkeit mit so grossen vnd vielfältigen Anstössen vnd Zufällen / daß nicht allein er / sondern auch sonsten männiglichen der Meinung waren / daß er sein Leben enden vnnd auß dieser Welt abschied nehmen würde. Dieser Vberfall vnnd Widerwertigkeit wehrte mit jhm fast zwey Stunden / zu welcher endung er gleichwol nicht so leicht vnd lustig wurde / wie sein Herr / sondern verbliebe vielmehr so gar ermattet vnnd zerschlagen / daß er sich kaum vff den Füssen halten konte.

Don Kichote aber / welcher / wie obgedacht / sich aller erleichtert vnd gesund befande / trug begierde / also fort wider vffzuseyn / vnd von dannen zu ziehen / vmb sein Heil ferrner zu versuchen / in dem er sich bedüncken liesse / daß alle die jenige Zeit vber / die er daselbs verzog vnd sich vffhielte / er sich der Welt abthäte / vnd von derselben absetzte / ja auch alle / so in derselben elend vnd verlassen weren / seiner Güte vnnd Hülffe beraubte. Vnd dieses so viel desto mehr / wegen der Sicherheit vnd Vertrawens / so er vff seinen Balsam gesetzt hatte. Vnd also durch diese begierde gleichsam gezwungen / sattelte er selbs seinen Rossübrall / vnd machte auch seines Waffenträgers Thierlein fertig / wie er jhn dann auch halff ankleiden [186] vnnd vff den Esel steigen. Hierauff satzte er sich stracks zu Roß / nahete sich zu einem Winckel in der Schencke / erfaste eine grosse Stange / so daselbs stunde / damit er sich derer an statt einer Lantzen gebrauchen könte. Es stunden aber vnd sahen jhm mit fleiß zu / alle vnd jede / die in der gantzen Schencke waren / derer gleichwol vber zwantzig Personen seyn mochten / auch sahe jhn des Krügers Tochter an / vnd er gleichsfalls verließ kein Auge von jhr / ja zu weiln vnd zum öfftern ließ er einen tieffen Seufftzer / also daß es schiene / als ob er jhn auß der Tieffe seines Eingeweides herausser schüttete. Sie vermeinten aber allerseits / es kähme von den Schmertzen her / den er an den Ribben fühlete zum wenigsten dachtens die jenigen / welche den Abend zuvor jhm hatten öhlen vnd schmieren sehen.

Als sie nun beyde zu Roß sassen vnnd Don Kichote schon an dem Thor des Wirthshauses hielte / ruffte er dem Krüger / vnd sprach zu jhm mit gantz langsamer vnd ernsthaffter sprache: Viel vnd sehr groß seynd die Gutthaten / Herr Schloßhauptman / so ich in diesem ewerem Castell empfangen habe / vnd ich verbleib zum höchsten verpflichtet vnnd verbunden / euch dieselbe zeit meines Lebens zu vergelten. Kan ich euch solche belohnen / in dem ich euch rechen möchte können / an jrgends einem vbermütigen Menschen / der euch einig vnrecht vnnd gewalt würde gethan vnd zugefügt haben / so wisset / daß mein Ampt nicht anders ist / als den jenigen zuhelffen / so jhrer eignen Kräffte halber wenig vermögen / vnd die jenigen zu rechen vnnd zu vertretten / so vnrecht vnd gewalt leyden / vnd dann die Trewlosigkeit zu straffen. Geht zu rück in ewer Gedächtnüß / vnd errinnert euch / vnd wo jhr jchtwas derogleichen befindet / so jhr mir anzubefehlen vnd an mich zu begehren [187] hettet / so darffs nicht mehr / als daß jhr mirs nur kühnlich herauß saget. Dann ich versprech bey dem Orden der Ritterschafft / welchen ich bekommen hab / daß ich euch nach all ewrem Willen vnd Begehren vergnügen vnd bezahlen wil. Der Krüger antwortete jhm mit ebenmässiger Sanfftmütigkeit: Herr Ritter / Ich hab gantz nicht vonnöthen / daß ewr Gestrengigkeit mich wider einiges vnrecht oder vnbilligkeit rechen dürffen / dann ich weiß vor mich selbst derogleichen Raach zu vben / als mich recht bedünckt / wo mir ja von jemanden leyd widerfehret. Alleine hab ich dessen vonnöthen / daß ewr Veste die Kosten zahlen / so ich diese Nacht vber in diesem Wirthshause vffgewendet / so wol was Stroh vnnd Gerste vor ewre zwey Thier belanget / als auch / was vor die Abendmahlzeit vnd die Betten sich gehöret. Ey so ist dann dieses ein Krug? sagte drauff Don Kichote. O ja / vnd zwar gar ein vornehmer ehrlicher Krug / antwortete der Wirth. So hab ich in eim grossen Wahn vnd Irrthumb biß hieher gelebt / sagte Don Kichote wider. Dann in warheit / ich hab vermeint / es were ein rechtes / vnd zwar nicht schlechtes Schloß. Aber wie dem allem / vnd weiln sichs dann also verhelt / daß es kein Castell / sondern ein Krug ist / so kan man vor dißmahl weniger nicht thun / als daß jhr mich der Zahlung halber vor entschuldigt haltet / alldieweiln ich dem Orden der wallenden Ritter nicht zuwider thun / vnd demselben entgegen leben kan. Dann mir ist von jhnen gewiß dieses wissend / vnd hab ich auch biß annoch das Widerspiel gantz nirgends gelesen / daß sie niemahln in einigem Kruge / wo sie auch eingekehrt seyn mögen / weder Herberge noch anders gezahlt haben. Dann man ist jhnen ohne das von Gesetz vnd rechtswegen schuldig alle gute Bewirthung vnd Beherbergung / [188] so man jhnen thun vnnd bezeigen möchte / zu vergeltung der grossen vnd außzustehen fast ohnmöglichen Müh vnd Arbeit / welche sie leyden vnnd außtauren[102] müssen / in dem sie zu Tag vnd Nacht / im Winter vnd Sommer / zu Roß vnd Fuß / in Hunger vnnd Durst / in Hitze vnd Kälte / in Regen vnd Vngewitter / vnd mitten vnter allen Vngelegenheiten vnnd Beschwerligkeiten dieser Welt hin vnnd her reisen / jhr Glück versuchen / vnd in tapffern Thaten jhr Leben dahin wagen müssen. Das sicht mich alles wenig an / antwortete der Krüger / man zahle mir / was man mir schuldig ist vnd lasse derogleichen erzehlungen vnd vffschneiden[103] / wie auch die Ritterschafften an seinen Ort gestellet seyn. Dann ich meines theils hab mich vmb anders nichts zu bekümmern / als das meinige zu haben vnd zu vberkommen. Ihr seit ein Jeck vnd Schalckswirth / antwortete Don Kichote, nam seinen Rossübrall zwischen die Sporen / ließ seine dicke Bawrstange etwas nieder / vnnd wanderte zum Wirthshauß hinauß also daß jhn niemand vffhielte. Vnd also machte er sich eine geraume ecke von dannen / vnnd gab nicht achtung darauff / ob jhm sein Waffenträger folgte oder nicht.

Der Krüger / welcher jhn also ohngezahlt davon ziehen sahe / machte sich an den Santscho / vmb die Zahlung von jhme zuhaben / welcher jhm aber zur abtwort gab / weiln sein Herr nicht hette zahlen wollen / so wolte auch er eben so wenig zahlen. Dann weiln er / wie sichs dann in der That also verhielte / eines fahrenden Ritters Waffenträger were / gülte eben die Regel vnd Vrsach so wol vor jhn / als vor seinen Herrn / also daß er in keinen Herbergen vnnd Schencken jchtvas zahlen dürffte. Hierob wurde der Krüger sehr zornig vnd vngehalten / vnd beträwete[104] jhn / wo er jhn nicht zahlen würde / daß ers vff solche [189] maß von jhm bekommen wolte / daß es jhm nicht gefallen würde. Darauff antwortete Santscho / daß er von wegen Ordnung vnd Gesetz der Ritterschafft / welche sein Herr erworben hette / nicht ein einigen Heller zahlen wolte / vnnd solte es jhn auch schon sein Leben kosten. Dann jhm / dem Wirth / zu gefallen wolte jhm nicht gebühren / den guten alten Gebrauch vnd Herkommen der wallenden Ritter im geringsten zu schmälern / oder darein eintrag zu thun / es solten auch derer oberwehnten Ritter jhre Waffenträger / so etwan ins künfftige zur Welt möchten geboren werden / ob GOTT wil nicht vrsach oder anlaß haben / sich vber jhn mit fug zu beklagen vnnd zu beschweren. Vnd hierbey verhub[105] er dem Wirth gar sehr / daß er ein so gerechtes Gesetz vnd Ordnung brechen / vnnd demselben widerkommen wolte.

Das widerwertige Glück des vnseligen vnglückhafften Santscho verhieng eben damahls / daß vnder dem Volck / so in dem Kruge war / sich auch vier Weißgerber von Segovia, drey Nadler von dem Platze beym Diebsbrunn zu Cordua, vnd zwey am Marckt zu Sevilien wohnhaffte Bürger befunden. Vnd diese waren frewdige lustige Bursche / kühne Waghälse / Buschklopper[106] vnd sonsten Bossenreisser / vnd wurden gleich einhällig / durch einerley Geistes eingebung gereitzet vnd getrieben / daß sie sich an den guten Santscho machten / huben jhn fein sachte von seinem Esel / vnd gieng jhrer einer hinein die Vberdeck von des Wirthsbette zuholen. Auff diese legten sie jhn nun / huben die Augen empor / vnd befanden / daß das Dach etwas zu niedrig war / als sie dessen zu jhrem bevorhabenden Werck vonnöthen hatten. Schlossen also / daß sie hinauß in den Hoff gehen wolten / welcher den Himmel zur Gräntz vnnd [190] Decken hätte. Allhier nun legten sie den Santscho vff die mitte des Bettuchs / vnd huben an jhn empor vnd in die höhe zu heben / vnd mit jhm eine ebenmässige Kurtzweil zu treiben / wie man zu Faßnachtszeit mit den Hunden zu thun pflegt. Das Geschrey / so der elende mühselige Fangball Santscho führte / war so groß vnd starck / daß es biß zu seines Herrn Ohren durch die Lufft hindurch drunge / welcher / als er stillhielte / vnd mit grosser vffmerckung vnd andacht zuhorchte / hielte er anfangs dafür / daß jhm etwa eine newe Abendthewr vffstiesse / biß so lang / daß er gantz klar vnd eigentlichen erkante / daß derjenige / welcher also schrie / sein Waffenträger were. Derowegen er dann mit gewendetem Zügel das Pferd herumb warff / vnd in beschwerlichem vollem Lauff bey dem Wirthshause ankame / welches / als er es beschlossen antraff vnd befande / vmbrennete ers vmb vnd vmb / zu versuchen / ob er nicht ein Ort finde / durch welchen er hinein zukommen vermöchte. Aber er war kaum an des Hoffes Wände / so nicht gar sonderlich hoch waren / heran kommen / da sahe er das böse Spiel / so man mit seinem Waffenträger triebe. Er sahe jhn in der Lufft vff- vnd nieder mit solcher Zierde vnd in so grosser geschwindigkeit daher fahren / daß / wo es jhm der gifftige Zorn vnd Grimm zu gelassen vnnd nachgegeben hette / wolte ich gäntzlichen dafür halten / er würde gelacht haben. Er versuchte / ob er von dem Pferde vffs Schindeldach hinauff steigen möchte / aber er befunde sich so gequetscht vnnd zerschlagen / daß er auch auß den Steigpügeln zukommen nicht vermochte. Vnd also fieng er an von dem Pferde herab wider die jenigen / so den Santscho also schwungen / vnd mit jhm des Fangeballs spielten / so schreckliche Schmähwort vnd Schandreden außzugiessen / daß es ohnmöglich ist / solche mit schreiben an den Tag zu geben. Aber deßhalben hörten jene [191] nicht auff weder zu lachen noch jhr werck fortzutreiben. Ja auch der Lufftspringer Santscho fuhr nicht minder fort / sein Wehklagen zu führen / vnter welches er zuweiln Dräwwort / zuweiln auch flehen vnd bitten mit einmischte. Aber es halff alles sehr wenig / hat auch nicht ehe geholffen / biß sie aller ermüdet vnd gantz abgemattet / von jhm endlichen abliessen.

Also zohen sie jhm nun seinen Esel für / satzten jhn drauff / vnd gaben jhm seinen Filtzmantel wider vmb. Aber die mitleidige Maritornes, als sie sahe / daß er so zerplaget vnnd abgemattet war / bedünckte sie nicht vnrathsamb zu seyn / daß sie jhm mit einem Kruge voll Wassers zu hülffe kähme. Vnd also brachte sie jhm dessen vom Brunnen / weiln es desto frischer seyn würde. Santscho nam es zu sich / vnnd in dem ers zum Munde führte / hielte er damit doch noch inne vnnd zurück / als er seines Herrn Geschrey vernahm / welcher sagte: Sohn Santscho / trinck nicht Wasser / mein Sohn trincks nicht / dann es wird dich vmbn Hals bringen. Siehe / hier hab ich den allerheilsambsten Balsam / (vnnd weißte also vff die Flasche seines zugerichteten Trancks) dann wann du dessen zwey Tropffen trincken wirst / solstu zweiffels frey wider gesund werden. Vff solche Wort verwandte Santscho die Augen gleichsam seitwarts oder vberzwerch / vnd sagte mit viel hellerer Stimme: Zum Velten / hat dann ewre Veste vergessen / wie daß ich ja kein Ritter bin / oder wollen sie vielleicht gern / daß ich all mein Eingeweide / so mir noch von der vorigen Nacht vberblieben / vollends gar außspeyhe / der Junckher behalte nur seinen Safft vor sich / in aller Teuffel Nahmen / vnnd lasse mich mit Ruh. Das außreden dieser Wort / vnd das ansetzen des Krugs [192] war alles eins / vnnd geschach beydes zugleich. Aber als er am ersten Schluck vermerckte / daß es Wasser war / wolte er nicht weiter dran / sondern bath die Maritornes, daß sie jhm Wein brachte. Vnnd das that sie auch willig vnd gern / vnnd zahlte es auß jhrem eignen Beutel. Dann in grund der Warheit wird jhr dieses nachgesagt / daß / ob sie wol in dem Stand lebte / so war doch noch ein schatten / vnnd etwas gestalt einer Christin an jhr zu werspühren. Als nun Santscho getruncken hatte / gab er seinem Esel die Hacken in Rumpff / vnd als jhm das Thor der Schencke zu beyden Flügeln geöffnet / vnd weit gnugsam auffgesperret wurde / ritte er herauß sehr frölich vnnd guts muths / daß er nichts gezahlt hatte / vnd es jhm nach seinem Kopff vnnd Sinne gegangen vnd außgeschlagen war / ob es wol zu Entgeltung vnnd Schaden seiner gewöhnlichen Bürgen beschahe / welches dann seine Schultern vnnd Lenden waren. Gleichwol ists nicht ohne / daß zu bezahlung des jenigen / was man dem Wirth schuldig war / jhme des Santscho Brodsack zurück vnd in Handen bliebe. Aber Santscho vermißte jhn vor dißmahl nicht / also gar mit Gedancken beladen / vnnd in seinem Kopff verwirret / zoch er auß dem Kruge herauß.



[193]
Das 17. Capitel.
In welchem die Gespräche erzehlet werden / welche Santscho Panssa mit seinem Herrn / dem Don Kichote führte / mit andern Abendthewren / so zu erzehlen wol würdig seynd.

SAntscho nahete sich widerumb zu seinem Herrn / aller ermattet vnd krafftloß / also gar / daß er auch seinen Esel weiter an- vnd fortzutreiben keine Kräffte mehr hatte: Als jhn nun Don Kichote also ersahe / sprach er zu jhm: Jetzund glaub ich vollends gäntzlichen / mein frommer Santscho / daß jenes Schloß oder Wirthshauß ausser allem zweiffel verzaubert ist. Dann wer konten dieselben / die so eine erschreckliche Kurtzweil mit dir trieben / sonsten anders seyn / als Gespenste vnd Leute auß der andern Welt. Vnnd dieses bestettigt mich noch mehr in meiner Meinung / daß ich befunden habe / daß / als ich an dem Schindeldach der Wand hielte / vnd die grossen Vnthaten vnd böses Beginnen deines trawrigen Schawspils mit anschawete / mir nicht müglich war vber die Wand zu steigen vnd noch viel weniger von dem Rossübrall herab zukommen / alldieweiln [194] sie mich ja bezaubert haben müssen. Dann ich schwere dir bey Trewe vnnd Glauben des jenigen / der ich bin / daß / wo ich hette hinüber kommen / oder aber vom Pferde absteigen können / ich dich an denselben Wütterichen[107] vnnd Strassenräubern solcher massen wolte gerochen haben / daß sie des Schimpffs vnnd Schertzes in ewigkeit nicht hetten vergessen sollen / ob ich schon dißfalls die Gesetze der RitterschafftOrdens hette vbergehen vnnd brechen müssen. Dann / wie ich dir schon nun zum offtern gesagt habe / so lassen dieselben nicht zu / daß ein Ritter an einem andern / der kein Ritter ist / Hand anlege / es sey dann zu verthäydigung vnnd beschützung seiner eigenen Person vnnd Lebens / im fall hochdringender vnnd eusserster nothwendigkeit.

Ebenermassen wolte auch ich mich gerochen haben / wo ich nur gekont hette / sprach Santscho / GOtt geb / ich möchte ein gewaffneter Ritter gewesen seyn oder nicht. Aber ich konte leyder nicht / ob ich wol meines theils gäntzlichen dafür halte / daß die jenigen / so jhren Schertz vnd Kurtzweil mit mir trieben / nicht Gespänste oder verzauberte Leute waren / wie der Junckher spricht / sondern es waren rechte Menschen von Fleisch vnnd Bein / gleich wie wir andern seind / vnnd hatten alle / wie ich sie habe nennen hören / als sie des Fangpalls mit mir spielten / jhre sonderbahre Nahmen. Dann der eine hieß Peter Mertens / der ander Tenner Hermens / vnnd der Wirth / hörte ich wol / daß sie jhn Hans Taubling den Lincktatschen[108] hiessen. Daß also / Herr / die Vrsach / warumb jhr nicht vber die Wand des Hofes steigen / noch vom Pferd absitzen kontet / von etwas anders / als von Zauberey herrührete. Vnd / so viel ich auß diesem allem nehmen vnd befinden kan / so bedünckt mich / daß alle diese versuchungen vnsers Glücks [195] endlich vnd im außkehricht vnd so viel Vnglücks vbern Hals ziehen werden / diß wir nicht mehr wissen / welchs vnser rechter Fuß sey. Das beste vnnd bequembste wer meines wenigen erachtens / daß wir wider nach vnserm Dorffe vmbkehrten / in dem es jetzo gleich Erndte zeit ist / vnd vff vnsere Nahrung vnnd Haußaltung achtung geben / als daß wir also in der Irre herumb bald hieher / bald dorthin / wallen / vnd / wie man im Sprichwort sagt / auß dem Regen in die Trauffe gerathen.

Wie gar wenig weissest vnnd verstehestu doch Santscho / antwortete Don Kichote, von Ritterschafftssachen. Halts Maul / vnd hab gedult / dann es wird noch einsten die Zeit kommen / daß du augenscheinlichen sehen vnd erkennen mögest / wie so gar ein ruhmwürdig Werck es sey / dieser herrlichen vnd ritterlichen Vbung nachzuziehen. Wo nicht / so sag mir / was grössere ergetzligkeit mag vff der Welt seyn / oder welche Frewde kan sich der jenigen vergleichen / wann man eine Schlacht gewinnet / vnnd den Sieg vber seinen Feind davon bringet? Gewißlich keine / ausser allem zweiffel. Es mag dem wol also seyn / antwortete Santscho / ohngeachtet ichs meines theils nicht weiß. Diß einige weiß ich gleichwol mich wol zu erinnern / daß / nach dem vnd so lange wir fahrende Ritter seind gewesen / oder sol ich sagen / nach dem es ewer Veste seind (dann ich meines wenigen theils hab nicht vrsach / daß ich mich vnter eine so ehrenwürdige Zunfft rechne) so haben wir noch niemahln einige Schlacht gewonnen / als die mit dem auß Biscaja, vnnd eben auß derselben kamen ewr Gestrengigkeit mit einem halben Ohre / vnnd kaum mit der Helffte jhres Thurnierhelms davon. Dann von der Zeit biß hieher ists mit vns nichts anders gewesen / als daß wir nur jmmer seynd geprügelt [196] vnnd abermahls noch ärger geprügelt worden / daß wir nur gute Stösse vnd Püffe / vnd ferrner hernach noch bessere Stösse vnd Püffe bekommen vnd davon getragen haben. Ich aber hab noch dieses zum vortheil vnd vorauß gehabt / daß ich bin tapffer in der Lufft geschwungen vnd mit mir des Fangballs ist gespielet worden / bevorab aber / daß mir dieses alles von verzauberten Personen widerfahren ist / an denen ich mich nicht rechen kan / nur daß ich doch auch möchte verstehen vnnd begreiffen lernen / was vor treffliche Lust vnnd Ergetzligkeit man an der Raach befindet / so man in vberwindung seiner Feinde vbet / gestalt dann hiervon der Junckher zu sagen pfleget.

Das ist eben das anliegen das mich drückt / Santscho / vnd daß du sonder zweiffel auch fühlen must / gab Don Kichote zur antwort. Aber von diesem an ins künfftige / wil ich anstellung machen / daß ich ein Schwert zur hand haben möge / welches also meisterlich vnd künstlich gemacht sey / daß dem jenigen / der es an sich tragen wird / keinerley art von Zauberey könne beygefügt vnd angethan werden. Vnd könte noch wol etwa sich zutragen / daß mir das Glück des Amadis Schwert zu schantzte / von welchem er sich den Ritter des brennenden Schwerts nennete / welches auch das beste Schwert gewesen / so jemahln einiger Ritter von der Welt mag geführt haben. Dann ausser dem / daß es oben angedeutete Krafft vnd Tugend an sich hatte / so schnitte es auch als ein Schermesser / vnnd wurde kein Waffen gefunden / wie starck vnd verzaubert es auch gewesen were / welches vor demselben hette bestehen vnd ein Puff außhalten mögen. Ich bin so glückhafft / sprach Santscho / daß wann vnnd ob schon dieses beschehe / vnnd ewer Veste etwa ein derogleichen Schwert zu handen bekähme / würde es doch nur gewaffneten [197] RittersLeuten dienlich seyn vnnd zu nutz kommen / ebenermassen wie auch der Balsam / den Waffenträgern aber weiter nicht / als daß sie jhren Schmertzen vnnd Elend würden in sich fressen müssen. Befürchte dich dessen nicht / Santscho / sagte Don Kichote, dann der Allerhöheste meints besser mit dir.

In diesen Gesprächen reiseten die beyde Don Kichote vnnd sein Waffenträger / jmmer fort. In dem sahe Don Kichote, daß vff der Strassen / die sie zogen / gegen sie herwarts eine grosse vnd dicke Staubwolcke vffstund vnd sich ereugete / vnd / in dem er deroselben gewahr wurde / wendete er sich gegen den Santscho / vnd sagte zu jhm / dieses ist der Tag / O Santscho / an welchem man die grosse Herrligkeit sehen wird / so mir das Glück vffgehoben vnnd biß anhero verwahret hat. Diß ist der Tag / sag ich noch einsten / an welchem sich mehr / als an einigem andern Tage / die Krafft vnnd Mannhafftigkeit mienes Arms erzeigen wird / vnd an welchem ich solche Thaten thun wil / welche in den Büchern der vnsterblichen Ehre zu allen zukünfftigen Zeiten angeschrieben vnd vffgezeichnet verbleiben sollen. Siehestu wol jenen Staubhauffen / Santscho / welcher sich dorthinwarts erhebet? Nun dieses gantze Werck ist nichts anders / als eine Zusammenziehung eines trefflichen grossen vnd volckreichen Kriegsheers / welches von vnterschiedlichen vnnd vnzahlbaren Völckern zusammen gelauffen ist / vnnd nimbt seinen Durchzug dieser Orte her. Mit der weise müsten der Heere zwey seyn / sprach Santscho / dann in jener Seiten erhebt sich im gegentheil ebenermassen ein gleicher Staub. Don Kichote wendete sich dieses zu sehen / vnnd befande / daß es also in der Warheit beschaffen war. Hirob erfrewete er sich vber allemassen / [198] vnnd dachte sonder allen zweiffel / es weren zwey Kriegsheer / welche daher zogen einander zu begegnen / vnd den Kopff zu bieten / vnnd daß sie da gleich in der Mitte auff der breiten Ebene einander eine Schlacht lieffern würden. Dann alle Stunden / ja alle Augenblicke hatte er seine Sinne vnd Gedancken voll aller der jenigen Schlachten / Verzauberungen / abendthewrlichen Geschichte / aberwitzigen Rasens / Verliebungen vnnd Außforderungen / derer in den Rittersbüchern gedacht wird / vnnd alles / was er nur redete / dachte oder that / war vff derogleichen Sachen gemeinet vnd angesehen.

Der Staub aber / den er gesehen hatte / wurde von zwey grossen Heerden Schaaffe vnd Schöpfe[109] erhoben / welche eben gegen selbige Strasse von zwey vnterschiedenen Orten getrieben kamen / vnd wegen des grossen Staubs / ehe nicht mochten gesehen vnnd erkant werden / biß sie gar nahe herbey kamen. Es bekräfftigte es aber Don Kichote mit solchem bestand vnd ernsthafftigkeit / samb weren es Kriegsheere / daß Santscho es zu glauben begunte / vnd sagte zu seinem Herrn: Was sollen dann nun wir thun Herr? Fragstu was? sagte Don Kichote, den dürfftigen / welche nothleyden / vnd den hülfflosen zu hülff kommen vnd beyspringen. Vnd du solst wissen / Santscho / daß dieses Heer / so vns entgegen kompt / von dem grossen Kayser Alifanfaron geführt vnnd regiert wird / welcher die grosse Insel Trapobana innen hat vnd besitzet. Das ander Heer aber / so seitwarts herein zeucht / ist seines Feindes des königs von Garamantas, welchen man Pentapolin mit dem vffgestrichenem Arm zu nennen pflegt / darumb / daß er den rechten Arm in der Schlacht allzeit bloß vnd vffgestrichen führet. Wolan / fragte Santscho / warumb seynd dann diese beyde Herrn einander so vbel gewogen? [199] Sie wollen darumb einander nicht wol / gab Don Kichote zur antwort / weiln derselbe Alifanfaron ein rasender thörichter Heyde ist / vnd hat sich in des Pentapolin Tochter verliebt / welche ein trefflich schönes vnnd vber alle maß liebreiches Fräwlin / vber diß auch eine Christin ist / vnnd wil sie jhr Vatter dem Heydnischen Könige nicht geben vnnd vbereignen / es sey dann / daß er zuvorhero seines falschen Propheten Mahumets Glauben verlasse / vnd sich zu dem jhrigen bekehre. Bey meinem Barth / sprach Santscho / Pentapolin thut sehr wol daran / vnd ich bin schuldig jhm hierinn zu helffen / so viel mir jmmer müglich seyn wird. Hieran wirstu das jenige verbringen Santscho / was du schuldig bist / sagte Don Kichote. Dann zu derogleichen Streit vnd Schlachten / ist nicht so eben vonnöthen / daß einer ein gewaffneter Ritter sey. Das begreiff ich wol / antwortete Santscho / aber wo lassen wir diesen Esel / damit wir gleichwol versichert seyen / daß wir jhn nach endung dieses Scharmützels[110] wider finden. Dann sich mit derogleichen Reuterey beym Streit finden zu lassen / ist meines bedünckens biß anhero beym Kriege noch nicht herkommen. Freylich ists wahr / sagte Don Kichote, das beste / so du mit dem Esel thun kanst / ist / daß du jhn nur dem Glück befehlest / vnnd ledig außhingehen lassest / GOtt geb er verlier sich oder nicht. Dann es werden der Pferde so viel seyn / welche wir in vnserer gewalt also dann haben werden / nach dem wir den Sieg werden davon getragen haben / daß es auch mit dem Rossübrall sehr mißlich stehet / ob ich jhn nicht gegen ein ander Pferd vertauschen werde.

Aber / lieber höre mir doch ein wenig zu / vnnd schawe auff. Dann ich wil dir die vornehmbsten Ritter / so in diesen beyden Kriegsheeren einher ziehen / [200] weisen vnd erzehlen. Vnd damit du sie desto besser sehest vnd in acht nehmest / so laß vns auff diese Höhe / die sich allhiero erweiset / abweichen / von dannen man beyde Heer gar wol wird absehen können. Vnd also thäten sie / vnd stellten sich vff einen Hügel / von welchem man alle beyde Heerden Schaaffe / so dem Don Kichote zu Kriegsheeren wurden / gar wol hette mögen vbersehen vnnd erkennen / wo die Wolcken des Staubes / den die Schaaffe regten vnnd erweckten / jhnen nicht das Gesicht verwirret vnd verblendet hetten. Aber dessen allen ohngeacht / weiln er seiner einbildung nach / das jenige sahe / was er nicht sahe vnd auch nicht vorhanden war / fieng er an mit erhobener Stimm zu sagen: Jener Ritter / den du dort in den gelben Waffen siehest / der einen gekröhnten zu einer Jungfrawen Füssen vff der Erd liegenden Löwen im Schild führet / ist der streitbare Laurcalco, Herr der Silbernen Brücken. Der ander dort mit den Goldbluhmen / der im Schilde drey Silberne Cronen in einem blawen Felde führet / ist der von männiglichen hochgefürchtete Micocolembo, Großhertzog von Quirocia. Der ander mit den grossen Riesengliedern / der zu seiner rechten Hand helt / ist der niemahln furchtsam befundene Brandabarbaran von Bolitzsche, Herr der dreyen Arabien / welcher mit derselben Schlangenhaut dort gewaffnet einher zeucht / vnd führt an statt des Schildes ein Thor / welches / als man sagen wil / eines von iener Kirchen ist / welche Simson darnider riß / als er sich mit seinem Tode an seinen Feinden rechete. Aber wende die Augen vff diese andere seite / da wirstu sehen forn vnnd an der Spitze dieses andern Kriegsheers / den allzeit siegenden / vnnd noch niemahln vberwundenen Timonel von Carcajona, [201] Fürsten zu new Biscaja, welcher herein zeucht mit Waffen / die in vier Viertheil getheilt seyn / blaw / grün / weiß vnd bleichgelb / vnd führt in seinem Schilde eine güldene Katze / in einem Löwenfarbenen oder braunlichten Felde / mit einem beygezeichneten Wort / welches heißt Miu, welches der Anfang seiner Buhlschafft Nahmens ist. / Dann / als man sagt / ist es die vnvergleichlich schöne Miulina, eine Tochter Hertzogs Alfegmiken von Algarve. Derselbe ander dort / welcher vff jener trefflichen starcken Wilde sitzet / der die schönen schneeweissen Waffen an hat / mit dem weissen gantz ledigen Schilde / ist ein newer Ritter / seiner Landart ein Frantzoß / Peter Papihn genant / Herr vber die zwey Herrschafften de Utrique. Der ander / der mit den eisernen Hacken jenen schönen leichten gleichsam gemahlten wilden Rehlin / die Seiten also zerhewet / vnd die Waffenfarbige fast meergrünen Rüstung führet / ist der großmächtige Hertzog von Nerbia, mit dem Nahmen Espartafilardo auß dem Busche / welcher zu seinem Spruch vnd Reim ein Feld voller grünes Spargens führet / mit diesen Worten / vff Castilianisch geschrieben: Mein Glück zeucht der spuhr nach.

Vnd vff solche masse fuhr er fort / gar viel Ritter des einen vnd des andern KriegsHeers / wie er sie jhm einbildete / zu nennen: vnd einem jedweden gab er ohngefährlich vnnd bald aussm Stegreiff / seine Waffen / Farben / Reime vnd Sprüche / nach dem er hierzu durch einbildung seiner ohnerhörten Thorheit geführt vnd angeleitet wurde. Vnd ohn einiges innhalten / sprach er ferrner: In diesem Geschwader oder Hauffen / der gleich gegen vns vber herein zeucht / befinden sich Völcker von allerley Landsart. [202] Dann darunter seind etliche / welche von den süssen vnd lieblichen Wassern des weitberühmbten Flusses Xanthus trincken: Da seynd die vff den Bergen wohnen / vnnd die Massilischen Felder betretten / da seynd / die das reineste vnnd kleinlichste Gold der glückseligen Arabia sieben / die der berühmbten vnnd frischen Bächlin des hellen Flusses Termodonte sich gebrauchen / die dem mit Gold fliessendem Pactolo hin vnd wider durch viel vnd mancherley Abwege Adern schlagen / die zweiffelhafften Numiden, ob sie jhre Zusag halten wollen oder nicht / die in Flitsch[111] vnd Bogen hochgerühmbte Persen / die Parter vnd Meder / welche auch streiten / in dem sie fliehen vnd Ferschengeld geben / die Araber / die jhre Häuser vnd Wohnungen offt verändern: Die Scythen / die gleich grawsam seind / als weiß sie seind: Die Aethiopen vnd Mohren / mit den durchstochenen Lippen / vnd andere Völcker von vnzehlichen Landsarten / derer Gesichter ich zwar wol sehe vnd erkenne / ob ich mich schon aller jhrer Namen nicht eigentlichen erinnern kan.

In jenem andern Kriegsheer ziehen die jenigen / welche von den Christallinen Flüßlin des von Olivenbäumen sehr fruchtbahren Betis trincken / dort ziehen die / welche jhre Angesichter mit der Nesse des allzeit reichen vnnd Goldführenden Flusses Tagus reinigen vnnd saubern: Weiter die / welche an den fruchtbahren Wassern des Göttlichen Flusses Genil sich ergetzen: Die / so die Tartesischen mit herrlicher Weide vberflüssig gezierten Felder mit jhren Füssen tretten: Die / so sich in den Elisischen Xerezanischen Awen erlustiren: Die reichen / vnd mit braunen Kornähren gekröhnten Mantscheger: Die mit Eisen bekleideten / der alten Gothen noch vbrige Nachkömblinge [203] Die / welche im Fluß Bisuerga sich baden / welcher wegen liebligkeit vnnd anmutigkeit seiner Wasser / weit vnnd ferrne berühmbt ist: Die / so vff den weiten vnnd breiten Awen vnnd Wiesen der krummfliessenden Guadiana, welche wegen jhres vnderm Erdrich verborgen lauffenden Wassers / männiglichen wol bekant ist / jhr Vieh weiden: Die / so von Kälte des Wäld- vnd Püschichten[112] Pyrenéi zittern: Die von den weissen Spitzen des hocherhabenen Bergs Appennin. Vnd endlichen / so viel derer gantz Europa in sich hat vnd begreiffet. Hilff ewiger GOTT / was vor ein hauffen Länder erzehlet er da? was vor ein wust Landsarte vnd Völcker nennete er? vnd gab allen vnd jedweden mit wunderbahrer geschwindigkeit jhre Eigenschafften / so jhnen gehörten vnnd zustunden / in dem er in seinen Lügenbüchern / so er hierüber gelesen hatte / gantz ersoffen / vnd drauff erpicht ware.

Santscho Panssa hörte seinen Reden so gar andächtig zu / daß er fast darob gantz entzuckt wurde / vnnd selbs kein einig Wort redete. Je zuweilen wendete er den Kopff hin vnnd wider / vmb zu versuchen / ob er dann etwa die Ritter vnnd Riesen ersehen könte / welche sein Herr nennete. Vnd als er derer so gar keinen zu Gesicht bekommen konte / sprach er zu jhm: Herr / daß sie der Teuffel hette / weder Mensch / noch Riese / noch Ritter / so viel derer ewer Gestrengigkeit erzehlen / lässet sich ja allhiero vmb vnnd vmb nicht spüren. Zum wenigsten kan ich sie ja meines theils nicht zu sehen bekommen. Wer weiß / obs nicht vielleicht lauter verzaubert Werck ist / gleich wie mit den Gespänsten in der vergangnen Nacht. Wie magstu doch das sagen? gab jm [204] Don Kichote zur antwort. Hörstu dann nicht das meckern der Pferde / das blasen der Trommeten / vnd das schlagen der Heerdrummeln? Ich höre gantz nichts mehr vnd anders / antwortete Santscho / als nur ein grosses vnd vielfaltiges blechen von Schaaffen vnd Schöpfen. Vnd also verhielt sichs auch in der Warheit. Dann es begunten nunmehro allhand die zwey Schaaffheerden sich zu nahen vnnd heran zu kommen. Die Furcht so du hast / sprach Don Kichote, machet / Santscho / daß du weder recht siehest / noch recht hörest. Dann vnter andern Würckungen vnd Früchten der Furcht / ist auch dieses eine / daß sie die Sinne zerrücket vnnd verwirret / vnnd vervrsacht / daß kein Ding das jenige recht zu seyn scheinet / was es ist. Vnd wo es ja also beschaffen ist / daß du dich so sehr fürchtest / so mach dich ein wenig vff die Seite / vnnd laß mich allhiero allein / dann ich allein gelte so viel / vnd bin gnugsam / daß ich dem jenigen Theil / dem ich zu hülff komme / den Sieg zu weg bringen kan. Vnd gleich in dem / als er dieses sagte / gab er dem Rossübrall die Spohren / legte mit der Lantzen ein / vnd stürtzte sich / nicht anders als ein Wetterstrahl[113] / von dem Hügel herunter.

Santscho schrie jhm nach vnnd sprach: Herr Don Kichote, ewr Gestrengigkeit kehren doch wider vmb. Dann ich schwer zu GOTT / daß dieses nur Schöpfe vnd Schaaffe seynd / die er hinzeucht anzugreiffen. Er wende sich doch. Ach weh meinem elenden Vatter / der mich gezeuget hat / was ist doch das nur vor Thorheit? Er sehe doch nur / daß hier weder Riese noch einiger Ritter von der Welt zu sehen ist / weder Katzen noch Waffen / noch getheilte oder vngetheilte / gantze oder halbe Schilder / weder Meergrün noch Himmelblaw / weder der Teuffel noch seine Mutter. Was sols doch seyn / daß er vernimbt? [205] Daß Gott erbarm / Wehe mir Sünder / der ich bin. Aber an diß schreyen kehrte er sich nicht / noch kehrte deßhalben vmb / sondern ritte mit grossem geschrey fort / vnd rieff laut: Wolan jhr Ritter / jhr die jhr vnter den Fahnen des streitbahren Kaysers Pentapolin, mit dem vffgestrichenem Arm ziehet / vnd dienet / folgt mir nur alle kecklich[114] nach. Dann jhr solt sehen / wie gar leicht vnd ohne Müh / ich an seinem Feinde / dem Alifanfaron von Trapobana, Raach vben wil. Vnd als er dieses sagte / satzte er mitten in den hauffen Schaaffe hinein / vnd fieng an mit der Stang auff sie hinein zu schirmen vnd zu schlagen / mit solcher Hertzhafftigkeit vnnd Tapfferkeit / als wann er in rechtem ernst seinen Todtfeinden mit der Lantzen also begegnete. Die Schäffer vnd Hirten / so bey der Heerde giengen / schrien jhm zu / er solte es doch nicht thun. Als sie aber vermerckten / daß sie nichts damit schafften vnd fruchteten / machten sie jhre Schleudern loß / vnd fiengen an / jhme das Gehör mit fäuste grossen Steinen zu grüssen. Don Kichote aber kehrte sich nichts an die Steine / sondern rennete nur jmmer hin vnd her vnd schrie: Wo bistu nun / du hoffertiger[115] Alifanfaron, komm nur zu mir heran / dann ich bin nur ein eintziger Ritter allein / welcher Mann für Mann deine Stärcke zu versuchen / vnd dir das Leben zu nehmen begehret / zur Straff des jenigen / so du an dem hertzhafften Pentapolin Garamanta verübest. Gleich in dem kam ein feiner glatter vnd ziemblicher schwerer Bachstein an / traff jhn gleich in die Seite / vnd versenckte jhm also fort zwey Ribben im Leibe. Als er sich so gar vbel zugerichtet befande / vermeinte er sonder allen zweiffel / daß er entweder todt / oder doch vbel verwundet were. Vnd in dem er sich seines Trancks vnnd [206] Saffts erinnerte / langte er seine Flaschen herauß / satzte sie an den Mund / vnd hub an des Saffts etwas in den Magen hinunter zu schütten. Aber ehe er auffhörte vnnd fertig wurde / dessen so viel / als jhn bedünckte gnugsam zu seyn / hinab zu schlucken / siehe da kam noch ein andere Mandelkern gesummet / traff jhn vff die Faust / vnd zugleich an die Flasche / so gar vollkömlich vnd mit gantzer krafft / dz die Flasche in trümmern gieng / vnd jhm zugleich eines weges / vnd im fürüberpassiren / 3. oder 4. Backzähne auß dem Munde mit hinweg schlug / vnd vber diß auch noch 2. Finger an der rechten Hand / gar vbel zerquetschte. So sehr groß war der erste / vnd so gar starck der ander Puff / daß der arme Ritter genothdrengt wurde / vom Pferde herunter zur Erden zu fallen. Die Hirten lieffen zu jhm zu / vnd vermeinten nicht anders / sie hetten jhn zu tode geworffen. Vnd also trieben sie in schneller eil jhre Heerde wider zusammen / luden die toden Schafe auff sich / derer gleichwol vber siebne wahren / vnd zogen ohne ferrnere nachfrage vnd erkundigung jhres Weges fort.

Diese gantze Zeit vber hielt Santscho vffm Hügel / sahe alle die Thorheiten an / die sein Herr triebe / rauffte jhm den Barth / vnd verfluchte die Stunde vnd den Augenblick / in welchem das Glück jhn jhme erst hatte zukennen geben. Als er jhn nun sahe zur Erden fallen / vnd daß die Hirten von dannen gezogen waren / gab er sich vom Hügel herunter / nahete sich zu jhm / vnd fand jhn in sehr bösem zustande / ob er gleichwol seiner sinne noch nit beraubt war worden / vnd sprach zu jhm: Sagte ichs nit / Herr Don Kichote, er solte sich wenden. Dann diese / so er anzusprengen gedachte / waren keine Kriegsheer / sondern nur Heerden Schöpfe. Hierauff antwortete jhm Don Kichote: Sihe wie artig kan der Ertzdieb / mein Feind / der Zauberer / alles verschwinden machen / vnd in andere gestalt [207] verwandeln? Wisse Santscho / daß derogleichen Leuten gar ein leicht ding ist / einem jhres gefallens ein blawen Dunst vor die Augen zustellen. Vnd zumaln dieser Maglimo, welcher mich verfolgt / in dem er mir die Ehr vnd hohen Ruhm mißgönnet / so er wol gesehen / daß ich auß dieser Schlacht erarnen vnd davon bringen würde / hat er die Kriegsheer der Feinde in Heerden Schafe verwandelt. Wo du es nit glaubst Santscho / so thue ein ding / mein ich bitte dich sehr drumb / nur dz du deines jrrthums vnd falschen wahns loß werdest / vnd sehest selbs / dz es die warheit sey / wz ich dir sage / so setz dich nur vff deinen Esel / vnd folge jhnen allmehlich hinden hernach / so wirstu sehen / dz / wann sie nur eine kleine ecke von hinnen weg seyn werden / sie jhre vorige gestalt wider bekommen / Schöpfe zu seyn vffhören / vnd wider in rechte natürliche Menschen werden verwandelt werden / ebenermassen / als ich dir dieselbe zu vorhero beschrieben vnd abgebildet habe. Jedoch gleichwol mustu nicht eben also fort jetzo dich dahin verfügen / dann ich hab deiner Dienste vnd Hülffe vonnöthen. Laß sehen / komb doch etwas näher heran zu mir / vnd sihe wol zu / wie viel mir doch eigentlichen Backzähne mangeln. Dann ich lasse mich fast bedüncken / daß mir nicht ein einiger im Munde vbrig blieben sey.

Santscho tratt jm so nahe / daß er jhm auch fast die Augen gar in den Rachen hinein steckte. Vnd geschah eben zu der zeit / als der Balsam in des Don Kichote Magen seine würckung gehabt hatte. Gleich nun / als Santscho sich nahete / jme in den Mund zu schawen / speyete er von sich herauß grawsamer vnd stärcker / als ein Musqueten schuß jmmer seyn kan / alles dz jenige / was er im Magen hatte / vnd schutte disen gantzen wust in des mitleidigen waffenträgers Bart hinein. H. Mutter Gottes / sprach Santscho / wz ist doch jmmer diß so mir widerfahren ist? Zweifels frey ist diser Sünder vffn tod verwundet [208] worden / weiln er Blut aussm Halse speyet. Aber als er der Sachen ein wenig reiffer nachdachte / begunte er an der Farbe / Geschmack vnnd Geruch zu mercken / daß es nicht Blut / sondern der Balsam auß der Flaschen war / welchen er jhn newlich zuvor hatte trincken sehen. Vnd war das grawsam vnd der eckel / den er hierob empfangen so groß / daß jhm der Magen mit allem / was er drinnen hatte / vffstieg vnd spieg herauß / auff- vnd vber seinen eignen Herrn fast alles Eingeweide vnd Caldaunen zusampt Lung vnd Leber. Vnd sahen sie also alle beyde nicht anders auß / als ob sie mit Perlen bestickt weren gewesen. Santscho lieff zu seinem Esel zu / vmb auß dem Brodsack etwas zu nehmen / damit er nicht allein sich wischen vnnd saubern / besondern auch seinem Herren pflegen / vnd jhm in etwas wider zu recht helffen könte. Da er nun den Brodsack nicht fande / fehlte es vmb ein weniges / daß er nicht fast allen Witz vnnd Vernunfft darob verlohren hette. Er verfluchte vnd vermaledeyte sich von newem / vnd setzte jhm in seinem Hertzen gäntzlichen für / daß er seinen Herrn verlassen / vnd wider davon in seine Heimath ziehen wolte / vnnd solte er gleich darüber das Liedlohn[116] vor seine bißanhero geleistete Dienste in die Schantze schlagen[117] / vnnd die gantze Hoffnung der Statthalterey vber die zugesagte Insel in Brunn fallen lassen.

Hierzwischen richtete sich Don Kichote auff / legte die lincke Hand in den Mund / damit jhm die Zähne nicht vollends gar herausser fielen / ergreiff mit der andern Faust des Rossübralls Zügel / welcher niemahln von seinem Herrn eines Schritts breit gewichen war (so gar trew vnd von natur wol geart war er) vnnd gieng des Weges hin / da sein Waffenträger stunde / welcher die Brust vber seinen Esel gelegt / vnd die Hand am Backen vntergesetzt hatte / in gestalt [209] eines Menschen / welcher in gar tieffen Gedancken schwebet. Vnd als jhn nun Don Kichote in solcher weise stehen sahe / mit gnugsamer anzeig seines also grossen Betrübnüssen / sagte er zu jhm: wisse Santscho / daß ein Mensch nichts mehr ist / als ein ander Mensch / wo er nicht mehr thut vnd außrichtet / als ein ander Mensch. Alle diese Widerwertigkeiten / so vns begegnen vnd vffstossen / seynd gewisse Zeichen vnd Anzeigungen / daß sich die Zeiten in gantz kurtzem ändern vnd verbessern vnd all vnser Fürhaben einen guten vnd glücklichen Fortgang erreichen werde. Dann es ist ohnmöglich / daß so wol das böse als auch das gute lang vnd beharrlich aneinander wehren kan. Dannenhero dann ohnwidersprechlich folget / daß / nach dem wir nun lang viel böses außgestanden haben / auch dz gute vns nunmehro gar nahe seyn müsse. Daß du dich also vber das Vnglück so mir begegnet / nicht zugrehmen vnnd zu bekümmern hast / weiln du doch dessen deines Theils nicht mit empfinden noch entgelten darffst. Wie so dann nicht? antwortete Santscho: War denn etwa der / mit dem gestern des Fangpalls gespielt wurde / ein anderer / als meines Vatters Sohn? Vnd der Brodsack mit all seinem Plunder / den ich jetzo vermisse / wessen ist er dann wol / als mein? Was? sagte Don Kichote. Mangelt dir der BrodCarnier? Allzusehr mangelt er mir / antwortete Santscho. Auff die weise werden wir heute nichts zu essen haben / sagte darauff Don Kichote wider. Santscho aber sprach / das möchte also dann wol geschehen / wann es allhiero auff diesen Wiesen an Kräutern mangelte / welche doch der Junckher vorgibt / wie gar wol vnnd eigentlichen er sie kenne / vnnd mit denen die also vnglückselige wallende Ritter / wie der Junckher einer ist / derogleichen Brod- vnd Essensmängel [210] gar leicht zu ersetzen pflegen. Wie dem allem / antwortete Don Kichote, so nehm ich doch jetzo vnd vor dißmahl ehe ein vierthel Haußbackens Brods / oder eine Bamme[118] / vnd ein par Heringsköpffe / als alle die Kräuter / die Dioscorides beschreibt / vnd wann er auch schon durch den Doctor Laguna erkläret vnd außgelegt were[119]. Aber dessen allen ohngeacht / steig vff dein Thierlein / du guter Santscho / vnd komb hinder mir her. Dann Gott / welcher ein versorger aller dinge ist / wird vns nicht verlassen / bevorab weiln wir / wie wir thun / also gar in seinen Diensten vnd Geschäften reisen / vnd er es doch ja weder den Mücken an Luft / noch den Würmlin an Erde / noch den kleinen Fröschlin an Wasser ermangeln lesset / ja auch so mitleidig vnd barmhertzig ist / daß er seine Sonne so wol vber böse als vber gute herfür scheinen / vnd beides vber vngerechte vnd gerechte den Himmel regnen lesset.

Besser vnd geschickter wer der Junckher zu einem Prediger / sprach Santscho / als zu einem reisenden Ritter. Hierauff antwortete Don Kichote: Mein Santscho / fahrende Ritter haben allerley gekont / vnd müssen auch alles wissen vnd können. Dann vor jahren vnd in den alten zeiten ist ein fahrender Ritter ein solcher Mensch gewesen / der gleich so bald eine Predigt / oder sonsten eine zierliche Rede in freyem Feld / vnd mitten vnder einem Königlichen[120] Kriegsheer hat daher schneiden können / als wann er vff der hohen Schul zu Pariß einen gradum vnd hohe würde erlangt hette. Darauß sich dann schliessen lesset / daß weder die Lantze der Feder / noch die Feder der Lantzen jemahln vbel angestanden. Nun wolan antwortete Santscho / es mag doch dem also seyn / wie ewr Veste sagen / last vns nur fortziehen vnd zu schawen / wo wir diese Nacht herbergen mögen. Vnd gebe ja Gott / daß es an einem Orte geschehen möge / da weder Bettücher / noch Ballspieler / noch Gespenste / noch verzauberte Mohren [211] seyen. Dann wo wir derer mehr antreffen / so wil ich vollends sack vnd pack dem Teuffel zum newen Jahr verehren. Du hast Gott wol drumb zu bitten / mein Sohn / sprach Don Kichote: So führ vnd gleite du vns nun / wo du hin wilst. Dann vor dißmal wil ich dir die wahl geben einzukehren vnd zu herbergen / wo dirs gelieben wird. Aber reiche mir doch die Hand her / fühle mit den Fingern / vnd schawe wol zu / wie viel mir doch Backzähne vf dieser rechten seiten an dem obern Zanfleisch mangeln / alldiweiln ich daselbs recht den schmertzen fühle. Santscho that die Finger hinein / vnd als er jn befühlt hatte / sprach er: wie viel Backzäne pflegte dann ewr Gestrengigkeit vff dieser seite vor dessen zu haben? Viere / antwortete Don Kichote, den Stock- vnd Hauptzan nit mit eingerechnet / vnd zwar alle viere gantz / feste / frisch vnd gesund. Ewr Gestrengigkeit[121] schawen wol zu / was sie reden / antwortete Santscho. Ich sage noch / viere / sprach Don Kichote, wo jhrer anders nit gar fünffe waren. Dann zeit meines Lebens ist mir weder Zan noch Backzan außgebrochen worden / auch nit außgefallen / oder sonsten durch fäule oder flüß im lauff geblieben. Hat doch ewr Gestrengigkeit vff diser seiten am vntern Zanfleisch nit mehr als 2. Backzäne vnd ein halben / sprach Santscho / am obern aber weder ein halben / noch ein gantzen / noch einen einigen / dann diese seite ist so platt vnd gleich / als eine flache hand. Weh mir vnglückseligem / sagte Don Kichote, als er dise trawrige zeitung hörte / so jm sein Waffenträger vorbrachte. Wolte ich doch lieber / daß mir ein Arm wer abgehawen worden / wanns nur der nit were / darin ich den Degen führe. Dann ich mag dir sagen / Santscho / dz ein Maul ohne Zäne / ist gleich wie eine Mühle ohne Mühlstein / vnd ist ein Zahn viel höher zu schetzen als ein Diamant. Aber diesem allem seynd wir vnterworffen / die wir den strengen Orden der Ritterschafft führen. Steig auff / mein Freund / vnd reit [212] voran / dann ich wil dir vffm Fuß nachfolgen / wohin du begehrest. Dieses that nun Santscho / vnd reisete fort gegen die Seite zu / da jhm bedünckte / daß er gute Herberge antreffen würde / ohn einiges abweichen von der grossen Heerstrassen / welche daselbs gar sehr gefahren vnnd gebraucht zu seyn scheinete. In dem sie nun also mehlich vnd sachte fortreiseten / weiln der grosse Schmertzen des Backens dem Don Kichote keine ruhe ließ / noch jhm zugab / daß er sich starck fortzureiten hette befleissigen können / wolte jhm Santscho die Zeit vertreiben / vnd jhm mit erzehlung eines vnd des andern von seinen trawrigen Gedancken abwenden. Vnd vnter andern Dingen / so er jhm schwatzte / war auch dieses / so im folgenden Capilel sol angeführet werden.




Das 18. Capitel.
Von den bescheidenen Reden / so Santscho gegen seinen Herrn führte / vnd von der Abendthewr / so jhm mit einem todten Leichnam begegnete / mit andern wolbekanten Anstössen vnd Zufällen.

ICh lasse mich bedüncken / mein Herr / daß alles Vnglück / so vns diese Tage zu handen gestossen / ausser einigem zweiffel eine Straffe des Fehlers gewesen sey / welchen [213] der Herr wider die Regel seines Ritterordens in dem fall begangen / daß er seinen Eydt nicht gehalten / welchen er gethan / daß er auff keinem Tischtuch Brod essen / noch mit der Königin sich ergetzen wolle / nebst ferrnerm anhang alles des jenigen / was diesem folget / vnd der Herr zu erfüllen geschworen hat / so lang biß er den Malandrin, oder wie etwa der Mohr heißt (dann ich michs nicht eigentlichen erinnere) seine Rüstung würde abgenommen haben. Du redest gar vernünfftig / Santscho / antwortete Don Kichote. Aber die rechte Warheit dir zu bekennen / so hatte ich dieses gantz auß der acht gelassen. Vnd kanstu dich gleichsfalls auch dessen wol versichern / daß wegen dieser Verschuldung / vnd daß du mich dessen nicht zu rechter Zeit / vnnd ehe erinnert hast / dir der Vnfall des mit dir gepflogenen Ballspielens auffgestossen. Aber mit Schaden wil ich klug werden / vnnd mich hinführo besser vorsehen. Dann in den Regeln des Rittersordens seind noch wol Mittel / versehenen Dingen wider zu recht zuhelffen. Wie? antwortete Santscho: Hab dann zum Velten auch ich ein Eydt geschworen? Daran ist nichts gelegen / ob du schon nicht geschworen hast / sagte Don Kichote: Es ist gnugsam / daß ich dafür halte / du seyest nicht gäntzlichen gesichert / daß du nicht an dem Eydschwur antheil haben / vnd desselben zugleich mit entgelten müstest. Wie dem allem / vnd es sey nun oder sey nicht / so wirds nicht schaden können / daß wir vns vmb Artzney vnd Hülffsmittel bekümmern. Wolan / vnd wo ja dem also / sprach Santscho / so seht wol zu / daß jhr dessen nicht etwa noch einsten vergesset / gleich wie jhr mit dem Eyde gethan habt. Dann wer weiß / ob nicht den Gespensten noch ferrner eine Lust ankommen möchte / daß sie anderweit mit mir kurtzweil zu treiben / jhnen [214] belieben liessen / vnnd wol auch gar mit euch selbs / wo sie euch also halßstarrig vnnd hartnäckicht befinden.

Vnter solchen vnd derogleichen Gesprächen / vberfiel sie die Nacht mitten vffm Wege / also / daß sie nicht wusten / noch erforschen konten / wo sie vor dißmahl jhr Nachtläger haben würden. Vnd / daß das ärgste dißfalls vor sie war / so sturben sie fast vor hunger / in dem auß mangel des Brodsacks / jhnen aller Vorrath vnnd Zehrungskosten ermangelten. Damit aber jhr Vnglück so viel desto grösser gemacht / vnd demselben der rechte Nachdruck gegeben würde / so widerfuhr jhnen eine solche Abendthewr / welche ohn einiges Anstellen oder Schalckheit auch gewiß vnd in der That sich also befunde. Vnd begab sichs nun / daß die sinckende Nacht mit ziemblicher Dunckelheit eintratt. Dessen gleichwol ohngeachtet wanderten sie fort / vnd hielt Santscho gäntzlichen dafür / weiln dieses eine rechte Landstrasse war / so würden sie vermuthlich vff eine oder zwey Meil Wegs einen Krug oder Schencke darauff antreffen. Als sie nun auff solche weise einher zogen / vnnd die Nacht finster war / der Waffenträger hungerig / vnd sein Herr essens begierig sich befande / sahen sie / daß eben des Weges / den sie wanderten / eine grosse menge Liechter gegen sie kamen / welche nicht anders scheinten / als Sterne / die sich bewegten. Es wurde Santscho fast ohnmächtig / als er dieselben sahe / vnd Don Kichote behielte seine Sinne nicht alle beysammen. Der eine zoch seinen Esel mit der Halffter[122] an sich / vnd der ander sein Pferd mit dem Zügel / hielten beyde still / vnnd sahen mit grosser auffmerckung zu / was doch dieses würde seyn müssen. Vnnd wurden gewahr / daß die Liechter gegen sie fort giengen / vnnd jhnen jmmer je näher vnnd näher [215] kamen. Vnd je mehr sie herbey naheten / je grösser sie zu seyn scheineten.

In dessen ansehung fieng Santscho an zu zittern / als wann er mit Quecksilber wer besalbt gewesen / dem Don Kichote aber stunden alle Haar vff seinem Haupt zu berge. Welcher gleichwol sich ein wenig ermannete vnd sprach: Dieses / Santscho / wird sonder zweiffel die allergrösseste vnnd gefährlichste Abendthewr bedeuten / da wol hoch vonnöthen seyn will / daß ich alle meine Kräffte vnd Stärcke erweise vnd dran strecke. Wehe mir vnglückseligen / antwortete Santscho / wo vielleicht diese Abendthewr von Gespänsten ist / wie mich fast zu bedüncken beginnet / wo werd ich nur Schultern vnnd Lenden gnugsamb hernehmen / die solche werden außstehen vnnd erdulden können? Wie viel vnnd groß auch diese Gaspänste jmmer seyn mögen / sagte Don Kichote, wil ich doch nicht zulassen / daß dir ein Haar hierdurch sol gekrümmet werden. Dann / daß sie zu anderer Zeit jhren Schertz mit dir getrieben / ist darumb geschehen / daß ich vber die Wand des Hoffs nicht hab steigen können. Jetzo aber seind wir auff plattem ebenem Felde / da ich dann meines Willens vnd Gefallens meines Degens mich werde gebrauchen können. Ja wie aber / sprach Santscho / wann sie jhn euch bezaubern oder versprechen / wie sie wol ehe vnnd zu anderer Zeit gethan haben / was würds dann helffen / GOTT geb wir möchten vff plattem Erdrich seyn oder nicht? Dessen ohngeachtet / antwortet Don Kichote, so bitte ich dich Santscho / daß du ein gut Hertz fassest / dann die Erfahrung wird dir das jenige zu verstehen geben / was ich fürhabe. O ja / antwortete Santscho / Mit Gottes hülff wil ich wol ein muth fassen. Vnd also verfügten sie sich beyde vff die eine Seite der Strassen abwarts / fuhren [216] fort mit grossem fleiß zu zusehen / vnd in gute obacht zu nehmen / was doch das Werck mit den fortgehenden Liechtern seyn müste.

Vnd von dannen wurden sie vber eine kleine weil vieler mit weissen Hembden angethaner Leute gewahr vnd ansichtig. Welche erschröckliche beschawung dem Santscho Panssa den Muth gantz vnd gar widerumb danider schlug / also daß jhm die Zähn gegeneinander zu klappern begunten / als einem Menschen / den das viertägliche Fieber anstösset. Vnd nahm sein Zähnklittern vnnd klappern dannenhero auch noch desto mehr zu / nach dem sie nunmehro das jenige / was es an jhm selbs war / gar eigentlichen vnd bescheidentlichen zu sehen vnnd zu erkennen begunten. Dann sie wurden solcher mit Hembden bekleideter Menschen / biß vff zwantzig gewahr / welche alle zu Roß sassen / vnnd angezündete Fackeln in Händen führten. Hinter jhnen her folgte eine Sänffte[123] / so mit schwartzem Tuch bedeckt war / vnd also fort drauff noch andere sechs zu Roß / welche biß zu den Füssen jhrer Maulthiere gantz mit schwartzem Tuch bekleidet waren. Dann an dem gelinden vnnd sachten Gang / dessen sie sich gebrauchten / erkanten sie wol / daß es keine Pferde seyn müsten. Die jenigen / so mit Hembden angethan waren / murmelten vnterm reiten bey sich selbs / mit heimlicher vnnd mitleidlicher trawriger Stimm.

Diese wunderseltzame Gesicht / bevorab zu solcher Zeit / vnd in solcher Einöde vnd Wüsteney / war starck gnugsam nicht allein in des Santscho / sondern auch also gar in seines Herrn Hertz eine Furcht vnd Grawsen zu pflantzen. Vnd also solte sichs auch billich vff seiten des Don Kichote zugetragen haben. Dann / so viel den guten Santscho anbelangt / waren jhm schon längst alle seine kräffte entgangen / vnd das [217] Hertz gantz in die Hosen gesuncken. Seinem Herrn aber widerfuhr durchauß das Widerspiel / in dem er eben zu derselben Zeit jhm in seinem Gemüth / festiglich vnd lebhafftig ein- vnd fürbildete / daß dieses eine derogleichen vnnd eben rechte Abendthewr seyn würde / davon er etwan in seinen Büchern gelesen hatte. Er bildete jhm ein / daß die Sänffte eine Todenbaar oder Sarck were / darinnen ein vbel verwundeter / oder auch gar verstorbener vnd ertödteter Ritter geführt würde / dessen Raach dann jhm allein zu vben vorbehalten were. Vnd ohne weiteres vnterreden legte er mit seinem Spehr ein / setzte sich im Sattel wol zurecht / vnd stelte sich mit tapffern Geberden vnd muthiger Gestalt in die mitte der Strassen / welche die mit Hembden angethane Reuter nothwendig vorbey wandern musten. Vnd als er sie ersahe / erhub er die Stimm / vnnd sprach: Haltet innen jhr Ritter / GOTT geb wer jhr auch seyn möget / vnnd gebt mir Red vnd Antwort / wer vnd woher jhr seyt / von wannen jhr kompt / wo jhr hinauß gedenckt / was das sey / so jhr dort in jenem Sarck führet? Dann allem ansehen nach / habt entweder jhr andern / oder haben andere euch etwa gewalt vnd vnrecht gethan. Dannenhero dann billich vnd allerdings vonnöthen ist / daß ichs wisse / vmb entweder euch der begangnen Vbelthat halber zu straffen vnd zu züchtigen / oder das vnrecht / so man an euch verübt / zu andten vnd zu rechnen.

Wir haben zu eilen / sprach der HembdReuter einer / das Wirthshauß ist noch weit abgelegen / vnd können wir vns dieses Orts nicht vffhalten / euch eben von alle dem jenigen / so jhr zuwissen begehret / rechenschafft zu geben. Vnnd mit diesen Worten stach er seinen Maulesel an / vnnd ritte seinen Weg außhin. Es empfund Don Kichote solche antwort mächtig vbel / ergriff diesen bey dem Zügel / vnd [218] sprach: Haltet innen / vnd seyt etwas bescheidener / vnd gebt mir rechenschafft von dem / was ich euch gefragt hab. Wo nicht / so müst jhr euch allesampt mit mir rauffen vnd herumbschlagen. Dar Maulesel war schew / vnnd als er beym Zügel gegriffen wurde / erschrack er vff solche maß / daß er sich in die Höhe hub / vnnd nur vff den Hinderfüssen stunde / vnd warff also seinen Reuter hinden vbern Rücken herab / vnd vff die Erde darnider. Ein Maultreibers Junge / welcher zu Fuß beyher wanderte / als er den im Hembd also fallen sahe / fieng er an den Don Kichote mit Scheltworten vbel anzublasen / welcher / als schon gnugsam zornig vnd erbremset / ohne ferrnern verzug mit der Lantzen inlegte / einen von denen in weissen Hembden anrennte / vnd jhn vbel verwundet zur Erden abstürtzte. Hierauff kehrte er sich wider gegen die vbrigen / vnd war eine lust zu sehen / mit was hast vnd geschwindigkeit er sie ansprengte vnnd von einander trennete / also / daß es nicht anders scheinte / ob weren dem Rossübrall eben in dem Augenblick Flügel gewachsen: So gar leicht vnnd hochtrabend sprung er herein. Alle diese HembdenReuter waren ein furchtsames Volck / ausser Wehr vnd Waffen / vnd derohalben war der Krieg mit jhnen gar leicht vnd in einem Augenblick zu end geführet / vnd fiengen sie an vber dasselbe Feld mit jhren brennenden Fackeln außhin zu rennen / vnd sahen also vermummten vnd verkappten Leuten nicht vnehnlich / welche zu Freudens Zeiten bey Nächtlicher Weil vmbzulauffen pflegen.

Ebenermassen vermochten sich auch die Trawrenden / als welche in jhren gefaltenen Röcken vnd langen Tallaren[124] verwickelt vnd eingespannet waren / nit zu regen oder zu kehren / so gar / daß sie Don Kichote ohngefehr vnd nach seiner beliebung alle mit einander wol abprügelte / vnd also machte / daß sie wider jhren [219] Willen sich von dannen begeben musten. Dann sie dachten allesampt / es were dieser nicht ein Mensch / sondern der Teuffel auß der Höllen / welcher vber sie käm / jhnen den toden Leichnamb / den sie in der Sänfte führten / abzunehmen. Dieses alles sahe Santscho an / creutzigte vnd segnete sich ab der Kühnheit seines Herrn / vnd sprach bey sich selbs:[125] Ausser allem zweifel ist dieser mein Herr also tapffer vnd hertzhafft / als er spricht: Es lag eine Fackel vff der Erden vnd brennete / nahe bey dem ersten / welchen der Maulesel abgeworffen hatte / vnd am Liecht vnd Schein deroselben konte jhn Don Kichote ersehen / nahte sich zu jhm / hielt jhm die Spitze seines Speers vors Gesicht / vnd sagte jhm / er solte sich ergeben / oder er wolte jhn vmbbringen. Hierauff antwortete der gefallene: Ich hab mich schon allzusehr ergeben / in dem ich mich ja nicht beregen kan / als der ich den einen Schenckel gebrochen hab. Vnd bitte derohalben ewre Gestrengigkeit / wo sie anders ein Christlicher Ritter seind / sie todten mich ja nicht / dann sonsten würden sie einen grossen Kirchenraub begehen / weiln ich ein Licentiat[126] oder Doctormässig bin / vnnd schon die erste öhlung empfangen hab. Wie da? sprach Don Kichote, welcher Teuffel hat euch dann allhero geführt / weiln jhr die Geistligkeit vnd Kirchen angehöret? Wer anders / antwortete der gefallene / als mein Vnglück. Wolan / so ist euch noch ein ander grössers vffm Nacken / sprach Don Kichote, wo jhr mir nicht gnugsam Rechenschafft gebt von all dem jenigen / was ich euch vorhin gefragt habe.

Gar leicht sol der Herr dessen vergnüget werden / antwortete der Licentiat, vnd also solt jhr wissen / daß ohngeachtet ich vorhin gesagt / ich sey ein Licentiat, so bin ich doch nur ein Baccalarj, vnnd heisse [220] Alfons Lopez, bin der Geburt von Alcovendas, vnd komme von der Stadt Baëssa, in gesellschafft noch anderer zwölff Priester / welche die jenigen seind / so mit den Fackeln geflohen. Wir ziehen nach der Stadt Segovia zu / vnd begleiten einen todten Leichnamb / welcher in der Sänffte dort geführet wird / vnd ist einer von Adel / so zu Baëssa gestorben / vnd daselbs beygesetzt worden. Anjetzo nun / wie ich sage / führen wir sein Gebeine zu seiner Begräbnüß / welches zu Segovia ist / als von dannen er bürtig war. Wer hat jhn dann vmbbracht? fragte Don Kichote. Das hat Gott gethan / antwortete der Baccalarj, vermittels eines Pestilentzischen Fiebers / damit er befallen war. Vff solche weise hat mir vnser Herr GOtt die Müh erspart / der ich mich sonsten durch Raach seines Todes vnterwunden hette / wo etwan ein ander jhn möchte vmbbracht haben. Aber dieweil er von jhm getödet worden / ists am besten / nur still geschwiegen vnd gedult getragen. Dann ich würde ebenermassen auch thun / wo er mich schon selbs vmbgebracht hette. Vnd sollen derohalben ewr Ehrwürden wissen / daß ich ein Ritter auß Fleckenland bin / heisse mit Nahmen Don Kichote, vnd ist mein Ampt vnd Thun / daß ich in der Welt hin vnd wider vmbreise / das vnrecht zu recht zu bringen / vnd den Beschwernüssen abzuhelffen. Ich weiß nicht wie das seyn könne / daß man das vnrechte zu recht bringen solte / sagte der Baccalarj, dann was an mir recht war / das habt jhr krumm gemacht / in dem mir der eine Schenckel entzwey gebrochen worden / welchen man all seyn Lebtag nicht wider gerad sehen wird. Vnd die Beschwernüß / die jhr an mir abgeschafft habt / ist diese gewesen / daß jhr mich vff solche maß beschwert hinder euch lasset / daß ich jmmer [221] fort vnd fort beschweret verbleiben werde. Vnd ist mir dieses gewiß Vnglücks gnugsamb gewesen / daß ich euch / als der jhr herumb wandert ewer Glück zu suchen / angetroffen hab.

Es gehen nicht alle ding vff einerley Art vnd Weise ab / antwortete Don Kichote. Ewr Vnfall ist gewesen / mein lieber Herr Baccalarj, Alfons Lopez, daß / wie jhr ankahmet / es bey Nacht geschahe / mit den Vberröcken bekleidet / mit brennenden Fackeln ewre Gebet mummelnde / mit Trawerkleidern bedecket / also / daß jhr gar eigentlich einem Vngethümm gleich vnd ehnlich scheinetet / vnd als ob jhr etwa auß der andern Welt herkähmet. Vnd also hab ich nicht vnterlassen können / meiner Pflicht vnd Gelübnüß nachzuleben / vnd euch anzurennen. Vnd gewißlichen würd ich euch nicht weniger vberfallen vnd angegriffen haben / ob ich schon eigentlichen gemust hette / daß jhr die Teuffel selbs auß der Höllen gewesen weret. Dann vor solche hab ich euch allzeit geschetzt vnnd gehalten. Alldieweiln dann mein Glück es also gewolt vnnd geschickt hat / sprach der Baccalarj, so bitt ich ewre Veste / Herr wallender Ritter / der jhr mir eine so vble Wallfahrt verursacht habt / helfft mir doch / daß ich vnter diesem Maulesel herfür vnd vffkommen möge / welchem ich mit dem einen Schenckel zwischen Stegpügel vnd Sattel kommen bin. Ja wils GOtt morgen / sprach Don Kichote, wie lang habt jhr wol gewartet / ewren Vnfall mir zu entdecken? Vnd also fort schrie er dem Santscho Panssa zu / daß er herbey kähme. Aber derselbe bemühete sich vor dißmahl nicht groß herzu zukommen. Dann er war geschäfftig einen Maulesel abzuladen / welcher Last trug / vnd von diesen guten Herren von allerhand essenden Wahren wol versehen / mitgeführt wurde.

[222] Santscho machte auß seinem BrodCarnier einen Sack / sackte vnd packte alles zusammen / so viel dessen hinein gehen wolte / belud damit sein Thier / vnd also fort vff zuruffen seines Herrn / nahete er sich zu jhm / vnd halff dem Herrn Baccalarj vnter seines Maulthiers Last herfür / setzte jhn darauff / vnd gab jhm die Fackel. Don Kichote aber sagte zu jhm / er solte nur dem Huffschlag seiner Geferten nachfolgen / welche er seines theils vmb verzeihung / des jhnen beschehenen vnrechts bete / weilns in seinen Mächten nicht gestanden hette / solches zu vnterlassen. Ja es sagte auch Santscho zu jhm: Zum fall ja dieselben Herren zuwissen begehren möchten / wer doch der tapffere Held gewesen / der sie vff solche masse empfangen / so sag jhnen der Herr nur / daß es der weltberühmbte Don Kichote de la Mantzscha sey / welcher sonsten mit seinem andern Nahmen Ritter der trawrigen Gestalt heisset. Vnd hiermit zoge der Baccalarj ab / vnd fragte Don Kichote den Santscho / was jhn doch jmmermehr bewogen hette / jhn vor dißmahl mehr / als zu vorhin jemahln / Ritter der trawrigen Gestalt zu nennen? Das wil ich euch wol sagen / antwortete Santscho. Dann ich habe euch eine zeitlang gegen den Schein derselben Fackel / welche jener vbel einher wandernde Mensch mit sich hinweg führet / eigentlichen beschawet vnnd angesehen. Vnnd in Warheit / der Herr hat eine so gar vbele Gestalt von weniger zeithero an sich genommen / als ich zeit meines Lebens nicht gesehen. Vnd mag es wol verursacht haben / entweder die Mattigkeit / so euch auß diesem Streit zugestanden / oder daß euch etliche von ewren Backzähnen ermangeln. Das ists wol nicht / antwortete Don Kichote, sondern es wird der weise Mann / deme die Beschreibung meiner Thaten vffgetragen werden möchte / sich haben bedüncken lassen / [223] es sey nicht ohnrathsam / daß ich einen derogleichen Zunahmen gebrauchte vnd an mich nehme / als etwa vor der Zeit / alle vorige Ritter an sich zu nehmen pflegten. Dann da nennete sich einer / den Ritter mit dem brennenden schwerdt: ein ander / der mit dem Einhorn: jener der von den Jungfräwlein: dieser mit dem Vogel Phœnix: ein ander der Ritter mit dem Greiff: vnd aber ein ander / Ritter des Todes. Vnd durch diese Nahmen vnd Schildzeichen / wahren sie männiglichen vff der gantzen weiten Welt bekant. Vnd also sag ich / daß der jetzt besagte weise Geschichtschreiber / dir anjetzo vff die Zung gelegt vnd in die Gedancken wird gegeben haben / daß du mich den Ritter der trawrigen Gestalt nennen soltest / gestalt ich dann gemeint bin / von diesem Tage an / mich also hinführo allezeit zu nennen vnd zu schreiben. Vnd damit dieser Nahm mir so viel desto besser anstehen / vnd billicher gebühren möchte / als bin ich entschlossen / ehistes[127] / als es die Zeit vnd Gelegenheit leyden wird / vff meinem Schild / eine vber alle massen trawrige Gestalt anmahlen zulassen. Es ist zu nichts nütze / Herr / Zeit vnd Geld zu verspilden / vmb eine solche Gestalt zuweg zu bringen / sagte Santscho. Aber vielmehr daß / so zu thun vonnöthen ist / daß der Herr nur seine eigene Gestalt entblösse / vnd geb den jenigen sein Angesicht zu erkennen / die jhn ansehen werden. Dann ohne ferrnere sorg vnd müh / auch ohn einiges ander Bildnüß oder Schild / werden sie jhn also fort den Ritter mit der trawrigen Gestalt nennen. Vnd glaub mir der Herr sicherlichen / daß ich jhm dißfalls die rechte lautere Warheit sage. Dann ich schwer es ewrer Veste / mein Herr (gleichwol seys nur schertzweise also geredet) daß euch der Hunger vnd der Mangel der Backzähne das Angesicht so vbel zugerichtet hat / daß / wie ich schon allbereit gesagt habe / man des trawrigen Gemähldes gar wol wird entrathen können.

[224] Don Kichote zulachte sich wol / vber des Santscho Schertzreden. Inmittels aber nahm er jhm nichts destominder für / sich mit demselben Nahmen zu nennen / in dem er sein Schild oder Rundtartsche also / wie er jhm eingebildet hatte / würde können mahlen lassen / vnnd sprach zu jhm: Ich vermerck / Santscho / daß ich werde in den Bann gethan werden / weiln ich die Hände gewaltsamer weise ans Heiligthumb gelegt habe / zufolg des Texts / welcher anfeht: Si quis suadente diabolo etc. Ob ich zwarten dessen gewiß bin / daß ich nicht die Hände / sondern nur diesen Spehr daran gelegt habe / bevorab weiln ich nicht dencken konte / daß ich einen Priester oder einiges ander der Kirchen zugehörige Werck hierdurch beleidigte (welche ich sonsten als ein guter Catholischer vnd trewer Christ / wie ich bin / in hohen Ehren halte / vnd gleichsam anbete) sondern nur lauter Gespenste vnnd Vngethümme auß der andern Welt. Vnd zum fall es schon auch beschehen solte / so kan ich mich gar wol zu rück erinnern / des jenigen / so dem Cid Ruy Dias begegnet ist / als er eines Königlichen Abgsandten Stul / in beyseyn jhrer Heiligkeit des Pabsts zerbrach / welcher jhn auch deßhalben in den Bann thete. Vnd hielte sich am selbigem Tage der gute Roderich von Vivar, als ein rechtschaffener ruhmwürdiger vnd streitbarer Ritter. In dem der Baccalari diese Reden hörte / zog er außhin / wie schon gesagt ist worden / vnd antwortete jhm darauff kein einiges Wort mehr.

Es hette Don Kichote gern zugeschawt / ob der Leib / so in derselben Sänffte geführt wurde / nur Gebein were oder nicht. Aber Santscho wolte es gantz nicht zulassen / sondern sagte zu jhm: Herr / ewr Veste haben diese gefährliche Abendthewr mit grösserer Sicherheit jhrer Person / als noch keine einige von [225] allen den jenigen / so ich gesehen hab / vollendet vnd zu werck gerichtet. Dieses Volck / ob es schon vberwunden vnd zerstrewet ist / so könte sichs doch zutragen / daß sie vff das nachdencken fielen / sie seyen nur von einer einigen vnnd eintzeln Person vberwunden worden / möchten dahero erzürnet / vnd darob schamroth werden vnd vmbkehren / sich widerumb zusammen thun / vns suchen / vnd also gnugsam zu schaffen machen. Das Thier ist in gutem Zustand / wie sichs gehört / der Berg ist nahe / der Hunger dringt vns / vnd haben wir nunmehro ferrner nichts vor die Hand zu nehmen / als daß wir vns mit guter musse von hinnen wider hinweg machen. Vnnd sagt man ohne das: Mit den Verstorbenen im Sarck / vnd mit den Lebenden zum Fladen vnd Zwarck. Vnd also stach er mit seinem Esel voran / vnd bath seinen Herrn / daß er jhm nachfolgte / welcher / in dem er sich bedüncken liesse / es hette gleichwol Santscho dessen fug vnd vrsach / jhm nichts dawider sagen mochte / sondern folgte jhm vffm Fusse nach.

Vnd als sie ein kleinen Weg zwischen zwey Berglin einher gezogen waren / befunden sie sich in einem breiten vnnd verborgenem Thal / stiegen von jhren Thieren ab / vnd begunte Santscho seinen Esel zu erleichtern / streckten sich daselbs hin vff dz grüne Graß / vnd hielten Frühstück / Mittagsmahlzeit / Abendbrod vnd Nachtmahl alles zugleich / vnd zu einer Zeit / vnd diente jhnen vor dißmahl jhr Hunger zur Brüh vnd Eintuncke / vnnd befriedigten also jhre Mägen mit einem guten theil der kalten Küchen / welche die Herren Priester / als begleiter des Verstorbenen (die da sehr selten ohne derogleichen gute Vorsorg zu reisen pflegen) vff jhrem Küchen Maulesel mit sich geführt hatten. Aber es stiesse jhnen noch ein ander Vnglück auff / welches Santscho vor das allerärgste vnter allen andern hielte / vnd war dieses / daß sie keinen [226] Wein dazu zu trincken hatte / ja auch kein Wasser nicht / damit sie zu Mund hetten reiten können. Vnd / in dem sie nun also von durst geängstiget waren / vnd Santscho gewahr wurde / daß die Wiese / darauff sie sich befunden / vmb vnd vmb voller grünes vnd kurtzes Grases stunde / fieng er an also zu sagen / wie im nechstfolgenden Capitel ferrner sol berichtet werden.




Das 19. Capitel.
Von der nie gesehenen / auch niemahln erhörten Abendthewr / derogleichen nie keiner von den allerberühmbtesten Rittern der gantzen Welt / mit so grosser Gefahr vollnbracht vnd zu werck gerichtet hat / als dieser streitbare Don Kichote auß Fleckenland.

HErr / Es ist ein ohnmöglich Ding / daß diese Gräserey nicht gnugsam anzeig vnd zeugnüß geben solten / daß ohngefährlich in der nähe herbey / etwa ein Brunn oder Bach seyn müsse / durch welchen dieses Graß vnd Kräuter angefeuchtet werden. Vnnd also wirds wol am rathsambsten seyn / daß wir ein wenig weiter vor vns hinziehen. Dann wir werden ja jrgends etwas antreffen / damit wir diesen erschrecklichen Durst / der vns plagt / leschen mögen / [227] alldieweiln derselbe gewiß vnd weit mehr beschwerlich ist / als eben der Hunger. Der Rath gefiel dem Don Kichote wol / nahm also den Rossübrall beym Zügel / wie auch nicht weniger Santscho / seinen Esel bey der Halffter / nach dem er jhm wider vffgeladen hatte / was von jhrer Abendmahlzeit war vbrig geblieben. Also fiengen sie an in der Höhe vber die Wiesen fast tappende einher zu wandern / weiln die Tunckelheit der Nacht jhnen nicht zuließ / daß sie einen stich sehen konten.

Aber sie wahren nicht gar zwey hundert Schritte fortgewandert / siehe / da begunten sie ein groß Rauschen des Wassers zu hören / als ob es von grossen vnnd sehr hohen Felsen herab sich ergösse. Dieses brausen erfrewte sie vber alle massen sehr / vnd / in dem sie still hielten zu hören / von welcher Seiten doch das Rauschen herkommen möchte / vernahmen sie ohngefehr noch ein ander weit grösseres Geräusche / welches jhnen die grosse Lust zum Wasser verringerte / besonders aber dem Santscho / als der von Natur etwas furchtsam vnnd kleinmüthig ware. Ich sage / daß sie vernahmen / wie man gleichsam nach dem Tackt gleichstimmige gewisse Schläge that / mit einem sonderbahrem Klang von Eisen vnnd Ketten / dazu auch das grawsame Rauschen des Wassers kam / also / daß es sonsten in eines jedweden Menschen Hertz / ausser des einigen Don Kichote seinem / würde ein gewaltiges Schrecken vnd Furcht erweckt haben. Die Nacht / wie gesagt ist worden / war sehr finster / vnd begunten sie nunmehro allmehlich vnter etlichen hohen Bäumen anzugelangen / derer Blätter / in dem sie von einem sanfften lieblichen Winde hin vnnd her bewegt wurden / ein zwar etwas grawsendes / aber doch gelindes anmüthiges Geräusch [228] vervrsachten / vnd dieses solcher massen / daß die Einsamkeit / die Gelegenheit des Orts / die Finsterkeit der Nacht / vnd das rauschen vnd brausen des Wassers / zugleich mit dem sausen der Blätter auff den Bäumen / alles zusammen ein grosses Grausen / Hautschütterung vnd Erschrecknüß zuweg brachten. Vnd daß so viel desto mehr / weiln sie vermerckten / daß weder das Schlagen vnd Geklappere vffhören / noch der Wind sich legen / noch der Morgen anbrechen wolte / in dem auch sonderlichen zu diesem allem kahm / daß sie des Orts / an dem sie sich befanden / gantz keine gelegenheit wusten.

Don Kichote aber / als welcher durch sein vnerschrocknes Gemüth begleitet wurde / sprang vff seinen Rossübrall / ergreiff seinen Schild / legte mit seiner Lantzen ein / vnd sprach: Mein Freund Santscho / du solst wissen / daß ich auß sonderlicher verordnung vnd zuneigung des Himmels / dazu geboren bin / damit ich zu dieser vnser eisernen bösen Zeit / eben bey vnd in derselben / die von Gold oder Güldene Zeit / wie sie pflegt genent zu werden / widerumb erwecken vnd herfür bringen möge. Ich bin der jenige / welchem alle Gefahren / alle grosse Verrichtungen / alle streitbahre Heldenthaten seynd vorbehalten worden. Ich bin der jenige / sag ich noch einmahl / welcher wider vfferwecken / vnd von newem vff die bahn bringen sol vnd wird / die von dem runden Tisch / die zwölffe von Franckreich / die neune vom berühmbten Nahmen / ja auch der da machen wird / daß man der Platîr, der Tablanten, Olivanten vnd Tiranten, der Phœbussen vnd Beleanisen, mit dem gantzen hellen Hauffen der wallenden Ritter von alten verwichenen Zeiten leichtlich vergessen wird können / in dem ich bey diesen vnsern Zeiten / darin ich mich befinde / solche hohe Thaten / so ohngewöhnliche [229] Tapfferkeiten / vnnd derogleichen Waffen- vnnd Kriegssachen vollnbringe / welche auch das allertrefflichste vnnd berühmbteste / was die vorigen gethan / verfinstern vnd außleschen werden. Du vernimbst gnugsamb / O trewer vnd vffrichtiger Waffenträger / den Nebel vnd die Finsterkeit der Nacht / derer ohngewöhnliche Stille / das taube vnd verwirrte Geräusche dieser Bäume / das erschreckliche vnnd greßliche Brausen dieses Wassers / (welches zu suchen / wir anjetzo einher ziehen / vnd das da scheinet / ob es von den höchsten Bergen des Mondes selbs abschösse / vnd sich herunter stürtzte) vnd das ohn vffhörliche Schlagen vnd Klippklappen / welches vns die Ohren betöbet vnd im Gehör wehe thut / welche Dinge alle miteinander / ja auch ein jedwedes an- vnnd vor sich selbs / gnugsamb bestehen / auch in des Kriegs Gottes Mars selbs Hertz vnnd Gemüthe Furcht / Zaghafftigkeit vnd Schrecken zu erwecken / wie viel mehr in dem jenigen / welcher derogleichen Zufälle vnnd Abendthewren nicht gewohnt / noch dabey herkommen ist.

So seind nun diese Sachen alle / so ich dir also fürmahle / nichts anders / als lauter anreitzungen vnd ermunterungen meines Gemüths / gestalt dann solches auch eine Vrsach ist / daß mir vor begierd diese Abendthewr / wie groß vnd schwer sie auch jmmer zu seyn scheinen mag / zu wagen vnnd zu versuchen / das Hertz im Leib brechen vnd persten wil. Vnd derohalben so schnüere dem Rossübrall den Gurt etwas enger vnd fester / sey hiermit GOTT befohlen / vnnd warte meiner allhiero drey Tage / vnd nicht länger. Dann wo ich binnen solcher Zeit nicht solte wider zu rück kommen / so kanstu nur zu vnserm Dorff wider vmbkehren. Von dannen aber auch mir diesen Dienst vnd letzten Willen zu thun / auch an sich selbs ein gutes Werck zu verrichten / wirstu nach Toboso [230] ziehen / da du der ohnvergleichlichen Dulcinéa, meiner Gebieterin / ansagen wirst / daß jhr Gefangener vnd leibeigner Ritter todt sey / vnnd das auß vrsach / weiln er sich derogleichen Thaten vnterwunden / welche jhn würdig machen möchten / daß er sich mit Fug vnnd Billigkeit den jhrigen hette nennen können.

Als Santscho diese seines Herrn Reden vernam / fieng er an mit der grösten Wehmütigkeit der Welt zu weinen / vnd zu jhm zu sprechen: Herr / Ich sehe vnd weiß nicht / warumb jhr doch diese also grawsame vnnd erschreckliche Abendthewr vor die Hand zu nehmen euch vnterwinden wollet. Jetzo ists gleich in der Nacht / niemand wird vnser allhiero gewahr / wir können ja gar wol vnsern Weg wider zu rück nehmen / vnd der Gefahr aussm Wege ziehen / vnd solten wir schon gantzer drey Tage lang keinen Tropffen zu trincken bekommen. So ist ja gantz kein Mensch vorhanden / der vns sehe / vnd wird noch viel weniger jemand seyn / der vns vor verzagte Memmen halten vnd schelten solte. Vnd das noch mehr ist / so hab ich den Pfarr in meiner Heinmath / den der Herr sehr wol kennet / zu vnterschiedenen mahlen predigen hören / daß / wer die Gefahr sucht / der komme darin vmb. Daß es also nicht gut vnd rathsam ist / GOtt versuchen / in dem man einer derogleichen vbermässigen That sich vnterfehet / darauß man ohne besonders Wunderwerck nicht entrinnen kan. Es ist ja gnugsam an dem / was der Himmel schon an euch gethan / in dem er euch vom Fangpallspielen / da dann ich wol bin gewörffelt vnd geschwungen worden / erlöset / vnd vnter so viel Feinden / welche den todten Leichnamb begleiteten / als einen Vberwinder / frey frisch vnd gesund erhalten vnd davon gebracht hat. Vnd wo ja solches alles dieses harte Hertz nicht bewegen noch erweichen solte / so bewege den Herrn doch zum wenigsten [231] dieses / daß er zu bedencken vnnd sich sicherlichen dessen zu versehen hat / daß er kaum von hinnen sich wird hinweg begeben haben / so würd ich meine Seel dem jenigen / der sie wird haben vnd zu sich nehmen wollen / auß grosser Furcht vnnd Schrecken vberlassen vnnd vffgeben müssen. Ich bin auß meinem Vatterland hinweg gezogen / hab daselbs Weib vnd Kind verlassen / bloß vnnd allein dem Herrn vffzuwarten / vnd Dienste zu leisten / in dem ich dafür gehalten / daß dieses mehr / als jenes bey mir hab gelten / vnd von mir billich in höhere obacht sollen genommen werden. Aber gleich wie die allzugrosse Geldsucht vnnd Begierde reich zu werden / ein Loch vnnd Riß in den Sack machet / also hat sie mir auch alle meine deßhalben geschöpffte Hoffnungen zu nichte vnd Wasser gemacht. Dann da ich mir solche also lebhafftig vnd eigentlichen ins Hertz gefasset / vnd gewiß mir eingebildet hatte / ich würde einsten der finstern verfluchten vnd vnglückseligen Insel habhafft vnnd theilhafftig werden / so sehe ich nun wol / daß an dessen statt mich der Herr an diesem also öden vnnd von aller menschlichen Gesellschafft abgesondertem Orte allein vnd zu rück lassen wil. Ich bitt euch vmb des einigen Gottes willen / mein lieber Herr / last mir keinen derogleichen verdruß vnd vngelegenheit widerfahren / vnd zum fall jhr ja von ewrem Fürnehmen / vnd dem Vorsatz diese That zu vollnbringen / gantz vnnd gar nicht ablassen wolt / so schiebt es doch nur auff / vnnd nur zum wenigsten biß gegen morgen frühe. Dann / so viel mir die Wissenschafft / so ich erlangt / als ich vor der Zeit noch ein Hirte gewesen / anzeig vnnd weisung gibet / kan es von jetzo an biß zum Morgen nit wol noch drey stunden seyn / alldieweiln der Mund der kleinen Berin empor vnd vber dem Haupt stehet / vnd bringet die Mitternacht herbey / in der Lini des lincken Arms.

[232] Wie kanstu Santscho / sprach Don Kichote, doch sehen vnd spühren / wo diese Lini sich ereuget / oder wo derselbe Mund vnd selbiges Hintertheil des Haupts stehet / davon du redest / da doch die Nacht also schrecklich finster ist / daß sich an dem gantzen Himmel nicht ein einiger Stern sehen vnnd blicken lesset? Es ist zwarten nicht ohne / sagte Santscho / aber es hat die Furcht sehr viel Augen / vnd mag wol Sachen / welche vnter dem Erdrich verborgen seynd / eigentlichen sehen vnd erkennen / wie viel mehr das jenige / was oben am Himmel stehet / bevorab / weiln vermittels scharpffsinniges Nachdenckens es vernünfftiglich zu spüren vnd zu vermercken ist / daß von jetzo biß zum Tage / es gewiß nicht gar weit mehr seyn müsse. GOTT geb es mag dran mangeln / was da mangeln kan / antwortete Don Kichote, so sol man doch weder vor dißmahl noch ins künfftige zu einiger Zeit dieses von mir nicht sagen / das weinen vnd bitten mich von dem jenigen solten wendig gemacht haben / welches mir nach art vnnd gewohnheit der Rittersleute hat obliegen vnnd gebühren wollen. Vnd derohalben bitt ich dich / Santscho / halt nur das Maul / dann GOTT / der mir in meinen Sinn vnnd Hertz gegeben hat / daß ich mich dieser also ohnerhörten vnd so grawsamer Abendthewr vnterfahen solle / wird Fürsorge vor mich tragen / so wol mein Heil vnd Wolfahrt in obacht zu nehmen / als auch dich in deiner Betrübnüß zu trösten. Was vor dißmahl dir zu thun obligt / ist dieses / daß du dem Rossübrall den Gurt eng vnd fest anschnürest / vnd allhiero verwartest. Dann ich wil schleunig entweder lebendig oder tod wider zu rück kommen.

Als nun Santscho den eigentlichen Willen vnnd gäntzliche Meinung seines Herrn vernahm / vnd wie so gar wenig seine Thränen / sein Rath vnnd Bedencken / [233] vnd sein sehnliches Bitten vnd Flehen bey jhm verfangen vnd fruchten wolte / wurd er bey sich schlüssig / daß er sich seiner List vnd Kunst gebrauchen vnd seinen Herrn / so viel jhm jmmer müglich / vermittels deroselben dahin bringen vnd vervrsachen wolte / daß er mit seinem Fürnehmen biß zu anbrechung des Tages würde warten vnnd inhalten müssen. Diesem nun zufolg / in dem er dem Pferde den Gurt anmachte / bunde er gar leise vnd sachte / also / daß mans nicht gewahr wurde / mit seines Esels Halffter dem Rossübrall beyde Füsse zusammen / solcher massen / daß / als Don Kichote vermeinte vffzuseyn / konte er nicht / weiln das Pferd nicht anders / als nur mit gleichen Sprüngen vnd Vffhüpffen / sich zu regen oder zu bewegen vermochte. Da nun Santscho Panssa den glücklichen Fortgang seiner List vnd Verschlagenheit vermerckte / sprach er: Wolan / Herr / der Himmel selbs / als durch meine Thränen vnd sehnliches Bitten bewogen / hat versehen vnd gewolt / daß Rossübrall sich nicht bewegen kan. Vnnd daferrn jhr noch ferrner in ewrer Halßstarrigkeit fortfahren / jhm die Spohren geben vnd vff jhn zu schlagen werdet wollen / so werdet jhr nichts anders hierdurch außrichten / als nur dem Glück euch widerspenstig erzeigen / vnd / wie man zu sagen pflegt / wider den Stachel lecken. Don Kichote wurde hierdurch gantz verzagt / vnd je mehr er dem Pferde die Hacken in die Seiten setzte / je weniger es sich zu bewegen vermochte. Vnd derohalben / ohn einiges nachdencken vnd muthmassung dieses beschehenen zusammenbindens / hielte ers vor rathsam / vor dißmahl still- vnnd inne zuhalten / vnd zuerwarten / biß entweder der Tag anbrechen / oder Rossübrall sich endlichen bewegen möchte. Vnd hielte gäntzlichen dafür / es rührte dieses auß einer andern Vrsach / als eben von des [234] Santscho Arglistigkeit her. Sprach derohalben zu jhm: Wolan / weiln es dann an dem ist / daß sich Rossübrall nicht regen oder wenden kan / so bin ich zu frieden / vnd wil nunmehro warten / biß die Morgenröthe vns anblicke / ob ich schon den gantzen Verzug beklage / durch welchen jhre ankunfft vff- vnd zu rück gehalten wird.

Es wird nicht vonnöthen seyn / darob zu klagen oder zu weinen / antwortete Santscho / dann ich wil dem Herrn die Zeit gar wol vertreiben / vnnd jhm von jetzo an biß gegen den halben Tag Geschichte vnnd Retzel gnugsam erzehlen / zum fall er ja nicht absteigen / vnd sich ein wenig zu schlaffen in das grüne Graß niderlegen wil / gestalt dann solches der reisenden Ritter brauch vnd gewohnheit gewesen / damit jhr euch nur destoweniger ermüdet / vnnd etwas außgeruheter befinden möchtet / wann der Tag anbrechen / vnnd die Zeit herbey nahen wird / daß jhr diese ohnvergleichliche ohnerhörte Abendthewr / welche ewrer nur wartet / vor die Hand nehmen werdet. Was sagstu von absteigen / oder von schlaffen? antwortete Don Kichote. Meinstu / daß ich derer Ritter einer sey / welche in vnnd bey jhren Gefährligkeiten vnnd sorglichen Verrichtungen / sich der Ruh vnnd Schlaffs gebrauchen? Schlaff du / der du zum schlaffen gemacht vnnd geboren bist / oder thu sonsten / was dir gelieben mag. Ich aber wil das jenige thun / was mich bedüncken wird / daß es meinem Fürhaben vnnd Vorsatz am nechsten zum Ziel reichen wird. Ewr Gestrengigkeit erzürne sich nicht / lieber Junckher / antwortete Santscho / dann der Meinung hab ichs ja nicht geredet. Hierauff nahete er sich zu jhm / legte die eine hand vff den Knopff vnd die ander vff den Bogen des Sattels / also / daß er sich gantz nahe an seines Herrn lincken Schenckel druckte vnd anschmiegte / auch sich [235] nicht erkühnte / eines Fingers breit von jhm zu weichen. So gar groß war die Furcht / so er ab dem klipklappen empfande / welches jmmer fort wechselsweise sich hören liesse.

Don Kichote sprach zu jhm / er solte jhm doch nun etwa eine Geschicht erzehlen / dadurch er jhm die Zeit vertreiben möchte / zufolg dem jenigen / so er jhm zugesagt hatte. Hierauff sprach Santscho / daß ers zwar gern thun wolte / wanns nur die Furcht vnd das Schrecken des jenigen / so er noch jmmer hörte / nachgeben vnd zulassen möchte. Wie aber dem allem / so wil ich mich doch / sprach er / vffs möglichste bearbeiten / eine Geschicht zu erzehlen / welche / wo sie mir zu marckt zu bringen gelingen wird / vnd ich nicht etwa daran verhindert werde / eine von den allerbesten Geschichten ist / So sey der Herr nun nur andächtig / vnd höre fleissig drauff / dann ich fange schon an:

Es mag nun gewesen seyn / wie es wolle / so komme das gute / welches kommen wird / allen miteinander zu gut / das böse aber vnd arge treffe nur den jenigen / welcher darnach ringet. Derohalben so nehmet wol in acht / mein lieber Junckher / daß der Eingang / davon die alten jhre Rätzelchen anfiengen / nicht also war / wie jhr villeicht wollet. Dann diß ist ein Spruch des Romanischen Censorischen Catons gewesen / welcher besaget: Vnd das böse treffe den / der darnach ringet. Welches sich dann hieher gleich so eben vnnd wol reimet / als der Ring an den Finger / auch zu lehren daß jhr in ruhe stehet vnd innen haltet / vnd nicht darnach ringet / einiger Orte böses vnd vnglück zu suchen / sondern daß wir vielmehr durch einen andern Weg wider nach Hause kehren. Dann vns ja kein einiger Mensch zwinget vnd nöthigt diesen Weg fortzureisen / von welchem her vns so grosse Furcht vnnd Schrecken vberfället. Fahr du in deinem Rätzel fort [236] Santscho / sprach Don Kichote, vnd laß mich vor den Weg vnd Strassen sorgen / die wir ziehen sollen. So sag ich nun / sprach Santscho weiter / daß in einem Flecken der Landschafft Estremadura ein Ziegenhirte wahr / Ich wolte so viel sagen / ein Hirte / der der Ziegen hütete / welcher Hirte / oder vielmehr Ziegenhirte / wie ich in meiner Geschicht erzehle / hieß Lope Ruyz, vnd derselbe Lope Ruyz war in eine Hirtin verliebt / welche Torralva hieß / welche Hirtin genant Torralva, war ein Tochter eines reichen Schäffers: Vnd derselbe reiche Schäfer. Wo du vff solche maß deine Rätzel erzehlen wirste / Santscho / sprach Don Kichote, vnd also stetig widerholen / was du redest / so wirstu in zweyen Tagen nicht fertig werden / vnd damit zu ende gelangen. Sag flugs nach einander / was du sagen wilst / vnd erzehle her / als ein Mensch der verstand hat / wo nicht / so halt die Plerpe. Vff solche masse / wie ich jetzo erzehle / antwortete Santscho / pflegen alle Mährlin in meiner Heimath erzehlt zu werden. Vnd ich weiß es in warheit vff andere weise nicht zu erzehlen. So wird gleichwol der Herr auch an mich nicht begehren / daß ich eine andere Gewohnheit vffbringen vnd einführen solte. Ey so schwatze nur jmmer her / wie dirs beliebt / antwortete Don Kichote, dann weiln ja das Glück es also fügt / daß ich nicht vmbhin kan / dir zuzuhören / so fahr nur jmmer fort / wie du hast angefangen.

Also vnd der gestalt (fuhr Santscho fort) daß / O jhr mein lieber Herr / den ich von grund meiner Seelen lieb habe / wie ich schon obgedacht vnd erzehlt habe / derselbe Hirte in die Schäfferin Torralva sich verliebt befande / welches dann eine feine grosse starcke dicke Schwester war / kühn vnd widerspenstig / [237] die etlicher massen einem Mannsbilde gleichte vnd ehnlichte / in dem sie fast häricht vmbs Maul war / vnd gleichsam einen Knebelbarth[128] zuzulegen begunte. Vnd daucht mich fast bey meinem Eyd / ob ich sie vor mir stehen sehe. So hastu sie dann wol gekant / fragte Don Kichote? Gekant hab ich sie zwarten nicht / antwortete Santscho. Aber der mir diß Mährlin geschwatzt hat / der sagte mir / daß es so gewiß vnd warhafftig were / daß / wann ichs einem andern wider sagte / ichs wol bejahen vnnd beschweren könte / daß ichs alles miteinander selbs mit meinen Augen angesehen hette. Also nun / vnd in dem ein Tag vorbey gieng / vnnd der ander widerumb heran kam / so vervrsachte vnd machte es der Teuffel / welcher niemahln schläfft / sondern alles verwirret vnd vervnruhiget / vff solche maß / daß die Liebe so der Hirte zu der Schäfferin trug / sich in Haß vnd Vnwillen verwandelte. Die Vrsach aber dessen war nach anleitung vnd vervrsachung böser Mäuler / daß es etwas gewisses von kleinem Eiffer vnd Verdacht zwischen jhnen abgabe / dazu sie jhm vrsach vnd anlaß gegeben hatte / vnd zwar vff solche masse / daß es wol von jhrer Seiten etwas zu weit gegangen war / vnd hierdurch zu einer sonderlichen Raach vnd Verthäydigung vrsach gegeben wurde. Der Haß aber vnnd Widerwillen war so groß / vnnd wuchs so trefflich vff seiten des Hirten / von der Zeit an ins künfftige / daß / damit er nicht anlaß vnd gelegenheit hette / sie ins künfftige mehr zu sehen / vnd zu schawen / er lieber auß demselben Lande sich hinweg zu machen schlüssig vnd in willens wurde / vnd an einen solchen Ort sich zu begeben / da er sie in ewigkeit nicht mehr mit Augen ansehen möchte.

Torralva, in dem sie befande / daß sie von Lope also geringschätzig gehalten / vnd in Wind geschlagen [238] wurde / fieng sie also fort an jhm hold[129] zu werden / vnd zwar mehr / als sie jemahln vorhin gewesen war. Dieses ist die natürliche Art vnnd Gewohnheit des Weiblichen Geschlechts / sagte Don Kichote, daß sie den jenigen verachten vnd gering schätzig halten / der jhnen wol wil / hingegen aber denselben lieben / der sie hindan setzet / vnnd jhrer nicht groß achtet: Aber fahr du nur jmmer fort / Santscho. So trug sichs nun zu / sprach Santscho / daß der Hirte sein Fürnehmen zu werck richtete / trieb seine Ziegen vor sich her / vnd wanderte durch die Wiesen vnd Felder des Landes Estremadura jmmer fort / vmb in das Königreich Portugall sich zu begeben. Torralva, als welche dieses erfahren hatte / wanderte hinder jhm her vnd folgte jhm vffm Fusse nach / aber weit hinder her vnd baarfüssig / mit einem Pilgrimsstab in der Hand / vnnd einem BrodCarnier am Halse / darinnen sie ein stück Spiegels (wie man sagen wil) vnd noch eins von einem Kamme / wie auch noch vber diß ein klein Schächtlin Schmincke zum Gesicht / mit sich führte. Aber sie hab nun mit sich geführt / was sie gewolt / was sichtet michs an: Ich begehr mich in dessen erforschung vnd bekräfftigung mit keiner sonderlichen Müh vnd Sorg zu beladen. Nur dieses wil ich allhiero zu melden nicht vnterlassen / daß man sagt / es sey der Hirte mit seiner Heerde biß zum Fluß Guadiana oder Anas ankommen vnd vber denselben treiben wollen / vnd zur selbigen zeit sey der fluß hoch angelauffen vnd gewachsen / auch ausser seinem gewöhnlichen Gestad außgetretten gewesen / also / daß vff der Seiten / da der Hirte antrieb / weder Fähr noch Kahn / noch auch einiger Mensch sich befunden / der weder jhn noch sein Vieh hette vbersetzen / vnd biß jenseit vff die ander Halbe[130] führen wollen. Darob er sich dann zum hefftigsten ängstigte [239] vnd beklagte / bevorab weiln er sahe vnd befand / daß jhm die Torralva ziemblich nah vff den Nacken kahm / vnd jhm zweiffels ohn mit jhrem flehen vnnd weinen / viel vngelegenheit vnnd beschwernüß zuziehen würde. Aber er gieng vnd schawte sich so lang hin vnd wider vmb / biß er einen Fischer ersahe / welcher einen so gar kleinen Kahn mit sich führte / daß nicht mehr als ein Mensch vnd eine Ziege sich darinnen vff einmahl behelffen konten. Dessen ohngeachtet redete er jhm zu / vnd wurde mit jhm schlüssig / daß er so wol jhn / als auch dreyhundert Ziegen / so er mit sich triebe / vber den Fluß setzen solte. Der Fischer tratt in den Kahn / vnd führte eine Ziege vber / er kam wider zurück / holte vnd vberbrachte die ander / er schiffte wider herüber / vnd kam abermahl eine andere vberzusetzen. Nun gebe der Herr gute obacht vff die Ziegen / welche der Fischer also nacheinander vberführet. Dann wo nur eine deroselben im zehlen versehen / vnd nicht in frischem Gedächtnüß solte behalten werden / so würde es mit dem Mährlin auß seyn / vnd wer nicht müglich / daß ich ein Wort mehr von dieser Sach erzehlen könte. So fahr ich nun fort / vnd sage / daß der Ort des außladens vff der andern Seite voller Vnflaths vnd Koths / auch sehr glatt vnd schlipfferig war / vnd müste sich dannenhero der Fischer im vberfahren / vnd wider zu rück kehren / ziembliche lange Zeit vffhalten. Wie dem allem / so kehrte er gleichwol allzeit wieder vmb / noch eine Ziege mehr / vnd noch eine andere / vnnd aber eine andere zuholen. Bilde dir ein / sagte Don Kichote, daß er sie nunmehro alle vbergesetzt habe / vnd halte dich vff solche maß damit nicht auff / wie der Fischer hin vnd her geschiffet habe / dann so wirstu in einem gantzen Jahr nicht fertig werden / alle Ziegen vbers Wasser zu bringen. Wie viel seynd nun der Ziegen [240] bißher vber gefahren? fragte Santscho. Was zum Teuffel weiß ich das? antwortete Don Kichote. Ach daß es GOTT walte / sprach Santscho / hab ich nicht gesagt / jhr soltet gute achtung vff die Zahl vnd rechnung geben. Wolan / so hat nun / bey Gott / die Geschicht jhre endschafft / vnd kan nun weiter darinnen nicht fortgefahren werden. Wie kan das seyn? antwortete Don Kichote. Geht dann eben dieses die Geschicht an sich selbs vnd deren wesentliche Beschaffenheit also gar an / daß man außführlich alle vnnd jedwede Ziegen wissen müste / welche vbergesetzt seyn worden / daß / wo man derer eine vberhüpffte / vnd in der anzahl irrete / du nicht in erzehlung deines Märleins weiter fortfahren köntest. Nein / Herr / durchauß nicht / antwortete Santscho: Dann gleich als ich euch fragte / daß jhr mir sagen soltet / wie viel Ziegen hinüber weren / vnd jhr mir antwortet / daß jhrs nicht wüstet / eben in dem fiel mirs aussm Gedächtnüß / wie viel ich noch zu erzehlen vbrig hatte. Vnd / so wahr als ich lebe / es waren Sachen / die noch wol viel merckwürdiges dinges / auch wol grosse kurtzweil vnd Schertz hinter sich hatten. So hör ich wol / sprach Don Kichote, ist die gantze Geschicht schon auß / vnnd gantz vollendet? Also gar vnd vollkömlich / wie meine Mutter / sagte Santscho.

Ich sag dir die Warheit / antwortete Don Kichote, daß du eines der allernewesten vnnd ohnerhörtesten Märlin / oder / wie ichs nennen sol / Geschichte erzehlet hast / als kein Mensch auff der Welt hette außdencken mögen. Vnd ist wol gewiß eine solche Art etwas vff die Bahn zu bringen / oder auch von der erzehlung abzulassen / gantz nicht zu sehen oder zu finden / wird auch zeit lebens nicht gesehen [241] vnd jrgends verspühret werden / ob ich zwarten von deiner Scharpffsinnigkeit mich keines andern zu versehen gehabt habe. Darumb wundere ich mich gantz nicht / dann vielleicht haben diese grawsame Schläge / so noch nicht vffhören wollen / dir das Gehirn vnnd Verstand gantz verwirret vnd zerrüttet. Es könte alles wol seyn / antwortete Santscho / ich weiß aber gleichwol daß gewiß / daß / so viel meine erzehlung anreichet / ist hierzu nichts anders zu sagen oder beyzubringen / als daß sich das Mährlin daselbs endet / da der jrrthumb in zehlung der vbergeführten Ziegen anfehet. Es mag sich nur in Gottes Nahmen jmmer hin enden / wo es wil / sprach Don Kichote: Laß du vns nur zu sehen / ob Rossübrall sich noch nicht werde regen vnnd wenden können. Hierauff fieng er widerumb an die Hacken dem Pferde in die Seiten zu setzen / vnd das Pferd fieng wider an / Sprünge mit gleichen Füssen zu thun / vnnd in die Höhe zu hüpffen / vnd also fort drauff widerumb gantz still zu stehen. Also gar feste vnd starck war er an beyden Füssen zusammen gebunden.

Eben vnter diesen Geschichten trug sichs zu / daß Santscho entweder / wie man sich bedüncken lässet / wegen grosser Kälte des Morgens / welcher schon herein zu brechen begunte / oder daß er etwan etliche weichliche durch brüchige Speisen zur Abendmahlzeit genossen hatte / oder daß es sonsten natürlich vnd menschlich an sich selbsten ist (welches wol am ehisten vnd sichersten zu glauben stehet) eine Begierde vnd Verlangen bekahm / das jenige zu thun / so einem andern an statt seiner zu verrichten nicht wol möglich ware. Aber es war die Furcht / so jhm zu Hertzen eingedrungen war / so gar groß / daß er sich nicht erkühnte eines Nagels breit von seinem Herren abzuweichen. Inmittels gleichwol / daß man dencken solte / er hette dieses zu thun vnterlassen sollen / dessen er so grosse [242] Noth vnd Begierde truge / war noch weniger müglich. Derohalben / was er zu seiner befriedigung hierunter that / war nichts anders / als daß er die rechte Hand / damit er den Sattelbogen gefast hatte / loßgehen ließ / mit welcher er die Schleiffe am Nestel[131] / welcher jhm / ohn zuthun vnnd hülff einiger anderer Senckel mehr / die Hosen empor vnd zusammen hielte / gar leise vnd mehlich / ohn einiges rauschen oder geraffete / vfflösete / also / daß durch desselben von einanderlassung die Hosen also fort hinunter zur Erden fielen / vnd jhme in gestalt der Fußeisen / vmb die Beine hengen blieben. Nach diesem hub er / vffs beste er vermochte / das Hembd empor / vnd reckte alle beyde Hinderbacken / welche gewißlich nicht gar sonders klein vnd subtil waren / gegen dem Wind vnd die Luft herauß. Als er nun dieses verrichtet hatte / (welches er zu thun am nothwendigsten zu seyn erachtete / vmb dieser erschröcklichen Presse vnd ängstiglichen Bangigkeit quitt zu werden) vberfiel jhn ein andere grössere Beschwernüß / welche diese war / daß jhn dauchte / er würde sich nicht können seiner Last entleichtern / daß er nicht etwa ein getöse vnd murmel zugleich mit machen solte. Vnd also fieng er an die Zähne ineinander zu beissen / die Schultern zusammen zu ziehen / vnd vermittels dessen den Athem / so viel er jmmer vermochte / an sich zu ziehen. Aber / vber allen diesen angewendeten Fleiß / Müh vnd Arbeit / war er doch also gar vnglückselig / daß endlich er ein wenig gesumme vnd gebrümme verursachte / welches aber weit anders vnd gar vnterschieden war / von dem jenigen / daß jhme eine so grosse Furcht vnd Schrecken zum Hertzen gemacht hatte. Dieses erhörte Don Kichote, vnd sprach: Was ist das vor ein Gemürmel / Santscho? Herr / ich weiß es in warheit nicht / antwortete er / es muß abermahl etwas newes seyn / dann kein Glück vnd Vnglück nimbt von einem wenigen vnd


[242a]


[243] geringem seinen Vrsprung her. Er widerholte zum andernmahl sein Glück zu versuchen / vnnd gerieth vnd gieng jhm so wol ab / daß er ohn ferrneres gerümpele noch einiges anders geräusche / sich von aller last / so jhm so viel vngelegenheit vnd beschwernüß zugezogen hatte / ledig vnd loß befande.

Aber / alldieweiln Don Kichote so wol des Geruchs / als auch des Gehörs / eine sehr lebhaffte subtile Empfindligkeit h[atte][132] / vnd vber diß Santscho so gar nah vnd hart bey jhm stunde / daß diese Dünste von vnten herauff gleichsam durch eine gerade Lini biß in die höhe hinauff stiegen / als mochte es nicht wol anders seyn / daß nicht derer etliche gegen seine Nase treffen / vnd bey derselben anländen solten. Vnd als sie nehrlich daselbs angelangt wahren / gebrauchte er sich also fort eines Hülffsmittels / faste die Nase gantz eng zwischen zwey Finger / vnd sprach mit einem etwas stumpffnäsichten müffelnden Hall: Ich lasse mich bedüncken / Santscho / du habest jetzo grosse Furcht vnd Schrecken. Freylich wol hab ichs / antwortete Santscho / aber woran erkents der Herr eben jetzo mehr / als vorhin niemahls? Dann du reuchst jetzo weit stärcker / als sonsten jemahln / antwortete Don Kichote, aber nicht nach Amber oder Zibeth. Es könte wol seyn / sagte Santscho / aber die Schuld ist nicht mein / sondern ewer / der jhr mich zur vnzeit / vnd durch diese ohngewöhnliche örter also herumb führet. Tritt ein Schritt drey oder viere weiter zu rück / mein Freund / sprach Don Kichote, (aber alles ohne abthuung der Finger von der Nasen) vnd nimb von diesem an ins künfftige deine Person besser in acht / wie auch sonderlichen das jenige / so du gegen die meinige in gebührender obacht zu haben verbunden bist. Dann die allzuviele Gesellschafft / so ich mit dir habe / vnd mich dadurch gar zu gemein mit dir [244] mache / hat diese verachtung[133] vnd vermehrung zu weg gebracht. Ich wolte wetten / antwortete Santscho / jhr gerathet in die Gedancken / daß ich etwa an meiner Person etwas / so sich nicht hette geziemen wollen / möchte begangen haben. Es steht noch viel vbler / daß du diß Ding noch mehr rügest / mein Freund Santscho / antwortete Don Kichote.

In diesen vnd derogleichen mehr andern Gesprächen brachten der Herr vnnd Knecht die Nacht hin. Als aber Santscho verspührte / daß der Morgen jmmer mehr vnd mehr an- vnd herein zu brechen begunte / machte er den Rossübrall gar leise vnnd mit grosser behutsamkeit wider loß / seine Hosen aber bunde er fein sauber wider vff- vnd zusammen. Als Rossübrall sich also wider loß vnnd frey befande / ob er schon an- vnnd vor sich selbs von Natur gar nicht rasch vnd wilde war / so schiene es doch fast / daß er sich etwas zu fühlen / vnnd es zu empfinden begunte. Vnd fieng derohalb an etliche krumme Bocksprünge zu thun / dann courbeten[134] (welches doch mit seiner vergünstigung gesagt sey) vermochte er nicht zu machen. Als nun Don Kichote gewahr wurde / daß sich Rossübrall wider regte / hielte ers vor ein gut Zeichen / vnd glaubte sicherlichen / es geschehe darumb / daß er diese erschröckliche Abendthewer wagen vnnd vor die Hand nehmen solte.

Gleich zu dieser Zeit brach die Morgenröthe vollends an / vnd konte man nun schon alles eigentlichen erkennen / vnd von einander vnterscheiden. Da sahe Don Kichote, daß er vnter lauter hohen Bäumen wahr / welche von Castanien wahren / als die an sich selbs einen sehr dicken finstern Schatten zu vervrsachen pflegen. Er vermerckte auch wol / daß das klippklappen nicht vffhören vnnd nachlassen wolte / gleichwol aber konte er noch nicht ergründen / woher [245] doch dessen vrsach rühren mochte. Hierauf gab er / ohn einiges ferrneres harren oder innhalten / dem Rossübral gantz empfindlichen die Sporen / kehrte sich wider vmb von Santscho Abschied zu nehmen / vnd befahl jhm daß er seiner daselbs vnd an der Stelle vfs allerlängste drey Tage lang warten solte / gestalt er jhm dann schon allbereit zu vorhero gesagt vnd anbefohlen hatte. Vnd zum fall er ja zu außgang vnd verfliessung der dreyen Tage nicht wider anlangen würde / solte er gäntzlichen vnd gewiß dafür halten / daß es Göttlicher Allmacht würde gefallen haben / daß er in dieser gefährlichen Abendthewr / die Tage seines Lebens hette enden vnd beschliessen sollen. Er widerholte auch gegen jhn die Abfertigung vnd Bottschafft / so er von seinetwegen bey seiner allerliebsten Dulcinéa, würde abzulegen vnnd zu verrichten haben / vnnd daß / so viel die belohnung seiner trewen Dienste anreichte / er keine Sorge oder Mißtrawen haben dörffte / alldieweiln er seinen letzten Willen hinder sich zu Hauß verlassen hette / welchen er vor seiner Abreise auß seinem Dorff vffgerichtet / in dem er sich wol versehen vnd versorgt befinden würde / mit alle dem jenigen / was nach außrechnung der Zeit / die er jhm gedienet vnnd vffgewartet / seine Bestallung vnd Lohn außtragen könte. Daferrn jhn aber Gott auß dieser Gefahr frisch / gesund / vnd ausser Betrug vnnd Gebrechen wider zu rück brächte / hette er sich mehr als gewiß auff die zugesagte Insel zu verlassen.

Hierauff fieng Santscho von newem wider an zu weinen / als er die wehemütigen vnd kläglichen Reden seines Herren anderweit anhörte / vnnd entschloß gäntzlichen bey sich / daß er jhn biß zu dem endlichen Außgang vnd Beschliessung dieses Wercks / nicht verlassen wolte. Auß diesen Thränen / vnd dem also ruhmwürdigen Vorsatz des Santscho Panssa [246] zeucht vnd schleust der Beschreiber dieser Geschicht / daß er von guten Eltern müsse geboren / vnd zum wenigsten einer von den vhralten Christen seyn gewesen. Dieses sein Mitleyden nun vnd seine Wehemütigkeit bewegte vnd erweichte zwarten in etwas seinen Herrn / aber doch nicht so sehr / daß er sich deßhalben einiges Weichmuths oder Zaghafftigkeit hette sollen vermercken lassen / sondern er verbarg vnd vertuschte es vielmehr vffs beste / als er jmmer mochte / vnd fieng an gegen dieselbe Refier vnd Gegend / von dannen jhn dauchte / daß das Wasserprausen vnd klippklappen hergerühret hette / gerade zu seinen Weg zu nehmen. Santscho folgte jhm zu Fusse nach / vnd / seiner Gewohnheit gemäß / treckte[135] er sein Thier / als einen steten Geferten seines Glücks vnnd Vnglücks / bey der Halffter jmmer hinder sich her.

Als sie nun eine gute weile vnnd eine lange strecke / vnter den Castanien vnd andern schattigten Bäumen hergezogen waren / geriethen sie vff eine kleine Wise / welche nahe bey etlichen hohen Felsen anlage / von welchem ein trefflicher grosser hauffen Wassers sich abstürtzte. Vnten geruhrt am Felsen waren etliche schlechte arme Häuserlin angebawet / welche mehr eine alte Rummeley[136] / so von andern Häusern noch vbrig / zu seyn scheineten / als daß es rechte Häuser an- vnd vor sich selbs seyn solten / bey- vnd vnter welchen sie vermerckten / daß das geschnurre vnd geknastere desselben klippklappens / welchs noch durchauß nicht vffhören wolte / herrühren müste. Ab diesem Gethöne des Wassers so wol / als auch der stetwehrenden Schläge / wurde Rossübrall etwas erschrocken vnd stutzig. Aber Don Kichote schlichtete vnnd stillte jhn / ritte fort / vnd nahete sich jmmer mehr vnd mehr zu den Häusern / befahl sich mit gantzem Gemüth vnnd Hertzen seiner gebietenden Frawen / vnd [247] bat sie sehnlich / daß sie jhm bey dieser grawsenden Tagfahrt vnd Vorhaben günstig seyn möchte. Vnd bey dieser Gelegenheit befahl er sich auch ohngefährlich vnserm Herrn GOTT / daß derselbe seiner auch nicht vergessen wolte. Santscho blieb seinem Herrn nicht weit von der Seiten / reckte den Halß / so viel jhm jmmer müglich war / empor vnd in die höhe / vnd sahe durch vnd vnter des Rossübralls Schenckeln herfür / vmb zu schawen / ob er dann nicht einsten des jenigen könte gewähr vnd ansichtig werden / welches jhn also lang in verwirrung vnd vngewißheit / wie auch in Furcht vnnd Schrecken / gehalten hette. Es möchten etwa noch andere hundert Schritte seyn / die sie noch ferrner reiseten / als sie noch vber ein Hüglin kommen wahren / siehe / da erschien vnd ereugte sich die rechte eigentliche Vrsach / (inmassen es dann auch keine andere seyn konte) desselben grawsamlich erschallenden / vnd diesen Leuten erschröcklichen brausens vnd gethönes / welches sie also verwirrt vnnd furchtsam diese gantze lange Nacht gemacht hatte. Vnd waren eben (wo du / lieber Leser / nicht endlichen ein Verdruß vnd Eckel hierob schöpffest) sechs Stempel einer Walckmühle[137] / welche durch abwechselung jhrer stösse vnd stampens dieses gotöse vervrsachten vnd zu weg brachten.

Als nun Don Kichote des Wercks / wie es an sich selbs beschaffen war / gewahr wurde / verstummte er / vnd bliebe vor verwunderung vom Haupt biß zur Fußsohlen gantz erstarret. Santscho sahe jhn an / vnd wurde gewahr / daß er den Kopff gegen die Brust vnterwarts hielte / mit gnugsamer anzeige / daß er vnmuths vnd schellig were. Gleicher gestalt sahe auch Don Kichote den Santscho an / vnd wurde an jhm gewahr / daß jhm die Backen etwas pauseten[138] / vnd der Mund schon voller lachens war / mit augenscheinlicher anzeige / er würde mit demselben gar bald persten / [248] vnd in ein volles gelächter außbrechen. Vnd vermochte dannenhero seine mörrische sawrtöpffische Art nicht so viel bey jhm zu weg zu bringen / daß er sich hette des lachens enthalten können / in dem er den Santscho also betrachtete. Als nun Santscho sahe / daß sein Herr den Anfang gemacht hatte / ließ er die gantze Fluthbanck seines Lachens loß / vnd wurde genothdrengt / die Seiten mit den Fäusten fest zusammen zu halten / auß furcht / daß er nicht vor lachen persten vnnd zerspringen möchte. Viermahl holte er wider Athem / vnd eben so viel mahl fieng er wider an zu lachen / mit eben so grosser hefftigkeit / als zu erst. Worüber dann Don Kichote alle Teuffel fluchte / vnd sich jhnen ergabe / vnd daß noch so vielmehr vnd hefftiger / als er jhn vff hönische weise mit stichlichten Worten also gegen sich reden hörete / du solst wissen / mein Freund Santscho / daß ich auß sonderlicher verordnung vnd zuneigung des Himmels dazu geboren bin / damit ich zu dieser vnserer Eisernen Zeit vnd eben in vnnd bey derselben / die von Gold oder Güldenen Zeit / widerumb erwecken vnd herfürbringen möge. Ich bin der jenige / welchem alle Gefahren / alle grosse Verrichtungen / alle streitbare Heldenthaten seind fürbehalten worden. Vnd von diesem an fuhr er fort / vnnd widerholte alle / oder doch die meisten Reden / derer sich Don Kichote zum ersten mahl / als sie dieses erschröckliche stampen erhöret / gegen jhn gebraucht hatte.

In dem nun Don Kichote gewahr wurde / daß Santscho nur sein Gespött vnnd Jeckerey auß jhm triebe / entrüstete er sich / vnd wurde solcher massen vnmuths vnnd vnwillig / daß er die Lantze empor hub / vnd jhme zwey solche vnnd also starcke Streiche damit versetzte / daß wo er solche so wol vff den Kopff als vber die Achseln bekommen hette / so würde [249] Don Kichote hierdurch der Außzahlung seines Solds vnd Lohns quitt vnnd gefreyet worden seyn / es were dann / daß ers seinen Erben hette gut machen müssen. Santscho / als er spührte / daß er einen so bösen Ernst / durch seinen Schertz zu weg brachte / befahrte sich / daß sein Herr nicht etwa mit solchem ernst ferrner wider jhn verfahren möchte / vnnd sprach in grosser Demuth zu jhm: Ewr Gestrengigkeit geben sich zu frieden / dann / so wahr GOTT lebt / ich schertze nur also. Wolan / deßwegen / daß jhr schertzet / so schertze drumb ich nicht / antwortete Don Kichote. Kompt doch her / jhr feiner lustiger Herr: Bedünckt euch dann / eben euch / wie dieses Mühlstämpel gewesen seynd / wann es ein andere gefährliche Abendthewr gewesen were / daß ich drumb nicht ebenmässig solche Hertzhafftigkeit / als sichs geziemen hette wollen / dabey würde erwiesen haben / dieselbe so wol anzufahen vnd vor die Hand zu nehmen / als auch hinauß zuführen? Bin ich dann etwan / als ein Ritter / der ich bin / eben dazu verbunden / daß ich den Hall vnnd Schall erkennen vnd vnterscheiden sol / vnnd mich so eigentlichen drauff verstehen / welches Schläge der Mühlen oder andere Schläge seyen? Vber diß / so könte es auch wol seyn (wie es dann auch die Warheit ist) daß ich derer zeit meines Lebens nicht möchte gesehen haben / gleich wie jhr wol sonder zweiffel gethan habt / als ein schlimmer Bawrflegel / der jhr seit / vnd vnter solchem Lumpenvolck gezogen vnnd geboren. Oder / wo nicht / so schaffet / daß diese sechs Walckstämpel sich in sechs Riesen verwandeln mögen / vnd last mir sie also dann nur her- vnd an mich kommen / es sey einer nach dem andern / oder alle zugleich / vnd wo ich sie nicht alle mit einander wider Gotts Boden werffe / daß sie die Zincken[139] in die höhe recken / so treibt alsdann das Gespött auß mir / so lang euch gelieben wird.

[250] Nun / nun / gnug von diesem / mein lieber Junckher / antwortete Santscho: Dann bekenn vnd gesteh ichs doch / daß ich mich mit allzugrossem Lachen etwas verstiegen[140] habe. Aber lieber / es sag mir doch ewr Gestrengigkeit / weiln wir nunmehro wider einig vnnd vertragen seynd / so wahr als jhro GOTT von allen jhren Abendthewren vnnd Gefährligkeiten / so jhr etwa vffstossen möchten / herauß helffen / vnnd sie also frisch vnnd gesund davon bringen möge / als er sie jetzo auß dieser Gefahr gebracht vnnd errettet hat / wars aber nicht ein rechtschaffen lächerlich Werck / vnnd ists nicht der Müh werth / von der schrecklichen grossen Furcht zu reden / welche wir gleichwol hatten / oder doch zum wenigsten ich? Dann was ewr Veste anlangt / weiß ich schon vorhin wol / daß sie darauff sich nicht verstehet / auch nicht einmahl weiß / was Furcht oder was Schrecken sey. Ich bin nicht in abrede / antwortete Don Kichote, daß / was vns begegnet ist / nicht lachens werth seyn solte. Aber es ist drumb nicht eben ein Werck / davon viel plauderns vnnd gewäsches zu machen sey. Dann es ist nicht ein jeder so verständig vnnd bescheiden / daß er ein jedwedes Ding recht vffzunehmen vnnd zu deuten / vnnd an seinen Ort zu belegen vnnd zu bewegen wissen solte / dahin sichs eigentlichen schickt vnnd reimet. Zum wenigsten / antwortete Santscho / wuste der Junckher wol mit seinem Spehr am rechten Ort einzulegen vnd mir jhn gar eigentlichen vmb den Kopff zu legen / vnnd damit die Lenden zu bewegen. Vnnd hab ich GOTT nicht gnugsam zu dancken / wie auch meiner Hurtigkeit / derer ich mich im rencken vnnd wenden befleissigen muste. Aber es mag drümb seyn: Dann endlichen wäscht sich doch alles im Bade wider ab. Vnnd hab ich doch offt hören [251] sagen / der meinets gut mit dir / der dich zu weinen macht / bevorab weiln vornehme Herren nach einem bösen Worte / so sie einem Diener geben / jhn hernach also fort mit eim paar Hosen zu verehren pflegen / ob ich zwarten nicht weiß / was sie einem alsdann pflegen zu geben / wann sie jhn geprügelt haben. Es were dann sach / daß die wallenden Ritter nach gegebnen Schlägen einem Inseln oder Königreiche auff trucknem Erdreich zu verehren pflegten.

Das Glück könte sich noch wol so seltzam fügen / sprach Don Kichote, daß alle das jenige / so du sagst / wahr gemacht würde. So verzeyh mir nun / was vorgangen ist / als der du bescheiden vnnd vernünfftig bist / vnnd gar wol weissest / daß die ersten Bewegungen vnnd Empfindligkeiten des Menschen nicht in seiner Hand vnnd Gewalt stehen. Vnnd sey dessen hiermit berichtet vnnd verwarnet / darnach du dich auch von nun an ins künfftige allzeit zu achten hast / daß du dich hütest vnnd enthaltest / nicht allzuviel vnnd zu keck mit mir zu reden. Dann in allen Ritterbüchern / darinn ich meines theils noch gelesen habe / derer dann nun ohnzehlich seynd / hab ich niemahln funden / daß ein einiger Waffenträger mit seinem Herrn so viel geredet habe / als du mit deinem Herrn thust. Vnnd in Warheit / ich befinde dessen grosse Schuld vnnd Vrsach so wol an dir / als an mir. An dir zwarten / daß du mich nicht gar in grossen Ehren heltest / an mir aber / daß ich mich nicht wol kan allzuhoch ehren vnnd erheben lassen. Also Gandalihn des Amadis von Franckreich Waffenträger / war ein Grafe auß einer Insel vff trucknem Lande. Vnd lieset man gleichwol von jhm / daß wann er mit seinem Herrn geredet / hab er allzeit [252] das Mützlin in der Hand gehabt / das Haupt geneigt / vnd vff gut Türckisch den Leib in einander gekrümmet. Vnd was wollen wir vom Gasabal sagen / welcher des Rittters Galaör Waffenträger gewesen? welcher also gar heimlich vnd verschwiegen war / daß vmb die Fürtreffligkeit seiner wundersamen verschwiegenheit zu erklären / auch sein Nahme nur ein einig mahl in derselben gleich so grossen weitläufftigen / als warhafftigen vnnd gewissen Geschichtbeschreibung genennet wird. Auß diesem allem / so ich jetzo erzehlet / hastu zu schliessen / Santscho / daß es vonnöthen seyn wil / vnter Herren vnnd Diener / Junckher vnd Knecht / Ritter vnd Waffenträger ein Vnterschied zu machen. So müssen wir nun von diesem Tage an / hinfüro mit grösserer Ehrerbietung mit einander vmbgehen / also / daß mir nicht zu nah gegangen / oder vrsach zu etwas vngleiches gegeben werde. Dann vff was maß vnd weise ich auch jmmer mich vber euch erzürnen würde / möchte es sehr vbel ablauffen / vnd dem Faß der Boden wol gar außgestossen werden. Die Belohnung vnd Wolthaten / so ich euch versprochen / sollen zu seiner Zeit sich wol finden / vnnd zum fall es auch schon nicht beschehe / würde doch der Sold vnd Lohn darumb nicht verlohren seyn / gestalt ich euch dann schon vorhin gesagt habe.

Es ist alles recht / sprach Santscho / was mir der Junckher sagt. Aber dieses möchte ich gleichwol wol wissen (daferrn es ja etwa nicht zur Belohnung kommen solte / vnd man sich nur allein an seinen Dinstsold zu halten hette) lieber wie viel hatte doch wol ein Waffenträger zu denselbigen Zeiten zu lohn von einem wallenden Ritter? Vnd wie dingten[141] sie doch miteinander? wahrs nach Monaten / oder nach Tagen / gleich wie die Taglöhner / so den Mäwrern Handlangung thun? Ich halt wol nicht / antwortet [253] Don Kichote, daß jemahls solche Waffenträger vmbs Lohn gedienet haben / sondern nur vff gnad vnnd zu jhrer Herren beliebung. Dann daß ich dir ein gewissen Sold in meinem beschlossenen letzten Willen / so ich zu Hauß hinder mir gelassen / außgesetzt habe / ist des jenigen halben beschehen / so sich etwa begeben vnd zutragen könte / alldieweiln ich noch nicht wissen kan / wie in diesen vnsern drangseligen Zeiten die Ritterschafft ablauffen möchte / vnnd wolte ich gleichwol nicht gern / daß eines geringen Dinges halber / meine Seele in jenem Leben noth leyden solte. Dann ich wil dir nicht bergen / Santscho / daß / so viel dieses anreicht / ist kein gefährlicherer Stand / als derer / welche sich in solche Abendthewren vnd Gefährligkeiten wagen. Das ist wol freylich war / sagte Santscho / weiln auch nur das einige gethöne der Walckmühlen Stämpel das Hertz eines so streitbahren angehenden wallenden Ritters / als der Junckher ist / hat erschrecken vnnd vervnruhigen können. Aber jhr solt dessen wol gewiß versichert seyn / daß von nun an ins künfftige ich nicht mehr den Mund auffthun werde / vmb mich mit ewrem thun vnnd fürnehmen zukitzeln / vnd das Gespött drauß zu treiben / sondern nur euch in hohen Ehren zu halten / als sichs dann gegen meinen Junckher / wie auch natürlichen vnd Erbherrn eignet vnd gebühret. Vff solche masse / antwortete Don Kichote, wirstu lange leben vff Erden / alldieweiln nechst den Eltern die Herren ebenermassen sollen geehret werden / als wanns die Eltern selbs weren.



[254]
Das 20. Capitel.
Welches handelt von der trefflichen Abendthewr vnd reichen Beute eines Thurnierhelms von Mambrin. Nebst andern Geschichten / welche vnserm ohnvberwindlichem Ritter begegnet seind.

INmittels vnd gleich vnter diesen reden fing es an ein wenig zu regnen / vnd hette Santscho wol gern sehen mögen / daß sie in der Walckmühl eingekehrt hetten. Aber Don Kichote hatte vor derselben ein solchen eckel vnd abschew / wegen des Gespötts / so deßhalben vorgangen war / daß er durchauß vnd keines weges hinein zu kommen begehrte. Vnd also namen sie jhren Weg gegen die rechte Hand zu / vnnd geriethen vff ein andere Strasse / gleich derer / die sie des vorigen Tages gezogen waren. Nicht weit von dannen wurde Don Kichote eines Manns zu Roß gewahr / welcher vffm Kopff etwas führte / das einen solchen Glantz von sich gab / als wanns von Gold gewesen were. Nun hatte er diesen nehrlich ersehen / da wendete er sich stracks gegen den Santscho vmb / vnd sprach zu jhm: Mich wil fast bedüncken / Santscho / daß kein Sprichwort zu finden / welches nicht warhafftig sey / vnd im Werck sich also verhalte / alldieweiln [255] es alles solche Reden seyn / die da auß der erfahrnüß selbs / als einer Mutter aller Künste vnnd Wissenschafften / herrühren vnd gezogen seynd / sonderlichen aber dieses / welches also lautet: Wo eine Thür sich zuschleust / da thut sich die ander hingegen wider auff. Ich rede dieses deßhalben / daß / gleich wie das Glück diese Nacht vber vns die Thür der jenigen Abendthewr verschlossen hat / die wir zu suchen vnnd anzutreffen gedachten / in dem es vns durch die Mühlstempel betrog vnnd verführte / also thut es vns gleicher gestalt eine andere Thür zu einer andern bessern vnnd gewissern Abendthewr wider auff / also vnnd dermassen / daß / wo mir nicht rechtschaffen gelingen wird / durch diese herein zuziehen / so wird vnnd sol die Schuld mein seyn / vnnd werd ich solche ferrner nicht weder der Vnwissenheit vmb die Beschaffenheit der Mühlstempel / noch der Finsterkeit der Nacht geben vnnd zuschreiben können. Vnnd das sag ich darumb / alldieweiln ich sehe / daß / ist mir anders recht / einer da gegen vns herkompt / welcher vff seinem Haupt den Thurnierhelm von Mambrin trägt / wegen dessen ich den thewren Eidschwur / als du wol weist / gethan habe.

Hierauff sprach Santscho: Der Herr nehme doch ja wol wahr / was er sagt / vnnd noch mehr vnnd eigentlicher / was er thut / dann ich wolte ja nicht gern / daß dieses etwa noch abermahln Mühlstämpel weren / welche vns jrgends alle vnsere Sinne vnd Witz / Verstand vnd Vernunfft vollends zerstampten vnd zermalmeln möchten. Was zum Teuffel bistu doch vor ein Mensch / antwortete Don Kichote, was hat doch ein Thurnierhelm mit Mühlstämpeln zu thun? Ich weiß es zwarten nit / sagte Santscho wider / aber in warheit / dürffte ich so viel reden / als ich sonsten [256] pflegte / wer weiß / ob ich nicht meiner Meinung so viel Vrsachen anziehen würde / daß der Herr spüren solte / er jrrete in dem jenigen / was er sagt. Wie kan ich in dem jrren / daß ich sage / sprach Don Kichote, du argwöhnischer Verräther? Sag mir nur her / siehestu nicht jenen Ritter / der vns dort entgegen kompt / der da vffn Apffelgrawen Pferd sitzet / vnnd vffm Haupt einen Thurnierhelm von Gold führet? Das / was ich sehe vnd gewahr werde / antwortete Santscho / ist nichts / als ein Mensch / der vff einem grawen Esel / wie der meinige ist / sitzet / vnnd vffm Haupt etwas führet / so ein Glantz von sich gibt. Ja freylich / sprach Don Kichote, dann eben dieses ist der Thurnierhelm von Mambrin / weiche nur vff die Seite / vnd laß mich mit jhm allein zusammen. Du wirst sehen / wie so gar ohn einige Wortwechselung / die Zeit zu erspahren / ich diese Abendthewr hinauß vnd zu end führen / vnnd der Helm / nach dem ich so grosse begierde gehabt / mein bleiben werde. Des entweichens halben wil ich meiner wol wahrnehmen / antwortete Santscho. Aber walte nur GOTT / sprach er weiter / daß es etwas guts vnnd ja nicht etwan widerumb Mühlstämpel seyn möchten. Ich hab euch doch schon vntersagt / Bruder / sprach Don Kichote, daß jhr von der Sachen wegen der Mühlstämpel nichts ferrner gegen mich erwehnen / ja solches auch nicht einsten euch mehr zu sinn oder gedancken steigen lassen sollet. Dann ich schwer euch / vnd zwar ich mag nicht mehr sagen / daß ich euch das Hertz zerstampfen werde. Hierauff zoch Santscho die Pfeiffe ein / vnd schwieg stockstill / auß furcht / daß nicht etwa sein Herr seinen Schwur vnd Gelübd / so er jhm so kugelrund herauß vnter Augen gesagt hatte / zu werck richten möchte.

So hat es nun vmb die gantze Sache diese Beschaffenheit / [257] / daß der Thurnierhelm vnd das Pferd / vnd der Reuter oder Ritter / dessen Don Kichote gewahr wurde / sich also befunden vnd verhielten / daß in selbiger Gegend zwey Flecken gelegen waren / derer der eine also gar klein vnd gering / daß darinnen weder Apoteck noch Barbier / im andern aber / so hart dabey lag / beyde zu finden waren. Dannenhero dann der Barbier des grössern Fleckens auch zugleich dem kleinern bedient war. In diesem kleinen nun lag einer kranck / welchem noth thate eine Ader springen zulassen / vnnd war noch ein ander / der jhm den Barth wolte abnehmen lassen. Zu welchem Ende dann der Barbier daher gezogen kam / vnd ein Küpffern Becken bey sich führte. Vnd fügte es eben das Glück / daß zu der Zeit / als er vnterwegens war / es gleich zu regnen anfieng. Damit er jhm nun den Hut nicht vnsauber werden liesse / der vielleicht erst in newligkeit von jhm erkaufft vnnd noch new seyn möchte / stülpte er das Becken vber den Kopff / welchs / weiln es hübsch sauber vnd rein ware / wol vff eine halbe Meil Weges daher gläntzete. Er kam geritten vff einem grawen Esel / eben wie Santscho gesagt hatte. Vnd dieses gab dem Don Kichote vrsach vnd anlaß sich bedüncken zu lassen / daß es ein Apffelgrawes Pferd / vnd ein Ritter / vnnd ein Güldner Helm were / alldieweiln er alles / dessen er nur gewahr wurde / sehr leichtlich vff seine thörichte Rittersachen vnd vbel verwirrte jrrende Gedancken zoch vnd deutete. Vnd als er nun sahe / daß der arme Ritter näher vnd näher herbey zu kommen begunte / ließ er sich nicht lang im Gespräch mit jhm ein / besondern legte mit dem Spehr wol tieff ein / ließ seinen Rossübrall lauffen / als starck er vermochte / vnd nahm jhm vor den Ritter durch vnd durch zu rennen.

Aber als er nun gantz nahe vnd hart an jhn kahm / [258]  sprach er zu jhm / gleichwol ohn einiges vff- vnnd inhalten von dem wüten seines Spohrnstreichenlauffs[142]: Wehr dich / du schlimme Creatur / oder laß mir in der Güte vnnd mit Willen das jenige folgen / welches mir mit so gutem fug vnnd recht allerdings gebühret. Der Barbier / welcher ohn einiges sein vermuthen oder auch befahrung / dieses Gespenste also an- vnd vber sich kommen sahe / hatte kein ander Mittel sich des Anfalls der Lantzen zu entbrechen / als daß er von dem Esel herab- vnnd zur Erden sanck. Vnd als er kaum die Erde berühret hatte / erhub er sich widerumb schneller / als ein Dammhirsch / vnnd fieng an vber dieselbe Ebne mit solcher Geschwindigkeit außhin zu lauffen / daß jhn auch der Wind selbs nicht würde ereilet haben. Er ließ das Becken vff der Erden liegen / mit welchem sich dann Don Kichote befriedigte / vnnd sagte / es hette der Heide gleichwol gar weißlich vnnd bescheidentlich gehandelt / vnd dißfalls dem Beyspiel des Bibers nachgefolget / welcher / wann er befünde / daß jhm die Jäger nah vffm Rücken weren / jhme selbs mit den Zähnen das jenige außrisse vnnd hinweg bisse / darumb er also verfolgt zu werden / auß weisung vnd reitzung der Natur verstünde. Hierauff befahl er dem Santscho / er solte den Helm auffheben / welcher / als er jhn in die Hand nahm / sprach er: Bey GOTT / das ist ein gut Becken / vnnd ist eins Reichsthalers werth / so gut als eines Pfennings. Da gab ers seinem Herrn / welcher es also fort vffn Kopff satzte / drehte vnnd wendete es von einer Seiten zur andern / vnnd suchte daran das Helmlin oder Visier. Vnd als ers nicht fand / sprach er: Zweifels ohn hat der Heyde / nach dessen maß dieser weitberühmbte Helm zu erst ist geschmiedet worden / einen vberauß grossen Kopff gehabt / vnd ist nur dieses das ärgste / daß die ander helfte daran ermangelt.

[259] Als Santscho das Becken hörte einen Helm nennen / konte er sich des lachens nicht enthalten / aber er erinnerte sich stracks in seinem Gemüth des vorgangnen Zorns seines Herrn / vnnd mitten vnterm lachen / hielt er an sich vnd den Knebel inne. Mein was lachstu? sprach Don Kichote. Ich lache darüber / antwortete er / in dem ich den schrecklichen grossen Kopff betrachte vnnd mir vorbilde / welchen der Heyde / als Besitzer dieser Rüstung muß gehabt haben: Dann das Ding sicht doch auß vnnd auß / wie ein Balbier[143] Becken. Weistu wol / was ich mir einbilde / Santscho / sprach Don Kichote? Ich halte dafür / daß dieses fürtreffliche Stück des verzauberten Helms / etwa durch einen wunderlichen Zufall einem möge zu handen kommen seyn / welcher dessen Macht vnnd Stärcke nicht hat erkennen noch schätzen können / vnnd / in dem er viel gewust / was er gethan habe / als er befunden / daß der Helm von dem allerköstlichsten Golde sey / hat er die andere Helffte geschmeltzt vnnd zergossen / nur daß er auß dem Werth deroselben seinen Vortheil vnnd Nutzen genommen / vnd von der andern Helffte hat er diese Rüstung gemacht / welche / als du sprichst vnd dafür heist / einem Balbier Becken gleich zu seyn scheinet. Aber es sey nun drumb beschaffen / wie es wolle / so ist mir / als der ich den Helm kenne / an der Verwandelung dessen wenig gelegen. Dann in der ersten Stadt oder Flecken / da sich ein Schmidt befinden wird / wil ich jhn vff solche masse widerumb richten vnd zu recht bringen / daß die jenige Rüstung / so der Schmide Gott vor den Kriegs Gott machte vnd hämmerte / nicht allein dieser nicht vorgehen / sondern auch bey weitem nicht gleich sein solle. Inmittels aber wil ich jhn führen / vffs beste ich kan. Dann es ist ja besser ichts als nichts / auch vmb deßhalben so vnd desto [260] mehr / daß er zum wenigsten bequehm vnnd dienlich ist / wider etwa eine Steinigung mich damit zu vorthäydigen vnd vffzuhalten.

Diß wird gar wol seyn können / sprach Santscho / wo man nur die Steine nicht auß Schleudern wirfft / gleich wie eine derogleichen Schleuderung in der Schlacht vnd Scharmützel der beyden Kriegsheere sich zutrug / in welcher dem Herrn die Backzähne gesegnet / vnd die gute Flasche zerschmettert wurde / auß welcher der heilsame gesegnete Tranck herfloß / der mich all mein Eingeweide aussm Leib herauß speyen machte. Ich herme mich nicht gar sonders darümb / sagte Don Kichote, daß ich drümb kommen bin / dann du weissest doch schon wol / Santscho / daß ich die beschreibung desselben außwendig kan / vnnd in frischem Gedächtnüß habe. Ich eben so wol / antwortete Santscho. Aber mach ich dessen / oder gebrauch sein Zeit meines Leben / so geb GOtt / daß diß die letzte Stunde meines Lebens sey. Ja / daß noch mehr ist / ich gedenck mich auch nimmermehr weiter in solche Gefahr zu geben / darinn ich dessen möchte benöthigt seyn / alldieweiln ich mir vorgesetzt habe mich mit allen meinen fünff Sinnen fleissig dafür zu hüten vnd fürzusehen / daß ich ja nicht möge verwundet werden / oder auch selbs einigen Menschen verwunden dörffe. So viel sonsten das ander betrifft / daß vor der Zeit des Fangpalls mit mir ist gespielt worden / davon sag ich vor dißmahl nichts. Dann derogleichen Vnfällen vnd Widerwertigkeiten kan man vbel zuvor kommen / vnd wo sie sich dann endlichen begeben vnd zutragen / ist dabey nichts anders zu thun / als daß man die Schultern ein- vnd vnter sich ziehe / den Athem an sich halte / die Augen zu thue / vnd es nur jmmer gehen lasse / wie vnnd wohin das Glück vnd das Betttuch wil / vnnd vns zu heben gedencket.

[261] Du bist gar ein böser Christ / sprach Don Kichote, als er dieses hörete / dann du kanst nimmer des vnrechts wider vergessen / so man dir einmahl angethan hat. Hierumb so wisse / daß dieses edler vnd wolgemutheter Hertzen art vnd eigenschafft ist / daß man vmb geringe vnd Lumpensachen sich nit sonders annimbt / vnd derer groß achtet. Hastu auch jemahls ein Fuß gebrochen / oder eine Seite gequetschet / oder ein Loch in Kopff bekommen / deßhalben du desselben Schertzes vnd Schimpffs so gar nicht vergessen köntest? Dann wo man die Sach eigentlichen vberlegen vnd betrachten solte / so ists nicht anders gewesen / als nur ein Schertz vnd Kurtzweil die Zeit zu vertreiben. Dann daferrn ichs nicht dahin gedeutet vnd verstanden hette / ich würde schon längst dahin widerumb zurück gezogen seyn / vnd dich zu rechenen mehr vnnd grösseren Schaden gethan haben / als die Griechen wegen des Raubs der schönen Helena angerichtet / welche / da sie jetzo vnd bey diesen Zeiten leben solte / oder meine Dalcinéa bey jrer Zeit bey leben gewesen were / so hette sie sich wol versichert halten können / daß man von jhrer Schönheit nicht so viel Geschreys vnd grosses Wercks würde gemacht haben / als wol jetzo noch beschiehet. Vnd bey diesen Worten thet er einen grossen Seufftzen / vnd ließ denselben hinauff gegen die Wolcken fliegen. Ja es muß freylich nun wol ein Schertz seyn vnnd bleiben / sagte Santscho: Weiln auß der Raach vnd Vergeltung nunmehro kein Ernst werden kan. Ich weiß aber wol am besten / vff was art vnd weise / so wol der Ernst als auch der Schertz beschaffen war / ja ich weiß beynebst auch dieses wol / daß mir dieser Schertz in ewigkeit auß meinem Gedächtnüß nicht kommen wird / so wenig als er mir von den Achseln vnd Schultern kan abgenommen werden.

[262] Aber / damit wir nun diese Sachen beyseit setzen / so sage mir doch ewr Gestrengigkeit / was wollen wir doch mit diesem Apffelgrawen Pferde machen / welchs leibhafftig außsiehet / wie ein grawer Esel / als den jener Merten / welchen der Junckher herab setzte / allhiero ohne hülff vnnd trost hindersich verlassen hat. Dann so viel auß dem zu muthmassen / daß er also eilfertig davon flohe / vnd sich aussm Staub machte / so ist jhm wol nicht zu muth in ewigkeit widerumb anhero zu rück zu kehren. Vnnd / bey meinem Barth / die grawe ist nicht heßlich. Mein Brauch ist niemahln / sagte Don Kichote, diejenigen zu berauben / welche ich vberwinde. So ists auch bey dem Rittersorden nicht also herbracht / daß man jhnen jhre Pferde nehmen / vnd sie zu Fuß solte hinweg lauffen lassen / es were dann / daß der Vberwinder etwan im Kampff das seinige im stich hette lassen müssen. Dann vff ein solchen Fall ists zugelassen / des Vberwundenen Pferd an sich zu nehmen / als welches in einem rechtmässigen Kriege gewonnen vnd erobert ist worden. Vnd also laß nur dieses Pferd / oder Esel / oder was du nun wilst / daß es sey / allhiero bleiben / dann / wann sein Herr befinden wird / daß wir von hinnen abgezogen seyn werden / wird er wol selbiges zu holen / wider vmbkehren. GOTT weiß es am besten / antwortete Santscho / ob ich nicht beliebung trüge / es mit von hinnen zu nehmen / oder es doch zum wenigsten mit diesem meinem Esel zu vertauschen vnd zu verwechseln / welcher mich nicht so gut zu seyn bedüncket. In warheit / es seynd gleichwol die Gesetz vnnd Regeln des Ritterordens eben hart vnd schwer / alldieweiln sie zum wenigsten sich nicht so weit erstrecken / daß man einen Esel gegen den andern außtauschen möchte. Vnd möchte doch nur dieses gern wissen / ob ich denn nicht nur den Zeug außtauschen möchte / wo mirs geliebte. Dessen bin ich nicht gar eigentlichen [263] vergewissert / antwortete Don Kichote. Vnd / weiln es noch zweiffelhafftig ist / biß so lang man sich kan einer mehrern gewißheit erholen vnd berichten lassen / so sag ich / ja tausch jhn jmmer auß / daferrn es nur also beschaffen / daß du dessen zu eusserster deiner notturfft bedürfftig bist. Zu so gar eusserster / antwortete Santscho / daß / wo es auch vmb meine eigne Person zu thun were / so könte ich dessen nicht mehr vnd sehrer bedürffen. Vnd also fort / weiln jhn diese nach- vnd zulassung geschickt zur Sachen machte / gerieth es an eine Kappenverwechselung / vnnd legte er seinem Thierlin die stattlichen Zierathen auf / vnnd verbesserte es vffn dritten oder fünfften Theil mehr / als es vorhin gewesen. Als nun dieses geschehen / frühstückten sie von den vbrigen Brocken / so sie von dem Saumesel[144] Beuthe gemacht hatten / vnd truncken des Wassers von dem Bach / der die Walckmühle trieb / jedoch also / daß sie sich nicht einsten gegen die Mühle zu kehreten. Also gar groß war das Grawsen vnnd der Eckel / den sie hatten / wegen der Furcht / in welche sie die Walckstämpel gestürtzt hatten.

Als jhnen nun der Zorn vnnd Laun in etwas gestillet war / sassen sie wider zu Roß / vnnd / ohne für sich nehmung einer gewissen eigentlichen Strassen / (alldieweiln es wallender Ritter gar sonderbahre Eigenschafft ist / daß sie sich nicht fürnehmen / einigen gewissen Weg zu wandeln) fiengen sie an fort zuziehen / wohin Rossübralln seine Beliebung vnnd Willen trüge. Dann des Pferdes Wille zoch auch des Herrn Willen nach sich / wie auch nicht weniger des Esels / welcher jhm auß lieb vnd gesellschafft allzeit folgte / wohin er jhn nur jmmer anführte vnnd jhm vorgienge. Dessen ohngeachtet / so kamen sie doch wider vf die grosse Landstrasse vnd zogen also vff Gottes Berath dahin / ohn einiges nachdencken vnnd [264] fürnehmen / was oder wohin sie wolten. In dem sie nun also einher zogen / vnnd fortreiseten / sagte Santscho zu seinem Herrn: Junckher / Geliebt es wol ewr Gestrengigkeit / mir so viel zuzulassen vnd nachzugeben / daß mit jhro ich ein wenig schwatzen / vnnd mich vnterreden möchte? Dann von dem an / als sie mir den harten vnd strengen Befehlich des stillschweigens ertheilet / seynd mir mehr als viererley Sachen im Magen verschimmelt vnd faul worden. Vnd ist noch eine einige / so ich gleich jetzo vff der Spitze der Zungen führe / welche ich nicht gern sehen möchte / daß sie vnbkommen vnd verderben solte. Sag her / sprach Don Kichote, vnnd sey nur rund vnd kurtz in deinen Reden. Dann keiner ist anmütig / der in seinen Reden langweilig ist.

Herr / so sag ich nun / antwortete Santscho / daß ich schon etliche Tage her den Sachen nachgedacht / vnd dieses wol betrachtet habe / wie so gar wenig sich doch gewinnen vnd vor sich bringen lesset / in dem man hin vnd her vmbzeucht / vnnd nach Abendthewren trachtet / nach welchen dann ewer Herrligkeit in diesen Wüsteneyen vnd Creutzwegen sich vmbthut vnd bemühet. Dann zum fall gesetzt / daß man in denselben vberwünde vnd den Sieg davon brächte / vnd die allergefährlichsten deroselben hinauß- vnd zu gutem ende geführet würden / so ist doch niemand allhiero / der es sehe oder erfahre. Vnd wird also alles in ewiger verschwiegenheit begraben vnnd verschorren bleiben / zu grossem Schaden vnd Nachtheil / so wol ewrer eignen Meinung vnd Fürsatzes / als auch des jenigen / so sie wol würdig seynd. Vnd laß ich mich derohalben bedüncken / es solte weit besser seyn (jedoch des Herrn besserer Meinung ohnvorgegriffen) daß wir etwa einem Kayser oder anderm vornehmen Fürsten / der etwan einen Krieg zu führen hette / vffzuwarten / außzögen. Vnd in dessen Dienste möchte [265] der Herr die Mannligkeit vnd Großmütigkeit seiner Person / seine treffliche Stärcke vnd Krafft / vnd seinen hohen sinnreichen Verstand erweisen vnnd darthun. Dann wann dieses von dem Herrn / dem wir dienen vnd bey Hoff vffwarten werden / also gespühret vnd vermerckt würde / wer er verbunden vnnd genothdrengt / vns zu beschencken vnnd es vns zu vergelten / einem jedweden nach seinen Würden vnnd Verdienst. Vnd daselbs wirds auch nicht etwa an einem ermangeln / welcher des Herrn Ritterliche Thaten zu ewigem seinem Gedächtnüß vffzeichnete vnd zu Pappier setzte. Von meinen Thaten sag ich allhiero nichts / dann dieselben müssen sich nicht ausser vnd vber den Schrancken vnd Bezirck der Waffenträger / erstrecken vnd empor heben. Wiewoln ich dieses hierbey anzuziehen habe / daß /wo es bey dem Rittersorden herbracht / vnd also bräuchlich ist / daß man auch der Waffenträger Thaten vffzeichnet vnd beschreibet / so halt ich gäntzlichen dafür / es werden die meinigen auch nicht zu rück vnd vnter der Banck liegen bleiben.

Du redst nicht vbel von der Sach / Santscho / antwortete Don Kichote, aber ehe vnnd zuvor es zu diesem Ziel vnd Ende gereiche / thut vonnöthen / daß man erstlich / gleichsam zum Versuch vnd Prob / wol in der Welt herumb wandere / vnd allerley Abendthewren versuche / damit / wann man derer etliche zu end vnd hinauß führet / man einen grossen Nahmen vnd herrlichen Ruhm hierdurch erlange / also daß / wann man hernachmahls an einen Hoff eines grossen Monarchen kompt / der Ritter schon durch seine Werck vnd Thaten bekant / vnd / da die Jungen jhn nehrlich haben zum Stadtthor einher reiten sehen / sie jhm alle nachfolgen vnnd vmb jhn herlauffen / schreyen vnd sagen: Dieses ist der Ritter der Sonnen / oder der Schlangen / oder etwan eines andern [266] Zeichens / vnterdessen gemerck er jrgends grosse ritterliche Thaten mag begangen haben. Dieser ists / werden sie sagen / der den grossen Riesen Brocabruno, so von trefflicher Stärcke vnd Krafft war / in einem sonderbahrem Kampff vberwunden hat / der da grossen Mammeluc auß Persien von der langwürigen Bezauberung / darinn er gantzer neunhundert Jahr gesteckt hatte / endlich erlöset / vnnd jhn derer benommen. Daß also jederman / jmmer einer nach dem andern / fortfahren wird / seine grosse Thaten zu rühmen vnnd außzubreiten. Vnd flugs vff der Knaben vnnd des andern Volcks Geschrey Lerm vnd Wesen / wird der König desselben Reichs an die Fenster seines Königlichen Pallasts fallen / vnnd nach dem er den Ritter ersehen / vnnd jhn entweder an seiner Rüstung vnnd Waffen / oder an dem Gemerck des Schildes erkennen wird / so wird er nothhalben sagen müssen: Wolan / daß alle meine Junckhern hinauß ziehen / so viel derer an meinem Hof seynd / vmb zu empfahen vnd anzunehmen die Bluhme des Ritterordens / welche da einher zeucht. Welchem Befehlich zufolge / sie dann alle herauß kommen werden: Vnd er selbs wird biß vff die mitte des Wendelsteins[145] herbey nahen / vnd jhn gar hart vnnd feste vmbfahen / jhm den Segen geben / vffs Angesicht küssen / vnd jhn also fort bey der Hand in der Königin Gemach führen / da dann der Ritter Sie benebst jhrer Tochter der Infantin[146] finden vnd antreffen wird / welches dann ausser allem zweiffel eine von den schönsten vnd vollkommensten Fräwlin seyn wird müssen / als eine vff dem grössern Theil der weiten breiten Welt / mit grosser Müh vnnd kaum möchte gefunden werden.

Nach diesem / vnd fast eben in dem Augenblick / wird sichs zutragen / daß sie jhre Augen vf den Ritter / [267] wie auch nicht weniger er gegen sie / wenden wird / vnd ein jedes wird dem andern mehr etwas göttliches als menschliches zu seyn bedüncken / vnd werden ohnwissend wie oder wann / warumb oder warumb nicht / gegeneinander gefangen / vnd in dem vnvfflößlichen Garn der Lieb verwickelt vnd verknüpfft sich befinden / vnd das mit grosser Angst jhrer Hertzen / in dem sie nicht wissen werden / was sie vor Anlaß vnd Gelegenheit werden haben können mit einander zu Red vnd Gespräch zu kommen / vmb jhr Hertzleid vnd Schmertzen einander zu entdecken. Hierauff / vnd nach diesem ferrner wird man jhn sonder allen zweiffel in ein sonderlichs vffs herrlichste vnnd prächtigste zugerichtetes Zimmer vnnd Gemach führen / da sie jhm nach abgenommener seiner Rüstung vnnd Waffen einen köstlichen Scharlachenen Mantel / denselben vmb sich zunehmen / getragen bringen werden. Hat er nun vorhin ein gewaltiges Ansehen in seinen Waffen gehabt / so wird ers ebenmässig vnnd noch vielmehr in Hosen vnnd Wammes[147] haben. Wann es gegen Abend wird kommen seyn / wird er mit dem Könige / der Königin vnnd der Infantin zu Nacht essen / vnnd Taffel halten / da er dann niemahln ein Auge von jhr verwenden / vnnd sie also / gleichwol von den vmbstehenden ohnvermerckt / eigentlichen anschawen vnnd betrachten wird / vnnd sie wird derogleichen hinwiderumb vnnd mit ebenmässiger behutsamkeit zu werck richten / alldieweiln / wie ich schon gesagt / sie ein sehr bescheidenes vnd verschlagenes Fräwlin ist.

Hernach wird man die Taffel auffheben / vnnd wird ein vngestalter kleiner Zwerck zur Saalthür hinein ohnvermuthet kommen / nebst einer schönen Frawen / welche zwischen zweyen Riesen hinder dem Zwerck hergehen wird / mit einer sonderlichen [268] gewissen Abendthewr / welche ein sehr alter Zauberer erfunden hat / also vnd dergestalt / daß / wer sie zu werck vnd ende wird richten können / vor den allerbesten Ritter von der gantzen Welt solle gehalten werden. Angesichts wird der König befehlen / daß alle die jenigen / so daselbs zugegen seynd / sich daran versuchen sollen. Aber keiner vnter jhnen wird dabey etwas außrichten / vnd auff ein Ort bringen können / als nur allein der frembde Gast / der Ritter / zu grossem Vortheil vnd Vffnehmen seines herrlichen vnd berühmbten Nahmens. Vnd hierob wird sich nun die Infantin zum allerhöhesten frewen / vnd sich vor sattsam vnnd nur allzuhoch begnüget befinden / in dem sie jhre Gedancken vnnd Hertz gegen einen so hohen Ort gerichtet / vnnd so wol angewendet habe. Vnd ist dieses das beste / daß selbiger König / oder Fürst / oder was er nun ist / einen trefflichen gefährlichen Krieg wider einen andern ebenmässig / als er ist / mächtigen vnd gewaltigen Herrn führet. Dann es wird der frembde Ritter zu außgang etlicher Tage / die er wird an diesem Hofe gewesen seyn / vmb vrlaub bey jhm anhalten / daß er widerumb ab- vnd hinweg ziehen / vnd jhm in obbesetztem Krieg dienen möge. Der König wird jhm auch diese Erlaubnüß mit gutem Willen geben / vnnd der Ritter wird jhm mit grosser Höffligkeit die Hände küssen / wegen der Gunst vnd Gnad / so er jhm dißfalls bezeiget.

In dieser Nacht nun wird er von seinem Fräwlin der Infantin abschied nehmen / durch das Gitter eines Gartens / welcher gerührt an jhrer SchlaffCammer ligt / durch welches er schon etliche mahl zu vorhero mit jhr vnterredung gepflogen / dessen Vermittlerin dann eine Jungfer gewesen / so vmb alles gewust / vnd der die Infantin sehr viel hat zu vertrawen pflegen. Da wird er sich zu seufftzen / vnnd sie wird gantz ohnmächtig vnd hinfällig werden / da wird die [269] Jungfer gelauffen kommen vnd Wasser zutragen / vnd wird jhr sehr angst vnd bange seyn / alldieweiln es fast schon gegen Morgen beginnet zu gehen / vnnd sie gleichwol wegen jhres Fräwlins Ehre vnnd Glimpffs[148] nicht gern sehen möchte / daß sie etwa betroffen / vnd die Sach offenbahr werden solte. Endlichen / so wird die Infantin wider zu sich selbs kommen / vnd wird durchs Gitter herauß jhre schneeweisse Hände dem Ritter darrecken / welcher sie zu tausend vnd aber tausendmahlen küssen / vnd mit Thränen gantz anfeuchten vnd benetzen wird. Schließlich wird diß der Verlaß zwischen beyden seyn / daß sie einander jhr gutes oder böses ergehen / wollen zu wissen machen / vnd wird jhn die Princessin bitten / daß / so viel jmmer müglich / er sich nit lang vffhalte oder seume / wider zu rück zu kommen. Welches dann auch er jhro zusagen / vnd vermittels vieler vnnd grosser Endschwüre versprechen / vnd also noch einsten jhr die Hände küssen / vnd von jhro mit solcher Wehemütigkeit vnnd Bewegnüß vrlaub vnnd abschied nehmen wird / daß es fast wenig ermangeln solte / daß er nicht sein Leben darob hette lassen müssen. Von dannen wird er sich nach seinem Gemach begeben / sich vff sein Bette strecken / vnd vor Angst vnd Hertzleid wegen seines hinwegziehens gantz kein Aug zuthun können.

Des Morgens hernach / wird er sehr frühe vffstehen / vnd wider herauß gehen / vmb vom König / der Königin / vnnd der Infantin abschied zu nehmen. Vnd wann er nun von beyden ersten entvrlaubt worden / wird man jhm sagen / daß die Fräwlin Infantin etwas vnpaß vnd vbel auff / vnd man deßhalben nicht zu jhr vor dißmahl kommen kan. Worauff jhm der Ritter bald die Rechnung vnnd Gedancken machen wird / es beschehe wegen des Schmertzens vnd Hertzleides / so sie ab seinem Scheiden vnd Abzug empfinde / [270] vnd wird gar wenig ermangeln / daß er sich nicht bloß vnd seiner Angst vnnd Anliegens offentliche Anzeiguung von sich gebe. Die Jungfer / als eine Vermittlerin jhrer Zusammenkunfft vnd Lieb / wird heraussen vnnd vor jhm stehen / alles dieses in gute obacht nehmen / vnnd hingehen / solches jhrem Fräwlin zu hinderbringen. Das Fräwlin wird sie mit weinenden Augen empfahen vnnd annehmen / vnd zu jhr sagen / daß dieses jhrer grösten Pein vnnd Schmertzen einer sey / daß sie nicht wissen könne / wer doch jhr Ritter seyn möge / vnnd ob er von Königlichem Geschlecht vnnd Geblüt sey oder nicht. Worauff sie dann die Jungfer dessen versichern wird / daß so eine treffliche Höffligkeit / Adeliche Tugend / vnd Mannhafftigkeit / gleich wie diese des Ritters sey / bey keinem andern / als einem Königlichen vnnd tapffern Hertzen vnd Gemüth könne gefunden werden. Mit diesem wird sich die elende vnd betrübte trösten / vnd sich bearbeiten / damit so viel desto mehr zu erquicken vnnd auffzumuntern / damit sie nicht etwa jhren Eltern zu einer vngleichen Muthmassung vnnd Argwohn vrsach vnnd anlaß geben möchte. Hierauff wird sie nun nach verlauff zweyer Tage wider außgehen / vnnd sich offentlich sehen lassen.

Der Ritter aber ist nunmehro davon / streitet im Kriege / vberwindet den Feind des Königs / nimbt ein vnnd gewinnt viel Städte / bringt auß vielen Scharmützeln vnnd Schlachten den Sieg davon / kompt widerumb zu rück nacher Hofe / sieht vnnd befindet seine Allerliebste an gewöhnlichem Ort. Man wird der Sachen eins / daß er zu belohnung vnd widergeltung seiner Dienste beym Vatter vmb Sie werben solle / daß er sie jhm zum Weib geben möge. Der König verwegert sich / sie jhm zu geben / weiln er nicht weiß / wer vnnd von wannen er sey. Aber / wie dem [271] allem / so wird die Infantin doch endlichen dem Ritter zu theil / vnnd mit jhm verehlicht / entweder / daß sie von jhm geraubt / vnnd mit gewalt genommen wird / oder etwa sonsten vff andere art vnnd weise. Vnnd endlichen schätzt es jhm der Vatter vor ein sehr grosses Glück / weiln er in erfahrung kompt / vnnd grundlichen vergewissert wird / daß dieser Ritter ein Sohn sey / eines sehr mächtigen Königs / vber / ich weiß nicht was vor ein Königreich / dann ich halte dafür / es müsse dessen Nahm wol nicht in der Mappe oder Land-Charten gefunden werden. Hierauff stirbt der Vatter / die Infantin ererbet alles / vnnd / mit zwey Worten / also wird vnd bleibt vnser Ritter ein König. Da beginnt er nun stracks seinem Waffenträger vnd allem / die jhn zu erlangung dieser Würde vnnd Hoheit vorschub vnd hülffe gethan / Gnade vnd Gutthaten zu erweisen. Den Waffenträger verheyrathet er mit einer Hof- vnnd Cammer-Jungfer der Infantin / welche ausser allem zweiffel dieselbe wird seyn müssen / so eine Vermitlerin jhrer beyder Liebe war / vnd eine Tochter ist eines sehr vornehmen Hertzogs.

Eben dieses begehr ich / antwortete Santscho / vnd dessen kein anders. Hierauff verlaß ich mich / alldieweiln sich dises alles wegen ewrer / als der jhr euch den Ritter von der trawrigen Gestalt nennet / von Punct zu Punct also zutragen wird. Zweiffle du nur nicht / Santscho / antwortete Don Kichote, dann eben vff diese maß / vnd eben durch diese Grad vnd Stuffen / als ichs jetzo erzehlet habe / kommen dazu / vnnd seind dazu kommen die wallenden Ritter / daß sie Könige vnd Kayser worden. Nur dieses einige mangelt noch / vnd ist hoch vonnöthen / daß man wol zuschawe vnd sich vmbthue / was etwa vor ein König vnter Christen oder Heiden einen Krieg führe vnd auch [272] eine schöne Tochter habe. Aber es ist noch all Zeit gnugsamb diesem Wercke vorzusinnen / in dem / wie ich dir schon gesagt hab / man zu vorhero andere Orte Ehr vnd Ruhm erjagen muß / ehe man sich nach Hoff begiebet. So mangelt mirs auch sonsten noch an etwas / daß nemlichen zum fall schon nun ein König gefunden würde / welcher so wol Krieg führte als auch eine schöne Tochter hette / vnnd ich würde einen vngläublichen hohen rühmlichen Rahmen durch die gantze Welt erarnet vnd erworben haben / ich gleichwol nicht weiß / wie man befinden vnnd erforschen möchte / daß ich Königliches herkommens / oder zum wenigsten ander Geschwisterkind mit dem Kayser sey? Dann es wird mir der König seine Tochter nicht ehe zum Ehegemahl geben wollen / es sey dann sach / daß er zuvorhero dessen gnugsam versichert sey worden / ohngeachtet es meine berühmbte Thaten wol mehr vnd besser möchten verdienet haben. Vnd also muß ich mich hefahren / daß auß mangel dessen ich das jenige / so ich durch Krafft vnd Stärcke meines Arms wolverdienet werde haben / gantz widerumb verschütten vnd verlieren möchte.

Ohn ist es zwarten nicht / daß ich einer wom Adel bin / von einem wolbekanten Hause / von solchen Gütern vnd Eigenthumb / daß ich ein fünffhundert Creutzer jährliches Einkommens habe. Vnd möchte wol seyn / daß derselbe Weise / welcher meine Geschichte beschreiben wird / meine Freundschafft vnd Ankunffts Register vff solche maß außführte vnd beybrächte / daß er mich im fünfften oder sechsten Grad dem König anverwandt vnnd befreundet zu seyn befinde. Dann ich berge dir nicht / Santscho / daß zweyerley arten der GeschlechtsRegister in der Welt gefunden werden / die einen / welche jhren Vrsprung vnd Herkommen von Fürsten vnnd Monarchen herführen vnd außrechnen / welche die Zeit vnd Alter jmmer allmehlich [273] herunter gesetzt / vnnd zum abnehmen gebracht hat / vnd seynd endlichen so schlecht vnd schmal davon kommen / gleich wie die Pyramidalischen Pfeiler endlichen in schmale spitzen sich enden vnd ablauffen. Andere aber haben jhren Vrsprung von schlechtem geringem Geschlecht vnd Geblüt hergenommen / vnd fahren jmmer fort / von Sprossen zu Sprossen höher zu steigen / biß sie endlichen so gar hoch hinan kommen / daß gewaltige grosse Herren auß jhnen werden. Daß also dieses der eigentliche Vnterschied ist / daß etliche das jenige gewesen seynd / was sie anjetzo nicht mehr seynd / andere aber das jenige anjetzo seynd / was sie vor der Zeit nicht waren.

Vnd könte gar wol seyn / daß ich auch einer von denselben were / in dem / wo man rechte erkundigung der Sachen einzöhe / mein Anfang vnnd Vrsprung würde hoch vnd berühmbt erfunden werden / damit dann auch der König / mein künfftiger Schwieger / sich wol befriedigen vnd zu ruh geben könte. Oder / solt es auch zum fall schon nicht geschehen / so würde mich doch die Infantin dermassen lieb gewonnen haben / daß / wider Willen vnd Meinung des Vatters / vnd jhme zu verdruß / ob er auch schon dessen gewiß berichtet werden möchte / daß ich eines Eseltreibers Sohn were / sie mich doch zu jhrem Herren vnd Gemahl annehmen würde. Vnd zum fall er ja noch nicht wolte / so würd es da erst an ein rauben gehen / vnd würd ich sie jhm mit gewalt nehmen / vnd sie an Ort vnd Ende führen / dahin mirs am meisten belieben vnnd gefallen würde. Vnnd endlichen / so würde doch entweder die Zeit oder der Todt / dem Verdruß vnnd Vnwillen jhrer Eltern ein Ende machen.

Hierzu reimet vnnd schickt sich sehr wol / sprach Santscho / was etliche verwegne ohngewissenhafftige Leute zu sagen pflegen: Was du durch gewalt erheben [274] kanst / da bitte keinen vmb Gottes willen drumb. Ob sichs schon besser vnd füglicher schickt zu sagen: Es gibt vielmehr ein Sprung eines Dornstrauchs / als guter Leute bitten vnnd begehren. Dieses sag ich deßhalben / daß wo ja etwan der Herr König / ewr SchwiegerVatter / sich nicht würde vberwinden vnd zwingen wollen / euch mein gnädiges Fräwlin die Infantin zu eigen zu vbergeben / so ist kein ander Mittel / als daß man sie nur raube vnd mit gewalt hinweg nehme / vnd an andere Orte vberbringen möge. Aber dieser schaden vnd vnheil wird darauß entstehen / daß inmittels vnd ehe widerumb fried gestifftet / vnd man sich in fried vnd ruh des Königreichs wird zu gebrauchen vnd zu ergetzen haben / so dörffte der arme Waffenträger / so viel die Gnad vnd Belohnung betrifft / wol mit leeren Händen vnd trucknem Munde außgehen müssen / es were dann sach / daß etwa die Jungfer Vermittlerin oder Kupplerin / welche jhm zum Weib werden sol / mit der Infantin zugleich auß- vnd davon zöge / vnd er einerley glück vnd vnglück mit jhr zugleich wagte vnd außstünde / biß so lang es der liebe Gott anders schicken vnd fügen möchte. Dann ich wil ja dafür halten / daß sein Herr jhm selbige wol also bald zu einer rechten vnd echten Gemahlin wird vbergeben vnnd verheyrathen können. Das sol wol kein Mensch nicht hindern noch wehren / sagte Don Kichote.

Wolan / antwortete Santscho / wann sichs nun nur also gewiß verhelt / so ist nichts mehr vbrig / als daß wir vns dem lieben GOTT befehlen / vnd lassen es das Glück walten vnd jmmer hinauß gehen / welsches Weges es jhm nur gelieben wird. Gott schicke es, antwortete Don Kichote, wie ichs begehr vnd wünsche / vnd wie du dessen bedürfftig bist / vnd der bleibe ein Hümpler vnnd Stümpler / der sich selbs [275] dafür helt vnd achtet. Es sey also in Gottes Nahmen / sprach Santscho / dann ich bin ein guter Christ des vhralten Glaubens / vnnd lasse mir gnügen / wann ich nur zum Graffen werde. Ja es ist noch allzufett für dich / sagte Don Kichote, vnnd wann du es auch schon nicht würdest / so wer doch nicht viel dran gelegen. Dann wann ich ein König bin / so kan ich dir wol den Adelstand geben vnd schencken / daß du jhn nicht kauffen / noch mir auch dafür dienen vnd vffwarten darffst. Dann eben in dem ich dich zum Graffen mache / so wirstu gleich auch ein Ritter mit / vnnd man mag hernach sagen was man wil / so muß man dich bey meinen Ehren vnnd Glauben / vor ein Herren halten / vnd ewr Herrligkeit vnd Gnaden schelten. Gott geb / es mag auch verdriessen / wen es wil. Haltet jhr dann dafür / sprach Santscho / daß ich meiner Wirthschafft nicht würde eine gestalt vnnd ansehen machen können. Herrschafft mustu sagen / vnnd nicht Wirthschafft / sagte sein Herr. Es mag seyn / antwortete Santscho Panssa. Ich sag / ich wolte sie wol rechtschaffen verwalten vnd in acht nehmen. Dann ich bedeutete vor der Zeit einmahl einen Gemeinen Bothen einer innung / vnd / so wahr als ich das Leben hab / es stund mir derselbe Rock so wol vnd artlich an / daß sie alle miteinander sagten / ich hette so ein hübsch Ansehen vnd Gestalt dazu / daß ich mit Fug vnd Ehren wol gar Zunfftmeister seyn vnnd werden könte. Was wil nun alsodann erst werden / wann man mir einen Fürstlichen Rock vmb vnnd vber die Achseln hangen wird / vnnd wann ich mich mit Gold vnnd Perlen bekleiden werde / alsdann der frembden Graffen Brauch vnnd Gewohnheit ist. Ich halte es gäntzlichen dafür / man werde mir auff ein hundert Meil Weges nachziehen / nur mich zu sehen.

[276] Du wirst wol ein hübsch Ansehen haben / sprach Don Kichote: Aber es wil wol hoch von der noth seyn / daß du dir den Barth sehr offt abnehmest. Dann / nach dem du sehr dicke / harsche vnd starrichte / auch vbel gestalte Haar hast / wo du sie nicht mit dem Scheermesser hinweg nimbst / zum wenigsten allzeit vber den andern Tag einmahl / so dürffte man bald sehen vnd gewahr werden / wer du seyst / vnnd was du im Schilde führest. Was darff man weiters / sprach Santscho / als daß ich einen Barbier vberkomme / vnd denselben vmb ein gewisses Jahrlohn im Hause halte. Ja auch / da es von der noth seyn wil / kan ich jhn wol hinder mir her tretten lassen / wie grosse Herren mit jhren reisigen Knechten im brauch haben. Sih da / woher weissestu das / fragte Don Kichote, daß grosse Herren jhre reisige Knechte hinder sich her gehen haben? Ich wils euch sagen / antwortete Santscho: In verwichenen Jahren war ich ein Monat lang bey Hofe / vnd da sahe ich / daß / als ein Herr / so sehr klein von Person war / spatzierete / von welchem sie sagten / daß es ein gar grosser Herr were / so folgte hinder jhm her einer zu Roß / welcher still hielt / so offt er sich wendete / also / daß es schiene / als wann er jhn / gleich einem Schwantz oder Schweiff / hinder sich her schleppte. Ich fragte / wies doch kehm / daß derselbe hinderste Mann sich nicht zu dem fördersten gesellte / sondern allzeit hinder jhm her zodelte? da gaben sie mir zur antwort / es wer sein reisiger Knecht / vnd daß es grosser Herren art vnd gewohnheit were / daß sie derogleichen Leute hinder sich her zu führen pflegten. Von der Zeit an hab ichs so eigentlichen behalten / daß ichs seither dem noch nie auß der Acht vnd Gedächtnüß gelassen habe.

Ich sage / daß du recht hast / sagte Don Kichote, vnnd daß du ebenmässig auch deinen Barbier kanst [277] hinder dir her tretten lassen. Dann die Bräuche vnnd Gewohnheiten / seynd nicht alle zugleich vnd vff einmahl vffkommen / vnnd seynd nicht flugs zum ersten angehen ingesampt erfunden vnnd vff die Bahn bracht worden. Vnd kanstu also wol der erste Graff seyn / der einen Barbier hinder sich her gehen hat. Es ist auch das Vertrawen weit grösser / so man zu einem hat / der einem den Barth abnimbt / als zu dem / der einem nur das Pferd sattelt. Den Barbier belangend / sprach Santscho / da last nur lediglich vnnd allein mich für sorgen / vnd der Herr bekümmere sich darumb / daß er sich bemühe ein König zu werden / vnnd mich zum Graffen zu machen. Das sol geschehen / antwortete Don Kichote, vnnd als er in die höhe vmb sich sahe / wurde er dessen gewahr / davon im folgenden Capitel meldung sol gethan werden.




Das 21. Capitel.
Wie Don Kichote viel mühselige ohnglückliche Leute / welche wider jhren Willen geführt wurden / dahin sie nicht zugehen begehrt hetten / widerumb in den Stand jhrer vorigen Freyheit setzte.

ES erzehlt Cid Hamet Benengeli, ein Arabischer vnd Fleckenländischer Geschichtschreiber / in dieser sehr wichtigen / prächtigen / eigentlichen / anmutigen vnnd sinnreichen Geschichtbeschreibung / daß / [278] nach dem zwischen dem weitberühmbten Don Kichote auß Fleckenland vnd Santscho Pantschmannen / seinem Waffenträger diese Vnterredungen vorgangen waren / welche zu außgang des ein vnd zwantzigsten Capitels seind angezogen worden / Don Kichote die Augen auff- vnd empor gehoben vnd gesehen habe / daß des Weges daher / welchen er zog / ohngefehr ein zehen Männer zu fuß gewandert kamen / welche an einer grossen eisernen Kette / so sie vmb die Hälse führten / gleichsam wie die Paternoster[149] Knöpflin / aneinander gereyet / vnd alle miteinander an den Händen mit eisenen Fesseln angeschlossen waren. Zugleich mit vnd nebst jhnen / kamen auch einher gezogen / jhrer zweene zu roß / vnd noch zweene andere zu fuß. Die zu roß führten Fauströhre[150] mit Fewrschlössern / die zu fuß aber hatten Flitschpfeile vnd Schwerter / welche alle / als sie nun auch Santscho Panssa ersahe / sprach er / das ist eine Kette voller Leute / die vff befehlich vnd auß gewalt des Königs gezwungen vff Galeeren geführt / vnnd daselbs zu rudern sollen angeschlossen werden / vnd nun jetzo deßhalben jhres Weges dahin wandern müssen. Wie? fragte Don Kichote, seinds gezwungne Leute? ists wol müglich / daß der König einem einigen Menschen von der Welt gewalt thun solte? Das sag ich nicht / antwortete Santscho / sondern ich meine / es seind Leute / welche wegen jhrer Mißhandlungen zur Straffe vervrtheilt vnd verdammet seind / vnd nun dahin geführt werden / daß sie dem Könige auß zwang vff den Galeeren oder Kriegsschiffen dienen müssen / vnnd also dannenhero gezwungene Leute genennet werden. Das Ende vom Liede / sagte Don Kichote wider / vnd sey dem nun wie jhm wolle / so ists doch Volck / welches / obs schon geführet wird / so gehets doch auß zwang / vnd nit gutes willens. Also ist jhm / sagte Santscho. [279] Wolan / sprach sein Herr / vff solche maß trifft diese Sache die Verrichtung vnnd Vollstreckung meines Ampts an / in dem ich nemblichen schuldig vnd verpflichtet bin / Gewalt vnd Zwang zu verwehren / vnd armen elenden Leuten beyzuspringen / vnd hülffliche Hand zu bieten. Ewr Gestrengigkeit nehme ja in gute obacht / sprach Santscho / daß die Gerichte / welche der König selbs / oder an des Königs statt seind / derogleichen Leuten weder gewalt noch vnrecht thun / sondern sie zur straff jhrer Vnthaten vnd Mißhandlungen also züchtigen.

Inmittels kam die Kette voll Galgenschwengel herbey / vnd Don Kichote bath mit sehr höfflichen Worten die jenigen / so jhnen zu jhrer Gewahrsam zugegeben waren / sie solten jhnen doch belieben lassen / jhn zu vnterrichten vnd anzusagen / die Vrsach oder Sachen / dererhalben sie dieses Volck vff solche maß vnnd weise einher führeten? Der eine vnter diesen Verwahrern der Leute / so zu Roß war / antwortete jhm / es weren Schiffruderer / jhrer Königlichen Majestät Volck / welche nach den Galeeren zu wanderten / vnnd daß hievon weiter nichts zu reden oder zu sagen were / vnnd er auch nicht mehr davon zu wissen / oder sich darumb zu bekümmern hette. Dem sey nun wie jhm wolle / sagte hierauff Don Kichote wider / so möcht ich gleichwol von einem jedweden vnter jhnen insonderheit der Vrsach seines Vnfalls vnnd Vnglücks berichtet seyn. Hierzu thet vnnd führte er nun andere derogleichen so höffliche Reden / vmb sie zu bewegen / daß jhm / was er begehrte / gesagt würde / daß der andere vff diese Leute bestellte Reuter zu jhm sagte: Ob wir zwarten wol allhiero das Register vnnd glaubwürdiges Zeugnüß der Vrtheile eines jedweden dieser vnglückseligen Menschen bey vns führen / so [280] wil es doch vor dißmahl die Zeit nicht leyden oder zulassen / daß wir vns lang darüber vffhalten / vnnd sie herausser langen / oder auch herlesen. Der Herr nahe sich etwas besser heran / vnd frage sie selbs / dann sie werdens jhm wol sagen / wo es jhnen geliebt. Vnd in warheit / es wird jhnen nicht sehr entgegen seyn / Dann es seynd Leute / welche Schelmstücken so wol zu erzehlen / als zu begehen beliebung tragen.

Mit dieser Erlaubnüß (welche aber Don Kichote vor sich selbs jhm würde genommen haben / wo sie jhm solche schon nicht gegeben hetten) nahete er sich zu der Ketten zu / vnd fragte den ersten an der Reyhe: Warumb vnd wegen was Missethaten er also vbel vnd erbärmlich einherzöhe? Er antwortete / darumb / daß er were verliebt gewesen. Darumb nur allein / sagte Don Kichote, vnd sonsten vmb nichts anders? Wolan / wo man deßhalben / daß man verliebt ist / einen vff die Galeeren verdammet / so würd ich selbs vff denselben schon vor geraumer Zeit haben das Ruder ziehen müssen. Es ist nicht eine derogleichen Lieb / wie dieselbe / von welcher es der Junckher meint vnd verstehet / sagte der geschlossene Rudelsmann / sondern meine Lieb ist diese gewesen / daß ich einem Korb voller Wäsch / darinnen ein hauffen weiß Gereth verwahret war / so gar hold vnd günstig worden / vnnd mich mit demselben also eng vnd feste gefast vnd gehalset habe / daß / wo er mir nicht wer von den Gerichten mit gewalt wider abgenommen worden / würd ich mit meinem guten Willen wol biß annoch nicht davon wider abgelassen haben. Vnd wurd ich dazu vff frischer That betroffen / also / daß es keiner peinlichen Frag vonnöthen thate. Also wurd in der Sach beschlossen vnd ein Vrtheil gefället / mir mit hundert Staupenschlägen die Fliegen von den Schultern abgekehret / zur Zugab drey Jahr Herberge [281] vff den WasserFestungen in kauff verwilligt / vnd also die gantze Sach zu grund außgeführet. Was seynd WasserFestungen? fragte Don Kichote. Es seynd die Galeeren / antwortete der Rudelsmann / welcher ein junger Kerl war / ohngefehr von ein vier vnd zwantzig Jahren / der Geburt / wie er sagte / von Piedrahita.

Eben vff solchen schlag fragte Don Kichote auch den andern in der Ordnung / welcher jhm aber nicht ein Wörtlein drauff antwortete / also gar trawrig / mörrisch vnd sawrtöpffisch zoge er einher. Es antwortete aber an statt seiner der erste / vnd sprach: Herr / dieser ist einer von Canarien / oder / wie ich sagen sol / ein Spielmann vnd Kunstsänger? Wie kompt das? sprach Don Kichote. Muß man dann wegen deß Seitenspielens vnd Kunstsingens vff die Galeeren geschmiedet werden? O ja Herr / antwortete der Ruderer: Dann es ist kein ärger Ding von der Welt / als wann man in Angst vnnd Marter singet. Ja vielmehr / hab ich hören sagen / sprach Don Kichote, daß / wer da singet / der erschreckt vnd vbertöbert sein Vnglück. Hier ist gar das Widerspiel / sagte jener / dann wer nur einmahl singet / muß hernach die gantze Zeit seines Lebens weinen. Ich kan das nicht verstehen / sprach Don Kichote. Aber einer von den Wächtern oder Begleitern / sagte zu jhm: Herr Junckher / Singen in der Angst ist bey diesen vnheiligen Leuten nichts anders / als bekennen in der Marter. Diesen armen Sünder hat man vff der Folterbanck oder Leiter gehabt / vnd hat er seine Mißhandlung bekant / welche dann war / daß er sich vor ein Vierfüßler hat gebrauchen lassen / welches so viel heist / als eines Vieh- oder Pferddiebs Handwerck treiben. Vnd weiln er solches außgesagt vnd [282] bekennet / hat man jn vf 6. jahr zur Galeer verdammet / ausser 200. streichen vnd staupenschlägen / welche er schon vfm Rücken mit sich fuhret. Vnd zeucht er darumb also voller gedancken vnd trawrig einher / dann die andern Dibe / so wol welche jener orte noch sitzen vnd zurück blieben / als auch dise / so jetzo miteinander daher wandern / fahren jhn gar vbel an / vernichten vnd verschimpfieren jhn / treiben auß jhm nur jr gespött vnd hönischen schertz / vnd halten jn sehr geringschätzig / darumb weiln er bekant vnd auß der Beicht geschwatzet / vnd nit so vil muts vnd hertzens gehabt hat / dz er hette läugnen vnd nein sagen können. Dann sie sagen / es hab ein Ne weder weniger noch mehr Buchstaben / als ein Ja / vnd sey ein Missethäter noch glückselig gnugsam / in dem sein Leben vnd Tod vff seiner eignen / vnd nit vf der Zeugen Zung / vnd derer beweiß bestehe. Vnd ich meines theils halte dafür / daß sie des rechten Weges nicht gar weit fehlen. Also versteh ichs nun / antwortete Don Kichote.

Vnd also fuhr er fort / kam an den dritten / vnd fragte jn eben also / wie er mit den andern vnd vorigen gethan hatte / welcher nun fertig / geschwind vnd mit grosser frewdigkeit jm antwortete / vnd sagte: Ich ziehe dahin vf 5. jahr herberge zu den Fräwlin Wassernixin / darumb / daß mir 10. Ducaten gemangelt haben. Ich wil jhr gar gern 20. geben / sprach Don Kichote, nur dz ich euch dieser Angst vnd Beschwernüß befreye. Diß dunckt mich eben also beschaffen zu seyn / antwortete diser Rudersman / als wie mit einem / welcher mitten vfm Meer wol bey Gelde ist / er muß aber gleichwol hungers sterben / auß vrsach / dz es jm das jenige / dessen er benötigt ist / einzukauffen / an gelegenheit ermangelt. Vnd dz sag ich darumb / daß wo ich zu anderer vnd gelegenerer zeit diese 20. Ducaten hett haben mögen / welche mir der Juncker anjetzo darbeut / so wolt ich damit des Schreibers Feder gesalbet / vnd den Verstand des Gerichtsverwalters dermassen geschärpft vnd ermuntert [283] haben / daß ich mich heute vil eher vnd mehr vffm Platz Zocodover zu Toledo, als hier vff dieser Strassen / gefesselt / vnd in gestalt eines Windhunds angekuppelt hette befinden mögen.

Don Kichote fuhr weiter fort, biß zum vierden / der dann ein Mann war / von erbarem vnd ehrerbietungswürdigem Gesicht / in einem eißgrawen Bart / welcher jm biß vber die Brust her reichete. Dieser / als er vernam / daß von jhm die vrsach / warumb er sich in disem zustand befinde / erforschet würde / fing er an zu weinen / vnd antwortete kein Wort darauff. Aber der fünffte vnter den vervrtheilten / ließ sich vor seinen Fürsprechen gebrauchen / vnd sagte / dieser ehrwürdige Mann zeucht nach den Galeeren / vmb 4. jahr zeit darauf zu vertreiben / nach dem er zuvorhero seine gewönliche spatziergänge verrichtet / vnd zur pracht angekleidet / vnd vf einem Pferd einherreitend auß dem Land ist begleitet worden. Dz wird so vil gesagt seyn / sprach Santscho Panssa, als ich mich vor mein Person bedüncken lasse / dz er an den Pranger gestellet / vnd hernach des Lands verwiesen worden. Eigentlich also verhelt sichs / sagte der Rudler wider / vnd die verbrechung vnd schuld / dererhalben er mit dieser straff belegt wird / ist diese / daß er ein Vnterhändler der Ohren / wie auch nicht weniger des gantzen Leibs gewesen / im werck selbs aber meyn ich / vnd wil so vil sagen / dz dieser Junckher darumb des Weges wandert / daß er ein Kuppler gewesen / vnd sich auch in etwas vff die schwartze Künstlerey verstanden.

Wann er doch nur dises nit zu vorigem gethan vnd verübet hette / sprach Don Kichote, so hette er in warheit deßhalben allein / daß er ein erbaren vnd saubern Kuppler gegeben / nicht eben verdienet / daß er vf die Galeern zum rudern geführet würde / sondern vilmehr / daß er vff denselben einen Befehlich bedienen vnnd daselbs einen Ober Hauptman bedeuten möchte. Dann das Ampt eines Kupplers ist nit etwa so ein [284] schlecht Werck / als man wol dencken solte / sondern es ist ein Ampt vernünfftiger vnd verständiger Leute / welche in einem wolbestelten Regiment hochnothwendig / vnd gar nicht zu missen seynd. Vnd solte dasselbe billich niemand verwalten / als nur Leute von gutem Herkommen vnnd erbarem Geschlecht. Ja man solte auch billich hierzu gewisse Obervffseher bestellen / welche der Gaben vnd Eigenschafften solcher Leute sich wol erkundigten / vnd dieselben eigentlich prüfeten / gleich wie mans bey andern Aemptern zu halten pflegt / bey welchen deroselben eine gewisse Anzahl von bekanten Leuten gehalten / vnd dazu verordnet wird / gleich wie es in den Pörschen[151] vnnd vff Kauffmanns Stuben / mit derogleichen Vnterhändlern im brauch ist. Vnd vff solche maß vnd weise könte gar viel vbels vnnd vnheils verhütet werden / welches nur dannenhero entspringet vnd vervrsacht wird / daß sich dieses Amptsverwaltung / vnd der Vbung sothanen Handels / ohnverständige schlechte Leute vnterwinden / welche hierzu allzu wenig Witz vnd Verstandes haben / als da seynd Weiberlin / auß allerley Art vnd Geschirr / klein jungen Gesindlin / Schalcksnarren vnnd Possenreisser / jung von Jahren / vnd sehr feuchte von Wissenschafft vnnd Erfahrenheit / welchen zu begebenheit der höchsten vnnd äussersten not / vnnd wann man ein Werck von grosser Wichtigkeit wagen vnnd vor die Hand nehmen sol / der Bissen zwischen dem Mund vnnd der Hand zu frieren beginnet / vnnd nicht wissen / wo jhnen die Nase eigentlichen stehet.

Ich wolte zwar wol etwas weiter fortfahren / vnd Gründe vnd Vrsachen anführen / warumb sichs allerdings ziemen vnnd gebühren wolle / daß man ein Außlesen vnd Wahl solcher Leute anstelle / welche in einem wolbestelten Regiment / dieses also nothwendiges Ampt führen vnd verwalten sollen. Aber es [285] ist allhiero der Ort dazu nicht / vnd wil es Zeit vnnd Gelegenheit vor dißmahl nicht leyden. Ich wils aber wol etwa eines Tages derogleichen einem andeuten vnd zu verstehen geben / welcher hierzu Rath vnd Mittel schaffen / vnnd solchen Mängeln wird zu vor kommen können. Dieses einige sag ich nur jetzo vnd vor dißmahl / weiln der Verdruß vnd Vnwillen / (den ich hierob geschöpfft / daß ich diese eißgrawe Haar / vnd diß aller ehrerbietung würdige Angesicht / nur gebrauchter Kupplerey halber / in solcher Angst vnnd Hertzleyd hab sehen müssen) mir hierdurch gäntzlichen gestillet vnd entnommen worden / daß er vber vnnd ausser der Kuplerey / sich auch noch der Zauberey vnd schwartzen Kunst solle gebraucht haben / ohngeachtet mir gleichwol nicht vnwissend vnnd verborgen ist / daß in der Welt keine Gauckeley vnd Bezauberung zu finden ist / welche des Menschen Willen bewegen vnd zwingen könne / wie etliche einfältige vnnd albere Leutlin es zwar dafür halten. Sondern es ist vnser Wille frey vnd ohngezwungen / vnd wird kein Kraut oder Segnung vnd Gauckeley zu finden seyn / welche denselben nothdrengen vnd bezwingen könne / gleich wie etliche vnverständige Weiberlin / vnnd eins theils verruchte lose Betrieger zu thun pflegen / in dem sie mit mischungen etlicher Artzneyen / vnd mit andern gifftigen Sachen vmbgehen / mit welchen sie die Leute rasend vnd zu Narren machen / vnnd jhnen zu verstehen geben / sie hetten die Krafft vnd Würckung in sich / einen verliebt zu machen / da es doch / wie ich gesagt hab / ein ohnmöglich Ding ist / daß man den freyen Willen des Menschen zwingen könne.

Also verhelt sichs in rechter Warheit / sagte der gute Alte / vnd gewißlichen / Herr / so viel die Gauckeley vnd schwartze Kunst betrifft / hab ich daran gantz keine Schuld gehabt / was aber die Kupplerey anlangt / [286] das hab ich nicht läugnen können. Aber ich habe niemahln dencken vnnd mir einbilden können / daß ich hieran Sünde oder vnrecht thete / alldieweiln meine gantze Meinung vnd Fürsatz war / daß männiglichen in der Welt lustig vnd frölich seyn / vnnd in Fried vnd Ruh / ohn einigen Streit vnnd Vnwillen leben möchte. Allein diese meine gute Meinung vnd Begierde hat mir gantz nichts gefrommet / etwa dieses zu verhüten / daß ich nicht einen solchen Gang hette gehen müssen / von dannen wider zu rück zu kommen / ich wol schwerlich zu hoffen hab / in betracht sonderlich des grossen Alters / so ich vffm Halse habe / vnd einer Vngelegenheit meines Wassers / welche ich am Leib trage / die mich nicht ein Augenblick ruhen lässet. Vnd mit diesen Worten hub er widerumb / wie zuvor / an zu weinen / vnd trug Santscho so ein grosses Mitleiden mit jhm / daß er einen halben Reichsthaler auß dem Busen langte / vnnd jhm solchen zum Allmosen vnnd vmb GOTTES willen gabe.

Don Kichote fuhr noch ferrner fort / vnd fragte den andern vmb seine Mißhandlung / welcher nicht mit geringerer / sondern vielmehr mit weit grösserer Frewdigkeit / als der vorhergehende jhm antwortete: Ich muß diesen Gang darumb gehen / daß ich mit meinen zwo nechsten Muhmen / vnnd noch mit zwo andern Schwestern / welche mir aber nicht so nahe mit Blutfreundschafft verwand wahren / auß der weise vnd allzusehr geschertzet habe. Endlichen / vnd mit einem Wort / so hab ich mit allen mit einander so sehr geschertzet / vnd ist auß dem Schertz dieses letzlich erwachsen / daß die nahe Anverwandnüß vnnd Blutfreundschafft so gar zugenommen / vnnd ineinander verwirret worden / daß keiner vnter den gelehrten vnnd sinnreichen Meistern zu finden ist / welcher selbige außlegen vnnd vnterscheiden könne. Ich bin [287] dessen allen vberwiesen vnnd vberführt worden / es hat mir an gunst gemangelt / Geld hab ich auch nicht gehabt / vnd also mich in der Gefahr zu seyn befunden / daß mir fast die Gurgel hette dörffen verknüpfft vnd zu eng gemacht werden. Endlichen hat man mich vff sechs Jahr zur Galeer vervrtheilet / darinn ich dann gern gewilligt habe. Es ist eine Straff vnd Züchtigung meiner Schuld vnd Mißhandlung / ich bin noch jung / hab noch eine weile zu leben / mit welcher Hoffnung denn alles Leyd vnd Vnglück vberwunden wird. Wo nun ewr Gestrengigkeit / Herr Ritter / etwas bey sich haben / damit sie diesen armen Teuffeln beyspringen vnnd zu hülff kommen können vnd wollen / so wirds jhro GOTT im Himmel widerumb belohnen vnd vergelten / vnd wir vnsers theils allhiero auff Erden / werden vns angelegen seyn lassen / GOTT in vnserm Gebet vor deroselben Leben vnd Wolfahrt zu bitten / sonderlichen / daß er also lang vnnd glücklich leben möge / als seine hübsche Gegenwart dessen wol würdig ist. Vnd dieser gieng gekleidet als ein Student / so sagte auch einer von den Stockknechten / daß er ein tapfferer Redner / vnd sonderlichen der Lateinischen Sprach trefflich wol erfahren were.

Vff diese alle miteinander folgte ein Mann gar feiner Gestalt / vnd sehr hübsches Ansehens / ausser / daß er etwas schielte / ohngefehr von ein dreyssig Jahren seines Alters. Dieser war etwas anders / vnd gar vff eine besondere Art / als die andern / gebunden vnd verwahrt: Dann an dem Fuß führte er eine so grosse Kette / daß sie jhm gantz vmb den Leib herumb gieng / vnd vmb die Kehle hatte er zwey grosse Halsbänder / deren eins an der Ketten hieng / das ander von denen eins ware / welche man nennet: Freund / sieh dich für / oder den Fuß eins guten Freundes. An diesem hiengen zwey Eisen herab / welche [288] biß an die Gürtelstett hinunter reichten / vnd an dieselbe wahren zwo Handschrauben geschmiedet / welche jhm vmb die Fäuste giengen / vnd mit einem grossen starcken Schlosse verwahret vnnd zugeschlossen waren / vff solche maß / daß er weder mit den Händen zum Mund reichen / noch auch mit dem Kopff sich vnter sich bücken / vnd biß an die Fäuste damit gelangen konte. Don Kichote fragte / warumb dann eben dieser Mann mehr vnd härter / als die andern in gesampt / mit Eisen vnd Ketten gebunden vnnd verwahrt geführet würde? Der Stockmeister antwortete jhm: Darumb / daß dieser allein mehr mißhandlungen vnd Vnthaten vff sich hette / als die andern zugleich allzusammen / vnd daß er so thumkühn vnd frech / vnd also gar ein verruchter Schelm were / daß / ob sie jhm schon vff solche maß wol verwahret daher führten / sie doch nicht bey jhm gnugsam gesichert weren / sondern sich jmmer befahren vnnd in furchten stehen müsten / daß er jhnen etwa entrinnen vnd davon lauffen möchte.

Was kan er vor grosse Missethaten vff sich haben / sprach Don Kichote, wann dieselben nicht eine andere grössere Straff verwirckt vnd verdienet haben / als daß man jhn vff die Galeeren führen sol? Vff zehn Jahr lang ist er vff dieselbigen verdammet vnd vervrtheilt / sagte der Hüter der Gefangenen wider hierauff / welches eben so viel ist / vnd in Weltlichen Rechten dafür gehalten wird / ob wer er todt vnd schon gäntzlichen gestorben. Vnd man bekümmere sich doch ja nicht / ein mehres hievon zu wissen / dann eins vor alles ists gar gnugsam / daß dieser Mensch der weit beschriehene Gines von Passamont ist / welchen sie sonst mit einem andern Nahmen Ginesillio von Parapill heissen. Herr [289] Commissari, sagte hierauff der Rudelsmann / mein thut doch ein wenig gemach / vnnd last vns nicht also die Nahmen vnnd Zunahmen radebrechen vnnd verstümpeln. Ich heisse Gines, vnd nicht Ginesill, vnd mein Geschlechts Nahm ist Passamont, nicht aber Parapill, wie jhr sprecht. Es sehe nur ein jeder vff sich selbs / so wird er nicht vbel thun. Mein / redet ein wenig behutsamer / Herr Strassenräuber / antwortete der Commissari, der jhr eben der rechten einer seit / wo jhr nicht gewertig seyn wollet / daß ich euch also schweigen vnd das Maul zu halten mache / daß es euch geräwen möchte. Mann sicht gar wol / antwortete der angeschlossne / daß es einem jeden Menschen ergehet / nach dem es GOtt gefällig ist. Aber es wird noch die Zeit kommen / da mancher erfahren sol / ob ich Ginesill von Parapill, oder ob ich anders heisse. Wie nun sprach der Hüter / nennt man dich dann nicht also / du Betrieger? Man nennt mich ja also / antwortete Gines, aber ich wils gewiß dahin bringen / daß sie mich nicht mehr also nennen sollen / oder ich wil sies noch rechtschaffen lehren. Aber ich muß es nur vor dißmal so in mich fressen. Vnd jhr / Herr Junckher / habt jhr vns etwas zu geben / so gebts vns doch nur her / vnd wandert in Gottes Nahmen ewres Weges fort / dann man wird fast des vielen nachfragens vnd erkundigens vmb anderer Leute Leben vnd Wandel müd vnd vberdrüssig. Wolt jhr ja meines Lebens wissenschafft vnd erkundigung einziehen / so wisset / daß ich Gines von Passamont bin / dessen Leben durch diese meine Daumen ist beschrieben vnd zu Papier gebracht worden.

Er sagt die Warheit / sprach der Commissari, dann er selbs hat seine eigne Händel vnd Geschichte [290] vfgezeichnet / vnd schriftlichen verfasset / also daß daran nichts ermangelt oder fehlet / vnd dasselbe Buch hat er im Gefängnüß vnd hinder sich zu rück gelassen / vnd vmb zwey hundert halbe Orthe versetzt / welche er daselbs drauff erborget. Ja / antwortete Gines, vnnd hoff es auch wider an mich zu lösen / vnnd wann es schon vff zwey hundert Ducaten verpfändet stünde. Ists dann so gut? fragte Don Kichote. Ja freylich so gut / antwortete Gines, daß der Lazarillio von Tormes[152] schlecht Werck dagegen ist / vnd zwar ins gemein alle andere / welche von derogleichen Sachen jemahls Bücher geschrieben / oder auch ins künfftige schreiben werden. Vnd kan ich euch mit kurtzen Worten dieses davon melden / daß diß Buch von lauter warhafftigen Sachen handelt / vnd zwar von so artigen kurtzweiligen vnnd lustigen warhafftigen Sachen / daß man auch keine Lügen vnd Getichte haben kan / so man im wenigsten mit diesen vergleichen möchte. Mein was hat doch dieses Buch vor einen Tittel oder Nahmen? fragte Don Kichote. Das Leben vnd Wandel des Gines von Passamont, antwortete er selbst. Ists dann gantz fertig vnd zu end gebracht? fragte Don Kichote. Wie kans zu end gebracht seyn / antwortete er / in dem doch mein Leben noch nicht zum ende kommen vnd beschlossen ist. So viel aber davon beschrieben vnnd vffgezeichnet ist / das seynd meine Thaten von meiner Geburt an biß zu der Stunde / als sie mich jetzo zum letzten mahl auff die Galeeren verstossen haben. So seit jhr dann auch wol ehe vnd schon vor dessen drauff gewesen? sprach Don Kichote. O ja / antwortete Gines, Gotte vnd dem König zu dienen / bin ich vor der Zeit vier [291] Jahr lang drauff gewesen / vnd weiß / GOTT lob / ziemblicher massen bescheid / wie daß zweybackne Brod / auch wol / wie die Corbatschen[153] vnnd Peitschen schmecken. Vnd / die rechte Warheit zu sagen / so ist mirs nicht so gar sonderlichen verdrießlich / daß ich jetzo widerumb drauff muß: Dann also werd ich Zeit vnd Gelegenheit haben / mein Buch vollends zu verfertigen / in dem mir noch gar viel zu melden vnd zu beschreiben vbrig vnd im rest verblieben. Dann vff den Spanischen Galeeren hat man vielmehr musse vnd weille / als wol etwan vonnöthen were / ohngeachtet / mir nicht so gar vielmehr nöthig ist zu dem jenigen / was ich noch zu beschreiben habe / alldieweiln ichs / Gott lob / außwendig weiß.

Du scheinst gar geschickt zu seyn / sprach Don Kichote. Wie auch gar vnglückselig / antwortete Gines: Dann allzeit verfolgt das Vnglück die jenigen / welche sinnreich vnnd hohes Verstandes seind. Ja Schelme verfolget es / sprach der Commissari. Ich hab jhm schon zuvor gesagt / Herr Commissari, antwortete Passamont, daß man doch ein wenig gemach thun möchte. Dann es haben jhm ja die Herren / so an statt der Obrigkeit sitzen / nicht darumb den Regimentsstab in die Hand gegeben / daß er mit vns armen Teuffeln / die wir allhiero daher ziehen / so vbel gebahren vnnd vmbgehen / sondern vns vielmehr begleiten vnd an den Ort bringen solle / dahin es Ihr Majestät befohlen haben. Vnd wo der Herr dasselbe nicht thun wird / so wahr als ich lebe / aber Knebel inne / dann es könte einmahl die Zeit kommen / daß die Flecke / so im Wirthshause gemacht worden / sich in der Wäsche ereugten vnnd mercken liessen. Aber stille / vnd daß ja männiglich das Maul halte / lebe Christlich vnd wol / vnd rede ein wenig behutsamer [292] vnd bedachtsamer. Vns aber last doch einmahl ein wenig drauff vnd von statten gehen. Dann ich vermein / wir hetten ja des Narrwercks vnd Kurtzweil fast gnugsam getrieben.

Hierauff hub der Commissari den Stecken auff / vmb dem guten Passamont zur antwort auff seine dräwungen / das Fell zu gerben. Aber Don Kichote machte sich dazwischen / vnd bath jhn / daß er doch nicht so vbel mit jhm gebahren möchte / dann es were ja so groß werck nicht / wer an den Händen also gebunden were / daß derselbe die Zunge in etwas frey führte. Vnd hierauff wendete er sich gegen alle die jenigen / so an der Ketten angeschlossen / miteinander einher zogen / vnd sprach zu jhnen: Meine allerliebsten Brüder / Auß alle diesem / daß jhr mir gesagt habt / hab ich so viel berichts gar deutlich vnd eigentlich eingezogen / daß / ob man euch schon ewrer Missethaten halber gezüchtiget hat / so geben euch doch die Straffen / welche zu leyden vnnd außzustehen / jhr gleich jetzo dahin wandert / nicht sonderliche Kurtzweil vnd Anmutigkeit / vnd jhr gehet dahin zu dieser ewrer Pein vnd Straffe / gar sehr vngern / vnnd durchauß wider ewren Willen. Vnd es könte gleichsehr gar wol sich zutragen / daß die Kleinmütigkeit / die jener in der Marter vnd Folterung gehabt / der Geldmangel dessen allhier / die wenige Gunst vnd schlechte Gewogenheit gegen den andern dort / vnnd dann endlichen der verkehrte Verstand des Richters / ewres verderbens eine Vrsach gewesen sey / daß euch also Recht vnd Gerechtigkeit / so jhr vff ewrer seiten hattet / nicht hat widerfahren mögen. Welches alles ich mir anjetzo in meinem Gedächtnüß vnnd Gemüth solcher massen fürbilde / daß dasselbe mir fürsaget / mich vberredet / ja auch mich gar zwinget vnd nothdrenget / daß [293] ich in der That vnnd im Werck selbs / das jenige an euch erweise / darumb ich von oben herab in die Welt geschickt worden bin / auff daß ich nemblichen in derselben des Ordens der Ritterschafft / dazu ich mich bekenne / mich gebrauchen / vnd denselben vben vnnd treiben / wie auch das Gelübde / so ich gethan / zu werck richten solte / welches ist denen hülffe vnd beystand zu leisten / die dessen bedürfftig seynd / vnd die jenigen zu verthäydigen / welche von andern stärckern vnnd gewaltigern vntergedruckt werden.

Alldieweiln mir aber gar wol wissend / daß vnter andern Stücken der Weißheit vnnd Fürsichtigkeit / auch dises eines ist / daß / was man mit gutem erheben kan / nicht sol mit vnglimpf vnd durch gewalt erhalten vnd zuwegbracht werden / als wil ich diese Herren StockMeister vnd den Gewalthaber bitten / daß sie geruhen möchten / euch loß zu binden / vnnd euch in Fried vnnd Ruh von hinnen ewrer Wege gehen zu lassen. Dann es wird doch an andern Leuten nicht ermangeln / welche dem Könige auch in besseren Gelegenheiten Dienste leisten / vnd vffwärtig seyn mögen. Vnd bedünckt mich ja ein hart vnnd zumahl vnfreundlich Werck zu seyn / daß man die jenigen zu Leibeignen Leuten machen sol / welche GOtt vnnd die Natur zu freyen Menschen gemacht hat. Vnd das vmb so viel desto mehr / jhr Herren Stockknechte / sagte Don Kichote ferrner / dieweiln diese arme Teuffel gleichwol wider euch selbsten nichts verbühret vnd mißgehandelt. Es hat ja ein jeder mit seiner eignen Sünde vnd Gebrechen gnugsam zu thun / vnd dafür zu antworten. Es ist ein Gott im Himmel / derselbe wird gewiß nicht auß der acht lassen / so wol die bösen abzustraffen / als auch die frommen zu belohnen. Vnd stehet doch je nicht fein / daß feine erbare Männer anderer Leute Scharffrichter vnnd [294] Hencker seyn sollen / bevorab / wann sie die Sache nicht angeht / vnd sie damit nichts zu schaffen haben. Dieses such vnd bitte ich auß der Vrsach / mit solcher Sanfftmuth vnd Freundligkeit / damit / wann jhrs zu werck richtet / ich vrsach haben möge euch dafür danck zu sagen. Zum fall jhrs aber mit gutem Willen nicht thun würdet / so sol dieser Spehr vnnd dieses Schwerdt / vermittels der Streitbarkeit meines Arms / euch wol lernen / daß jhrs mit gewalt werdet thun müssen.

Ist mir das nicht eine artige Flegeley? antwortete der Gewalthaber / fürwar ewre Höffligkeit ist sehr anmuthig / auff welche endlichen das Werck außzuschlagen beginnet. Dürfft jhr dann wol begehren / daß wir des Königs Gefangne euch vbergeben vnnd loß lassen sollen? gleich als hetten wir macht loß zu geben / oder jhr auch gewalt vns solches zu gebieten. Mein Herr / zieht nur in Gottes Nahmen ewre Strasse außhin / vnd rückt euch das Becken / so jhr vffm Kopff führet / wol zu recht / vnd wandert nicht da herumb drey Füsse an der Katz zu suchen. Ihr seit die Katz / vnd die Ratz[154] / vnd der Bernheuter[155] / antwortete Don Kichote, vnd war dz reden vnd thun zugleich ein Ding / also / daß er mit solcher Geschwindigkeit vber jhn her geriethe / daß er nicht zeit vnd raum hatte / sich zur Gegenwehr zu stellen / sondern warff jhn platt zur Erden nider / also daß er vom Streich des Spehrs sehr vbel verwundet vnnd zugerichtet wurde. Vnnd war dieses das beste vor den Don Kichote, daß dieser eben derselbe war / welcher das Faustrohr führete. Die andern Begleiter der Gefangenen wurden darob hefftig bestürtzt / vnd wusten sich vber diesem ohnvermutheten Zufall keiner eigentlichen Meinung zu entschliessen. Aber / als sie sich [295] ein wenig bey sich besonnen hatten / vnd in sich selbs schlugen / griffen die zu Roß nach jhren Degen / vnnd die zu Fuß nach jren Hellparten / vnd machten sich an den Don Kichote, welcher jhrer steiff vnd vnverwendetes Fusses erwartete. Vnnd ausser allem zweiffel würd es jhm vbel bekommen seyn / wo nicht die Gefangenen der Gelegenheit gewahr werden weren / die sich jhnen selbs darbothe vnd ereugte / daß sie zu voriger jhrer Freyheit hierdurch widerumb gelangen könten. Dann sie namen dieses in gute obacht / vnd bemüheten sich die Kett zu zerbrechen / an welcher sie also angereyhet einher zogen. Diese Verwirr- vnd Zerrüttung war solcher massen beschaffen / daß die Verwahrer der gefangenen Leute / in dem sie zuweilen gegen die angeschlossenen / welche sich allhand loß zu arbeiten begunten / hin- vnd zulieffen / zuweilen den Don Kichote, welcher sie ansprengte / zu vberfallen vnnd anzutasten / sich vnterstunden / nichts besonders nützliches vnd zuträgliches auß- vnd zu werck zu richten vermochten.

Santscho seines theils / halff tapffer zu der Loßmachung des Gines von Passamont, als welcher der allererste wahr / der da frey vnnd auffgelöset ins Feld sprange / vnd sich vber den zur Erd gefallenen Gewaltshaber hermachte / jhm sein Schwerdt / wie auch sein Faustrohr / abnam / vnd mit selbigem bald auff diesen ziehlte vnnd hielte / bald jenen damit bedrawte / jedoch auff solche maß / daß er die Büchse nie abschoß oder loßbrennete. Vnd dannenhero erfolgte / daß nicht ein einiger von den Stockmeistern in demselben gantzen Felde mehr zu sehen war. Dann sie packten sich alle davon / vnd flohen so wol vor des Passamonts Puffer[156] / als vor den häuffigen vnnd vielen Steinwürffen / damit die nunmehro vffgelösten [296] vnnd abgekuppelten RudelsLeute gewaltig vff sie zuhagelten.

Ab diesem Verlauff wurde Santscho trefflich sehr betrübt vnd bestürtzt / dann er bildete jhm in seinem Gemüth also bald für / wie daß die jenigen / welche die Flucht gaben / der gantzen Sachen bericht / der heiligen Brüderschafft der Land- vnnd Strassen Reuter hinderbringen möchten / welche sonder zweiffel also fort auff den ersten Glockenschlag sich auff- vnd herauß ins Feld machen / vnd die Verbrecher suchen vnd außspehen würden. Vnnd eben dieses sagte er auch zu seinem Herrn / vnd bath jhn / daß sie doch ja alsobald sich von dannen begeben / vnd vff das hohe Gebirg / so stracks dran gelegen war / sich verstecken vnnd verbergen möchten. Diß hat wol seine maß / sprach Don Kichote: Aber ich weiß am besten / was nunmehro hierauff ferrner zu thun sich gebühren wird. Vnd also ruffte er die RudelsLeute alle miteinander / welche zerstrewet vnd durcheinander hin- vnd her lieffen / vnd den Gewalthaber auch so weit außgezogen vnd geplündert hatten / daß sie jhn gantz bloß vnd nacket liegen liessen. Diese stellten sich nun alle in ein Cräyß vmb jhn her / vmb zu vernehmen vnnd anzuhören / was er jhnen befehlen würde. Darauff fieng er an also gegen sie zu reden:

Ehrlichen vnd wolerzogenen Leuten wil nicht anders gebühren vnd geziemen / als daß sie vor die jenigen Wolthaten / so sie empfahen / sich danckbar bezeigen / vnnd ist eben Vndanckbarkeit eines von denen Lastern / welche GOTT am meisten beleidigen vnd zu Zorn reitzen. Dieses sag ich auß der Vrsachen / jhr Herren / alldieweiln jhr nunmehro schon meine Gutthat / welche jhr von mir empfangen / im Werck selbs vnd in der Erfahrung habt empfinden vnd verspühren [297] können. Zu belohnung nun desselben / vnnd zu schuldiger danckbarkeit dafür / so möchte ich wol gern sehen / vnd ist mein eigentlicher Wille / daß jhr also beladen vnnd angethan mit dieser Kette / davon ich ewre Hälse befreyet habe / euch also fort auff den Weg machet / ziehet hin in die Stadt Toboso, daselbs euch vor dem Fräwlin Dulcinéa von Toboso stellet / vnd jhr ansaget / daß jhr Ritter / nemblichen der von der trawrigen Gestalt / zu jhr schicke sich zu jhrer Lieb vnd Gunsten zu befehlen / vnd daß jhr hierauff jhro von stück zu stück / alle das jenige anzeigt vnd erzehlet / was sich bey dieser trefflichen vnd weitberühmbten Abendthewr von anfang zu end / vnd biß ich euch in die also hochgewünschte ewre vorige Freyheit widerumb versetzt / ereuget vnd zugetragen habe. Vnnd nach dem jhr nun dieses werdet verrichtet haben / könt jhr in Gottes Nahmen vnnd auff gut Glück hinziehen / wo es einem jedweden belieben wird.

Vor alle miteinander / vnnd im Nahmen aller sämptlichen / antwortete Gines von Passamont, vnd sprach: Das jenige / was ewr Gnaden vns befehlen / jhr vnser lieber Herr vnd Erlöser / ist vns zu verrichten vnter allen Ohnmügligkeiten die allohnmüglichste. Dann wir können vnd dörffen nicht alle zugleich vnd in einer Gesellschafft vnnd Hauffen vff den Strassen wandern / sondern alleine / voneinander abgetheilet / vnd ein jedweder nur absonderlich vor sich selbs / also / daß auch wol gar von der Noth seyn wolte / daß wir vns bemüheten vnd bekümmerten / wie wir vns biß in die allerinnerste Eingeweide des Erdrichs verkriechen vnnd verbergen möchten / damit wir nur durch die heilige Brüderschafft / welche ausser allem zweiffel vns zusuchen außziehen wird / [298] nicht gefunden vnd ertappt werden möchten. Das beste / so ewr Gnaden dißfalls werden thun können / wird wol dieses seyn / gestalt es dann auch an sich selbs billich vnd rechtmässig ist / daß sie diesen Frohndienst vnnd Schatzungs- oder Stewrerlegung / damit wir vns gegen Fräwlin Dulcinéa von Toboso bezeigen sollen / etwa in ichtwas anders verwechseln vnnd außtauschen / vnd vns zu einer erträglichen anzahl Vatter vnser / Ich gläube / oder anderer Gebet kommen lassen möge / welche wir dann erbötig[157] seyn / zufolg ewrer Gnaden Gemüthsmeinung vnnd Willens / zu beten vnd herzusagen. Vnd ist ja diß noch ein Werck / welches so wol zu Nacht / als bey Tage / nicht allein im fliehen vnd lauffen / sondern auch bey guter Ruh vnd im Stillager / beydes zu Kriegs- vnd Friedenszeiten kan erfüllet vnnd zu werck gerichtet werden. Aber zu gedencken vnd sich einzubilden / daß wir jetzo nunmehr zu den Fleischtöpffen in Egypten wider vmbkehren / nemblichen / wie ich sagen sol / daß wir vnsere Kette auff vns nehmen / vnd vns auff den Weg gegen Toboso zu machen sollen / das ist eben / als wann man sich die Gedancken machen wolte / es were jetzo Nacht / da es doch kaum vmb zehen Vhr am hellen Tage ist / vnd solche Ding an vns zumuthen ist gleich also / ob wolte ich Birnen von einem Vlmenbaum abschütteln. Wolan so schwer ich bey dem vnd dem / sprach Don Kichote, als welcher schon aller voll Zorns gelauffen war / daß jhr Herr Hurensohn / Junckher Ginesillio von Paropillio, oder wie jhr etwa heissen möcht / gantz vor euch selbs dahin gehen sollet vnnd müsset / vnnd zwarten auff masse / wie sich ein Fuchs schemet / vnnd mit der gantzen Ketten vber die Schultern her vmbgeben vnd beladen.

[299] Passamont, welcher ohne das gar nicht viel leyden konte / vnnd schon allbereit gnugsam befunden vnd vermerckt hatte / daß Don Kichote nicht recht vnterm Hütlin verwahrt seyn müste / als welcher eine solche Thorheit begangen / daß er sich vnterwunden / sie in den Stand jhrer vorigen Freyheit wider zu setzen / als er sahe / daß so vbel vnnd vff solche vnbilliche maß vnd weise mit jhnen gebahret vnnd vmbgegangen wurde / winckte seinen Gesellen mit einem Aug / vnd begaben sie sich allerseits ein wenig abwarts vff eine seiten / vnd fiengen an solcher vnd solcher massen vff den guten Don Kichote mit Steinen einzuhageln vnd zuzustürmen / daß er nicht Fäuste gnugsam hatte / sich mit der Rundtartschen vnd Sturmschilde zu bedecken / vnnd der arme Rossübrall achtete der Spohren hiebe vor dißmahl gleich so viel / als ob er von lauter Glockenspeise[158] zusammen gegossen gewesen were. Santscho verkroch sich hinder seinen Esel / vnnd verthäydigte sich vermittels desselben / vor vnd wider die Wolcke vnd das hageln vnd schloßen[159] / welches vber alle beyde daher regnete / vnd sich ergossen hatte. Don Kichote vermochte sich nicht so gar eigentlich vnd vollkömmlichen zu beschirmen vnd zu vberdecken / daß nicht etliche / vnd nicht weiß ich wie viel Steine jhme den Leib treffen vnd berühren hetten sollen / vnd das mit solcher gewalt vnnd vngestümm / daß sie jhn gantz zur Erd danieder wurffen. Nehrlich war er herunter gefallen / da kam alsofort der Student / machte sich vber jhn her / riß jhm das Becken vom Kopff / schlug jhn damit drey oder viermahl wol vmb die Schultern / vnnd gleich so offt schlug er damit wider Gotts Boden / dadurch ers auch zugleich in stücken zerschluge.

Als namen sie jhm sein Waffenröcklin / so er vber [300] seiner Rüstung führte / vnd wolten jhm darüber noch die Hosen abgezogen haben / wo sie nicht wegen der eisernen Beinscheiden daran weren gehindert worden. Dem Santscho namen sie seinen Bawrrock ab / vnd liessen jhn also im blossen Wammes hinder sich. Vnd nach dem sie den andern vbrigen Raub vnd Beute dieser Schlacht vntereinander getheilet hatten / entwanderten sie einer hieher der ander dorthinauß / vnd liessen jhnen mehr angelegen seyn / wie sie der heiligen Brüderschafft / dafür sie sich am meisten entsetzten / auß jhren Händen entwischen / als wie sie sich etwa mit der Ketten behängen vnnd beladen / vnd jhren Weg nacher Toboso zunehmen möchten / vmb vor dem Fräwlin Dulcinéa sich daselbs gehorsamblichen einzustellen. Gantz allein auff der Wahlstatt zu rück verblieben der Esel vnd Rossübral / Santscho vnd Don Kichote, der Esel mit hangendem vnnd zur Erd geneigtem Haupt / in tieffen Gedancken stehend / vnd je zuweilen die Ohren abschüttelnd / in dem er der meinung war / es hette der Sturm vnd Vngewitter des Steinwerffens / welches jhm das Gehör gewaltig sehr verfolgte / noch nicht vffgehöret: Rossübrall aber / als die länge lang geruhet / neben seinem Herrn vf der Erden hingestreckt liegend / weiln er ebenmässig von einem andern Steinwurff wider Gottes Boden fiel: Santscho also bloß in seinem Wämmslin / mit grossem schrecken vnnd furcht von der heiligen Brüderschafft vmbgeben: Vnd dann Don Kichote vber alle massen ohnmütig vnd läunisch / daß er sich eben durch die jenigen also schlimm vnd vbel zugerichtet zu seyn befinden muste / denen er eine so treffliche grosse Wolthat bezeiget vnnd erwiesen hatte.



[301]
Das 22. Capitel.
Von dem jenigen / was dem weitberühmbten Don Kichote vff dem hohen schwartzen Gebirg[160] vffstieß vnd begegnete / welches eine von den allerseltzambsten vnd wunderlichsten Abendthewren gewesen ist / die in dieser warhafften Geschichtsbeschreibung erzehlet werden.

ALs Don Kichote nun befand / wie gar vbel er zugerichtet war worden / sprach er zu seinem Waffenträger: Mein lieber Santscho / Ich hab je vnnd allzeit sagen hören / daß / wann man Bawren vnd schlimmen Leuten Gutthaten beweiset / sey es eben so viel / als wann man Wasser ins Meer gösse. Hette ich dem jenigen Glauben beygemessen / daß du mir gesagt hast / so hett ich dieses Ohnmuths vnd Beschwerung gar wol können entbehren vnd geübrigt seyn. Aber es ist nun geschehen / nur geduldet vnd verschmertzt / mit Schaden wollen wir klug werden / vnnd von nun an ins künfftige vns besser vorsehen lernen. Ja eben also werdet jhr mit Schaden klüger werden / [302] antwortete Santscho / wie ich ein Türcke bin. Aber weiln jhr dann sprecht / daß / wo jhr mir nur geglaubt hettet / würde dieser Schad haben können verhütet werden / so glaubt mir doch noch jetzund / damit wir eines andern grössern hinfüro mögen vberhaben seyn können. Dann ich wil euch nicht verhalten / daß es bey der heiligen Brüderschafft wenig gilt vnnd in obacht genommen wird / daß man sich etwa des Ritterordens gebraucht. Dann sie geben nicht drey Heller werth auff alle die wallenden Ritter / so auff der gantzen Welt mögen zu finden seyn. Vnd seit jhr versichert / daß mich schon bedünckt / als wann jhre Flitsch vnnd Pfeile mir allbereit vmb die Ohren herumb summeten.

Von natur bistu furchtsam vnd zaghafft / sprach Don Kichote. Aber damit du ja nicht vrsach habest mir schuld zugeben / als wann ich halßstarrig vnd eisensinnig were vnnd niemahln das jenige thete / was du mir zu rathen pflegst / so wil ich vor dißmahl deinem Raht folgen / vnd der Grawsamkeit / dafür du dich so sehr fürchtest / aussm Wege gehen. Aber es muß mit dieser bedingung vnnd maß geschehen / daß du weder im Leben noch im Tode einigem Menschen sagen solst / als wann ich auß Furcht mich auff die Seite gemacht / vnnd von dieser Gefahr entwichen were / sondern lediglich vnnd allein / darumb / daß ich deinem bitten vnnd flehen hab statt vnnd raum geben wollen. Dann daferrn du etwas anders sagen würdest / so wirstu solches in deinen Hals hinein liegen: Vnnd ich heisse dich von nun an biß dahin / vnnd von demselbigen mahl an biß hieher in deinen Hals liegen vnnd sage / daß du leugst vnnd wirst liegen allemahl vnnd so offt / als du dieses bey dir gedencken oder von dir sagen wirst. [303] Vnnd sag mir nur hierwider nichts ferrner / dann / wo du nur zum wenigsten bey dir in geheimb gedencken wirst / daß ich etwa wegen einer einigen Gefahr / vnnd insonderheit wegen dieser gegenwertigen / welche fast scheinet / als wann sie das Ansehen eines Schattens der Furcht haben solte / mich auff die Seite mache vnnd entweiche / so bin ich schon fertig vnnd entschlossen / daß ich allhiero ohnverrucktes Fusses verbleiben / vnnd Mutter allein / nicht allein der gantzen heiligen Bruderschafft / derer du meldung thust / vnnd dafür du dich so sehr fürchtest / besondern auch aller Brüder der zwölff Geschlechte Israel / aller der sieben Jünglinge / des Castors, des Pollux,[161] vnd noch vber diß aller Brüder vnd Brüderschafften / so viel derer auff der gantzen weiten Welt mögen zu finden seyn / dieses Orts erwarten wolle.

Herr / antwortete Santscho / Entweichen ist nicht die Flucht nehmen / vnnd zur Stell bleiben vnd warten / ist nicht Weißheit vnnd Fürsichtigkeit / wo nemblichen die Gefahr grösser ist / als die Hoffnung vnnd diese von jener vberwogen wird. Vnnd ist ja weiser vnnd verständiger Leute brauch / daß sie sich heute beym Leben erhalten / damit man jhrer morgen wider gebrauchen könne / vnnd setzen nicht alles auff einmahl vnnd auff ein Tag auff die Spitz vnnd in die Schantze. So sol der Herr gleichwol auch das wissen / daß / ob ich schon ein einfältiger Tölpel vnnd Bawersmann bin / so komm ich doch zuweilen hinder den Verstand vnnd Erfahrung des jenigen / welches man nennet: Kunst wol zu regieren. Daß er sichs also nicht darff gerewen lassen[162] / daß er meinen Rath in obacht genommen habe / sondern er steige vielmehr widerumb auff seinen Rossübrall / wo er [304] anders kan / oder daferrn ja nicht / wil ich jhm hinauff helffen. Vnnd also folge er mir nur jmmer nach / dann das Hertz sagt mirs fast / daß wir nunmehro der Füsse mehr / als der Fäuste / vonnöthen haben. Hierauff setzte sich Don Kichote zu Roß ohne ferrnere antwort einiges Worts / vnd Santscho auff seinem Esel sitzend ritte / als sein Wegweiser / vor jhm her. Vnnd also begunten sie an des hohen schwartzen Gebirgs einen Theil / welcher nah hierbey gelegen war / nunmehro anzukommen / vnd war des Santscho Meinung vnnd Vorhaben / daß sie vber dasselbe gantze Gebirg herziehen / vnd gegen Viso oder Almodovar del Campo wider herab vnnd herausser kommen / sonderlich aber etliche Tage lang sich in denselben Wüsteneyen vnnd Klippen verstecken vnnd verbergen wolten / damit sie nicht etwa gefunden vnd betroffen würden / wo sie ja von der Brüderschafft gesucht werden möchten. Dieses nun also zu wagen / frischte den Santscho an / daß er wahrgenommen hatte / daß der Brodsack / welchen er auff seinem Esel führte / auß dem Streit vnnd Scharmützel mit den Rudelsleuten noch frey vnnd vnberupfft entwischt vnnd davon kommen wahr / welches er dann vor ein recht Wunderwerck hielte / in betracht / daß diese Schiffknechte sonsten alles so eigentlich durchsucht vnnd hinweg geraubet hatten.

Selbige Nacht kamen sie biß auff die Helffte des rechten inwendigen schwartzen Gebirges / welches Orts dann dem Santscho rathsamb zu seyn bedünckte / daß sie so wol dieselbe Nacht / als auch noch etliche mehr Tage zubrächten / vnnd zum wenigsten so lange / als der Vorrath seiner SpeiseCammer / die er mit sich führte / wären vnnd [305] außtragen würde. Vnd also schlugen sie jhr Nachtlager auff zwischen zweyen hohen Klippen / vnd vnter gar vielen Bäumen von Korck oder Pantoffelholtz. Aber die ohnvermeidliche Schickung vnd verhängnüß des Glücks / (welches / nach der jenigen Meinung / die des Liechts des wahren Glaubens ermangeln / alles seines Willens vnnd Gefallens richtet / schicket vnnd macht) hatte es also vesehen / daß Gines von Passamont, der weitberüchtigte Betrieger vnnd Strassenräuber / welcher vermittels der Tugend vnnd Thorheit des Don Kichote, von der Ketten entrissen vnnd loßkommen war / als er auß Furcht vor der heiligen Brüderschafft / (vor der er dann freylich sich zu fürchten gnugsam fug vnnd rechtmässige Vrsach hatte) sich aussm Staub gemacht vnnd entflohen war / auff diesen hohen Bergen sich zu verkriechen bey sich entschlossen hatte. Vnnd brachte jhn sein Glück vnnd seine Furcht / eben an den Ort vnnd Theil des Gebirges / da es Don Kichote vnnd den Santscho Panssa hingeführt hatte / auch eben zu der Stund vnnd Zeit / da er sie noch erkennen konte / ja eben zu dem Augenblick / als sie einschlaffen wolten. Gleich wie nun böse Leute allzeit mit dem Laster der Vndanckbarkeit beflecket zu seyn pflegen / vnnd die Noth einem Gelegenheit an die Hand gibt / dem jenigen nachzustreben / dessen man bedürfftig ist / auch die gegenwertigen Mittel stets vor besser vnnd zuträglicher gehalten werden / als andere künfftige / derer man erst erwarten sol / also nam jhm Gines, welcher nicht im geringsten danckbar wahr / vnnd beynebst nicht viel guts im Sinn hatte / in seinem Gemüthe für / dem guten Santscho Panssa seinen Esel zustehlen: [306] des Rossübralls aber achtete er sich gantz nichts / weiln es so gar ein schlimm Stück Fleisch war / welches weder zu verkauffen noch zu verpfänden ichtwas tochte. Santscho Panssa schlieff hart vnd feste / also / daß er jhm sein Thierlein gar sicher rauben vnd davon führen konte / vnnd ehe es noch zu tagen begunte / war er schon damit so weit hinweg / daß man jhn nicht leicht mehr würde ertappt vnnd betroffen haben.

Die Morgenröthe brach an vnnd herfür / welche dann den Erdboden lustig vnnd frölich / den armen Santscho Panssa aber sehr betrübt vnnd trawrig machte / alldieweiln er seine Grawe zu vermissen begunte. Als er sich nun seines Esels also beraubt zu seyn befand / fieng er an das allerjämmerlichste vnnd erbärmlichste weinen vnnd schreyen von der Welt zu treiben / auch solcher massen / daß Don Kichote vber seinem Geschrey erwachte / vnnd hörte / daß er also sagte: O du inniglichster Sohn meines Leibes / der du in meinen eignen vier Pfälen geboren bist! Du Kurtzweil vnnd Lustsprung meiner Söhne: Du Frewd vnnd Anmüthigkeit meiner HaußEhr: Du Stachel in Augen aller meiner Nachbarn! Du Erleichterung meiner Last vnnd Bürde: Vnnd endlichen vnd mit einem Wort / du Auffenthalt der Helffte meiner eignen Person! alldieweiln von den sechs vnnd zwantzig Hellern / welche ich mit dir alle Tage erworben vnnd für mich bracht habe / ich die helffte meiner täglichen Notturfft erzeugen konte.

Don Kichote, als er dieses Heulen vnnd Geschrey vernahm / auch dessen Vrsach nunmehro [307] wuste / tröstete den Santscho mit den allerbesten Reden / als jhm jmmer müglich wahr / bath jhn / daß er doch gedult haben möchte / vnnd sagte jhm zu / daß er jhm einen Wechselzettel geben wolte / damit man jhm drey andere von der Anzahl der fünffe / so er daheimb zu rück gelassen hatte / in seiner Behausung dagegen geben solte. Hierdurch wurde nun Santscho in etwas wider zu fried gestellet / wüschte die Thränen von den Augen / mässigte vnnd dämpffte sein Schlucksen / vnnd sagte dem Don Kichote grossen mächtigen Danck vor die Wolthat / die er jhm dißfalls bezeigte.

ENDE.

[Fußnoten]

  1. WS: Kummer, Not, Elend
  2. WS: korrigiert. Vorlage: „Teutchen“
  3. WS: Feliciano de Silva
  4. WS: Sigüenza
  5. WS: El Cid
  6. WS: Bernardo del Carpio
  7. WS: Morgante
  8. WS: Eine Silbermünze: Schreckenberger
  9. WS: Babieca hieß El Cids Pferd
  10. WS: Juli
  11. WS: Vorlage: Jnngfern
  12. WS: Panzer
  13. WS: Gedärme, Eingeweide
  14. WS: Vorlage: zn
  15. WS: korrigiert. In der Vorlage „frrrner“
  16. WS: w:Bartholomäus
  17. WS: St. Valentin
  18. WS: Ysop
  19. WS: Priester, Pfarrer
  20. WS: Amadis de Gaula (Amadis von Gallien)
  21. WS: „Las sergas de Esplandián“ von Garci Rodríguez de Montalvo
  22. WS: Nebenform zu Base
  23. WS:Don Olivante de Laura von Antonio de Torquemada
  24. WS: Mateo Boyardo
  25. WS: Ludovico Ariosto
  26. WS: Bernardo del Carpio
  27. WS: Der Punkt am Ende des Satzes wurde von WS nachträglich hinzugefügt, ist aber nicht in der Vorlage vorhanden.
  28. WS: Tirant lo Blanc von Joanot Martorell
  29. WS: Jorge de Montemayor
  30. WS: Gaspar Gil Polo
  31. WS: „Los diez libros de Fortuna de Amor“ von Antonio de Lofraso
  32. WS: die geschorne Glatze der katholischen Geistlichen
  33. WS: El Pastor de Iberia von Bernardo de la Vega
  34. WS: „Ninfas y pastores de Henares“ von Bernardo González de Bobadilla
  35. WS: „Desengaño de celos“ von Bartolomé López de Enciso
  36. WS: „El pastor de Fílida“ von Luis Gálvez de Montalvo
  37. WS: „Thesoro de varia poesía“ von Pedro de Padilla
  38. WS: Originaltitel „Cancionero“
  39. WS: heftig widersprechen
  40. WS: Ledertasche, Hirtentasche
  41. WS: schräg, von der Seite
  42. WS: Mauren, siehe auch Mohr
  43. WS: Schenkwirt
  44. WS: Maul
  45. WS: ein Doppelpunkt in der Vorlage wird als Ergänzungsstrich dargestellt
  46. WS: Meineid – falscher Eid, gebrochenes Versprechen
  47. WS: federlesen – sich putzen
  48. WS: Bizkaia in Baskenland
  49. WS: Der Punkt am Ende des Satzes wurde von WS eingefügt, und erscheint nicht in der Vorlage.
  50. WS: Witwen
  51. WS: früheres deutsches Hohlmaß, Malter
  52. WS: Roggen
  53. WS: Abconterfeien – abbilden
  54. WS: Gegenteil
  55. WS: feindlich, böse
  56. WS korrigiert: wiber
  57. WS: Steigbügel
  58. WS: Herrschafft
  59. WS: Waffenrock
  60. WS: Karrenführer
  61. WS: Sobradisa, ein fiktives Königreich aus dem Ritterroman „Amadis de Gaula
  62. WS: Korkeiche
  63. WS: „das Haar zu Felde schlagen“ – das Haar lösen, fallen, niederhängen lassen
  64. WS: Spalte
  65. WS: Violino piccolo
  66. WS: heint oder heinacht - Abkürzungen für „diese Nacht“
  67. WS: Kartäuser
  68. WS: Schwibbogen
  69. WS: recte „Gaiern“
  70. WS: Reisesack, Jagdtasche
  71. WS: Dorfwiese, grasbewachsenes Land
  72. WS: Stute. In der Vorlage ein Fehler – „Zeeren“, am Buchrand korrigiert
  73. WS: dicke Stangen zum anheben oder tragen von Lasten
  74. WS: Tragestangen
  75. WS: Tapferkeit, Mut, Stolz
  76. WS: balgen – sich mit jemandem schlagen
  77. WS: Krankenhaus, Hospital
  78. WS: genügend, genug
  79. WS: Silenos war der Lehrer des Dionysos (Bacchus)
  80. WS: schmitzen – schlagen
  81. WS: Art, Schlag, Sippe
  82. WS: Handreichung, Hilfe
  83. WS: Hundsnase (von „Bracke“ für Hund)
  84. WS: Spanne – altes deutsches Längenmaß, entspricht dem spanischen Palmo – ca. 21 cm
  85. WS: oberer Raum eines Hauses, Boden
  86. WS: Kissen
  87. WS: Überzug zu Betten und Kissen
  88. WS: Blutblase, Beule
  89. WS: In der Vorlage fehlerhaft „Kicamont“. (bei Cervantes „Tablante de Ricamonte“)
  90. WS: Im Sinne „das zweite Futter“, wie in der Übersetzung von Ludvig Tieck (um 1800)
  91. WS: kleine Schenken
  92. WS: Flor – ein dünnes Gewebe mit merklich weit voneinander abstehenden Fäden (Definition aus Brockhaus, 1837)
  93. WS: wie, gleichwie, gleichsam, als ob
  94. WS: Magd oder andere Bedeutungen, siehe [1]
  95. WS: Schelmerei, Bubenstreich
  96. WS: Santa Hermandad
  97. WS: Der Name des Teufels (Voland) wurde manchmal mit dem ähnlich klingenden St. Valentin vertauscht („Valentin“ bei DWB)
  98. WS: Nebel vor den Augen, Blendwerk (DWB)
  99. WS: Flasche mit weitem Bauch und langem, engem Hals (DWB)
  100. WS: Gläsernes Trinkgefäß mit umeinander gewundenen engen Flaschenhälsen; siehe DWB bzw. Wikipedia-Artikel Angster
  101. WS: Katholische Gebete Vaterunser, Ave Maria, Salve Regina und Credo
  102. WS: aushalten, ertragen (vgl. Außdauer, außdauernd)
  103. WS: Aufschneiden, Pralen
  104. WS: drohte
  105. WS: verheben – hier im Sinne „vorwerfen“ (DWB)
  106. WS: Räuber, Strauchdiebe (Etymologie in DWB)
  107. WS: Tyrann, Despot (DWB)
  108. WS: Linkshänder
  109. WS: Hammel, Schafbock
  110. WS: kleines Gefecht (DWB)
  111. WS: Pfeil
  112. WS: buschigen
  113. WS: Blitz
  114. WS: geschwind, ohne Bedenken
  115. WS: Hofer – Buckel, Höcker
  116. WS: Liedlohn oder Lidlohn – Gesindelohn
  117. WS: in die Schanze schlagen – etwas einsetzen, wagen, aufgeben, opfern
  118. WS: Butterbrot, Schnitte
  119. WS: „Materia Medica“ von Pedanios Dioscurides wurde von Andrés Laguna ins Spanische übersetzt und erweitert
  120. WS: Kürzung „Königl.“ aufgelöst
  121. WS: Korrigiert. In der Vorlage „Gestrengikeit“
  122. WS: Zaumzeug, siehe Halfter
  123. WS: Sänfte – Tragestuhl, Tragebett
  124. WS: Talar – ein knöchellanges Gewand
  125. WS: Doppelpunkt nachgetragen
  126. WS: Lizenziat – ein Bakkalaureus mit Lehrbefugnis
  127. WS: nächstens
  128. WS: Schnurrbart
  129. WS: zugeneigt
  130. WS: Seite
  131. WS: Schnürriemen
  132. WS: Das Wort ist in der Vorlage unlesbar, im späterem Nachdruck „hatte“
  133. WS: Druckfehler in der Vorlage korrigiert, u statt n eingesetzt
  134. WS: Courbette – eine Übung der Reitkunst
  135. WS: „trecken“ – ziehen
  136. WS: ein altes baufälliges Haus
  137. WS: In den Walkmühlen wurden die zu Leder bearbeitende Fälle gestampft (gewalkt)
  138. WS: „pausen“ – anschwellen
  139. WS: „Zink“ – männliches Glied (DWB (Bedeutung B. 2))
  140. WS: versteigen – das Maß des Vernünftigen überschreiten
  141. WS: „dingen“ – verhandeln, die Bezahlung ausmachen
  142. WS: höchste Eile eines Reiters (von „Spornstreich“ – Schlag mit den Sporen)
  143. WS: Nebenform von „Barbier“
  144. WS: „Saum“ – Last, Ladung eines Lasttieres
  145. WS: steinerne Wendeltreppe oder ein Turm mit solcher
  146. WS: Prinzessin, siehe Infant
  147. WS: „Wams“ – in der Ritterzeit Jacke unter der Rüstung, später ein Eigenständiges ziviles Kleindungsstück, siehe Wams
  148. WS: Ehre, Ansehen, guter Ruf
  149. WS: Gebetskette, Rosenkranz
  150. WS: erste Handfeuerwaffen, siehe Handrohr
  151. WS: Börsen
  152. WS: Lazarillo de Tormes gilt als der erste Schelmenroman der europäischen Literaturgeschichte
  153. WS: Karbatsche – aus ledernen Riemen geflochtene Peitsche.
  154. WS: Ratte
  155. WS: Bärenhäuter – fauler Kerl, Taugenichts
  156. WS: kleines kurzes Schießgewehr
  157. WS: bereit, gewillt
  158. WS: Legierung aus Kupfer und Zinn zur Herstellung von Glocken
  159. WS: Schloßen – Hagel, Hagelkörner
  160. WS: Sierra Morena – Mittelgebirge im Süden Spaniens
  161. WS: Castor und Pollux sind Söhne des Zeus, siehe Dioskuren
  162. WS: er soll nicht bereuen