Durch Arizona

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Rudolf Cronau
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Durch Arizona
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32, S. 539-542
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[539]
Durch Arizona.
Von Rudolf Cronau.

Die schneegekrönten Berge der Sierra Nevada, das Wunderthal Yosémite und seine Riesenbäume lagen hinter uns, und in hastiger Eile trug uns das schnaubende Dampfroß neuen Zielen entgegen. Wir fuhren durch die südkalifornischen Ebenen. Aus dunklem Laube glühten die feurigen Granaten, goldgelb schimmerten am Boden die Melonen. Feigen-, Pomeranzen- und Pfefferbäume drängten sich neben hochstämmige Palmen, neben Bananen, Eukalypten und immergrüne Eichen. Auf den weiten Sandflächen sproß der Kaktus in üppiger Fülle, die Agave reckte aus ihrem schwertergleichen Blätterkorb den hohen, mit schneeweißen Blüten gezierten Schaft empor. Und nun, inmitten dieser sonnigen Herrlichkeit, von ausgedehnten Weingärten, Orangen- und Limonenhainen umkleidet und von freundlichen Höhen umschlossen, erschienen die weißleuchtenden Häuser von Los Angeles, der Stadt der Engel.

Der ganze, eines 150jährigen Alters sich rühmende Ort ist ein einziger großer Fruchtgarten; alles blüht und gedeiht dort in fröhlichster Ueppigkeit, dank dem benachbarten Los Angeles-River, dessen Wasser durch künstliche Leitungen nach der Stadt und ihrer Umgebung geführt wird. In der Nähe liegt San Gabriel mit seiner alten Mission, deren Orangenhain der älteste Kaliforniens ist und der noch von jenen Patres stammt, die, lange bevor die Pilgrimväter an der sturmgepeitschten Küste Neu-Englands landeten, die nördlich von Mexiko gelegenen Territorien durchzogen und überall an den malerischsten Punkten, an der blauen See wie im Schatten schneegekrönter Bergesgipfel ihre mit Kolonnaden und Glockenthürmen versehenen Missionskirchen errichteten. Zum Theil noch erhalten, zum Theil schon Ruinen, weisen dieselben heute in ihrer Architektur einen seltsamen halb spanischen, halb maurischen Stil auf. Die reiche Ornamentik der Thür- und Fensterbogen stammt noch von alten Meistern, und altersbraune Bilder reden von jener Zeit, wo die Conquistadoren, diese gigantischen Freibeuter, mit. Kreuz und Schwert die Wetl durchzogen und der Geschichte ihres Vaterlandes hohen Glanz verliehen.

Savannah, Monte, Puenta, Spadra, Pomona, Cucamanga sind Stationsnamen von gutem Klang, aber wenig Belang; erst das 61 Meilen von Los Angeles entfernte Städtchen San Bernardino, an dem durch den Cajou-Paß nach den Minenregionen von Nevada und Arizona gelegenen alten „Trail“, ist von einiger Bedeutung. Historisch interessant ist, daß diese Stadt eine Kolonie der Mormonen und in gleicher Weise wie Salt-Lake-City angelegt und mit Wasser versehen ist. Bei San Bernardino führt die Bahn über den 2591 Fuß über dem Meeresspiegel gelegenen San Gorgoniapaß, um nunmehr in die Sahara Amerikas, in die berüchtigte Coloradowüste einzutreten.

Oeder und öder wird die Scenerie. Die plötzlich aus dem Thal aufsteigenden Bergwände, die bisher spärlich mit dunkel scheinendem Buschwerk versehen waren, zeigen sich nunmehr gänzlich kahl und nackt und bieten trostlose, nur durch ihr Kolorit fesselnde Wände dar. Nur einzelne Cedernbüsche und Kakteen sind geblieben; kaum ein Vogel, kaum ein Nagethier ist mehr zu sehen, alles Leben scheint erstorben zu sein.

Schnell beginnt die Bahn in die Wüste hinabzusinken. Bei „Seven Palms“ ist die Erhöhung über dem Meeresspiegel nur noch 584 Fuß, dann aber erfolgt ein Gefälle bis sogar unter den Meeresspiegel. So liegen die Stationen Indio 20, Dos Palmas 254, Frink’s Springs sogar 266 Fuß unter dem Niveau des Oceans.

Weit und breit kein Baum, kein Hälmchen Gras; leer wie eine Bettlerfaust dehnt sich eine nackte sandige Fläche, die gegen ihr Südende von mächtigen Wanderdünen durchzogen ist. Gegen Westen und Osten wird sie von ebenso vegetationslosen, rothbraunen, seltsam zerhackten Klippen eingefaßt, die sich in langen Zügen koulissenartig hintereinander emporschieben und in der grellen Sonnengluth all ihre zerrissenen Linien, Schründe und Klüfte zeigen. Sengende Hitze ist hier; die Atmosphäre bebt und flimmert über der dürren Ebene und zaubert die seltsamsten Trugbilder. Drüben, wo einzelne schwarze Klippen aus dem Flugsande ragen, wallt ein langer Wasserstreifen, silbern und hell. Wie von leichtem Lusthauche gekräuselt erscheinen die blitzenden Wellen, die all die scharfen Kontouren der Klippen aufs treueste widerspiegeln. Da plötzlich hebt sich ein Berg aus dem Silbersee, eine purpurfarbene Insel mit wiegenden Palmen- und Lorbeerhainen; Wasservögel mit glänzend schönem Gefieder, weißbrüstige Schwäne, Reiher und Flamingos beleben die Küste, durchwaten das erquickende Naß und vervollständigen das traumhaft schöne Gemälde. – Es ist das Gespenst der Wüste – und morsche umherliegende Gebeine bekunden das Geschick der Unglücklichen, die den Verlockungen dieses Gespenstes, der Fata Morgana, folgten.

Im Scheine der untergehenden Sonne erglühte die ganze Landschaft in einem seltsam rosigen Licht. Fast karminroth schienen die Bergzüge, in deren Spalten blaue Schatten lagen. Bleich und kalt gegen diese Gluth dehnten sich die öden Sandflächen, aus denen nur hier und da phantastisch gestaltete Kakteen ragten. Die rosigen Tinten verblaßten mehr und mehr, der Himmel zeigte ein kaltes Grün, welches sich in stumpfes bleiernes Blau umwandelte und endlich ganz im nächtlichen Dunkel aufging.

[540] Aber wieder erglänzt Lichtschein aus diesem Dunkel, an mächtiger Fluß kommt in Sicht, über eine Brücke donnert der Zug, wir sind in Yuma, am Colorado, in Arizona. Am Bahnhofe drängen sich Mexikaner, Indianer, Chinesen, Neger und Yankees bunt durch einander; neben der englischen Sprache erschallt das Gurgeln der Yumaindianer, der Wohnklang der spanischen Laute und das Kauderwelsch des Negers.

Wie die Gebäude aller mexikanischen Städte, so sind auch die Häuser von Yuma aus „Adobe“, sonngebrannten Lehmziegeln, errichtet und nur ein Stockwerk hoch. Die Wände sind zwei bis vier Fuß dick, die Dächer aus Holz, Leder- und Weidengeflecht gebildet und mit Erde beworfen. Verandas, roh aus Pfählen und Weidengeflecht gefertigt, schieben sich nach allen Seiten zehn bis zwanzig Fuß weiter hinaus, um Schutz gegen die Sonnenstrahlen zu gewähren. Auffällig erscheinen noch die hohen Umzäunungen der Gehöfte. Eine Reihe von Pfählen wird dicht neben einander vier Fuß tief eingerammt und mittelst rohlederner Riemen fest verbunden. Manche dieser „Fenzen“ haben ein originelles Aussehen, zumal die an Länge und Dicke sehr ungleichen Pfähle nicht zu einer gleichmäßigen Höhe abgeschnitten werden.

Fata Morgana in der Coloradowüste.

Eingeborene wie Weiße tragen während der Sommerzeit so wenig Kleider wie möglich; erstere, dem Stamme der Yumas angehörig, große, behende Gestalten von dunkler Hautfarbe, beschränken sich zumeist auf einen die Lenden umgürtenden Schurz; denkt man sich hierzu, daß sie sich das Gesicht kohlschwarz bemalen und es durch einen rothen Strich in zwei gleiche Hälften theilen, den übrigen Körper aber mit weißer Erde bestreichen und mit den Fingernägeln allerlei Streifen in diesen Untergrund hineinreißen, so wird man der Versicherung christlicher Sendboten gerne Glauben beimessen, wenn sie uns erzählen, es habe ihnen geschienen, als befänden sie sich in der Nähe leibhaftiger Teufel. Selbst die Kinder tragen schon diese eigenartige Bemalung des Körpers, wie wir sie auf unserer Illustration S. 542 erblicken. Im Gegensatz zu den Männern sind die Weiber klein, untersetzt. Auch sie tragen ihren Farbenschmuck und dazu einen bis zum Knie reichenden Bastrock. Von weitem gleicht eine solche Indianerin beinahe unseren Ballettänzerinnen.

Yuma ist an der Mündung des Gila in den Coloradofluß gelegen, welch letzterer, überaus schmutzige Strom, dessen Wassermenge ungemein wechselt, von seiner Mündung in den kalifornischen Meerbusen bis etwa 800 Meilen aufwärts schiffbar ist. In seinem mittleren Laufe, da wo Nevada, Arizona und Kalifornien zusammenstoßen, ist der Strom durchweg unfahrbar; denn hier sind die fast unzugänglichen Cañons, die Schluchten des Colorado, und niemand anders ist hier Herrscher, als er.

„In uralter Zeit – vor vielen Jahrtausenden – herrschte ein mächtiger, weiser Häuptling über die Stämme von Arizona. Der Tod raubte demselben sein Lieblingsweib, und so tief und ergreifend war des Häuptlings Klage hierüber, daß Ta-vwoats, einer der indianischen Götter, sich seiner erbarmte und ihm versprach, ihn für kurze Zeit ins bessere Land zu der verlorenen Gattin zu führen, falls er nach seiner Rückkunft nicht mehr trauern wolle. Der Häuptling sicherte ihm dies zu, und nun nahm der Große Geist eine ungeheure Kugel in die Hände und rollte sie vor dem Häuptlinge über den Boden, und wo die Kugel rollte, da schnitt sie tief in die Erde ein und bildete einen viele tausend Fuß tiefen Engpaß. Durch diesen führte Ta-vwoats, den Indianer zu jenem glücklichen Lande, wo er sein Weib wiederfand. Nachdem der Gott den Häuptling zurückgeleitet, nahm er die Schneewasser der Hochgebirge, die Regenströme, die aus die Ebenen niederfielen, und leitete einen furchtbaren brausenden Strom durch den Engpaß, damit niemand im Stande sei, aufs neue durch die Schlucht nach den Ländern der Seelen vorzudringen.“

So lautet die indianische Sage über die Entstehung der mächtigen Cañons des Colorado, über welche auch an den Lagerfeuern der westlichen Jäger und Goldgräber manche wunderbare Erzählung verbreitet wurden.[1]

Von dem Vorhandensein dieser furchtbaren Engschluchten hatte man schon seit Jahrhunderten Kenntniß, aber diese war eine höchst beschränkte und mangelhafte, da die ungeheuere Dürre, die endlose Zerissenheit der ganzen Landschaft, die Unzugänglichkeit der Cañons aller Erforschung unüberwindliche Schranken entgegensetzten. Die spanischen Mönche und Conquistadoren, die im 16. und 17. Jahrhundert diesen Theil Amerikas berührten, mußten sich damit begnügen, einen Blick in die grausigen Abgründe geworfen zu haben; sie zu erforschen oder zu überschreiten, war ihnen nicht beschieden.

Auch verschiedene Expeditionen, die in den fünfziger Jahren von der Regierung der Vereinigten Staaten ausgesandt wurden, um den Colorado bezüglich seiner Schiffbarkeit zu erforschen, blieben erfolglos und erst in den Jahren 1869 bis 1872 ward das Cañonland zum ersten Male in seiner ganzen Länge von dem amerikanischen Major J. W. Powell befahren. Die unerhört kühnen und heldenmütigen Bootfahrten dieses Gelehrten bilden eines der glänzendsten, wenn nicht das glänzendste Kapitel in der Erforschungsgeschichte des amerikanischen Westens.

Der Colorado ist eines der großartigsten Naturwunder. Ist sein unterer Lauf nur wenig über dem Meeresspiegel gelegen, so ist sein Quellgebiet hingegen im Bereiche jener Gebirgsketten, deren schneegekrönte Häupter bis zu 14 000 Fuß emporragen. Hier fällt den ganzen Winter hindurch Schnee, und so weit das Auge reichen mag, sind Wälder, Klippen und Thäler in einen weißen, leuchtenden Mantel gehüllt. Bringt der Sommer mit seinen Feuergarben den Schnee zum Schmelzen, so stürzen von [541] alten Bergwänden Millionen von Kaskaden. Zehn Millionen dieser Kaskaden vereinen sich zu zehntausend schäumenden Bächen, zehntausend dieser Bäche bilden hundert tosende Flüsse voller Katarakte und Stromschnellen. Hundert dieser unbändigen Flüsse bilden den Colorado. Alle diese Wasser graben und nagen sich Klüfte in die dürren Felslande, tiefer und immer tiefer, bis die Uferwände thurmhohe, unersteigliche Klippen bilden. Diese tiefen, engen Felsengassen heißen Cañons. Jeder Strom, jeder Bach, alle jene winzigen, nur während der Regenzeit bestehenden Wässerlein haben ihre eigenen Cañons, so daß das ganze mittlere und obere Gebiet des Colorado ein ungeheures Labyrinth tiefer, in einander mündender Klüfte und Felsschluchten ist.

Riesenkakteen in Arizona.

Die Cañons des oberen Colorado sind von geringerer Tiefe; immerhin sind die Klippenwände mehr als fünfmal so hoch wie der Kölner Dom. Erst nachdem der Strom die rosenroth, weiß, grau und purpurn gefärbten Felsengassen des Marmorcañons durchjagt hat und in das große Cañon eintritt, wird die Tiefe gewaltiger. Da wogt der Fluß sechstausend – siebentausend Fuß unter der Oberfläche der Erde, unzugänglich im wahrsten Sinne des Wortes; denn die tausend Fuß hoch aus Granit bestehenden Kerkerwände sind absolut senkrecht. Dann folgen sehr steile Abhänge und wiederum himmelhohe senkrechte Klippen, eine über der andern.

Kehren wir nach Yuma zurück, so führt die Südpacificbahn tagelang durch die an Schrecken nur wenig hinter der Coloradowüste zurückstehende Gilawüste. Nur in den Flußniederungen ist strichweise guter Boden, der von den Pimaindianern ausgenutzt wird. Das Binnenland ist auch hier unfruchtbar und dürr. Durch diese Einöden unternahm im Jahre 1539 Marcos de Niça seinen berühmten Zug; durch sie drangen die verwegenen Abenteurer Coronado, Pedro de Tohar, Lopez de Cardenas und Cabeza de Vaca (Kuhkopf genannt, besser aber Löwenherz heißend) bis zum Grand Cañon des Colorado und bis über die östlichen Grenzen des heutigen Neu-Mexikos vor. Ihre Reiseschilderungen berichten von großen, seltsam angelegten Städten und von Wunderströmen, deren Gestade sich drei bis vier Stunden hoch in die Lüfte erheben. Kein Roman kommt der Beschreibung dieser Wanderungen gleich, die mit unsäglichen Entbehrungen und Gefahren verbunden waren. Vielfach waren die Abenteurer einzig auf den Genuß der Kakteen angewiesen, die in diesen Einöden fast die einzige Flora bilden, dafür aber auch in geradezu überraschender Mannigfaltigkeit vertreten sind. Welche Formen, Gestalten und Farben der Pflanzenwelt anzunehmen überhaupt möglich ist, hier bei den Kakteen Arizonas sind sie zu finden. Da klammern sich kugelrunde Mammillarien an die von der Sonne durchglühten Felswände an, von Faustgröße bis zum Umfange von mehreren Fuß wechselnd und strotzend von Saft. Dort bilden die aus lauter flachen ovalen Gliedern sich zusammensetzenden und mit flammendrothen Blüthen gezierten Opuntien mächtige undurchdringliche Gebüsche; in fingerdünnen langen Seilen hängt von den Klippen der Schlangenkaktus herab, ferner fällt der Spitzenkaktus auf, der in geringem Abstande den Eindruck erweckt, als ob er mit einem Spitzenschleier bedeckt sei. Da stehen ferner hohe Stangen von grauem Holz mit kleinen grünen Blättchen, hinter denen sich schrecklich widerhakige Dörner verstecken.

All diese Kakteen aber werden weit überragt von der Pitahaya, einer Cereusart, die eine Höhe von 40 bis 50 Fuß erreicht. Ihr Stamm ist zwei und zweieinhalb Fuß im Durchmesser und theilt sich nach oben in einige dem Stamme parallel laufende Aeste, so daß ein mit mehreren derartigen Seitenarmen versehener Riesenkaktus mitunter einem gewaltigen Kandelaber gleicht, um so mehr, da die aufwärts strebenden Zweige gewöhnlich symmetrisch am Stamme ansetzen. Große weiße Blüthen schmücken in den Monaten Mai und Juni die Spitzen der Zweige wie des Hauptstammes und die im August zur Reife gelangenden wohlschmeckenden Früchte dienen den Indianern als Speise. Ganz sonderbar ist der Anblick einer mit derartigen Riesenkakteen besetzten Hochebene, namentlich, wenn zwischen den dunkelgrünen [542] gesunden Exemplaren abgestorbene stehen, deren verwitterte Oberhaut in Fetzen herunter hängt, während das weiße, von der Sonne gebleichte Holz gleich einem Skelett von dem tiefblauen Himmel sich abhebt.

Finden sich in einem derartigen Kaktus schadhafte Stellen und Wunden, so schlägt in diesen Löchern hurtig ein Buntspecht seine Wohnung auf. Eine Eigenthümlichkeit dieses auch in Kalifornien häufigen Vogels ist, daß er, wo irgend ein mit Wurmlöchern versehener Stamm sich findet, diese Wurmlöcher mit Eicheln verschließt. In diesen Eicheln entwickeln sich mit der Zeit Maden, die nun ihrerseits wieder dem Spechte zur Beute fallen, der sich so im wahrsten Sinne des Wortes eine Vorrathskammer großartigsten Stiles bildet.

Junger Yumaindianer.

Zweihundertsiebenundvierzig Meilen östlich von Yuma ist Tucson gelegen, die zweitälteste Stadt der Vereinigten Staaten. Bereits im Jahre 1560 gründeten hier die Spanier eine Niederlassung; sie hat sich, namentlich seitdem die Eisenbahn den Ort erreichte, zu der größten und wichtigsten Stadt Arizonas emporgeschwungen. In ihrem Aussehen eine echt mexikanische Stadt, ist ihre an 10 000 Köpfe starke Bevölkerung vorwiegend aus Mexikanern und Indianern zusammengesetzt; auch eine Anzahl Deutsche ist vorhanden, die im Sommer 1881 einen eigenen Turnverein gründeten. Das Interessanteste, was die Umgebung von Tucson bietet, ist die zehn Meilen südlich gelegene Mission San Xavier del Bac, das schönste und größte jener Baudenkmäler, die von den spanischen Mönchen in diesen Landen errichtet wurden.

Weiter östlich an der Bahn liegt Benson und südlich von hier sind die berühmten Silberminendistrikte von Tombstone zu finden, wo jahraus, jahrein Tausende von Händen die Schatzkammern der Erde durchwühlen. Die mineralischen Schätze dieses entlegenen Erdenwinkels wurden im Februar 1878 durch die Gebrüder Schieffelin[WS 1] entdeckt. Allen Warnungen ihrer Freunde trotzend, daß sie in diesen durch Apachen höchst unsicheren Regionen schwerlich Reichthümer, sondern höchstens ihren „tombstone“, ihren Grabstein, finden könnten, legten die Abenteurer den Grund zu dem Städtchen, welches sie in dankbarer Anerkennung der ihnen gemachten Prophezeiung „Tombstone“ benannten, ein für den Ort immerhin recht charakteristischer Name, da hier von Minern und Cow-Boys (Rinderhirten) unzählige Schießereien und Mordthaten verübt worden sind. Dem Ortsnamen angemessen waren auch zur Zeit meiner Anwesenheit die Namen einiger Biersalons gewählt, wie „The Coffin“ (der Sarg), „The Poison-box“ (die Giftschachtel), „The Tombstone-gem“ (der Grabsteinschmuck) etc. Eine hier erscheinende Zeitung hatte als Titel das Wort „The Epitaph“ („Die Grabschrift“) angenommen.

Daß die Befürchtungen der Freunde der Gebrüder Schirffelin nicht unbegründete waren, beweist die ganze Geschichte von Arizona, deren jede Seite mit Blut geschrieben ist. Wenngleich auch die Zahl der indianischen Bevölkerung von Arizona nur 30 000 Köpfe beträgt und davon die zusammen 25 000 Seelen zählenden Moquis, Pimas, Maricopas, Mohaves, Chimohuevis, Papayos und Yumas friedlich gesinnt sind, so haben sich dagegen die 5000 Apachen mit um so blutigeren Lettern in die Chronik von Arizona eingezeichnet. Neben den Sioux ist ihr Stamm der gefürchtetste und ruheloseste aller nordamerikanischen Indianerstämme. In verschiedene kleinere Abtheilungen zerfallend, wie die Tontos, Chiricahuas, Coyoteros, Mescaleros u. s. w., leben sie auf einem unermeßlichen Gebiete zerstreut, und die vielen koulissenartig hintereinander aussteigenden, wenig gekannten und wasserarmen Gebirgszüge dieses Gebietes mit ihren wilden Schluchten und Pässen bilden den unbezähmbaren Apachen willkommene Schlupfwinkel und Vertheidigungsplätze. So sind namentlich die schwer zugänglichen Chiricahua-, Huachuca-, dos Cabezas- und Dragoon-Berge voll von grausigen Reminiscenzen an die Blutherrschaft der Häuptlinge Cochise, Mangas, Colorado, Vittorio und Geronimo. Aeußerst gewandte Reiter, muthig, entschlossen und verschlagen, unempfindlich für Hunger, Ermüdung oder körperliche Schmerzen, mit Muskeln versehen wie von Stahl, dabei grausam wie Hyänen, sind die Apachen seit Jahrhunderten die wahre Geißel für ganz Arizona, Neu-Mexiko und Nord-Mexiko und haben ganze Länderstriche geradezu entvölkert. Der seit Generationen herrschende Guerillakampf zwischen Weißen und Apachen wird wahrscheinlich erst dann sein Ende finden, wenn der letzte Apache sein Leben unter dem Revolver eines Bleichgesichtes verhaucht. Wie erbittert und grausam dieser Guerillakampf geführt wurde und noch wird, geht daraus hervor, daß die mexikanische Regierung in den vierziger Jahren für jeden Apachenskalp einen Preis von 100 Dollars (425 Mark) bezahlte. Die Schädelhäute von Frauen standen mit 50, die von Kindern mit 25 Dollars im Preise. Derartige Prämien wurden vom Staate Chihuahua noch im Jahre 1880 gezahlt, als die unter Führung des Obersten Terrazas stehenden mexikanischen Freiwilligen die Skalpe des Apachenhäuptlings Vittorio und seiner 77 Krieger in feierlichem Triumphzuge in die Hauptstadt Chihuahua einbrachten.

Eine Hauptschwierigkeit in der Bekämpfang der Apachen bestand darin, daß die Rothäute, wenn von den Truppen des einen Landes verfolgt, stets auf das Gebiet des benachbarten Staates übertraten, wohin ihnen dann die Soldaten nicht folgen durften. Erst neuerdings, nachdem die Regierungen von Mexiko und der Union in der Apachenfrage gemeinschaftliche Sache gemacht und ihren Truppen, wenn diese in Verfolgung von Apachenhorden begriffen waren, das Betreten des angrenzenden Staates freigestellt haben, ist eine entschiedene Wendung zum Besseren eingetreten und dürfte mit der im Sommer 1886 erfolgten Gefangennahme des Häuptlings Geronimo und seiner Verpflanzung nach Florida einstweilen Ruhe und dem Lande die Aussicht verschafft worden sein, nunmehr in Frieden der Weiterentwickelung entgegen zu gehen.


  1. Nach Powell, Exploration of the Colorado River (Erforschung des Coloradostroms).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Scheiffelein, vgl. Ed Schieffelin