Ein „Rechtsfreund“ und ein Freund des Rechts

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Autor: Franz Wallner
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Titel: Ein „Rechtsfreund“ und ein Freund des Rechts
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 676–679
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Eugen Megerle von Mühlfeld
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Ein „Rechtsfreund“ und ein Freund des Rechts.


Am 16. October des Jahres 1863 wogte in den Räumen des Leipziger Schützenhauses eine Gesellschaft, die aus allen Orten und Enden des deutschen Vaterlandes herbei geeilt war, um die fünfzigjährige Erinnerungsfeier an die gewaltige Schlacht, welche dem Uebermuth des Franzosenherrschers und der frechen Fremdenwillkür ein Ende machte, gemeinsam zu begehen. Tausende und Tausende, darunter viele der ersten Notabilitäten des Vaterlandes, waren erschienen zu dem Völkerfeste, und die glänzend erleuchteten und reich geschmückten Räumlichkeiten des größten Leipziger Locals konnten die Zahl der sich drängenden Gäste nicht fassen, die am

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Der Reichstagsabgeordnete Edler von Mühlfeld.

Vorabend des großen Tages sich in denselben versammelt hatten. Deputationen aus allen großen Hauptstädten waren eingetroffen, so z. B. von Wien eine Anzahl hervorragender Persönlichkeiten, die von der Munificenz ihres bei solchen Gelegenheiten stets mehr als freigebigen Magistrates in die angenehme Lage versetzt waren, bei ihrer Mission die Residenz, welche sie zu vertreten die Ehre hatten, würdig und glänzend zu repräsentiren. Sogar die reiche Dienerschaft des Senats in goldstarrenden Livréen war der Gesandtschaft mitgegeben worden, und jedes Mitglied der letzteren konnte von sich, in Bezug auf seine Stellung im Vaterlande, mit dem Dichter sagen:

„Nennt man die besten Namen,
Ist meiner auch dabei!“

Unter der Wiener Deputation nun machte ein Mann im einfachen schwarzen Frack, in unvermeidlicher weißer Cravatte, ohne Ordenszeichen, bei seinem Eintritt in die glänzende Versammlung sofort das größte Aufsehen. Eine größere Aehnlichkeit mit dem großen Corsen, dessen Niederlage morgen gefeiert werden sollte, konnte sich die kühnste Phantasie nicht denken. „Wer ist der Mann mit dem Napoleonskopfe?“ so fragte man. „Haben Sie die merkwürdige Aehnlichkeit mit dem großen Napoleon gesehen? Ist das nicht staunenswerth? Wunderbar! Wer mag das sein?“

Da ich mit dem berühmten Träger dieser in der That ganz unglaublichen Aehnlichkeit in den Saal getreten war, so wurde die letzte Frage an mich bis zur Unannehmlichkeit wiederholt, so daß ich zuletzt, sobald einer der fragwürdigen Bekannten auf mich zueilte, ihm schon mit der Antwort, mein Begleiter sei der gefeierte Wiener Reichsrath Megerle, Edler von Mühlfeld, Präsident der Advocatenkammer, hochrenommirt als Vertheidiger und Rechtsanwalt etc. etc., sein „sagen Sie mir, wer –“ mitten entzwei schnitt. Durch seine jahrelange Freundschaft beehrt, bin ich vielleicht im Stande, ein ziemlich anschauliches Bild des seltenen Mannes zu skizziren, dessen vortreffliches Portrait hier seine Züge in sprechendster Aehnlichkeit liefert, bemerke aber von vornherein, daß eine eigentliche und eingehende Würdigung seiner politischen Wirksamkeit und Bedeutung hier nicht in meiner Absicht liegt.

„Bitte, lieber Wallner, stellen Sie mich Herrn von Mühlfeld vor; ich frühstücke morgen beim Oberbürgermeister Koch mit ihm und möchte bis dahin gern schon ein alter Bekannter von ihm sein.“ Mit dieser heiteren Einleitung gesellte sich Berthold Auerbach zu uns; in anregendem, ernstem und humoristischem Wechselreden bekamen die Abendstunden Flügel, und beim Scheiden waren Auerbach und Mühlfeld wirklich „alte Bekannte“.

Der folgende Mittag war einer Festlichkeit im Hôtel de Pologne gewidmet, mit den unvermeidlichen Tafelfreuden, unverdaulichen Gerichten und noch ungenießbareren Festreden. Immer lauter wurde das Gewühl in den überfüllten Sälen, immer unverständlicher wurden die Beherrscher der Tribüne; die Menge, in deren Köpfen bereits der bei zahllosen Toasten reichlich genossene feurige Rebensaft zu toben anfing, wurde nachgerade vollständig ungeberdig gegen die Redner, unterbrach oder überschrie dieselben mit wüstem, tobendem Lärm, ja zuletzt wurde jedes neue Opfer der [678] Sprechlust mit einem ironischen Halloh empfangen. Selbst der älteste der Veteranen, der an diesem Tage enthusiastisch gefeierte General von Pfuel, vermochte nicht durchzudringen und mußte, was er sonst nicht gewohnt war, das Feld räumen. Besorgt blickte ich Freund Mühlfeld an; er, welcher ein lautloses Auditorium zu beherrschen pflegte, sobald er nur den Mund öffnete, und welchem, nach dem Programm des Tages, die Aufgabe zugefallen war, die Bedeutsamkeit des heutigen Momentes für Deutschland dem Publicum zu Gemüthe zu führen, er zögerte und zögerte, bis der Festjubel und der Wein die Gemüther bis zur Unbändigkeit erhitzt hatte und an ein ruhiges Anhören kaum mehr zu denken war. Endlich erhob er sich und betrat die von einer tobenden Masse umringte Tribüne. Lautlos überflog er mit dem geistsprühenden Auge die Menge, und nun geschah ein Wunder! Die aufgeregten Schreier, welche soeben noch einen von ihnen wirklich hochverehrten Greis ihrer Spottlust preisgegeben hatten, verstummten nach den ersten Worten des fremden Redners, und nach fünf Minuten herrschte eine Stille im weiten Saal, daß man die Taschenuhren picken hören konnte; auf den Zehen schlichen sich die Gäste aus den Nebensälen herbei und horchten in feierlicher Andacht der gewaltigen Rede des deutschen Mannes!

Eine halbe Stunde lang sprach Mühlfeld, ohne ein Blatt Papier in der Hand zu haben, vom Herzen zum Herzen, mit erschütternder, unwiderstehlicher Gewalt. Eine Wandlung seltenster Art war unter den Anwesenden vorgegangen. Aus einem wüsten Trinkgelage war ein Dom geworden, in dem Hunderte mit Thränen in den Augen andächtig mit verhaltenem Athem und bewegter Brust lauschten, bis das letzte Wort verhallt war und ein endloser, jubelnder Applaus den Redner belohnte, der plötzlich der Mittelpunkt, der gefeierte Liebling der Versammlung geworden war. Dieser Zug charakterisirt nach meiner Ansicht die ganze Laufbahn Mühlfeld’s auf das Schärfste. Weil er nie gegen seine Ueberzeugung spricht, ist bei seiner mächtigen Gewalt der Rede, welche ein geistreicher Mann „Gruß und Kuß“ genannt hat, stets der Sieg auf seiner Seite; darum ist er der mächtigste Gegner der Finsterlinge und der Feinde des Gesetzes.

Mühlfeld (Eugen Alexander Megerle, Edler von Mühlfeld) wurde in Wien geboren, wo sein Vater als kaiserlicher Rath und Archivdirector lebte. Im Jahre 1837 war er bereits Doctor der Rechte, Professor der Welt- und österreichischen Geschichte an der Wiener Universität und Professor der Aesthetik am Theresianum. Im Jahre 1840 wurde er Hof- und Gerichtsadvocat in Wien, und als Mitglied der juridischen Facultät und Abgeordneter der Wiener Universität 1848 zum Frankfurter Parlament gewählt. Hier war er bis zu seinem Eintritt in die Nationalversammlung als Mitglied des Fünfzigerausschusses thätig und nahm als Vertreter der innern Stadt Wien seinen Sitz im linken Centrum. In der Nationalversammlung wurde er mit Dahlmann und Mohl Mitglied des Verfassungsausschusses und der in demselben bestellten Subcommission. In seiner Geschichte des ersten deutschen Parlamentes sagt Laube von ihm: „Mühlfeld, mit einem Napoleonskopfe, und Detmold aus Hannover stimmten als zwei feste Juristen, denen keinerlei Aufschwung den Gesichtspunkt verrückt. Mühlfeld thut dies mit unerbittlich strenger Logik; seine geradeaus und rasch fließende Rede geht wie ein Bach einher, welcher über Stock und Stein nach der Ebene eilt, unbekümmert um Tageszeit, Landschaft und sonstige Umgebung. Weder von österreichischen noch von deutschen Lieblingsgedanken läßt sich Mühlfeld bestechen; ehrlich und unbefangen hat er stets nur das Ganze im Auge und die Möglichkeit eines verhältnißmäßigen Ganzen.“

Kann es eine schönere Anerkennung geben?

Mühlfeld ist der starre Mann des Gesetzes; nie ist er in seinen Anschauungen einen Finger breit davon abgewichen, selbst da nicht, wo sich diese Pflicht mit seinen Gefühlen im Widerspruch befand. So z. B. als 1851 der protestantische Professor Bonitz als Decan an die Universität berufen werden sollte, trat er diesem Plan, als unverträglich mit dem historischen Charakter und den Statuten des Institutes seit der Gründung der Wiener Universität, deren Gesetze verbieten, daß ein Amt an derselben einer Persönlichkeit übertragen werde, die nicht zur katholischen Religion gehört, mit aller Kraft und Entschiedenheit entgegen. Dies Gesetz allein war für Mühlfeld maßgebend, sowie er der Erste sein wird, für die Umänderung dieses Gesetzes seine ganze Kraft einzusetzen, sobald sich die Gelegenheit dazu bieten wird.

Im Jahre 1861 wurde Mühlfeld mit einer imposanten Stimmenzahl zum Abgeordneten des niederösterreichischen Landtags und von diesem in den Reichsrath gewählt. Als Reichsrathsabgeordneter verfaßte und beantragte er das Religionsgesetz, von dem die Times sagte, daß, wenn es angenommen würde, Oesterreich sich, in Religionssachen, der freisinnigsten Verfassung rühmen könne. Daß der damalige Präsident Hein es nicht einmal wagte, dies Gesetz auf die Tagesordnung zu bringen, ist ein charakteristisches Zeichen der österreichischen Regierung. Ebensowenig hatte der Präsident den Muth, mit dem von Mühlfeld beantragten und von dem Ausschuß bereits berathenen Gesetz zum Schutz des Briefgeheimnisses an das Licht der Tagesordnung zu treten. Dagegen trat das von Mühlfeld verfaßte und beantragte Gesetz zum Schutze persönlicher Freiheit und des Hausrechts am 27. October 1862 in Kraft, freilich nicht ohne beschränkende Zensuren von Seiten der Regierung und des Herrenhauses. Wenigstens bot es Sicherheit gegen willkürliche Verhaftungen und Haussuchungen, die in Oesterreich in voller Blüthe standen, und erlaubte die Zulässigkeit der Untersuchungen auf freiem Fuß, gegen Caution.

Am 20. September 1865 wurde die Verfassung sistirt und erst im Jahre 1867, als auch der Ausgleich mit Ungarn zu Stande kam, wieder in Wirksamkeit gesetzt. Von Neuem in den Reichsrath gewählt, begann Mühlfeld seine Wirksamkeit mit einem Antrag auf abermalige Behandlung des Religionsedictes und als heftiger Gegner des berüchtigten Concordats. In glänzenden Reden trat er als eifriger Vertreter der Gewissensfreiheit der Völker auf, gegenüber den Uebergriffen des römischen Stuhles, als Vertheidiger der durch die weltlichen Anmaßungen der Kirche beeinträchtigten Staatsgewalt, als Apostel des Lichtes und der Menschenrechte. Man muß den Druck kennen, welchen die katholische Geistlichkeit seit Jahrhunderten in Oesterreich auf alle Verhältnisse, auf alle Classen der Bevölkerung ausübt, um das ungeheure Aufsehen zu begreifen, welches das muthvolle Verhalten Mühlfeld’s erregte, den maßlosen, hoffnungsreichen Jubel, mit welchem dieser „Luther des Rechtes“ begrüßt wurde!

Noch einem zweiten Mißbrauch trat derselbe mit derselben geistigen Kraft und Entschiedenheit entgegen. Die Veranlassung dazu bot folgendes Ereigniß: Ein Freiherr von Badenfeld äußerte sich in einem Gasthause, gegenüber seiner Tischgesellschaft, in sehr ungünstiger Weise über die österreichischen Finanzzustände. Ein Hauptmann Hugo Flech, der an einem nebenstehenden Tische saß, veranlaßte die Arretirung des Freiherrn und denuncirte denselben beim Gericht wegen des Verbrechens der Störung der öffentlichen Ruhe. Nun besteht in Oesterreich das Gesetz, daß Officiere zu den öffentlichen Gerichtsverhandlungen nicht vorzuladen sind, sondern daß der Gerichtshof sich mit der Vorlesung der von denselben in der Voruntersuchung gemachten Aussagen zu begnügen hat. Auch Hauptmann Flech war bei der Verhandlung nicht anwesend, und seine Behauptungen sollten nur vorgelesen werden.

Diesem Verfahren widersetzte sich Mühlfeld, als Vertheidiger des Angeklagten, energisch; er verlangte von dem Präsidenten des Civilgerichtes, derselbe möge das persönliche Erscheinen des Hauptmanns erwirken, da die Aussage des Denuncianten für die Herstellung des Beweises von der entschiedensten Wichtigkeit sei; er setzte ferner auseinander, „daß das Vorjahr (1866) nicht darnach angethan sei, um solche Vorrechte des Militärstandes bestehen zu lassen, die fast einer Kniebeugung nach orientalischer Sitte glichen.“

Das Gericht entschied im Sinne Mühlfeld’s und vertagte die Verhandlung. Sofort aber sah sich der Kriegsminister veranlaßt, durch den Staatsanwalt Limbacher gegen Mühlfeld eine Klage wegen Ehrenbeleidigung der ganzen österreichischen Armee zu veranlassen. Limbacher drang in einer Eingabe an den Gerichtshof auf die schleunigste Anberaumung einer Schlußverhandlung. Da am 20. Mai der Reichsrath eröffnet wurde, ohne dessen Zustimmung eine strafrechtliche Verfolgung Mühlfeld’s unmöglich gewesen wäre, so las man mit Erstaunen, daß die Entscheidung dieses wunderlichen Processes schon am 18. Mai stattfinden solle.

Die Aufregung war ungeheuer, die gesammte unbefangene Presse stand wie ein Mann für Mühlfeld ein. Das Ministerium, wohl einsehend, daß es zu weit gegangen, ließ ihm eine Erklärung vorlegen, deren Unterzeichnung der Preis der Aufhebung der Untersuchung sein sollte, dahin gehend, er habe jene Worte nicht gesprochen. Mühlfeld hätte nicht der Mann sein können, der er ist, [679] wenn er auf einen solchen Vorschlag eingegangen wäre. Er lehnte seine Unterschrift rund ab, und als man ihm mittheilte, man müsse doch in der Sache dem beleidigten Militär irgend eine Genugthuung geben, erklärte er ruhig: „Man möge thun, was man wolle, er habe in dieser Angelegenheit das ganze Volk hinter sich.“ Da, in der letzten Stunde, als die Erwartungen auf den Ausgang der Angelegenheit den höchsten Grad erreicht hatten, hob die Regierung die Verhandlung auf, oder vertagte die Verhandlung – wohl bis zum jüngsten Gericht.

Mühlfeld, nichts weniger als eingeschüchtert, stellte nun im Abgeordnetenhause den Antrag auf Abänderung der Gesetzesstellen, welche die Bevorrechtung des Militärstandes betreffen. Er griff dies Vorrecht, nicht wie jeder andere Staatsbürger vor dem Civilgericht erscheinen zu müssen, heftig an und schloß mit den Worten: „Die Zukunft wird es lehren, ob man in Oesterreich nur Soldat oder Geistlicher sein müsse, um irgend etwas zu gelten, oder ob jeder biedere und rechtschaffene Mann in seinem Verhältniß als Staatsbürger gleiche Berücksichtigung finden werde.“

Mühlfeld’s Augenlicht ist seit 1850 so geschwächt, daß er nur im Stande ist, sehr große Büchertitel, und selbst diese blos mit Mühe, zu lesen. Er muß sich also für alle seine Arbeiten die betreffenden Actenstücke vorlesen lassen. Dabei unterstützt ihn sein kolossales Gedächtniß in der Weise, daß er nicht nur die Facten, sondern auch alle Namen und Zahlen in der größten Ausdehnung zu behalten vermag. Keine seiner prachtvollen, hinreißenden Reden, wahre Kunstwerke in der Form, mit gewaltigem Periodenbau und rhythmisch in der Construction, ist je von ihm schriftlich entworfen oder auch nur skizzirt worden. Seine Macht liegt in seiner logischen Schärfe; er ist Dialektiker par excellence. Sein Gedächtniß ist so ungeheuer, daß er, wenn er in stundenlanger Rede seinem Gegner sofort antwortet, dies mit außerordentlicher Schlagfertigkeit thut und keinen einzigen Punkt unberücksichtigt läßt, sondern jeden derselben in gleicher Reihenfolge bespricht und widerlegt, wie sie der Vorredner anwendete.

Es ist eine Eigenthümlichkeit Mühlfeld’s als Vertheidiger, daß er nicht gern mit dem Angeklagten, seinem Clienten, verkehrt, sondern dies nur soweit thut, als es zu seiner Verständigung dringend nothwendig ist. Der Angeklagte ist ihm, wie dem tüchtigen Mediciner, ein Fall, nur ein Object, die Acten sind ihm Alles, und auf Grundlage dieser Acten versenkt er sich so in seinen Gegenstand, daß er sich durch nichts beirren läßt, sondern, auf Grundlage der Acten und auf dem Boden des Gesetzes stehend, sein Object mit aller Gewalt und Kraft seiner sieggewohnten Redegewandtheit vertheidigt. Daher ist er seit 1850, seit das öffentliche und mündliche Gerichtsverfahren in Oesterreich eingeführt ist – die Schwurgerichte wurden schon 1851 wieder beseitigt – der gesuchteste Vertheidiger in allen schweren Criminalfällen. Der Schauplatz seiner Thätigkeit als solcher erstreckt sich fast auf die ganze österreichische Monarchie; in Pesth, Wien, Prag, Lemberg, Brünn, Olmütz, Graz, Linz, Salzburg etc. hat er sein Talent in dieser Beziehung zum Heile der Angeklagten erprobt. Freilich spielt ihm sein starres Festhalten an dem einmal als recht Erkannten manchen schlimmen Streich. So vertheidigte er 1851 in Wien ein bildschönes, des Kindesmordes angeklagtes Judenmädchen. Alle Indicien für ihre Schuld, ja sogar ihr eigenes Eingeständniß lagen vor. Mühlfeld plaidirte auf Unzurechnungsfähigkeit und riß in einer seiner glänzendsten und wunderbarsten Reden die gegen die Angeklagte eingenommene Zuhörerschaft, ja selbst die Geschworenen mit sich fort, die ihr Verdict auf Schuldlosigkeit abgaben. Darauf stürzte das Mädchen vor ihm auf die Kniee, umklammerte, in Thränen schwimmend seine Füße, küßte seine Hände; kein Auge im Saale blieb trocken! – Mühlfeld leitete für Barbara Weber – so hieß das Mädchen – sofort im Saale eine Sammlung ein, ihr die Reise in die Heimath zu erleichtern. Reiche Gaben flossen, und selbst die Verehrer Mühlfeld’s erzählten in diesem Falle, sie hätten vor seiner fast dämonischen Beredsamkeit Furcht bekommen. – Ein Jahr später stand die Person von Neuem des Kindesmordes angeklagt abermals vor Gericht und gestand nach ihrer Verurtheilung, daß sie den zweiten Mord nicht begangen haben würde, wenn nicht Mühlfeld sie das erste Mal so wirksam vertheidigt hätte! –

Ein entschiedener Gegner der Todesstrafe geht er in seinen Bestrebungen zur Abschaffung derselben von dem Argument aus, daß bei keinem Menschen die Möglichkeit der Besserung ausgeschlossen werden darf, diese aber durch die Todesstrafe in unverantwortlicher Weise abgeschnitten wird.

Als Politiker ist Mühlfeld vor Allem österreichischer Patriot, Großösterreicher, Centralist und erkennt in den Ungarn und ihren Bestrebungen die Schädiger der Einheit und staatlichen Größe Oesterreichs. Deutschland gegenüber ist er jedoch Föderalist. Die Fehler der österreichischen Kriegsleitung genau kennend, machte er 1866 eine Wette, daß die Oesterreicher in der ersten Schlacht geschlagen würden. Nie hat Jemand leichteren und froheren Herzens eine verlorene Wette bezahlt, als er nach der Schlacht von Custozza. Nachdem er beim Beginn des Feldzuges den lügenhaften Siegesberichten glaubte, mit denen die Wiener getäuscht wurden, erfüllte ihn die Katastrophe von Königsgrätz mit dem tiefsten Schmerz. –

Es war mir ein Leichtes, ein Bild des Staatsmannes, des Rechtsfreundes Mühlfeld zu entwerfen, ich brauchte nur dem Gange seines thatenreichen Lebens zu folgen und das Wort des Dichters auf ihn anzuwenden, der da sagt:

„Nehmt Alles in Allem,
Es ist ein Mann!“

Viel schwerer wird es mir, meiner Feder Einhalt zu gebieten, um die Bescheidenheit meines Originals nicht zu verletzen, soll ich den Menschen Mühlfeld schildern. Kein Nothleidender hat je ungetröstet die gastliche Schwelle des Mühlfeld’schen Hauses überschritten, nie läßt er die Rechte wissen, was die Linke tausendfältig thut. Der strenge Gegner des Unrechts ist der humanste, liebenswürdigste Vertheidiger menschlicher Schwächen, der biederste Freund, der herzlichste Familienvater. Gern in heiterer Gesellschaft weilend, hat er sein gastliches Haus zu einem Versammlungsort geistreicher Menschen, einem Asyl der zahlreichen Familienglieder gemacht. Es ist ein erhebender Genuß, den Mann, vor dem der gewaltige Clerus zittert, bei kleinen Festlichkeiten Toaste sprechen zu hören, so zart, so sinnig, so duftig, wie sie nur ein tiefpoetisches Gemüth, ein warmes Herz erfinden kann.

Nicht unerwähnt darf bleiben, daß Mühlfeld in ritterlichster Weise, gleich seinem Ebenbilde, dem großen Napoleon, dem schönen Geschlechte gern huldigt, daß er, gleich seinem Ebenbilde, Opernmelodien bis zur Unkenntlichkeit entstellt, eben so gern als – falsch singt! – Es sind dies Sonnenflecken!

Möge er, zum Heile seines Vaterlandes, noch lange berufen sein, in seiner segensreichen Wirksamkeit als treuer Wächter des Gesetzes demselben siegreich zur Seite zu stehen! –
Franz Wallner.