Ein Besuch im zoologischen Garten zu Berlin. II

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Titel: Ein Besuch im zoologischen Garten zu Berlin. (Zweiter Artikel.)
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 685–690
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ein Besuch im zoologischen Garten zu Berlin. Erster Artikel
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Thierköpfe aus dem zoologischen Garten zu Berlin.

1. Virginisches Reh. – 2. Bisamschwein. – 3. Uhu. – 4. Luchs. – 5. Pelikan. – 6. Kranich. – 7. Gemeiner Seeadler. – 8. Wolf. – 9. Condor. – 10. Gepard. – 11. Zweihöckeriges Kameel. – 12. Schakal. – 13. Zebu. – 14. Büffel. – 15. Känguruh. – 16. Affe. – 17. Weißköpfiger Seeadler. – 18. Damhirsch. – 19. Murmelthier. – 20. Schwarzer Panther. – 21. Affe. – 22. Grauer Geier. – 23. Gänse-Geier. – 24. Grauer Reiher. – 25. Silber-Fasan. – 26. Wilde Katze. – 27. Kasuar. – 28. Lama’s. – 29. Amerikanischer Strauß. – 30. Gestreifte Hyäne. – 31. Steinadler. – 32. Eisfuchs. – 33. Gefleckte Hyäne. – 34. Grauer Bär.
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Ein Besuch im zoologischen Garten zu Berlin.
(Zweiter Artikel.)

Zufolge des ganz glücklich beobachteten Systems einer angenehmen Abwechselung folgen den Raubthieren zunächst wieder die Wiederkäuer. Es sind die vier baktrischen Kameele und die Damhirsche. Von den ersteren befand sich eins schon im Garten, als zwei der übrigen von den von ihrer Reise aus dem Himalaya zurückgekehrten Brüdern Schlagintweit dorthin geschenkt wurden. Das Weibchen davon warf im Garten selbst kurz darauf ein Junges und dieses bewegt sich nun ganz munter und schon mit zwei ganz netten Höckern verziert unter den übrigen herum.

Gewiß wird Jeder das Kameel unschön finden mit seiner häßlichen [687] Rückenform, seinem langen, dicken Halse und dem stets horizontal vorgestreckten Kopfe, seinen eingeschnittenen Weichen und den plumpen, in breiten Ballen endigenden Beinen. Und doch gehören alle diese Formen zu den Bedingungen seiner Nützlichkeit. Seine Höcker sind wie zum Aufpacken umfangreicher Lasten geschaffen, mit seinem langen Halse kann es selbst im gewöhnlichen Schritt die am Wege, selbst in Felsenspalten stehenden Kräuter erreichen, welche von den beweglichen gespaltenen Lippen und den für einen Wiederkäuer auffallenden Zähnen passend gepackt werden, selbst wenn sie stachlig sind. Die kräftigen Beine mit den breiten Ballen verhindern das Einsinken in nachgibigen Boden, und selbst die eingeschnittenen Weichen scheinen allein die eigenthümliche Art des Niederlegens und Liegens zu ermöglichen, welche den Kameelen und den in dieser Hinsicht gleichgeformten Lama’s eigenthümlich ist, und welche denselben gestattet, in liegender Stellung bepackt sich zu erheben. Es ist daher zu bewundern, daß erst in diesem Jahre der erste energische Versuch gemacht wurde, das Kameel in Nordamerika einzuführen und zum Transport durch wasser- und pflanzenarme Gegenden zu verwenden. Von hundert nach Texas verschifften Kameelen wurde der vierte Theil als Probe zu einer weiten Expedition verwendet, bei welcher die Thiere schließlich sogar den Colorado schwimmend zu kreuzen hatten, und sie bewährten sich auf der ganzen Reise und auch bei dieser letzten Probe, auf welche man sehr gespannt war, vollkommen, so daß sie möglicherweise von nun an einen bedeutenden Einfluß auf die dortigen Culturverhältnisse ausüben werden und bei dem Anblicke künftiger Karawanen sich Mancher nach Afrika und Westasien versetzt glauben wird.

Die Damhirsche nebenan, ein starkes Rudel bildend, bieten durch die Schönheit ihrer Gestalt und oft schön gefleckten Färbung einen anziehenden Gegensatz zu den großen unförmlichen Kameelen. Auch sie sind unsern Lesern bereits so geschildert, daß wir sofort und im Fluge noch die Schweinewirthschaft in’s Auge fassen, welche im vollsten Sinne des Wortes von den grunzenden und quiekenden Nachbarn nebenan geführt wird. Bis über die Ohren liegt der wilde Eber im Schlamm und, nicht zufrieden damit, ist er mit dem Rüssel noch beschäftigt, neue Quantitäten dieses Materials auf sich zu bringen.

Doch horch – ein donnerndes Gebrüll schallt uns ganz in der Nähe aus dem dichten Gebüsch in’s Ohr. Erschrocken stehen wir still und fühlen uns gemahnt, wie wohl manchmal der Eingeborene oder Reisende in Afrika in ähnlicher Weise geschreckt werden mag, vielleicht, um nicht wieder davon zu erzählen. Wir nahen uns, und plötzlich springt mit einem gewaltigen Satze der Löwe, der unser Kommen gehört und lauernd im Sande gelegen hat, uns entgegen! Niemals fühlt man sich so sicher bei diesem Anblicke, daß man nicht seine Schritte hemmt oder gar zurückfährt, so wenig denkt man in solchem Augenblicke an das schützende Eisengitter. Da steht er, der Gewaltige, und blickt uns, obgleich Gefangener, herausfordernd und stolz an.

Der vor uns stehende Löwe ist ein schönes und lebensvolles Exemplar. Gleich einer Bronze-Statue schimmert sein glattes Fell in der Sonne und die an Leib und Schenkel hervortretenden feinen Adern vollenden das Noble seiner Erscheinung. Straff steht, ein Zeichen von Gesundheit und Kraft, das Mähnenhaar nach allen Seiten von Kopf und Hals ab und in seinen entschiedenen Bewegungen prägt sich das Gefühl der überlegenen Stärke aus. Wie viel mehr schleichen die anderen großen Katzenarten, die sich zugleich hier befinden, in ihren Käfigen umher, z. B. der schwarze Panther, welcher, wenn sein schwarzer Kopf mit den grünleuchtenden Augen und den blinkenden Zähnen den Beschauer anfletscht, einen wahrhaft diabolischen Eindruck macht! Selbst der Tiger, obgleich gewiß ein schönes Thier und eigentlich das Ideal der Raubthiere, hat weder in Haltung noch Bewegung den Ausdruck des Majestätischen, wodurch der Löwe allgemein berühmt ist. Gerade die größere Gelenkigkeit seiner Glieder, welche er vor dem letzteren voraus hat, nimmt dem Auftreten derselben einigermaßen das Entschiedene, was die Bewegungen des Löwen besonders kennzeichnet. Zwei andere noch hier befindliche Löwen sind jünger und weniger schön, dagegen gewährt das Leoparden-Paar einen herrlichen Anblick, wenn der eine den in ihrem Behälter aufgerichteten Baumstamm erklettert und, von dem andern spielend ergriffen, sich von oben durch blitzschnelle Tatzenhiebe vertheidigt.

Bei dem Anblicke dieser verschiedenartigen Raubthiere aus dem Katzengeschlechte wird man leicht an die Stellung erinnert, welche dieselben dem Ureinwohner ihrer Heimath, sowie dem civilisirten Europäer gegenüber einnehmen. Stetig weicht der Löwe in Algerien vor den Kugeln der Franzosen, insbesondere des Löwentödter’s Gerard, zurück, während er bis zu ihrer Ankunft der Schrecken der Araber gewesen ist. In manchen andern Theilen Afrika’s, dieser Domaine des Löwen, wagen die Eingebornen gar nicht, sich ihm zu widersetzen, und erst der Europäer oder dessen Feuergewehr wird sein Gegner. In Indien scheint trotz der verfolgenden Engländer der Tiger nur langsam an Terrain zu verlieren, offenbar eine Folge der dortigen Vegetation, und es ist sicher, daß mit der Unordnung, welche durch den jetzigen Krieg dort entstanden ist, auch die Herrschaft dieses „Menschenfressers“ sich wieder erweitert hat. Daß Kriege allemal diese Folge haben, ist eben so natürlich als bekannt. Im Winter 1812–13 kamen die Wölfe aus Rußland im Gefolge der Armeen bis in’s Innere von Deutschland herein, auch der letzte Krieg in Ungarn hatte eine ungeheuere Vermehrung der Wölfe, Füchse, selbst Bären im Gefolge und Jahre gehören dazu, um die Thiere wieder zu verdrängen. Aber auch andere Ursachen können hier wirken, wie denn z. B. in Polen das Verbot des Führens von Schießgewehren ungestörte Vermehrung der Wölfe zur Folge hat und haben muß. Unzugängliche, dünn bevölkerte Gegenden sind natürlich Hauptbedingung einer Raubthierexistenz, und Südamerika mit seinen Wäldern wird daher gewiß noch sehr lange das Paradies des Jaguars, jenes dritten Herrschers im Katzengeschlechte, sein. In diesem Jahre allein wurden dort bei Rosario, einem am Parana gelegenen Orte, elf Jaguars gefangen oder erlegt, welche bei der letzten Ueberschwemmung dieses Stromes auf schwimmenden Inseln herabgeschwommen kamen, und in Gesellschaft anderer unfreiwilliger Passagiere, als Rehe, Hirsche, Wasserschweine, den Einwohnern der umliegenden Ortschaften zur willkommenen Beute wurden.

Der Riese der Landthiere, neben einem neuholländischen und einem amerikanischen Strauße wohnend, empfängt uns, ohne sich im mindesten in seinem Tagewerk stören zu lassen. Mit einem groben, von der Spitze seines Rüssels gepackten Leinwandlappen bewaffnet, ist er unaufhörlich beschäftigt, sich der ihn plagenden Stechfliegen zu erwehren. In mächtigen Schwingungen fliegt klatschend der eigenthümliche Fliegenwedel bald rechts, bald links, bald zwischen den Vorderbeinen hindurch an den Bauch, manchmal auch auf Schultern und Rücken, von wo er dann abgeschüttelt und mit dem Rüssel wieder aufgefangen wird, um von Neuem zu beginnen. Manchmal läßt auch der Rüssel den Lumpen plötzlich los, um ohne Hülfe mit einem gutgezielten wuchtigen Schlage den Feind, dem doch ein Stich gelungen, zu treffen. Zu Dutzenden ist das Schlachtfeld mit den Leichen der Gefallenen besät, aber neue Schaaren füllen stets ihre Lücken wieder aus. Freilich, wenn der Elephant seine Künste (welche die gewöhnlichen sind) zeigen muß, dann ist er seinen Peinigern preisgegeben, aber alles Verwendbare, z.B. Peitsche, Taschentuch, benutzt er deswegen auch schnell einige Augenblicke, ehe er es pflichtschuldigst seinem Wärter übergibt. Daß übrigens sein Lappen nicht lange vorhält, kann man sich denken; nach Verlauf einiger Wochen muß derselbe stets durch einen neuen, gut gesäumten ersetzt werden, welche Instandhaltung der Garderobe die Pflicht des Wärters ist.

Merkwürdigerweise scheint beim Ankauf dieses Elephanten für den zoologischen Garten von Seiten des Verkäufers der nicht ganz mißlungene Versuch gemacht worden zu sein, das Thier für ein männliches auszugeben, obgleich bei der Größe des Thieres der Mangel der Stoßzähne schon gar keinen Irrthum zulassen konnte.

Nichts hört wohl der Elephant so oft, als das Schnauben und Brummen seiner Nachbarn, der braunen Bären, deren Zwinger gleich den Resten eines mittelalterlichen Bauwerkes hinter dem Gebüsch hervorragt. Er bildet gleichsam einen hohlen Thurm, an dessen Außenseiten man auf Treppen bis zu seinem oberen umgitterten Rande emporsteigt und so von oben das Treiben der Bewohner erblickt. Außer zwei nebenan befindlichen Bären wird gegenwärtig die Bewohnerschaft aus fünf der Familie Petz angehörigen Mitgliedern gebildet: einer Bärin mit zwei erwachsenen Söhnen und deren Tante, sowie einem Hausfreund. In der Mitte ihres gepflasterten Fußbodens und am Rande eines Wasserbassins ragt ein in große Aeste sich theilender Baumstamm bis zur Höhe des oberen Mauerrandes empor, und mit mächtigen Schritten und die Vorderglieder fast wie menschliche Arme gebrauchend, steigt sofort einer der zottigen Burschen bis zur Spitze des Baumes, wenn sich Besucher [688] oben sehen lassen, um die Thiere zu füttern. Mit großer Behendigkeit fängt der Obensitzende die ihm zugeworfenen Stücken mit dem Maule oder, sind sie für dasselbe unerreichbar, wohl auch mit den Tatzen auf, während die Uebrigen unten sämmtlich aufrecht auf den Hinterfüßen stehen und durch sehnsüchtige Blicke und Töne die Mahnung, sie nicht zu vergessen, aussprechen. Die Gemüthlichkeit hört aber, wie überall beim Fressen, auch hier auf, wenn ein hinuntergeworfener Brocken sein Ziel, das offene Bärenmaul, verfehlt und zwischen die Gesellen fällt. Sehr widerhaarige Töne, zwischen Gebrumm, Geschrei und Gebrüll mitten inne stehend, sind dann auch für den entfernteren Spaziergänger das Zeichen eines solchen Mißgeschicks und bezeichnen die Stimmung des Leerausgegangenen.

Dieses ganze Schauspiel wiederholt sich den Tag über so oft, als durch das Publicum dazu Veranlassung gegeben ist, denn der Appetit ist stets vorhanden. Bei Gelegenheit des Appetites wollen wir uns auch einmal ausnahmsweise eine wissenschaftliche Bemerkung über die Nahrung der Bären erlauben; dieselbe besteht aus Brod, allen Arten Früchten, Mützen, Taschentüchern und anderen Vegetabilien. Ein leinenes Taschentuch, wenn es zu ihnen herunterfällt, wird sofort und unter großem Wetteifer der ganzen Gesellschaft zerrissen und verzehrt, wie wir dies selbst gesehen; und an einer Tuchmütze, die also doch auch für gut befunden wurde, hat der Vater des erwähnten Bären-Brüderpaares sein Leben lassen müssen. Die Mama dieses würdigen Paares hatte schon früher mehrmals im Zwinger Junge geworfen, es war aber versäumt worden, sie abzusperren, und so war die Mutter nicht im Stande gewesen, ihre Jungen vor dem neugierigen Appetite ihrer Genossen, selbst des Rabenvaters zu schützen, bis sie im späteren Falle, gleich jenem Pudel das Unnütze der Vertheidigung einsehend, aus Liebe oder Verzweiflung ihre Jungen selber fraß. Beim letzten Male ihres hoffnungsvollen Zustandes abgesperrt, zog sie aber dann ihre Kinder um so erfolgreicher auf.

Was glotzt uns aus dem Teiche, der jetzt vor uns liegt, für eine schwarze, unbewegliche Masse an? Soll das ein Thier sein? Ja, gewiß, und sogar ein seit Jahrhunderten in Europa häufiges Thier, der gemeine Büffel; bis an die Nasenspitze ist er im Wasser verborgen, stehend oder liegend suchen die übrigen der kleinen Heerde das Gleiche zu thun, und die muntere Bachstelze scheut sich nicht, auf den beweglichen, ungeschlachten Leibern zu ruhen oder Beute zu suchen. Mit seiner stets vorgestreckten borstigen Schnauze, seinem oft wild über das Auge wachsenden Stirnhaar, seinen hängenden Ohren und den plumpen, an den Knieen zottigen Beinen macht der Büffel den Eindruck einer zwar gewaltigen, aber auch stumpfthierischen Kraft, und gleichwohl war der Büffelstier ritterlich genug, als einst von zwei im Garten ausgebrochenen Bären der eine eine Büffelkuh angefallen hatte, dieselbe sofort durch einen mächtigen Stoß, mit welchem er das Raubthier in den Teich schleuderte, von demselben zu befreien.

Diese Büffel bilden, gleichwie die nebenan befindlichen Zebu-Rinder, eine kleine, sich immer selbst ergänzende Heerde, daher man bei beiden stets Junge antrifft. Beide, obgleich zur Gattung Ochs gehörig, repräsentiren ganz entschieden Gegensätze; die Büffel ungeschlacht und roh, der Zebu von feinem Bau und fast sanftem Blicke, jener schwarz, dieser weiß. Während die Hörner des Büffels nach hinten gerichtet und gebogen sind, stehen diejenigen des Zebu gerade nach außen. Der Büffel ist berüchtigt durch seine Widerspenstigkeit, während die Anwendung des Zebu’s in seiner Heimath die vielfältigste ist und auf seine Anstelligkeit schließen läßt.

Das Inspectionshaus neben den Zebu’s, in welchem der die Aufsicht über den Garten führende Inspector wohnt, enthält in seinem Erdgeschoß eine Sammlung größtentheils solcher Thiere, die theils ihrer Empfindlichkeit wegen die bei uns oft veränderliche Temperatur nicht vertragen, theils wegen ihrer Kleinheit diese Aufstellung erfordern. Im zweiten Zimmer fesseln besonders die Schlangen, obgleich die hier befindlichen „Riesenschlangen“ durch ihre Größe nichts weniger als imponiren, wie das auch anderswo oft der Fall ist.

Sehr häufig trifft man es, daß die Thiere mit weißen Ratten oder Mäusen, welche in demselben Zimmer gezogen sind, gefüttert werden. Man sperrt die Opfer einfach in den Behälter der Schlangen und überläßt es diesen, sich derselben zu bemächtigen. So sehen wir z. B. in einem Käfig einen gräulichen Klumpen von drei bis vier durcheinander liegenden Klapperschlangen; eben so viele weiße und weiß- und graugefleckte Mäuse klettern mühsam, da sie schon durch erhaltene Bisse gelähmt sind, über die Leiber ihrer Feinde und an dem Drahtgitter empor, um sich zu retten. Gierig werden sie von den lauernden Blicken der gräßlichen Reptilien verfolgt und sobald eine, matt geworden, herabfällt, nähert sich langsam ein häßlicher Kopf und packt ganz gemächlich das unglückliche Thier. Doch die Todesangst gibt demselben neue Kräfte; schreiend sträubt es sich mit der Kraft der Verzweiflung und die Schlange, dadurch genirt, öffnet ihren Rachen und entläßt die Maus, um sich vielleicht einer andern zuzuwenden. So wiederholt sich dasselbe Schauspiel oft drei, vier Mal, auch öfter, ehe das Opfer sich ohne Widerstand ergibt. Schneller geht es, wenn zwei Schlangen zugleich eine Maus erfassen, in wenigen Augenblicken ist dann das Thierchen wehrlos und todt, und die widerlichen Köpfe rücken sich allmählich näher, bis der stärkere den andern zwingt, ihm die Beute ganz zu überlassen und sich nach anderer umzusehen. Höchst auffallend ist es, daß nicht schon durch den ersten Biß der giftigen Schlange das Opfer sofort oder doch in Kurzem getödtet wird, und es bleibt fast nur die Erklärung dafür, daß bei dem langsamen Anpacken die Giftzähne nicht wirken können, was bei einem schnell versetzten Bisse jedenfalls geschehen würde. Daß der Anblick dieser geschilderten Scenen ein höchst widerlicher ist und viel Ueberwindung erfordert, wird man übrigens gern glauben.

Unsere einheimischen Schlangen, die giftige Kreuzotter und die unschädliche Ringelnatter fehlen natürlich niemals, so wenig, als die schöne grüne Eidechse unseres Vaterlandes.

Die großen Raubvögel, von denen wir außer dem Uhu noch keinen sahen, befinden sich an dem wieder betretenen Gartenwege in einer Reihe nebeneinander angebrachter Käfige. Stumm und ruhig sitzen die zu den Adlern gehörigen Thiere auf ihren Blöcken, blos den Kopf in fortwährender Bewegung nach Allem, was irgend auffällt, und das Auge im feurigsten Glanze leuchtend. Die Geier hingegen, durch ihre gewöhnlich minder langen und krummen Krallen mehr dazu befähigt, halten sich öfter auf dem Boden auf, und die an das Schnattern der Gänse erinnernde Stimme des weißköpfigen Gänsegeiers ertönt häufig, wenn er sich mit seinen Genossen um die Reste der Mahlzeit herumstreitet. Alle diese Vögel kann man nur in ihrer Freiheit kennen lernen; der Flug ist es, in dem sie als das in seiner Art vollkommene Thier erscheinen, und der Gefangene ist nur das halbe Bild seiner selbst, weil das belebende Element ihm genommen. Ein wehmüthiges Gefühl überkommt den Beschauer, wenn er die riesigen Condors sich am Boden um sich selbst drehen sieht, sie, die in ihrer Heimath noch hoch über den Gipfeln der Anden im Aether schweben und keine Ferne kennen.

Bei der Colonie kleiner Raubthiere angekommen, stellen sich uns die Gebrüder Reinecke, obgleich höchst unfreiwillig, vor, und der bloße Anblick der immer scheuen, immer listig lauernden Gesellen läßt ihnen Alles zutrauen, was man denselben nachsagt. Sehen nicht alle Uebrigen, die Waschbären, der Wombat, der Schakal, selbst der graue Polarfuchs wie Biedermänner dagegen aus? Nur die Marder mit ihren fast schlangenartig sich windenden Leibern zeigen ein ähnliches listiges Gebahren, aber nicht entfernt kann sich in dieser Beziehung der Ausdruck ihres Kopfes mit dem eines Fuchses messen.

Das vollendetste Bild eines biedern Bürgers ist indeß jedenfalls der Dachs; er kennt keine krummen Wege, als höchstens die seiner unterirdischen Gänge, er schleicht nicht leise einher, sondern tappt, allen hörbar, mit seinen langen Grabekrallen laut genug auf seinem steinernen Boden herum, denn ihn plagt nicht das böse Gewissen seines Vetters. Leider ist die Gelegenheit sehr selten, diese Beobachtungen zu machen, denn man hat aus zu weit getriebener Nachsicht für seine Neigungen ihm einen unterirdischen Raum ausgemauert, in welchem er wohl den ganzen Tag verbringt, und nur des Abends zum Vorschein kommen soll. Wer übrigens Dachs und Fuchs gesehen, wird finden, daß in dem altdeutschen „Reinecke Fuchs“ die Charakterzeichnung dieser Thiere ganz vortrefflich gelungen ist.

Weiterhin nehmen neue noch nicht gesehene Raubthiere unsere Aufmerksamkeit in Anspruch, voran die gestreifte Hyäne, dieses merkwürdiger Weise immer noch Vielen als furchtbar geltende Thier. Man sieht hier schlagend, wie schwer es ist, einmal eingewurzelte Irrthümer auszurotten. Da glauben noch Manche, daß die Hyäne Löwen und Tiger bekämpfe und, was des Unsinns mehr [689] ist. Man übersieht dabei, daß schon die Beine des Thieres durch ihre Form verrathen, wie wenig es solchem Kampfe gewachsen ist. Nach den Berichten des Löwentödters Gerard in Algier ist dort die Hyäne nicht gefürchtet, sondern verachtet, gleichwie die Jagd auf sie, und alle Schilderungen von wahrheitsliebenden Reisenden scheinen damit überein zu stimmen. Ein neuerer Reisender in Südafrika, Livingstone, hat sie des Schießens gar nicht werth erachtet, sondern einen ganzen Trupp in die Flucht gejagt, indem er der vordersten den Feldstuhl an den Kopf warf. Diese Verachtung des Thieres ist auch nichts Auffälliges. – Nur todte oder sterbende Thiere fallen der Hyäne zur Beute, denn sie hat schwerlich den Muth, einen wirklichen Kampf zu bestehen. Die auf Schlachtfeldern, auf den Wegen der Karawanen, in den orientalischen Städten liegenden Leichen sind ihr, gleichwie des Geiers Futter. Dazu hat sie ihr starkes Gebiß, aber nicht zum Kampfe. Auch sind die Beobachtungen in Menagerien stets geeignet, den Glauben an ihre Furchtbarkeit umzustoßen. Das „Dressiren“ hat, so weit ihre Intelligenz dazu reicht, jedenfalls in Bezug auf ihre Gefährlichkeit nicht viel Schwierigkeit, natürlich ist es aber im Interesse der Menageriebesitzer, dies dem Publicum zu verhehlen und im Gegentheil das Thier so furchtbar als möglich zu schildern. Außerordentlich häufig muß übrigens die gestreifte Hyäne in ihrer Heimath sein, denn in jeder, fast selbst der kleinsten Menagerie hat man Gelegenheit, das widerliche Thier, das das Gepräge seiner Lebensweise schon im Aeußeren trägt, zu sehen.

Tiger- und Löwenportraits aus dem zoologischen Garten in Berlin.

Durch die meisten deutschen Zeitungen ging im letzten Frühjahr die Nachricht, daß drei Wölfe aus dem zoologischen Garten zu Berlin ausgebrochen waren. Einer davon wurde in Charlottenburg erschossen, die andern hatte man, den einen sogar noch im Garten, wieder eingefangen. Man mußte geneigt sein, zu glauben, daß den Thieren die Flucht nur durch die nachlässig verschlossene Käfigthüre möglich gewesen sein konnte. Dem war aber nicht so, sondern sie hatten sich unter den Steinen, welche das Fundament ihres Eisengitters bilden, durchgewühlt und die etwa lockern Steine herausgebrochen. Der Aufruhr, welcher in dem gerade sehr zahlreich besuchten Garten entstanden war, und die lärmende Verfolgung hatte die Thiere so scheu gemacht, daß, wie schon gesagt, nur einer nach starker Gegenwehr von dem Wärter im Garten selbst konnte ergriffen werden; die andern übersprangen die an vielen Stellen defecte Umfassungsplanke und flohen, der eine dem Tode entgegen nach Charlottenburg, der andre, immer verfolgt, bis in den botanischen Garten. Dort, durch einen Teich schwimmend, empfing er am Ufer von einem auf ihn wartenden Gartenarbeiter einen Schlag auf den Kopf, der ihn leblos niederstreckte. Gebunden und zurücktransportirt, hat er sich aber vollkommen wieder erholt, und befindet sich nebst dem andern Zurückgebrachten wieder im alten Käfig. Ganz freundlich die Zähne fletschend geht der eine immer an seinem Cameraden vorüber, welcher vielleicht über neuen Fluchtplänen brütet.

Nach den Versicherungen der Wärter übrigens würden die Flüchtlinge wahrscheinlich ohne große Schwierigkeit von selbst wieder in ihren Behälter zurückgekehrt sein, wenn sie nicht der entstandene Lärm scheu gemacht hätte, wie denn z. B. einer der bereits erwähnten flüchtig gewordenen Bären gleichfalls sich wieder freiwillig in seinen Zwinger zurückbegab.

Der Anblick des Wolfes ruft gewiß bei Manchem das alte und doch immer noch anziehende Thema von der Abstammung des Hundes, überhaupt unserer Hausthiere wieder wach. Obgleich die Zähmung des Hundes ein Stück Culturgeschichte ist, so existirt doch, wie es scheint, dafür lediglich die nackte Thatsache. Ueber das Wie, Wann, Wo und ob das Urthier wirklich ein Wolf ist, wie Manche wollen, scheint wenigstens bis jetzt Gewisses noch gar nicht zu bestehen. Ebenso geht es mit den meisten, insbesondere den wichtigsten unserer andern Hausthiere. Bewundernswürdig ist jedenfalls, daß das Menschengeschlecht schon in den ersten Anfängen seiner Entwicklung dieselben Thiere mit sicherm Blick gefunden und zu seinen Zwecken gezähmt hat, welche auch noch jetzt bei den enorm entwickelten Culturverhältnissen die unentbehrlichen sind und voraussichtlich bleiben werden. Alle neuern Versuche, der seit Jahrhunderten festgestellten Zahl unserer Hausthierarten neue hinzuzufügen, scheinen zu scheitern und nur die Ausbreitung der alten zu glücken, und es muß daher der Eitelkeit des Menschen schwer werden, sich von der Ansicht zu trennen, daß gerade diese Thierarten ganz extra für ihn geschaffen seien.

Wir sehen noch die Beutelratte, den berühmten Ichneumon, dessen intimes Verhältniß zu den Krokodileiern auch bereits durch den Afrikareisenden Brehm auf Null reducirt ist, den Luchs mit seinen feinen Ohrpinselchen, und außer einer Himalayakatze noch[WS 1] zwei junge wilde Katzen aus dem Harz.

Und nun, lieber und ermüdeter Leser und Besucher, wenn Du eine Erinnerung aus Robinson auffrischen willst, so begleite uns [690] noch auf dem letzten Gange zu den Llama’s, tritt aber nicht zu nahe, denn sonst spritzt Dir das boshafte Männchen sich bäumend seinen Speichel sofort in’s Gesicht. Obgleich glücklicher Vater von zwei schönen Kindern, deren eines fast erwachsen, obgleich Gatte einer liebenswürdigen, schöngewachsenen Gattin, ist dieses Thier doch so bös, daß man fast wie vor einem Raubthiere zurückfährt, wenn es, sich bäumend, das Gitter zu überspringen sucht, und die Zähne des Unterkiefers dabei drohend zeigt. Und dabei ist es ganz oder ziemlich blind; wir müssen das Letztere annehmen, denn es ist außerdem fast unerklärlich, mit welcher Genauigkeit zielend es seinen Speichel wirft. Schöne Thiere sind es indeß, diese Llama’s; alle Formen erinnern zwar an das häßliche Kameel, aber alle sind zur Schönheit umgewandelt. Besonders die prachtvolle Haltung des biegsamen Halses geben dem Thiere ein stolzes Ansehen, und der leichte elastische Schritt, in dem es die fein geformten Beine bewegt, vollenden diesen Eindruck. Eine schöne Staffage der Landschaft werden sie daher jedenfalls bilden, wenn die beabsichtigten Versuche der französischen Regierung, sie auch auf dem Atlas einzubürgern, gelingen sollten.

An dem benachbarten Rehpaar vorübergehend, zieht uns noch das Känguruh zur Betrachtung an, leider jetzt blos eins, so daß die Gelegenheit, die famose Bewegungsart dieser Thiere zu sehen, eine seltene ist. Früher lebte hier ebenfalls ein kleines Rudel dieser merkwürdigen Gestalten, und man konnte oft die mit den langen Hinterbeinen ausgeführten gewaltigen Sätze beobachten, wenn die Thiere sich gegenseitig verfolgten. Dieses einzelne Exemplar hat natürlich nie Veranlassung dazu, die größte Schnelligkeit zu entwickeln. Immerhin bleibt es aber selbst liegend eine höchst auffallende Erscheinung; besonders wenn das Thier mit den hintern gewaltig entwickelten Gliedern dem Beschauer näher liegt, kommt das Ganze dem Auge immer wie eine ungeheuere perspectivische Verkürzung vor, so klein sind die vordern Glieder im Verhältniß zu den hintern und dem langen, muskelreichen Schweife.

Die Urheber des schrillen Geschrei’s, welches uns öfters in die Ohren getönt hat, sehen wir noch im Verlassen des Gartens, es sind Seeadler in verschiedener Altersfärbung. Auch ein weißköpfiger Seeadler aus Nordamerika, ein schöner Vogel, ist gleichfalls seit Kurzem hier und erinnert uns an Franklin, welcher das Thier, wohl weil es ein Raubvogel, nicht in dem Wappenschild der Vereinigten Staaten angebracht wissen wollte und, irren wir nicht, dafür, aber ohne Erfolg, den Truthahn vorschlug.

Doch genug, wir fürchten ohnedieß nicht ohne Grund, schon längst die Geduld des Lesers ermüdet zu haben. Gleichwohl ist vielleicht die Bitte um Nachsicht gerechtfertigt, da es uns darum zu thun war, ein einigermaßen vollständiges Bild des Institutes in seinem gegenwärtigen Zustande zu geben und zum Besuche anzuregen.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: nach