Ein Friedensbild im Kriege

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Autor: G.
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Titel: Ein Friedensbild im Kriege
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 420–422
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Oelgemälde von Robert Heck: „Der Einzug des neuen Pfarrers“
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Ein Friedensbild im Kriege.


Wenn mitten im betäubenden Marktgewühl, im Schweiße und in der jagenden Hast und Angst des Alltagslebens unvermuthet ein voller Orgel- und Glockenton, der Zauber einer süßen Melodie unser Ohr berührt, wir werden ihm nicht wehren können, daß er zu unserm Herzen dringt und erquickend uns hinausträgt über das, was uns umgiebt. Und wenn im Dahinwandern auf heißer, kampf- und mühevoller Lebensbahn der Sinn des Gebeugten erstarren, die Schwungkraft seines Gemüths erlahmen will und plötzlich der frische Hauch des Waldes seine Stirn umweht, sein Blick auf die lachenden Höhen, die lichtgrünen Fluren und Thäler einer still vor ihm sich ausbreitenden Landschaft fällt, er wird den lieblichen Eindruck nicht hindern können, daß er lindernd und aufrichtend, beruhigend und stärkend die Seele von dem Drange und der Noth des Augenblickes abzulenken sucht. Es ist die Aufgabe des Menschen, im gluth- und sturmvollen Wettkampfe des Lebens seine Kraft zu üben. Aber tief im Innersten seiner Brust lebt als ein ewiges Gesetz, oft umnebelt nur vom Dampf und Dunst der Leidenschaft, die unvertilgbare Sehnsucht nach dem Frieden, das wehmuthsvolle Zeichen seiner göttlichen Abkunft. Mag der Boden unter seinen Füßen wanken und unter dem Sturm eines hereinbrausenden Weltgerichts der letzten Säule seines Daseins der Einsturz drohen; mag wilder Kriegslärm ihn umtosen und sein Geist mit Inbrunst und Selbstverleugnung nur der Gefahr des Vaterlandes, den großen Fragen des Tages zugewendet sein: es kommen mitten im Streit und Zwiespalt der Ueberzeugung und Leidenschaft doch Augenblicke, wo die hochgehende Welle des Blutes sich zu sänftigen und der alte Traum vom stillen Glück, der unsterbliche Zug nach Natureinfalt und harmlos-gemüthvoller Existenz seine urwüchsige Macht zu zeigen beginnt. Bilder voll süßer Ruhe und traulicher Abgeschiedenheit steigen dann vor dem Auge des Ermüdeten auf

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Der Einzug des neuen Pfarrers.
Nach dem Oelgemälde von Robert Heck in Stuttgart.

[422] und senken sich wie ein erfrischender Trunk in das umbrauste und lechzende Herz. Solch’ ein Bild des tiefsten Friedens ist es, durch welches der Schöpfer des beistehenden Kunstwerks uns hat erfreuen und erquicken wollen in kriegerischer Zeit.

Am Saum des schwäbischen Tannenwaldes, fern von dem Umtrieb und dem Lärme der Großindustrie und der Eisenbahnen, fern auch bis jetzt noch vom lärmenden Kriegsgetümmel, wird der neue Pfarrer empfangen; Inschriften, Blumen, Kränze und farbige Bänder vom Ausgange des Waldes an bis hinunter zu dem reichgeschmückten Pfarrhause, die Empfangsrede des Schulmeisters und das von den Kindern überreichte Schaf mit dem Lamm: dies sind die äußeren Zeichen herzlichsten Entgegenkommens einem Manne gegenüber, von dessen Wirken unter Menschen, deren geistige Hauptkraft im Gemüthe liegt, so viel abhängt.

In der uns vorgeführten Gemeinde scheint sich nun das Verhältniß ganz günstig gestalten zu wollen; die etwas strengen Züge des Pfarrers werden wohl eher auf Strenge gegen sich selbst hinsichtlich treuer Pflichterfüllung, als auf die gegen Andere zu deuten sein. Dabei hat er die anmuthige, freundliche Gestalt der Pfarrerin zur Seite, deren ganze Erscheinung dafür bürgt, daß sie die Pflegerin der Armen und Kranken, die Beratherin in häuslichen Nöthen und die Fürsprecherin der Dorfjugend sein wird. Darum findet in dem Bilde das schwäbische Sprüchlein auch seine zweifache Anwendung:

„Weil die Frau Pfarrerin ist so brav,
So bringen wir ihr ein schönes Schaf.“

Der Pfarrfamilie gegenüber, durch entsprechende ausdrucksvolle Figuren dargestellt, steht voran der Schulmeister des Orts, umgeben von den Ersten seiner Schule mit der entsprechenden, wohleinstudirten Begrüßungsrede, hinter ihm die behördliche Dreiherrlichkeit des Dorfes: die kraftstrotzende Gestalt des Schulzen (Ortsvorsteher), die ruhig prüfende des Bürgermeisters (Gemeinderechner) und die Greisengestalt des Heiligenpflegers (Verwalter des Kirchenvermögens), umrahmt von den verschiedenen Altern und Ständen des Ortes.

Auf dem ganzen Bilde liegt die heitere Sonne friedlichen Zusammenlebens und die Bürgschaft dafür, daß das gegenseitige Verhältniß sich nicht so gestalten werde, wie dies in Schwaben mit den Worten bezeichnet wird: „Den führten wir vierspännig über’s schönste Samenfeld hinaus, wenn er nur ginge.“

Wir erinnern unsere Leser an ein Bild von Heck „der Reiseprediger aus Schwaben“, das in Nr. 2 des Jahrgangs 1863 der Gartenlaube eine Stelle gefunden. Auch unsere diesmalige Illustration schwäbischen Dorflebens ist einem trefflichen Originalgemälde desselben Künstlers, seiner neuesten Schöpfung, nachgebildet. Während aber in jenem ersteren Bilde der mystisch-religiöse Grundzug dieses Volksstammes dargestellt ward, welcher die Ursache so vieler Secten mit so schönen Geistesblüthen und daneben so tiefen Ungereimtheiten ist, führt uns die neueste Composition vor jenes gemüthliche, poetische Leben und Treiben, das für den Bewohner des deutschen Nordens, wenn er in diese Gegenden kommt, so anziehend ist.

Wem aber das wiederum mit frischem und sicherem Pinsel gemalte, eben so ansprechende, wie treu die eigenste Art des bezeichnenden Volksstammes ausprägende Bild in der jetzigen Zeit des Kampfes und Sturmes zu friedlich erscheinen will, der möge daran denken, wie ganz anders es um unser Volk und Vaterland stände, wenn die tausend und abertausend Pfarrer in den weiten Gauen unsers großen Vaterlandes seit den Jahren von 1813 ab mit dem wahren Gottvertrauen und dem echten Christenthume das rechte Verständniß für die Dinge dieser Welt, für Familie, Gemeinde und Staat gepflegt und Männer erzogen hätten, denen Recht und Freiheit am höchsten steht.

Wenn der Maler in den seitherigen Bildern den gemüthlichen und religiösen Theil des geistigen Lebens seiner Heimath nun genugsam geschildert hat, so könnte er freilich von jetzt ab auch in das politische Gebiet greifen, um aus demselben Züge darzustellen, welche in der Lebendigkeit der Handlung und Bestimmtheit der Charaktere gewiß dankbare Stoffe darbieten.
G.