Ein Leipziger Bürger

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein Leipziger Bürger
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 628–631
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[628]
Ein Leipziger Bürger.


Wenn ein Fremder, vor etwa zwanzig Jahren noch, nach Leipzig kam, so besuchte er gelegentlich den sogenannten Reichel’schen Garten vor dem Thomaspförtchen als eine besondere Merkwürdigkeit. Er ging durch den offenen Thorweg eines großen hohen, an der Promenade gelegenen Vordergebäudes hinein, überschritt auf einer Brücke den breiten Mühlgraben der Pleiße, wandelte auf einem geraden Wege dann über eine Brücke, an der steinerne Standbilder, die vier Jahreszeiten vorstellend, Wache hielten, bis zu dem großen Hintergebäude, dessen ebenfalls offene Thorhalle ihn in einen unbedeckten Säulengang leitete, den man „die Colonnaden“ nannte. Zu beiden Seiten hinter den Säulen befanden sich kleine niedrige aber hübsch eingerichtete Wohnungen, an welche laubige Gärtchen stießen, inmitten derselben von Wassergräben umgebene Inseln lagen, zu denen man auf niedlichen Brückchen gelangte –. Diese Inseln führten die stolzen Namen Sicilien, Rhodus, Majorca, Corsika u. s. w. Hatte der Fremde den Säulengang hinter sich, so schloß sich ihm die Aussicht rechts und links durch Hecken und Plankwerk in andere geheimnißvolle Gärten, in denen stillvergnügte Leipziger ihren Feierabend genossen. Der Fremde drang weiter vor, bis ihm durch einen steinernen Satyr und einen breiten Wassergraben der Weg geradeaus versperrt und er genöthigt wurde, entweder rechts oder links einer Kirschbaumallee zu folgen, die ihn zwischen Gartenzäunen hindurch unvermerkt wieder auf den Mittelweg vor dem großen Quergebäude und dann zum Thorweg hinaus auf die Promenade brachte. In jener Kirschallee fortwandelnd warf er lange forschende Blicke auf das Gefilde, was zu betreten der Wassergraben ihn verhinderte, sah hochbegraste Wiesen, dazwischen Gebüsch, in weiterer Ferne hohen Wald, und gelegentlich einen höflichen Leipziger befragend, erfuhr er, daß durch die Wiesen und das Gebüsch rechts und links und gerade aus die Pleiße und die Elster in schwesterlicher Umarmung sich schlängelten und dazwischen noch eine ungekannte Anzahl von kleineren und größeren Wassergräben, Teichen, Lachen, Tümpeln und Sümpfen sich befände, nur den Fischern, Mähern, Vogelstellern und jenen waghalsigen Leipziger Jungen zugänglich, die Krebse und Schmetterlinge fangen, auch wohl baden – gingen. – Diese Gegend wäre in der That eine ergiebige für die modernen Aquarien an Salamandern, Molchen, Fröschen und Unken gewesen, die zur Frühjahrszeit dazumal große Conzerte gaben.

Der eben beschriebene Reichel’sche Garten besteht noch wesentlich in seinen beiden Hauptgebäuden wie früher, wenn auch zwischen dieselben sich die Dorotheenstraße mit ihren reizenden Vorgärten gedrängt hat, die Elster- und Centralstraße sich rechts abzweigen, und links die Erdmannsstraße ausläuft, dort wo früher Erdbeeren- und Stachelbeerbüsche standen, an schönen Abenden Nachtigallen schlugen und Männerquartette sich hören ließen unter Weinlaub beim Biere. – Freilich sind auch Sicilien und Rhodus und alle Inseln sammt und sonders untergegangen. Die Säulen sind verschwunden, aber die schmale Colonnadenstraße mit ihren um ein Stockwerk gewachsenen Häuschen ist geblieben.

Neben dem Reichel’schen Garten, der Nonnenmühle zu, befand sich ein zweiter Garten, der Rudolph’sche genannt, ein berühmter Jubilate-Meßsonntagsgarten im altfränkischen Geschmack mit Buchsbaumhecken, versteckten Nischen, ehrwürdigen Alleen, Gewächshäusern, Orange- und Myrthenbäumen verziert, woran sich nasse Wiesen schlossen mit Bäumen bis an die angrenzenden Gewässer der Pleiße unterhalb der Nonnenmühle und bis zum Kuhstrangswehre.

Ueber die Pleiße, das Küchen- und Kuhstrangswehr hinaus, verlor sich der Blick und verliert sich noch heute in die Schatten des Schwägrichen’schen und des botanischen Gartens und weiter in die sumpfigen Wiesenflächen der Universität, des sogenannten Schimmel’schen Gutes, und der Sauweide – –.

Die Wiesen aber am Pleißen-Thomas-Mühlgraben und der meßehrwürdige Rudolph’sche Garten, wo noch zu guter Letzt der berüchtigte Berliner Weinwirth Louis Drucker seine nicht allzu zarten Späße vorbrachte, sind überwachsen von zwei schönen palastreichen Straßen, von der West- und Rudolphsstraße. Zwischen ihnen erhebt sich die von Heidelof’s Meisterhand erbaute katholische Kirche. Die Rudolphsstraße hat sich mit der Erdmanns- durch die Moritz- und Zimmerstraße in Verbindung gesetzt. Die Weststraße aber, nach Nordwesten sich wendend, geht in herrlicher Breite geradeaus weiter. Sie stürzte die Kirschallee und füllte die niedrigen Gärten und Wiesen, so wie den Wassergraben, vor dem unser Fremder verdutzt stehen blieb, circa 7 Fuß hoch auf, sprang dann mit einer schönen Brücke über die Elster und überdämmte das Wiesenthal bis zur Frankfurter Straße. Auf diese Weise legt die schöne Weststraße in schnurgerader Richtung eine Strecke von mehr als 2000 Ellen zurück. Sie ist es, von der wir eine Abbildung geben. Sie verbindet sich rechts mit der Moritz-, Erdmanns-, Colonnaden- und Alexanderstraße und durch die Promenaden- mit der Elsterstraße, auch rechts mit der Wiesenstraße, jenem Conzertsaal der Frösche und Unken vor funfzehn Jahren!

Diese Schöpfung mittelbar und unmittelbar ist nun das Werk eines Mannes, in Folge seiner Anregung, seines Einflusses, seiner Unterstützung und seines Beispiels durch eigene entschlossene That.

Sie ist hervorgegangen und wirkt schöpferisch fort auf Unternehmungen von noch viel größerer Bedeutung und von weitgreifender Wichtigkeit nicht allein für Leipzig, sondern für ganz Sachsen und Thüringen.

Der Mann, den wir meinen, ist Dr. Ernst Carl Erdmann Heine, geb. 1819 in Leipzig, Sohn des verstorbenen Gutsbesitzers Johann Carl Friedrich Heine in Neu-Scherbitz unweit Schkeuditz und dessen noch lebenden Ehefrau Christiane Dorothea geb. Reichel. Heine besuchte die Thomasschule und die Universität Leipzig, studirte Rechtswissenschaft, Staats- und Volkswirthschaft, trieb Mathematik und Feldmessen unter Hohlfeld, verheirathete sich 1843 mit Fräulein Trinius, wurde in demselben Jahre Doctor juris an der Universität Leipzig, und bald darauf Advokat. Schon in seiner frühesten Jugend zeigte sich in ihm eine besondere Neigung für Land- und Wasserbauangelegenheiten. Auf einem quellenreichen Wiesengrundstücke seines Vaters legte er – als Knabe spielend – Wehre an, baute Kanäle und trieb durch deren Wasser kleine Mühlräder. In seinem siebzehnten Jahre entwässerte er mit Hülfe unterirdischer Röhrenlegung eine Wiese und einen Teich mit dem besten Erfolg.

In seinem zweiundzwanzigsten Jahre (1841) entwarf Heine seinen Plan zur Trockenlegung und Bebauung der Riedel’- und Reichel’schen Gärten, der Förster’- und Nebe’schen und der Neubert’schen Wiesen und zur Bebauung der Gerhard’schen, Lehmann’schen Gärten, so wie der Thomasmühle, und ließ die betreffenden Aufnahmen und Berechnungen von dem Architekten Brendel besorgen. Seine desfalsigen, den verschiedenen Grundbesitzern gemachten Vorschläge fanden inzwischen kein Gehör! Man erachtete seine Pläne zu weit ausgreifend und zu wenig im Gleise bleibend. Heine kaufte daher, wie wir gehört zu haben glauben, im Jahre 1841 die Förster’schen und Nebe’schen Wiesen, hauptsächlich letztere, um über die Elster bis auf die Frankfurter Straße (Lindenauer Chaussee) zu gelangen. Denn die rasche und planmäßige Bebauung der Strecke zwischen der Pleiße und Elster konnte nur dann gehofft werden, wenn dieselbe nicht nur durch eine Brücke über den Pleißenmühlgraben gegen die Promenade zu geöffnet, sondern auch durch Ueberbrückung der Elster und durch einen Fahrdamm mit der Lindenauer Chaussee in Verbindung gesetzt wurde. Die Pleißenbrücke wurde demnach 1844 gebaut, der Platz hinter derselben behufs der Erbauung der katholischen Kirche und eines Schulhauses für einen [629] sehr billigen Preis abgelassen. – Der kleine Raum für das Schulhaus allein ist jetzt zu einem höheren Werthe gerichtlich veranschlagt worden. Die Trockenlegung des neuen Anbaues wurde erzielt durch Erbauung eines Kanals unter dem Bette der Elster hinweg unweit der im Jahre 1842 in ihr errichteten Neubert’schen Schwimmanstalt. Er mündet aus unterhalb der Hohenbrücke am jetzigen Frankfurter Thorhause. Durch diese wohldurchdachte Röhrenlegung wurde das ganze Gebiet der mehr erwähnten Grundstücke zwischen Elster und Pleiße (Mühlgraben) entsumpft und zu jeder Zeit frei von Ueberschwemmungen gehalten, deren es bis dahin sehr ausgesetzt war, so zwar, daß man unter Anderm im Jahre 1829 mit Kähnen in Reichel’s Garten zu einander fahren mußte. Nach jenen Vorbereitungen und mehren bewirkten Käufen konnte Heine erst mit Sicherheit des Erfolgs an Ausführung seiner Pläne denken, die wir Zeitgenossen nach dem Ablauf einer so kurzen Zeit von funfzehn Jahren in Wahrheit und Wirklichkeit in der von Jahr zu Jahr sich mehr bevölkernden West-, Wiesen- und Promenadenstraße vor uns sehen. – Die Sümpfe sind bebaut, – heißt es in der deutschen Gewerbezeitung, Heft 4. 1856 – auf die man einst nicht bauen lassen wollte, die Sümpfe, auf welchen die katholische Kirche steht, auf welchen sich vorzugsweise Aerzte und solche Leute anbauen, welche die Mittel haben, der Sumpfluft auszuweichen, wenn sie es nicht angenehmer fänden, in diesem vielfach belächelten Stadttheile sich niederzulassen. –

Die Weststraße mit den Heine’schen Häusern.

Die Thatsachen von zehn Jahren sprechen zu deutlich, als daß man nicht begreifen sollte, was nach zehn Jahren aus Sümpfen wird, wenn menschliche Thätigkeit sie mit Fleiß und Einsicht behandelt. – –

Heine’s und Reichel’s neuer Anbau ist jetzt an Grund und Boden in niedriger Veranschlagung zu 1 Thlr. die □Elle, etwa 600,000 Reichsthaler werth, während der Boden vor 15 Jahren nicht zu 30,000 Thaler abzuschätzen war. Eine Waschanstalt an der Weststraße baute Heine 1843, das große, schöne Vordergebäude an der Promenade, zur Stelle des alten Rudolph’schen Gartens, 1846–1847. Das Reichel’sche Quergebäude wurde im Jahr 1849 von ihm durch ein Stockwerk erhöht, eine Brücke über die Elster 1850 fertig –. Die Erlaubniß zu ihrem Bau wurde in Betracht der arbeitslosen Zeit erwirkt –. Das lange Haus in der Weststraße entstand 1851. 1852–53 folgten die fünf gegenüberstehenden Häuser. Im Jahre 1855 fand die vollständige Auffüllung der verlängerten Weststraße bis auf die Lindenauer Chaussee statt. Zu allen diesen Auffüllungen gebrauchte Heine viele gute Erde. Diese war begreiflicher Weise in der Nähe von Leipzig nicht zu erhalten. Heine richtete daher sein Augenmerk zunächst auf die Höhen von Plagwitz, am Ufer der Elster, etwa 1¼ Stunde oberhalb Leipzig gelegen. Diese waren zu Kahn erreichbar, wenn das Bett der Elster vorher ausgetieft wurde. Eine Ausbaggerung mußte daher vorgenommen, zugleich ein Vertrag mit einem Grundbesitzer in Plagwitz wegen Ueberlassung von Erdreich abgeschlossen werden. Und bald befuhren große Kähne, die aber erst beschafft werden mußten, die Elster, und brachten gesundes, trockenes, steinigtes Erdreich auf die feuchten Niederungen. Die Hinausrückung der Stadtthore rief neue Ideen der Vergrößerung der Stadt in den Köpfen vieler weiter schauenden Leipziger wach!

Aber nirgend fanden sie eine so großartige, kräftige Belebung, als am Frankfurter Thore durch die Aufschüttung der Verlängerung der West- und Elsterstraße, welche letztere, über die Frankfurter Straße fortsetzend, eben jetzt zu der prachtvollen 180 Fuß breiten, mit vier Reihen Linden bepflanzten „Waldstraße“ 7 bis 8 Fuß hoch aufgeschüttet wird, die unweit des Amelung-Wehres später die Elster überspringen und, die Thüringer Eisenbahn durchschneidend, bis auf die Chaussee bei Möckern jedenfalls fortgesetzt werden wird. Zur Seite der Waldstraße sind für nächste Zeit Gärten, für spätere anmuthige Landhäuser gedacht. Der Plan liegt vor, dermaleinst die Waldstraße durch die Gebiete der großen Funkenburg und des Schwägrichen’schen Gartens mit der Stadt in Verbindung zu setzen. Millionen von Kubikellen Auffüllmaterial werden gebraucht, um diese niedrigen, durchwässerten Gebiete zur gesunden Bauhöhe hinaufzubringen. Auf der andern Seite nach Westen befinden sich noch viel größere Strecken tiefliegender Ländereien, die innerhalb des Stadtgebiets der Abrundung wegen fallen müssen. Es ist anzunehmen, daß mindestens 8 bis 10 Millionen Kubikellen Füllmaterial dazu gehören, um nur die Strecken bebaubar zu machen, die vermöge der zunehmenden Bevölkerung Leipzigs und in Voraussicht des anwachsenden Handels und Verkehrs zu Wohnungen, freien Plätzen, Promenaden, Speicherräumen, Ablade- und Stapelplätzen für Korn und andere landwirthschaftliche Erzeugnisse, Holz, Steinkohlen, Braunkohlen, Steine, Ziegel u. s. w. nöthig sind.

Die Nothwendigkeit, immer mehr Füllmaterial schon jetzt zu beschaffen, und die sichere Aussicht auf steigendes Bedürfniß desselben nöthigte Heine zum Ankauf des größeren Theils der Grundstücke des Dorfes Plagwitz, zur Erbauung von großen Kähnen, von 12 bis zu 3000 Zentner Tragkraft, drängte ihn zur Benutzung von Eisenbahnschienen auf verlegbaren Schwellen und Drehscheiben, zur Anfertigung von zweckmäßigen Kippkarren, Aufzügen und Dampfmaschinen in derselben Weise, wie solche der Bau

[630]

Der Heine’sche Verbindungskanal der Elster mit der Saale.
Einfahrt bei Plagwitz.

[631] von Eisenbahnen erforderlich macht, wenn mit Vortheil gebaut werden soll.

Um dem zu Gebote stehenden Erdreich an den Hängen von Plagwitz nahe zu kommen, sah sich Heine ferner bald gezwungen, einen Kanal in den Berg zu treiben, der in seinen obersten Schichten aus zerklüfteter Grauwacke besteht. Mit diesem Kanal, in einer Breite von 20 Ellen, ist er bereits etwa 700 Ellen vorgerückt. Er arbeitet zur Zeit in festem Gestein, kühn vorwärts dringend, um dermaleinst mit diesem Kanale die Saale zu erreichen. Die sächsische Staatsregierung begünstigt in hoher staatswissenschaftlicher Weisheit sein Unternehmen.

Unsere Abbildung zeigt die Einfahrt in diesen werdenden Kanal, an dessen Ufer sich bereits eine Schneidemühle an Dampf, neuester Bauart, und eine Fabrik zur Darstellung von Geräthen, Bautheilen und Verzierungen aus Cementmasse erheben. Bald wird eine Fabrik zur Anfertigung von allerlei gebrannten Steinen folgen. Nahe der Leipziger Ausmündung der neuen Nonnenstraße steht die blühende „Chemische Fabrik.“

Von größter Wichtigkeit ist in mehrer Beziehung das Zustandekommen dieses Kanals, etwa auf dem Wege über Markranstädt Kötschau, Schladebach, Wölkau zur Saale. Auf einem Kanale sind bekanntlich Produkte fortzuschaffen, die dazu auf Eisenbahnen nicht wohl geeignet sind, z. B. Holz, Erde, Dünger, Steine, Kohlen, Mineralien aller Art, Salz, Getreide u. s. w.

Heine beschäftigt sich bereits mit der Verbindung der Pleißengewässer unweit des jedenfalls dicht dabei an der Connewitzer Chaussee anzulegenden Produktenbahnhofs der sächsisch-bairischen Eisenbahn mit den Gewässern der Elster. Schon werden von ihm in dieser Richtung Kanäle gezogen. Das dazu erforderliche Schimmel’sche Gut mit seinen Ländereien und Gewässern besitzt er, dem Vernehmen nach, bereits in Gemeinschaft mit einem Andern, und auf den neuerdings von ihm erworbenen Wiesen jenseits des Kuhstrangsabflußgraben hat er eine Kunststraße gegen Plagwitz geführt, zu deren Seite Kanäle eine schiffbare Verbindung zwischen Pleiße und Elster herstellen, und zugleich eine Entwässerung der sumpfigen und versauerten Wiesen zwischen diesen beiden Flüssen mit Hülfe eines unter dem Bette der Elster unterhalb des Hochzeitwehres in den Abzuggraben mündenden Kanals bewirken werden. Diese neue Kunststraße mit ihren breiten Durchlässen an der Seite der Kanäle wird, die Elster vor Plagwitz überschreitend, auf dessen großer Wiese ausmünden, woselbst die Elster-Saal-Kanalgewässer in einen weiten Behälter sich sammeln sollen. Umringt von schönen Wald- und Hügelparthieen, wird diese Wiese nebst den anstoßenden Grundstücken den schönsten Punkt in der nächsten Nähe von Leipzig zur Anlage von Landhäusern und Gärten, woran, es noch sehr fehlt, darbieten. Aus dem weiten Wasserbehälter wird ein anderer Kanal das Wasser der Elster und weiter die Elster-Saal-Kanalgewässer erforderlichen Falls in der Richtung des Rosenthal-Amelungwehres ablassen.

Durch die neue Straße, die wir, weil sie gerade auf die unter dem Namen Nonne bekannte Waldung zuführt, mit dem Namen „Nonnenstraße“ bezeichnen wollen, erhält Leipzig eine Fahrstraße aus der Stadt – dem Zeitzer und dem Frankfurter Thore mitten inne liegend – wodurch der Weg vom Leipziger Markt bis zur Höhe von Plagwitz und Kleinzschocher von einer Stunde bis auf eine halbe Stunde gekürzt, und ein Wiesenplan der städtischen Kultur erschlossen wird, wo seither nur – im Durchschnitt wenig Ertrag gebend – Mäuse die Erde kultivirten, Frösche und Unken im Wasser unter dem Schatten von Schilfpflanzen arbeiteten. – Der Elster-Saal-Kanal wird nach seiner Vollendung die Verhinderung der Elsterüberschwemmungen bei Leipzig, da die Saale bei seiner Ausmündung 33 Ellen tiefer liegt, sehr erleichtern, und wäre daher in das System der vorseienden Wasserregulirung der Elster-Pleißengewässer wohl mit aufzunehmen.

Von höchster Wahrscheinlichkeit ist es, daß durch die Fortsetzung des Kanals, in dem schon jetzt beim Beginnen Gänge und Nieren oolitischen bau- und schmelzwürdigen Eisensteins in der Grauwacke bloßgelegt worden sind, in der Fortsetzung devonischer Formation zwischen Plagwitz und Dürrenberg sehr werthvolle Metalle und Fossilien aufgeschlossen werden. Die Steinkohlenformation und selbst Steinkohle ist in den Bohrlöchern von Dürrenberg, freilich in sehr großer Tiefe, schon nachgewiesen. Es ist durchaus nicht zu kühn gehofft, daß sie in geringerer Tiefe in den höher gelegenenen Strecken der Kanalrichtungslinie vorkommen. Denn da die unterliegende devonische Formation bei Plagwitz zu Tage tritt und in der Richtung zur Saale streicht, so muß die Steinkohlenformation an irgend einem Punkte zwischen Plagwitz und der Saale der devonischen Formation überliegend, in viel geringerer Teufe als bei Dürrenberg getroffen und wohl auch Steinkohle aufgeschlossen werden können.

Was wir im Vorstehenden geschildert haben, ist das Werk, „Eines Leipziger Bürgers.“ Mit geringer Unterstützung von außen hat er bis jetzt geschafft und durch sein Schaffen hervorgerufen etwa 7 schöne breite Straßen mit mehr als 100 großen gesunden Häusern auf beiläufig 50 Ackern, früher tiefliegenden Wiesen, die mit 3 bis 4 Millionen Kubikellen Erdreich aufgefüllt wurden, Ausbaggerung und Schiffbarmachung der Elster eine halbe Stunde stromaufwärts von Leipzig bis in den Kanal, welcher dermaleinst die Elster mit der Saale verbinden und Leipzig eine Wasserstraße bis in die Elbe geben wird, von einer Tiefe, daß kleine Dampfboote sie befahren können, Eröffnung von über 100 weiteren Ackern sumpfiger Wiesen der städtischen Kultur, vermöge der jetzt stattfindenden Kanalisirung und Anlegung der Nonnenstraße bis nach Plagwitz. –

– Und noch viele Arbeit liegt vorhanden und ist Raum dazu da –!

Heine ist ein hochgewachsener, kräftiger und gesunder Mann von der angenehmsten Persönlichkeit, vom Morgen bis Abend thätig im Freien, alle Unternehmungen selbst überwachend und leitend. Seine Stimme schallt klar und gebietend! – Seine vielen Arbeiter verehren ihn, denn sie wissen, daß er der Arbeit Werth und Würde schätzt, und, seine höheren Ziele vor Augen, nie ängstlich und kleinlich rechnet, wohl aber mit Klugheit und Gewandtheit die Interessen zu verwalten und zu vertreten weiß, die eine ungewöhnliche Verkettung von Umständen in seine Hand gelegt hat und noch legen wird.