Ein Ring in einem Stückchen Brot

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Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Ein Ring in einem Stückchen Brot
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aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1915, Neunter Band, Seite 227–228
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Erscheinungsdatum: 1915
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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[227] Ein Ring in einem Stückchen Brot spielte bei einer fürstlichen Verlobung einst eine große Rolle. Im Jahre 1815 weilte Großfürst Nikolaus, der später als Nikolaus I. den russischen Thron bestieg, zu längerem Besuch am preußischen Hofe. König Friedrich Wilhelm III. hätte eine Verbindung seiner Tochter Charlotte mit dem Großfürsten recht gern gesehen, mochte aber die damals erst fünfzehnjährige Prinzessin in keiner Weise beeinflussen. Jedenfalls näherte sich der Besuch des Großfürsten seinem Ende, ohne daß dieser den Mut fand, sich der Prinzessin, die ebenso liebreizend wie klug war, zu erklären.

Bei der Abschiedstafel hatte man die beiden nebeneinander gesetzt. Der Großfürst, heute auffallend still, sagte dann plötzlich unvermittelt zu seiner Tischdame: „Ich reise morgen.“

Die Prinzessin entgegnete verbindlich: „Es wird uns allen herzlich leid tun, daß Sie uns verlassen. Kann Ihre Abreise nicht aufgeschoben werden?“

„Das hängt von Ihnen ab!“

„Und was hätte ich dabei zu tun?“

„Sie müssen meine Verehrung nicht zurückweisen.“

„Das ist alles?“

„Nein, Sie müßten mich auch ermutigen.“

„Das ist schon schwerer.“

[228] „Ach, Prinzessin, ich habe Ihre Neigungen, Ihren Charakter studiert, ich hoffe bestimmt, Sie glücklich zu machen.“

„An offener Tafel läßt sich dieser Gegenstand schwer besprechen.“

„Oh, es bedarf keiner Reden – nur ein Pfand Ihrer Neigung. Der kleine Ring an Ihrer Hand – sein Besitz würde mich glücklich machen. Geben Sie mir denselben.“

„Hier vor aller Augen?“

„Drücken Sie den Ring in ein Stückchen Brot und legen Sie ihn neben Ihren Teller, ich nehme den Talisman dann an mich.“

„Es wird nicht gehen.“

„Versuchen Sie es trotzdem – ich bitte Sie sehr!“

Die Prinzessin kam lächelnd seiner Bitte nach. Der Großfürst nahm den schmalen Reif an sich und am nächsten Tage wurde die Verlobung veröffentlicht.

W. K.