Ein Seitenstück zu „Rothschild’s Jagd“

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Textdaten
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Autor: M. K.
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Titel: Ein Seitenstück zu „Rothschild’s Jagd“
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[96] Ein Seitenstück zu „Rothschild’s Jagd“. Fast die gesammte Presse des cultivirten Europas schenkte der großen Jagd, welche der französische Börsenkönig seinem Kaiser veranstaltete, eine außergewöhnliche Aufmerksamkeit. Die französischen Journale wußten nicht genug Worte zu finden für die Pracht, welche Rothschild bei dieser Gelegenheit entfaltete, und für die Leutseligkeit, mit welcher ihm ihr Kaiser begegnete. Die englischen Blätter ergossen sich in beißendem Witz, und die deutschen belächelten und bespöttelten – den gastfreien Juden. Gerade der deutschen Presse, gerade die reactionären Blätter der preußischen Metropole fehlt alles Recht, solche zur Ehre des Regenten gegebene Feste für ihre Zwecke zu benutzen, gerade sie sollten auf die Geschichte ihres Königshauses zurückblicken, dann würden sie finden, daß die preußischen Könige, die alten Stammhalter des preußischen Regentenhauses, es nicht verschmähten, sich von ihrem Juden fètieren zu lassen. Freilich ist noch ein himmelweiter Unterschied zwischen der Rothschild’schen „Jagd“ und den Fèten der Berliner Juden. Rothschild lud Napoleon freiwillig zum Jagen ein; die preußischen Könige meldeten sich ungebeten bei ihren Juden und nöthigten dieselben zu einem Aufwand, den sie sonst wohl füglich hätten bleiben lassen.

Das Fest, welches wir als Seitenstück zur Rothschild’schen „Jagd“, unseren Lesern vorführen wollen, versetzt uns in die preußische Hauptstadt und in das letzte Lebensjahr des zweiten preußischen Königs, Friedrich Wilhelm I. Er war bekanntlich nicht nur ein ausgemachter Gegner alles Aufwandes, sondern sogar von einer Sparsamkeit besessen, die oft an’s Unglaubliche grenzte, wie sich das namentlich aus seiner Korrespondenz mit seinem „ungerathenen“ Sohne, dem großen Friedrich, deutlich ergiebt. Freigebig war er nur, sobald es sein Heer betraf – um dieses so glänzend wie möglich aufmarschiren zu lassen, scheuete er die größten Summen nicht und war ihm keinerlei Steuer zu hoch – wenn es darauf ankam, gekrönten Häuptern zu imponiren. Um sich und seinem Hofe eine Kurzweil zu verschaffen, wurde die Berliner Judenschaft in Contribution gesetzt: auf besonderen Befehl mußte in dem in der Spandauer Straße gelegenen Hause des bekannten Juweliers und Münzmeisters Veitel Ephraim am 7. Januar 1740 ein großes Fest stattfinden. Kommt der bei dieser Gelegenheit „auf höchsten Befehl“ entfaltete Luxus dem der Rothschild’schen Jagd auch nicht gleich, so müssen die Verhältnisse und Persönlichkeiten, der hohe Gast und der einäugige Gastgeber in Betracht gezogen werden. Soviel ist gewiß, Ephraim hatte Alles prächtig arrangirt. Das Haus war zu beiden Seiten mit kostbaren Teppichen behangen und das Innere desselben gleichsam in einen türkischen Bazar verwandelt. In dem einen Zimmer hatten verschiedene jüdische Kaufleute allerhand Brabanter Spitzelt feil, in einem andern waren Galanteriewaaren ausgelegt; dem gegenüber befand sich ein Saal mit reichen französischen Stoffen. In einem vierten Zimmer hatte der Juwelier selbst mit Juwelen seinen Stand. Von da trat man in zwei Säle, von denen der eine mit reichgestickten Kleidern, der andere mit feinen und seltenen Schildereien aus Italien und Holland ausgeputzt war. Vom Eingang des Hauses bis zum Ende des großen Hofes waren die Fußböden mit prächtigen Brabanter Tapeten belegt, die Wände mit Orangerien bekleidet und mit vielen hundert Lampen und Lichtern illuminirt. Auf dem Hofe zur rechten Hand waren die Zimmer zur „unterthänigsten“ Aufwartung für die königlichen Herrschaften kostbar meublirt. Nachmittags gegen 3½ Uhr gelangte die königliche Familie in Begleitung der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Herrschaften und vieler Standespersonen vor Ephraim’s Haus, an dessen Eingänge sie von dem „riesenhaften“ Juden und seinen galanten Söhnen empfangen wurden. Nachdem sie einige Erfrischungen angenommen hatten, schritten sie zur Besichtigung der für sie ausgelegten Kostbarkeiten und geruhten einige als Geschenk huldvoll entgegen zu nehmen, andere durch Kauf an sich zu bringen. Sodann wohnten die hohen Herrschaften einer Festlichkeit bei, welche von Ephraim „auf besondern Befehl“ seiner Gäste mit dem königlichen Besuche in Verbindung gebracht worden. Es war die eheliche Verbindung eines von dem reichen Ephraim erzogenen jüdischen Waisenpaares. Die Trauung fand nach damaligem Gebrauch auf freiem Hofe unter einem mit Silber und Gold gewirkten Trauhimmel statt. Nach beendeter Feier begann der Tanz der jungen Leute, dem die „höchste Gesellschaft“ noch einige Zeit zuschauten und sich dann nach Hofe zurück begaben.

Dieses Fest wurde von der königlichen Familie gewiß schneller vergessen, als die Jagdlust des Königs von den Juden. Friedrich Wilhelm war ein besonderer Freund der Sauhetze. Im Jahr 1729 wurden allein in der Mark und in Pommern 3602 wilde Schweine erlegt. Bei seinem Geize wollte er seine Beute auch versilbern und kam daher auf den originellen Einfall, der Judenschaft eine große Menge wilder Schweine zuzutheilen. Da er wußte, daß die Juden ihrem Religionsgesetze zufolge sich des Genusses des Schweinefleisches enthielten. so verordnete er zugleich, nach erfolgter Zahlung das Wild an die Armenhäuser und das große Hospital zu schicken.

M. K.