Ein unheimlicher Handelsartikel

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Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: Ein unheimlicher Handelsartikel
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aus: Bibliothek für Alle. Illustrierte Monatsbände für Jung und Alt, 4. Jahrgang, Sechster Band, Seite 173–174
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Erscheinungsdatum: 1912
Verlag: Verlag der Bibliothek für Alle
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Erscheinungsort: Dresden
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[173] Ein unheimlicher Handelsartikel.

Der englische Reisende Thomas Hopkins, der 1908 mit einer aus eigenen Mitteln ausgerüsteten Expedition in das Innere der Insel Borneo eingedrungen war, hauptsächlich um über die Sitten und Gebräuche der als Kopfjäger berüchtigten Dajaks endlich einmal Sicheres zu erfahren, hat über die Kopfjagden jenes barbarischen Stammes recht wertvolle neue Aufschlüsse geben können. Trotzdem die holländische Kolonialregierung die „Kopfschneller“ (Koppensnellers) mit den härtesten Strafen bedroht, hat sie mit dieser Unsitte doch nicht ganz aufzuräumen vermocht. Bei den Dajaks wird auch heute noch nur derjenige Jüngling für heiratsfähig erklärt und in die Versammlung der Männer aufgenommen, der das Haupt eines Feindes den Stammältesten aufzeigen kann. So stolzieren in dem Gebiet Grobo junge Leute mit einem Schädel, der sie heiratsfähig macht, am Gürtel umher, und ebenso muß ein Bewerber um die Häuptlingswürde dort recht viele Köpfe von erschlagenen Gegnern aufweisen können, um Aussicht auf die ersehnte Beförderung zu haben. Da nun aber jeder Fall von Kopfjägerei mit den härtesten Strafen bedroht ist, so sind die Dajaks auf einen Ausweg gekommen, der sich in letzter Zeit zu einem zwar ganz im geheimen betriebenen, aber desto schwunghafteren Handel ausgebildet hat. Ein persischer Händler – die Perser sind ja überhaupt sehr gerissene Kaufleute – begann zuerst von ärmeren Dajaks die zumeist geräucherten, bemalten und mit künstlichen Augen aus bunten Steinen versehenen Köpfe unter der Hand aufzukaufen und sie dann wieder an zahlungsfähige Kauflustige weiter zu veräußern. Er machte damit sehr gute Geschäfte und fand schnell rührige Nachahmer. Jetzt soll es auf Borneo eine ganze Menge dieser „Kopfhändler“ geben, durch deren Spekulationssinn allerdings die Erlangung der Mannes- und Häuptlingswürde zu einem ungefährlichen Geschäft geworden ist. Der begüterte Dajak hat es nicht mehr nötig, persönlich als Koppensneller seine Haut zu Markte zu tragen. Für einen hohen Preis liefert ihm der Kaufmann die wertvolle Trophäe wie jede andere Ware.

[174] Aber auch in Europa hat man zu verschiedenen Zeiten mit Menschenköpfen gehandelt. Als die Hunnen Mitteleuropa überschwemmten, brachten ihre Priester einbalsamierte Köpfe mit, denen sie die Gabe der Weissagung zuschrieben. Viele deutsche Fürsten und auch römische Würdenträger sollen fabelhafte Summen für diese weissagenden Menschenhäupter bezahlt haben. Ebenso bildeten aus menschlichen Schädeldecken hergestellte Trinkgeschirre bei den alten Germanen einen gut gehenden Handelsartikel, da man einem Trank aus einem solchen Gefäß besondere Wirkungen zuschrieb. Auch die Neuzeit kennt Fälle, wo Menschenköpfe in großen Mengen feilgeboten wurden. Als als September 1683 die Türken vor Wien besiegt und nach dieser empfindlichen Niederlage für immer aus deutschen Gebieten vertrieben worden waren, brachten österreichische Kaufleute, die mit dem allgemeinen, wütenden Hasse gegen die Türken rechneten, getrocknete Türkenköpfe zur Leipziger Messe mit und machten glänzende Geschäfte in diesem schaurigen Artikel. Die Köpfe waren auf die verschiedenartigste Weise präpariert, meist geräuchert und die Augen durch Glasstücke ersetzt. Am besten bezahlt wurden diejenigen, die noch langes Haar und Hiebnarben im Gesicht hatten. Dafür wurden 8 Taler und mehr bezahlt. Viele dieser Türkenköpfe gingen auch nach England, wo sie rasch Abnehmer fanden. Noch heute kann man bei Raritätensammlern bisweilen diese Türkenköpfe antreffen. So wurde einmal bei einer Auktion in Berlin für ein sehr gut erhaltenes Exemplar der Preis bis auf 500 Mark hinaufgetrieben.

W. K.