Eine Schleichhändlergeschichte

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Titel: Eine Schleichhändlergeschichte
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aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 261–262
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[261] Eine Schleichhändlergeschichte. Die nachfolgenden Mittheilungen geben ein Blld von dem Leben der Mexikanischen „Contrabandistas“ oder Schleichhändler, deren Zahl dort sehr bedeutend ist.

In dem niedrigen und nur aus zwei Gemächern bestehenden Rancho des Contrabandistas Antonio Pulf war lustige Zeit. Eine große Tafel nahm den größten Theil des Gemachs ein und an dieser saßen mehr als ein Dutzend schwarzbraune Abenteurer in der ungezwungensten Stellung und mit verschiedenen Graden von Lustigkeit in den rauhen Gesichtern. Die Tafel war reichlich mit Gefäßen von Aguardiente und Pulque, mit Fleischtellern und Tortillakuchen besetzt; letztere kamen heiß aus der Backpfanne und die anderen Gerichte waren, wie sich von selbst versteht, tüchtig mit Chilepfeffer gewürzt. Es war gerade große Festlichkeit; die Bande hatte schon lange Zeit der Regierung zum Trotz und Hohn ihr ungesetzliches Gewerbe getrieben und eben ein ungewöhnlich großartiges Geschäft gemacht. Die Waaren waren fast unmittelbar nach der Ankunft des Schleichhändler-Schiffes abgesetzt worden, die Schleichhändler hatten das Geld und einen großen Vorrath von einheimischem Branntwein erhalten und waren jetzt zusammengekommen, um die Früchte ihres glücklichen Unternehmens zu genießen.

Das Gemach, in welchem diese Leute sich versammelt hatten, war groß, aber bis zur Unbequemlichkeit mit Tauwerk und Spieren von Küstenfahrzeugen, Fäßchen, Tonnen, Kisten und Ballen angefüllt, welche die Schleichhändler hier theils als verborgene, theils als erklärte Vorräthe bewahrten. Auf einigen zerbrochenen Gestellen standen mehrere große Packtuchsäcke von zweifelhaftem Ansehn, die nur zum Theil mit darüber geworfenen Netzen und Segelüberresten bedeckt waren. Auf der einen Seite des Gemaches stand eine ungeheuere Kiste, unter deren halbgeöffnetem Deckel die Spitze eines Säbels und ein Flintenlauf hervorschauten; sie enthielt außer Waffen verschiedene Kleidungsstücke, drei bis vier Bootshaken, eine gleiche Anzahl von Taurollen und einige schwärzliche Laternen, die selten benutzt wurden. An der Mauer des Gebäudes standen einige Fäßer, die bei gegenwärtiger Gelegenheit als Seitentische dienten, obgleich ihr verdächtiges Ansehn auf den unter den vernagelten Deckeln verborgenen Inhalt schließen ließ. In den Winkeln waren Kisten und Ballen aufgehäuft und selbst der Raum unter dem großen Tische, an welchem die Eigenthümer saßen, war damit angefüllt, denn das Geschäft ging sehr schwunghaft und es waren gewöhnlich bedeutende Waarenvorräthe vorhanden. Das Hinterzimmer war nur eine Wiederholung des anderen, aber noch gedrängter mit ähnlichen Gegenständen angefüllt.

Die Fröhlichkeit der festlichen Versammlung hatte eben ihren Höhepunkt erreicht und der Capitaz Pulf, ein stämmiger großer dunkelfarbiger Mann mit haarigem Gesicht, erhob eben einen vollen Becher zum Munde, um auf den glücklichen Erfolg ihrer Unternehmungen zu trinken, als eilig ein junger Contrabandista in das Gemach trat und die Nachricht brachte, daß die Zollbeamten in geringer Entfernung unten an der Küste wären und mehrere Oxhofte, [262] welche die Schleichhändler zufällig dort zurücklassen hatten, in Beschlag genommen hätten.

Statt Bestürzung hervorzubringen, wurde diese Nachricht von der Bande mit dem lautesten Gelächter aufgenommen und nachdem jeder der Versammelten noch einen Becher Aguardiente hinunter gestürzt hatte, verließ die ganze Gesellschaft das Rancho, bei Petrus und Paulus schwörend, die naseweisen Beamten in ihre Tonnen zu stopfen, in ihre Behausung zu bringen, sie zu kochen und als passendes Schlußgericht der Festlichkeit des Tages zu verspeisen. Sie wußten recht wohl, daß die Zollhausbeamten weder hier noch anderwärts in hinreichender Anzahl vorhanden waren, um einer entschlossenen Bande von Contrabandistas mehr als einen scheinbaren Widerstand zu leisten.

Sie zogen sogleich nach der Küste und die wenigen Zollhausleute setzten sich eiligst in Bereitschaft, ihren Anspruch auf die von ihnen confiscirten Oxhofte zu vertheidigen. Es war eine Mondscheinnacht; bald widerhallte das Ufer von lautem Geschrei und das glänzende Mondlicht beleuchtete erhobene Waffen und erbitterte Kämpfende. Aber das Scharmützel war nur von kurzer Dauer; die Zollbeamten standen einer bedeutenden Uebermacht gegenüber, sie gehörten überdies auch nicht zu den tapfersten Leuten und ergriffen nach dem ersten Anlaufe die Flucht. Die Schleichhändler verfolgten sie eifrig und würden sie jedenfalls erreicht und gefangen genommen haben, wären sie nicht in Folge ihres Gelages etwas unsicher auf den Füßen gewesen. Sie machten unter solchen Umständen nur einen Gefangenen, der im Kampfe leicht verwundet worden war und diesen trieben sie, als sie nach ihrem Rancho zurückkehrten, ziemlich unsanft vor sich her.

Der arme Beamte wurde mitten unter die Flaschen, Becher und Teller auf den Tisch gesetzt und man hielt hierauf eine trunkene Berathung über die Strafe, welche dem Gefangenen zuerkannt werden sollte.

„Hängt ihn sogleich an einen der Balken!“ rief ein Kerl von rohem Ansehn, mit einem dicken dicht behaarten Halse und einem rothen Tuche über den Augen.

„Setzt ihn in ein Faß Spiritus und laßt es uns anzünden,“ rief ein anderer mit schlauem Blicke und einem Anfluge von Humor.

„Hängt ihn an den Beinen auf und bespritzt sein Gesicht mit Vitriol, bis wir sehen, wie er sich ausnimmt,“ fügte wohlwollend ein viertes Mitglied der Gesellschaft hinzu.

Sie waren im Begriffe, den Gefangenen vom Tische zu ziehen und eine der vorgeschlagenen Strafen in Ausführung zu bringen, als der Capitaz Antonio Pulf sich einmischte und seinen Gefährten mit lauter Stimme zurief, daß sie dem Schufte die Wahl lassen wollten, sich der Bande ohne Weiteres anzuschließen, oder durch eines der erwähnten Mittel den Tod zu erleiden.

Der arme Gefangene ergriff eifrig die ihm gebotene Gelegenheit sein Leben zu retten und besann sich keinen Augenblick, den Vorschlag des Anführers anzunehmen, der unter diesen Umständen der günstigste war. Hierauf umringten ihn die Schleichhändler und führten ihn vor Pulf, der auf dem einzigen im Gemache befindlichen Stuhle saß; der Anführer bestieg diesen und hielt von dieser Erhöhung aus folgende eindrucksvolle Anrede an seinen neu aufgenommenen Anhänger.

„Ave Maria, Du, der Du Dich Martin [Balto] nennst, gewesener Beamter im Dienste unserer thörigen grausamen Regierung, bist jetzt Mitglied unseres Bundes geworden. Du bist verpflichtet, seinen Gesetzen zu gehorchen, seine Befehle zu vollziehen, seine Interessen zu vertheidigen und seine Geheimnisse zu bewahren. Du wirst Dich bei Tag und bei Nacht, zu Wasser und zu Lande, in der Ferne und in der Nähe jederzeit dieser Verpflichtung erinnern und uns treulich dienen oder mit Deinem Leben dafür verantwortlich gemacht werden. Solltest Du Dich als treulos bewähren, so wird unsere Rache Dich überall erreichen, wo Du es am wenigsten erwarten wirst; unsere Sendlinge werden immer in Deiner Nähe sein, ohne daß Du es vermuthest; keine Entfernung wird unsere Aufsicht schwächen und keine Macht der Erde wird Dich vor unserer Vergeltung schützen. Dienest Du uns dagegen treu und eifrig, so werden wir Dich vertheidigen und unterstützen und Dir den Antheil an der Beute gönnen, der Dir gebührt. Im Namen unserer heiligen Jungfrau von Guadaloupe – willst Du diese Vorschläge annehmen?“

„Im Namen der heiligen Jungfrau, ich nehme sie an!“ antwortete ohne Bedenken der neu geschaffene Contrabandista.

Es genüge zur Bemerkung, daß der ehemalige Zollbeamte Martin Valio ein schätzbares Mitglied der Schleichhändler-Bande wurde und daß er in diesem Augenblicke an der Stelle seiner Hoheit des Antonio Pulf, der kürzlich an seinen alten Wunden und einem allzu übermäßigen Genuße von Aguardiente gestorben ist, die Bande als glücklicher Häuptling befehligt.