Eine Thüringer Bauernfrau

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Titel: Eine Thüringer Bauernfrau
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 291
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[277]

Thüringer Bauernfrau.
Nach dem Oelgemälde von Prof. Anton Weber.

[291] Eine Thüringer Bauernfrau. (Mit Illustration S. 277.) Daß die auf dem heutigen Titelbilde dargestellte alte Frau aus Thüringen und zwar aus dem thüringischen Flachlande stammt, das bezeugt die charakteristische Bändermütze, die, das Haar gänzlich verhüllend, auf ihrem Haupte sitzt, wie nicht minder der ebenso charakteristische Frauenmantel. In diesem Mantel, denn das ist hauptsächlich seine Bestimmung, hat die gute Alte nach der Reihe gewiß alle ihre Kinder, und es waren deren nicht wenige, getragen und groß gezogen, bis sie auf ihren eigenen Füßen zu stehen vermochten, wenn der kattunene Ueberzug auch inzwischen ein paar Mal erneuert wurde. Nun sind sie zum Theil schon wieder selbständig geworden. Die älteste Tochter, die Gretliese, hat schon vor mehreren Jahren in das Nachbardorf geheirathet, und nun hat eines Sonntags nach der Nachmittagskirche sich die alte Großmutter aufgemacht, die Enkelkinder zu besuchen. Sie darf dabei nicht mit leeren Händen kommen. Die Flasche Milch und der locker gebackene Striezelkuchen werden den kleinen Wildfängen sicher gut munden. Die anderthalb Wegstunden sind aber für die alten Füße zu viel auf einmal.

So hat sie unterwegs sich auf einem blumigen Feldraine zur Rast niedergesetzt, den schweren Henkelkorb bei Seite gestellt und den Griff des rothen Regenschirms mit beiden Händen gefaßt zur Stütze des von der Last des Alters gekrümmten Leibes. Es mögen auf der kurzen Raststation der guten Alten gar mancherlei Gedanken durch den Kopf gehn, Erinnerungen an die nun längst dahingeschwundenen Jahre der Jugend, da sie, eine frische muntere Dirne, denselben Weg zog hinüber in das Nachbardorf zum Kirchweihtanze und trotz der durchtanzten Nacht am frühen Morgen noch frisch und lustig den Heimweg antrat am Arme des strammen Burschen der nicht ohne Kampf und Hindernisse ihr treuer Lebensgefährte geworden war. Sie hatte ihn überlebt; drei Jahre deckte ihn nun schon die Erde. Der älteste Sohn hatte das Gut übernommen und sie lebte als Auszüglerin auf dem Hofe. Sie würde wohl ganz still und einsam gelebt haben, wenn sie nicht oft die Kinder der Tochter hätte besuchen können; denn diese sorgten mit ihrem muntern sorglosen Wesen schon dafür, daß es ihr nicht an Freude und Abwechslung gebrach. Wie fröhlich wird sie von ihnen empfangen werden, wie werden sie sich an ihren Mantel hängen den den Korb neugierig durchstöberen! „Großmutter, hast was mitdebringt?“ wird das Mädchen rufen. Und nun jetzt flugs ans Auspacken. Ja, das Alter hat auch noch seine Freuden!