Eine Thierversteigerung in Antwerpen

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Autor: Alfred Brehm
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Titel: Eine Thierversteigerung in Antwerpen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 167–169
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[167]
Eine Thierversteigerung in Antwerpen.
Von Brehm.


Alljährlich, gegen den Herbst hin, läuft bei den Directoren aller Thiergärten Europas, bei Thierhändlern und Liebhabern, welche sich einmal in ihrem Leben als kauflustig und zahlungsfähig erwiesen haben, ein bereits seit geraumer Zeit erwartetes Schriftstück unter Kreuzband ein. Es wird von jedem Empfänger vorerst zur Hand genommen, sorgfältig geprüft und, je nach Sachlage, mit Befriedigung oder Gleichmuth, auch wohl Enttäuschung aus der Hand gelegt. Und doch enthält es nichts weiter, als die Angabe eines bestimmten Dienstags und des darauf folgenden Mittwochs, sowie verschiedener Thiernamen in französischer Sprache oder wissenschaftlicher Benennung, wobei es auf eine gänzliche Nichtachtung neuzeitlicher Ergebnisse der Wissenschaft selber eben nicht ankommt. Gedachtes Schreiben besagt, daß sich Herr Vekemans, Director der königlichen zoologischen Gesellschaft und desgleichen Gartens zu Antwerpen, die Ehre giebt, Alle, die es angeht, zu dem großen Thierverkauf einzuladen, welcher öffentlich stattfinden soll in den Tagen so und so viel des Monats September, gegen baare Bezahlung.

London und Hamburg, Bordeaux und Marseille sind, auch in gegebener Reihenfolge, die Stapelplätze, Antwerpen ist die Börse des europäischen Thierhandels. Jamrach in London und sein würdiger, von den Deutschen mit Recht bevorzugter Nebenbuhler Hagenbeck in Hamburg, Reiche in Alfeld, Poisson in Bordeaux sind die Großhändler in diesem Geschäftszweige; Vekemans ist Groß- und Kleinhändler, Liebhaber und Züchter, Makler, Beherrscher des Marktes, Bestimmer des Preises einzelner Thiere für das laufende Jahr etc. in einer Person. Vekemans gilt als der tüchtigste Leiter aller Thiergärten Belgiens, in gewisser Hinsicht als einer der erfahrensten Thierkundigen der Erde. Er ist gastfrei wie ein Araber und gewinnsüchtig wie ein armer Handelsmann, macht das ehrlichste Gesicht von der Welt und versichert Jeden, welcher es hören will, daß Einer, der Thiere von ihm zu kaufen beabsichtigt, seine Augen vor allen Dingen auch zum Sehen verwenden möge; er ist, um es mit einem Worte zu sagen, in seinem Thiergarten der rücksichtsloseste, selbstsüchtigste Geschäftsmann, in seinem Hause der rücksichtsvollste, aufopferndste Wirth unter der Sonne. Das weiß Jeder, darum schilt auch Jeder auf ihn, und muß ihm Jeder trotzdem Achtung zollen. Was aber vor Allem zu bedenken: Keiner, welcher seine Thiersammlung zu einer möglichen Vollzähligkeit bringen will, kann ihn entbehren! Vekemans besitzt Verbindungen und Hülfsmittel, von denen Andere gar keine Ahnung haben, macht kaltblütig Geschäfte, vor denen Andere zurückschrecken, erzielt Erfolge und Gewinne, erträgt Mißerfolge und erleidet Verluste, ohne einen Muskel seines ehernen Gesichtes zu verziehen. Und doch ist dieser Mann, dessen Herz kein weibliches Wesen zu rühren vermochte, welcher jeder Leidenschaft entsagt zu haben scheint, ein leidenschaftlicher Liebhaber, ein Spielball aller Furien der Eifersucht, wenn er ein geliebtes Wesen, nach welchem seine Seele strebt, in eines Anderen Besitz weiß, wenn es gilt, solch geliebtes Wesen – eine Antilope, einen Fasanen! – jenem Anderen abspenstig und sich zu eigen zu machen. Die Thiergärtnerei dankt diesem Manne unendlich viel, mittelbar also auch die Wissenschaft; er muß als eine Größe in seiner Art angesehen werden. Während der in Rede stehenden Tage bildet er den Mittelpunkt aller Thierzüchter Europas, den Fixstern, um welchen die leuchtenden und im geborgten Lichte dämmernden Gestirne der Thierliebhaberei in sicheren oder noch schwankenden Bahnen kreisen.

Am Morgen des betreffenden Dienstags pflegt er bei Ankunft des Brüsseler Schnellzuges auf dem Bahnhofe zu sein, um die Gäste zu bewillkommnen. Wer ihn kennt, sieht, wie das Auge sich lichtet, wenn ein Bekannter nach dem andern dem Zuge entsteigt, oder bemerkt, wie der Blick finsterer wird, wenn er zu einem Ankommenden bemerkt, daß keine Liebhaber eingetroffen. „Liebhaber“, sind sie heute Alle: Milne-Edwards, der Vorsteher des Pariser Pflanzengartens, wie Jamrach, der Thiergroßhändler; Liebhaber gelten mehr als die Leute von Fach, weil sie weniger rechnen und flotter bieten als diese. Uebrigens dürfen die Worte „keine Liebhaber“ auch durchaus nicht wörtlich genommen werden. Im Thiergarten Antwerpens geben sich während der Versteigerung die Directoren der verschiedenen Gärten Europas, die namhafteren Händler und mindestens die belgischen, holländischen und französischen Liebhaber ein Stelldichein – und darin liegt die Bedeutung dieser Tage.

Sie sind sämmtlich hier, fast Alle wenigstens. Jener kleine freundliche Herr, welchen Alle mit sichtlicher Hochachtung begrüßen, Alle umringen, Alle mit Wünschen und Bitten angehen, ist der Nestor der Thiergärtner, Westermann aus Amsterdam, ein Mann, welcher in Zweifel läßt, ob er kenntnißreicher oder liebenswürdiger ist, welcher als Freund gilt Allen, die ihn kennen, und wie ein Vater verehrt wird von den Jüngeren, welcher schon Jedem mindestens einmal einen großen Dienst erzeigte, welcher, uneigennützig wie kein Anderer, nur das Ganze im Auge, den Fortschritt der Wissenschaft im Sinne behält, welchem Amsterdam den noch immer unbestrittenen Ruhm dankt, durch ihn den ersten Thiergarten des Festlandes erhalten zu haben und zu besitzen. Jener ihm in vieler Hinsicht ähnliche Mann ist Bartlett, Superintendent der „zoological gardens“ zu London, ein tüchtiger Thierkundiger und achtungswerther Berufsgenosse, der kleine dicke Herr mit den etwas matten Augen und dem unvermeidlichen Bandröschen im Knopfloche Milne-Edwards, eine Größe der Wissenschaft, nicht aber der Thiergärtnerei, der jüngere Mann, mit welchem er eben spricht, A. Geoffroy St. Hilaire, Vorsteher des Acclimatisationsgarten im Bois de Boulogne bei Paris – in meinen Augen der Westermann der Franzosen, ein in jeder Hinsicht trefflicher Mensch, Jener dort –

„Ah, theuerster Chinese, willkommen in Antwerpen!“

[168] „Danke bestens, lieber Brehm, sollen wir Holländer denn ewig Chinesen bleiben in Ihren Augen?“

„Ja, van Bemmelen, das seid und bleibt Ihr, die Chinesen Europas; aber Ihr wißt ja wie ich Euch, und insbesondere auch Sie schätze und liebe,“ –

es ist der Director des Dierentuin“ in Rotterdam, der würdige Nachfolger des alten Martin, Monsieur Martin, seiner Zeit berühmter Thierbändiger, später Gründer des besagten Thiergartens, jetzt ausruhend auf seinen Lorbeeren, zurückgezogen von einem hübschen Vermögen lebend, welches er sich erworben im Laufe der Jahre, – nicht immer leicht, vielmehr oft recht schwierig, mit seinem eigenen Blute sogar, wie die von seinen Gegnern, Tigern und Löwen, zerfetzten Glieder, sichtlich erweisen. Jetzt widmet er sich einzig und allein der Erziehung seiner Kinder, an welcher er nichts fehlen läßt von all’ dem, was er sich niemals anzueignen vermochte, und klagt über den Verfall der Thiergarten; „denn eigentlich,“ meint er, „werden doch nur in London und Amsterdam die Thiere gepflegt“ – Raubthiere natürlich, denen gegenüber alle übrigen kaum der Erwähnung werth. In seinen Augen gelten sie wenig, die Herren Collegen; nur in „dem Bodinus“ sieht auch er den hervorragendsten aller deutschen Thiergärtner und kann sich gar nicht genug darüber wundern, daß es Berlin gelungen den Kölnern solchen Mann zu entfremden; auch zu Schöpff, dem Inspector des Dresdener Thiergartens, hat er Vertrauen: – „sehr gutes Raubthierhaus das in Dresden, Löwen, fast so schön wie meine waren,“ bemerkt er mit sichtlicher Befriedigung.

Ja, sie sind alle hier, die Würdigen: Funck aus Brüssel, jetzt Köln, Dr. Hammelrath, Funck’s vielversprechender Nachfolger, Roberti de Grady aus Lüttich, Dr. Maitland aus ’sGravenhaage (Haagh), Desmeurs aus Florenz; nur die Thiergärten Hamburgs, Frankfurts, Hannovers und Breslaus haben ihre Vertreter nicht gesandt. Sie sind alle hier, auch die Unwürdigen: Dytgard aus Gent, früher Advocat, jetzt kenntniß- und bedeutungsloser Director des verkommenen und mehr und mehr verkommenden Thiergartens, nebenbei und hauptsächlich aber Zuckerfabrikant; sie sind hier, die Händler: Jamrach, Hagenbeck, Reiche, Poisson, Southerland und Sohn aus Rotterdam, Bocquet aus Paris und Andere; auch sie sind gekommen, die Liebhaber: Grafen Beauford, Reneß, Baron Cornely de St. Gerlach – in früheren Jahren der Vergnügungsmeister und guter Abnehmer von allerlei brauchbaren und unbrauchbaren Thieren, jetzt, nachdem er verheirathet, ein sehr solider Mann, Touché, le Prêtre und wie sie sonst heißen; – Vekemans mustert nicht ohne Befriedigung die bunte Gesellschaft, hält auch die Händler durch vernichtend strenge Blicke gebührend im Zaume.

„Haben Sie meine Vögel schon gesehen, Mijnheer Brehm?“ fragen Southerland und Sohn fast flüsternd und scheu um sich schauend; „wir haben drüben im Pelekan eine große, sehr schöne Sammlung, mehr als hundert ‚vreemde Vogelsoorten‘ – aber still, Vekemans sieht uns zusammen sprechen!“

„Ja, warum denn nicht, verehrter Southerland und Sohn?“

„Nein, nein, der Mann duldet nicht, daß auch Andere Geschäfte machen; ich will langsam vorausgehen; kommen Sie nach, lauter ‚zonderlinge Vogels‘ und alle in ‚kleuren‘ (Farbe),“ schließt Southerland, Vater.

Die Reihen lichten sich bedenklich; Einer nach dem Anderen schleicht hinüber nach dem Pelekan, um die „mengelingen Vogelsoorten“ anzusehen, bezüglich ein und das andere Stück zu kaufen.

„Ich muß auch hinüber; lieber Bodinus, falls etwas Gutes kommt, sei so freundlich, es zu kaufen.“

„Geh’ ohne Sorgen; erst kommen hier immer die gemeinen Vögel zur Versteigerung; Du hast Zeit genug.“

Vekemans erkennt die Verschwörung, besteigt seinen gewöhnlichen Sitz auf dem Musiktempel, vor welchem, zumeist im Schatten, eine lange Tafel aufgestellt worden, und giebt dem schwarzen Thürsteher des Gartens, welcher mit dem Ernste eines Pavians hinter seinem Stuhle steht, bedeutsam und würdig einen Wink. Ein breiter Pflanzerhut beschattet sein ausdrucksvolles Gesicht – für alle Kundigen das untrügliche Zeichen, daß die Versteigerung beginnen wird; auch van der Stappen, der königliche Notar und Steigerer, der Secretär des Gartens und die nöthigen Schreiber haben sich bereits eingefunden. Der Schwarze rührt die Klingel, um die im Garten Zerstreuten zusammenzurufen; einige Dutzend unreife Jungen nehmen eiligst auf den vordersten Mühlen zu beiden Seiten der Tafel Platz. Herr Agthe, ein deutscher Uhrmacher, Freund des Gewaltigen und heimlicher Mithelfer beim Bieten, sichert sich einen Sitz den Versteigerers gegenüber; die noch übrigen Plätze werden nach und nach eingenommen von Namenlosen, deren Wünsche in Erlangung eines Jako oder eines Pärchens Prachtfinken gipfeln. Vom „Museum“ her schleppen mehrere Wärter Käfige mit Hühnern, Tauben, ausländischen Finken und dergleichen herbei, zwischen welche Papageien, Pfefferfresser und andere Prachtvögel, Mähnenäffchen, überhaupt seltene Thiere, als Schaustücke und Lockvögel gestellt werden, in der Absicht den Kreis der „amateurs“ zu dichten und zusammenzuhalten.

Ein Pärchen Paradieswittwen, das Männchen im vollsten Schmuck seiner lang herabhängenden Schwanzfedern wird zuerst ausgeboten, vorher aber allmänniglich so nah, als eben erwünscht vor das Gesicht gehalten, indem der Beauftragte auf der einen Seite der langem Tafel hinauf, auf der anderen Seite zurückgeht.

„Meine Damen und Herren,“ sagt van der Etappen, ohne sein schlaffes, aber gutmüthiges Gesicht zu verändern, „ein Paar seltene Vögel aus Afrika, treffliche Sänger, leichte zu erhalten, brüten auch in Gefangenschaft; eingesetzt zu zwanzig Franken, fünfzehn, – zehn, – fünf Franken.

„Marchand!“ ruft Agthe.

Und nun wird auf diese Vögel, welche in der That ihre sechs bis zehn Franken werth sind, mit einem Eifer geboten, als gäbe es nur dieses eine Paar in der Welt.

Es folgen in bunter Reihe Haushühner, Finken, Wildtäubchen, Papageien, Haustauben und dergleichen, ohne daß vorher zu ahnen, wann diese, wann jene Art ausgewählt wird. Nur das Eine erfährt bald Jeder, daß ein erzielter hoher Preis unabänderlich sofortiges Ausbieten anderer Stücke derselben Art zur Folge hat. Denn Vekemans will nicht, daß ein Liebhaber unbefriedigt von dannen gehe, und giebt, seine Lieblinge ausgenommen, das letzte Stück einer Art, welche Erfolg hatte, den Kauflustigen preis.

„Ein Amazonenpapagei!“ läßt sich van der Stappen vernehmen, „ein Vogel, welcher spricht, ,Papa‘ und ,Mama‘ sagt, ein sehr ausgezeichneter Papagei; er wird mit hundert Franken eingesetzt.

„Der Vogel ist krank,“ flüstert mir Bodinus zu; „er hat die Schwindsucht.“

Vorher saß der arme Gesell kläglich genug im Gebauer; jetzt, als sein Schicksal entschieden werden soll, klettert er mit glattem Gefieder auf und nieder. Aber freilich, dem Eingeweihten erscheint das nicht wunderbar; denn jeder Wärter, welcher Vögel vorzuzeigen hat, hält in seiner Hand ein feines Stöckchen, das gerade Gegentheil einer Wünschelruthe, weil es Verborgenes deckt, nicht verräth, ein Zauberstäbchen, mit welchem der geschickte Mann so lange an die Wände des Gebauers klopft, bis auch ein todtkranker Vogel das Gefieder glättet und sich aus Furcht so zusammennimmt, als ihm möglich.

„Zwanzig Franken,“ lispelt eine zarte Frauenstimme; fünf Franken mehr, und der Amazonenpapagei, welcher Papa und Mama ruft, ist ihr Eigenthum. In acht Tagen wird sie einen Todten beweinen.

„Schönsittiche! Zehn, zwölf, achtzehn, zwanzig Franken.“

„Wollen sie dreißig Paare zu zwölf Schilling das Paar?“ fragt Jamrach, listig mit den Augen zwinkernd.

„Fünfundzwanzig Franken!“

„Lauter schöne, gesunde Vögel, seit drei Monaten im Käfige. Diese hier sind auch von mir.“

„Dreißig Franken!“

„Senden Sie mir ein Dutzend Paare.“

„Aber schweigen Sie!“

„Natürlich!“

„Noch ein Paar Schönsittiche – perruches Edwards,“ beginnt van der Stappen von Neuem. Und ein zweiter Amateur versorgt sich.

„Ein Paar unbekannte Vögel aus Afrika, für Sie, Herr Brehm? Hundert Franken!“

„Vierzig Franken!“

„Abgeschlagen, Herrn Brehm!“

„Allgemeines Erstaunen! Vierzig Franken – eine außerordentliche Summe für ein Paar schwarze, unbekannte Vögel!

„Nun,“ meint Bodinus, „hundert Franken hättest Du wohl auch gern daran gewandt. Textor alecto, der Büffelweber, Erbauer der mächtigen Gesellschaftsnester, welcher vorher noch nie auf dem Markte war!“

[169] „Ja, theurer Freund, etwas Kenntniß ist freilich nothwendig, um billig einzukaufen.“

„Haben Sie meine Liste gesehen?“ fragt Geoffroy, „das Durchstrichene ist verkauft.“

„Ein Paar Dschiggetais (asiatische Wildesel) sechstausend, chinesische Rennthierhirsche viertausend, ein Paar Königsfasanen tausendfünfhundert Franken – nichts für mich, Geoffroy; doch halt, hier kommen berechtigte Bürger für’s Vivarium. Schreiben Sie –“

„Können Sie ein Paar Trompetervögel brauchen? Ich weiß ein schönes Paar, grünrückige, nicht theuer.“

„Wie viel müssen Sie denn verdienen, Cornely, wenn Sie sagen, wo, wann und wie theuer?“ ist die zwar boshafte, aber nicht unberechtigte Gegenfrage.

Eine halbe Stunde Pause für’s Frühstück. Und dann wiederum das Geklapper der Mundmühle van der Stappen’s, Herbeischleppen immer neuer Thiere, wenn die Kauflust ermattet, Tauschen, Handeln, Schachern, Uebervortheilen, Sichüberlistenlassen, ohne zu thun, als ob man es merke, endlich wirkliche Uebermüdung, friedfertiges Begraben aller bösen Gelüste, des Neides, der Nebenbuhlerschaft, Abstumpfung getäuschten Erwartungen, geträumten Errungenschaften gegenüber, Gleichgültigkeit sogar gegen alles Lebende, die bietenden und nicht bietenden Frauen kaum ausgeschlossen; da erscheint mit feierlichem Gesicht ein Angestellter des Gartens und überreicht den Erwählten ein versiegeltes Schreiben.

„Herr Vekemans giebt sich die Ehre, Herrn So und So zum Mittagsessen einzuladen, bei sich, gefälligst um sechs Uhr.“

Herr Vekemans bemerkt davon nicht das Geringste; denn er schickt sich eben zu einer seiner längsten Reden an, räuspert sich und spricht: „Meine Herren, zu den Lophophoren (Glanzfasanen); zwei Paare, im Garten gezüchtet, prachtvoll in Farbe; der Käufer des ersten Paares hat die Wahl.“

Die gesammte ehrenwerthe Gesellschaft ist wie elektrisirt; das Gesicht unseres Bodinus drückt alle Thatkraft aus, welche dem Manne eigen, und sagt auch ohne Worte: dieses erste Paar Glanzfasanen werde ich erstehen und wählen.

Man bricht in langem Zuge zu den Fasanengehegen auf; van der Stappen besteigt einen Stuhl, stützt sich mit der einen Hand auf den dienstwillig herbeigeeilten Fasanenwärter und erklärt, daß gedachtes Paar Glanzfasanen zu fünftausend Franken eingesetzt sei.

Tiefe Stille, jedoch keineswegs auch Verwunderung.

„Viertausend, dreitausend, zweitausend, tausend Franken,“ ruft der würdige Notar aus, zwischen jeder Erniedrigung seines Angebotes eine geraume Zeit verstreichen lassend und die Blicke in die Runde sendend. „Niemand zu tausend Franken? Niemand.“

Ein englischer Händler erhebt die Hand. „Tausend Franken – marchand – elf-, zwölf-, dreizehn-, vierzehn-, fünfzehnhundert Franken. Niemand mehr, Niemand höher – zugeschlagen; Herrn Bodinus!“

Ein zweites Paar Lophophoren, hierauf Königs-, sodann Ohrfasanen, endlich Abbruch der Verhandlungen.

Beim Mittagsessen bekundet der innerlich befriedigte Wirth nicht allein seine liebenswürdigen Eigenschaften, sondern entfaltet auch einen Reichthum, welcher es Jedem glaublich erscheinen läßt, daß er die Hälfte aller Antheilscheine des Thiergartens besitzt. Es geht munter her, und die Unterhaltung ist eine allgemeine, soweit größere oder geringere Sprachfertigkeit es gestattet. Französisch, Englisch, Deutsch, Holländisch und Vlämisch klingt durcheinander; die eine oder die andere Sprache wird zeitweilig zur herrschenden. Der Wirth läßt seine Gäste leben; Westermann spricht im Namen dieser Dank aus; ich gedenke bei einem Trinkspruche Alexander von Humboldt’s; Milne-Edwards setzt sofort Cuvier dagegen ein, was mich wiederum zu der Bemerkung veranlaßt, daß Cuvier in Deutschland gebildet worden; Bodinus erstickt die aufkeimende Eifersucht der Franzosen bezüglich aller deutschen Wissenschaft und Größe im Keime. Man verträgt sich, erzählt, berichtet, regt wissenschaftliche Fragen an, glänzt und wird überstrahlt; der weinselige Martin drückt nochmals seine Verwunderung aus wegen der Kölner betreffs seines verehrten Collegen Bodinus, kommt nochmals auf den herrlichen Tiger zu sprechen, welcher so tapfer mit ihm kämpfte; endlich erhebt man sich und geht aber noch lange nicht zur Herberge.

Der nächste Tag versammelt einen engeren, gewählteren Kreis; denn er gilt den größeren, theureren Thieren. Löwen und Jaguars, Antilopen und fremdländische Hirsche, Riesenkängurus, Mähnenschafe, Llamas, Kamele, asiatische, afrikanische und amerikanische Kraniche, schwarzhalsige Schwäne, Kaimans und Riesenschlangen etc. gelangen zur Versteigerung. Die größeren Säugethiere werden, soweit es zulässig, in ihren Außengehegen vorgeführt; jeder gute Sprung einer Antilope steigert ihren Werth um hundert Franken. Es wird eifrig geboten; aber auch das Gegentheil findet statt: man hat in den beiden Tagen genaue Kenntniß des europäischen Thiermarktes gewonnen. Ein und das andere Thier wird sogar zurückgezogen. „Es giebt keine Liebhaber mehr,“ sagt Vekemans mit wehmüthigem Gesicht, vergangener Zeiten gedenkend.

Am Donnerstag Morgen erscheinen einige der Versammelten nochmals im Garten, um beim Einpacken der von ihnen gekauften Thiere zugegen zu sein. Der größte Theil der „Liebhaber“ ist bereits gestern Abend abgefahren, manch Einer mit zwanzig und mehr Gebauern als „Reisegepäck“. Auf dem Bahnhofe zu Antwerpen verzieht man keine Miene, wenn Dieser Vögel, Jener Affen und andere Säugethiere unter erwähnter Bezeichnung aufgiebt; in Deutschland und Frankreich aber muß man oft genug Zoll- und Bahnbeamte erst beschwichtigen, bevor man mit seiner Begleitschaft weiter ziehen darf. Vielleicht trägt Vorstehendes dazu bei, sie mild zu stimmen gegen Denjenigen, welcher, weil so schwer bepackt, ihr Mißfallen erregte, wenn er ihnen sagt: „Ich komme von Antwerpen.“