Eine neue Hypothese zu Auflösung des Geheimnisses der eisernen Maske

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Autor: Jean-Louis Giraud-Soulavie
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Titel: Eine neue Hypothese zu Auflösung des Geheimnisses der eisernen Maske.
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aus: Thalia - Dritter Band, Heft 10 (1790), S. 89–124
Herausgeber: Friedrich Schiller
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Erscheinungsdatum: 1790
Verlag: Georg Joachim Göschen
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: UB Bielefeld bzw. Scans auf Commons
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[89]

V.

Eine neue Hypothese

zu Auflösung des Geheimnisses

der Eisernen Maske.




Aus den Memoires des H. von Richelieu.[1]




Unter dem verstorbnen Könige gabs! eine Zeit, wo der berüchtigte Mann mit der eisernen Maske der allgemeine Gegenstand aller Gespräche und Nachforschungen war. Diese Neugierde nahm aber merklich ab, seitdem Cinq-Mars ihn auf die Bastille gebracht [90] hatte, und man vorgab, daß er seinen Gefangenen laut erhaltener Ordre umbringen müsse, wenn er sich zu erkennen gäbe. Ein gleiches Schicksal drohte er auch demjenigen, der das Unglück haben sollte, das Geheimniß zu entdecken. Diese Drohung, die für beyde Theile gleich gefährlich war, machte einen solchen Eindruck, daß man, so lange der verstorbene König lebte, nie frey davon sprach. Der ungenannte Verfasser der Memoiren des Persischen Hofes, die bey Etranger, 15 Jahre nach Ludwig XIV. Tode, herausgekommen sind, war der erste, der es wagte, einige Anecdoten von ihm bekannt zu machen.

Seit der Zeit verbreitete sich der Geist der Freyheit sowohl in Schriften als im gemeinen Leben mit immer größerer Kraft über Frankreich. Das Andenken Ludwigs XIV. verlohr täglich mehr und mehr von seinem bisherigen Gewichte, man fieng an, ohne Rückhalt von jenem Gefangnen zu sprechen, und doch frägt man mich jetzt noch am Ende meiner Tage 70 Jahr nach Ludwigs XIV. Tode, wer wohl jener Mann mit der eisernen Maske gewesen?

Eben diese Frage that ich im Jahr 1719 an die unvergleichliche Prinzessin, die der Herzog liebte, ohne wieder geliebt zu werden, weil sie mich schon in den vollen Besitz ihres Herzens gesetzt hatte, und für den Fürsten nichts als Hochachtung empfand. Indeß war man damals überzeugt, daß der Herzog von dem Namen, den Schicksalen des Gefangenen, und der Ursache, [91] warum er in Verwahrung gehalten ward, genau unterrichtet seyn müsse. Ich entschloß mich also, um meine übergroße Neugierde zu befriedigen, die Prinzessin als ein Mittel zu gebrauchen, durch welches ich dem Herzog das Geheimniß ablocken könnte. Sie war bisher dem Herzog von Orleans mit großer Sprödigkeit und Kälte begegnet, jedoch ohne ihn von der heftigen Leidenschaft, die er für sie empfand, zurückschrecken zu können. Vielmehr machte ihn der geringste Schimmer von Hoffnung zu allen den Diensten bereitwillig, die sie von ihm verlangte. Eben deswegen, und weil sie mit seinem Character sehr gut bekannt war, zog ich meine theure Prinzessin mit in meinen Plan, und trug ihr die Rolle auf, dem Fürsten zu versprechen, daß er alles erreichen würde, was ihn zu einem beglückten Liebhaber machte, wenn er ihr die Memoiren des Mannes mit der eisernen Maske, die er besaß, zu Lesen geben wollte.

Der Herzog von Orleans hatte nie ein Staatsgeheimniß verrathen. Er besaß in diesem Punct eine unerhörte Vorsichtigkeit die er dem Unterrichte seines Lehrers Dubois zu verdanken hatte. Beyläuffig will ich hier bemerken, daß Prinzenerzieher, die sich des Gehorsams ihrer Untergebenen versichern wollen, die ihre Erwartungen auf den noch ungeschaffenen Character, auf den Hang nach Vergnügungen, auf den Mangel an Unterweisung, und auf die leichte Empfänglichkeit derselben gründen, vorzüglich darauf sehen müssen, daß sie ihnen den Character der Verschwiegenheit beibringen, [92] der bei einem Prinzen die Grundlage zu demjenigen Gebäude ist das die Ehrfurcht des Erziehers aufführen will.

Der Herzog von Orleans, der in dem Umgange mit seinen Freunden ganz ungezwungen handelte, war doch, wenn es Geheimnisse galt, gegen sie nichts weniger als offenherzig, und es war gar nicht wahrscheinlich, daß er je eine Schrift aushändigen sollte, die den Stand, und die Herkunft des Gefangenen enthielt. Man weiß selbst, daß in der Folge der junge König Ludwig XV. als er noch minderjährig war, sich viele Mühe gab, einige Umstände, die Bezug auf jenen Unglücklichen hätten, von ihm zu erfahren. Seine Neugierde vermehrte sich, je zurückhaltender der Herzog ward, und dieser antwortete einst, daß der Posten, auf dem er stehe, ihm, so lange der König noch nicht majorenn sey, ein tiefes Stillschweigen zur Pflicht mache. Eben daher konnte ich mir von dem Versuch der Prinzessin nichts weniger als einen glücklichen Ausgang versprechen. Aber die Liebe, und eine Liebe die ihm so dringendes Bedürfniß war –

Zur Vergeltung gab er ihr die Schrift, welche sie mir den folgenden Tag in einem mit Chiffern geschriebenen Briefe zustellte, den ich hier, wie es die Gesetze der Geschichte verlangen als einen wesentlichen Beleg meiner Erzählung, für deren Wahrhaftigkeit ich bürge, vollständig liefern will. Die Prinzessin bediente [93] sich jedesmahl der Chiffern, wenn sie mit mir die Sprache der Galanterie führte. Der Brief enthält die gegenseitigen Bedingungen, unter denen sie die Memoiren und der Herzog die Erfüllung seines so sehr gewünschten Verlangens erhalten hatte.

Sich zu sehr in Kleinlichkeiten einzulassen, ist gegen die Gesetze der Geschichte. Um mich aber der Bescheidenen Sprache der Patriarchen zu bedienen, so gesteh ich, daß Jakob, der seine geliebte Rahel zweymahl erkaufen mußte, nicht so viel erhielt, als der Herzog von seiner Prinzessin forderte.

Hier ist der Brief in Chiffern, dem sogleich die Geschichte nachfolgen soll.

2. 1. 17. 12. 9. 2. 20. 2. 1. 7. 14. 20. 10. 3. 21. 1. 11. 14. 1. 15. 16. 12. 17. 14. 2. 1. 21. 11. 20. 17. 12. 9. 14. 9. 2. 8. 20. 5. 20. 2. 2. 17. 8. 1. 2. 20. 9. 21. 21. 1. 5. 12. 17. 15. 00. 14. 1. 15. 14. 12. 9. 21. 6. 12. 9. 21. 16. 20. 14. 8. 3.[2]




[94] Bericht von der Geburt und der Erziehung des unglücklichen Prinzen, der durch den Cardinal Richelieu und Mazarin der menschlichen Gesellschaft entzogen, und auf Befehl Ludwig XIV. eingekerkert ward.

„Der unglückliche Prinz, den ich bis gegen das Ende meines Lebens unter meiner Aufsicht erzogen habe, wurde gebohren den 5 Septbr. 1638 um halb neun Uhr Abends, während der König zu Abend speiste. Sein itzt regierender Bruder kam um die Mittagszeit zur Welt, da dessen Vater bey der Tafel saß. Allein so glänzend und prachtvoll die Geburt des Königs war, so traurig und sorgfältig verheimlicht war die seines Bruders. Denn so bald der königliche Vater von der Hebamme benachrichtiget ward, daß seine Gemahlin noch ein zweytes Kind zur Welt bringen werde, so ließ er den Kanzler, die Hebamme, den Großallmosenier, den Beichtvater der Königin, und mich in seinem Zimmer, um Zeugen von dem zu seyn, was er nach der Geburt eines zweyten Kindes zu thun beschlossen hatte.“

„Schon seit langer Zeit war dem König prophezeyht worden, daß seine Gemahlin ihm zwey Söhne schenken würde. Denn es befanden sich schon seit geraumer Zeit Hirten zu Paris, die diese ihre Aussage auf eine göttliche Eingebung stützten, und ganz Paris sah der Geburt zweyer Dauphins als dem Anfang der größten Staatszerrüttungen entgegen. Der Erzbischof [95] von Paris ließ die beyden Wahrsager zu St. Lazarus einsperren, weil der Pöbel durch sie in Bewegung gesetzt war – ein Umstand der dem König viel Sorge und Furcht vor Unruhen im Lande verursachte.“

„Nun erfolgte das wirklich, was durch die Wahrsager verkündigt war: sey es, daß sie die Zukunft aus der Constellation erfahren, oder daß die Vorsehung dem Könige das Unglück andeuten wollte, welches dem Lande bevorstand. Der Cardinal, dem Sr. Majestät diese Prophezeyhung hatte melden lassen, antwortete, daß man sich auf die Geburt zweyer Dauphins im voraus vorbereiten, und in diesem gar nicht unmöglichen Falle das Daseyn des andern sorgfältig verhehlen müsse, weil er dereinst nach der Krone streben, und seinen Bruder bekriegen könne, um eine zweyte Ligue im Staate zu errichten, und den Thron zu erlangen.

Der König schwebte in der peinlichsten Ungewißheit, während die Königin ächzte, und uns eine zweyte Niederkunft besorgen ließ. Wir schickten zum König, der zu Boden sinken wollte, da er merkte, daß er Vater zweyer Dauphins werden würde. Er habe, sprach er zum Bischof von Meaux, gebeten, der Königin beizustehen: verlaßt meine Gemahlin nicht bis sie entbunden ist; mir ist unaussprechlich Angst. Gleich darauf ließ er uns zu sich kommen, den Bischoff von Meaux, den Kanzler, Herrn Honorat, Madame Peronéte, die Hebamme, und mich und sagte uns in Gegenwart der Königin, so daß sie [96] es vernehmen konnte, wir sollten bey unserm Leben ihm antworten, ob wir die Geburt des zweyten Prinzen ruchbar machen würden: sein Wille sey, sie zu einem Staatsgeheimniß zu machen, um dem Uebel vorzubeugen, das daraus entstehen könnte, da das Salische Gesetz für den Fall, wenn dem Könige zwey ältere Prinzen gebohren werden sollten, nichts entscheidet.“

„Die Voraussage traf ein, und die Königin kam während der Abendmahlzeit mit einem Prinzen nieder, der weit holder und schöner als sein älterer Bruder war, und durch sein unaufhörliches Aechzen und Schreyen gleichsam den Eintritt in ein Leben bereute, wo er künftig so viel Leiden zu erwarten hatte.“

Der Kanzler setzte den Vorgang dieser wunderbaren in unsrer Geschichte einzigen Geburt auf. Nachher befand S. Majestät das erste Protokol nicht für gut, verbrannte es in unsrer Gegenwart, und ließ es mehrere mahle verfertigen, bis er es nach seinem Sinne fand. Der Almosenier that zwar Gegenvorstellungen, indem er behauptete, daß die Geburt eines Prinzen nicht unterdrückt werden könne, der König aber schützte politische Ursachen vor, die ihn zu diesem Unternehmen brächten.“

„Hierauf mußten wir die Eydesformel unterzeichnen. Der Kanzler that es zuerst, auf ihn folgte der Almosenier, der Beichtvater der Königin, und dann ich. Auch der Chirurgus und die Hebamme unterschrieben. [97] Der König fügte sie dem Protocoll bey, und nahm beide in Verwahrung, nach welcher Zeit ich nie etwas davon habe reden gehört. S. Majestät unterredeten sich auch mit dem Hrn. Kanzler über die Eydesformel, und sprachen von dem Kardinal sehr ungnädig. Das neugebohrne Kind wurde der Hebamme übertragen, deren Verschwiegenheit man so wenig zutraute, daß man ihr bey Verlust des Lebens anbefahl, kein Wort darüber zu sprechen. Ja wir selbst, die wir doch bey der Niederkunft zugegen gewesen waren, durften unter uns nie ein Wort von dem Kinde sprechen.“

„Keiner von uns hat bisher seinen Eyd gebrochen. Der König befürchtete nachher nichts, als einen bürgerlichen Krieg, den beyde Brüder gegen einander erregen könnten, und der Kardinal vermehrte seine Furcht seitdem er sich die Oberaufsicht über die Erziehung des Kindes anmaßte.“

„Auf königlichen Befehl mußten wir den unglücklichen Prinzen genau besichtigen. Er hatte eine Warze über dem Ellenbogen, ein gelbliches Mahl an der rechten Seite des Halses, und eine sehr kleine Warze auf dem rechten Schenkel. Der König war nemlich aus guten Gründen entschlossen, diesen Prinzen, den er unsrer Aufsicht überließ, als seinen Thronfolger zu erkennen, wenn der älteste mit Tod abgehen sollte. Deswegen forderte er auch unsre eigenhändige Unterschrift unter den Acten, auf die er in unsrer Gegenwart ein kleines königliches Siegel drucken ließ, und die wir [98] seinem Befehl zufolge unterzeichneten. Von dem fernern Schicksal der beyden Schäfer, die die Geburt des Kindes prophezeyt hatten, habe ich nie etwas sprechen gehört, mich aber auch nicht weiter darum bekümmert. Der Herr Cardinal, der die Sorge für das Kind übernahm, wird schon im Stande gewesen seyn, sie auf die Seite zu schaffen.“

„Was die frühere Geschichte dieses Prinzen anbetrifft, so behandelte Madame Peronette ihn wie ein gewöhnliches Kind, aber doch so, daß er für ein uneheliches Kind eines gewissen Großen ausgegeben ward; denn die Mühe, die sie sich mit ihm gab, und der Aufwand, den sie für ihn machte, ließen in ihm den geliebten Sohn eines reichen Mannes vermuthen, der ihn noch nicht öffentlich dafür erklären wollte.“

„Als der Prinz ein wenig herangewachsen war, übertrug der Cardinal Mazarin, der für seine Erziehung sorgen sollte, nachher der Cardinal de Richelieu mir das Geschäft, ihm, wiewohl nur insgeheim, eine königliche Erziehung zu geben. Madame Peronette bediente ihn bis an ihr Ende mit einem Eifer, den er durch eine noch größere Zärtlichkeit erwiederte. Er erhielt in meinem Hause einen Unterricht, so wie ihn ein königlicher Prinz, eines Königs Bruder, fordern kann.“

„Ich habe mit der Königin Mutter während der Unruhen in Frankreich häufige Unterredungen gehabt, und Ihre Majestät schienen zu fürchten, daß die Bekanntmachung [99] seiner Geburt bey Lebzeiten des andern Bruders, des jungen Königs, einigen Mißvergnügten Anlaß zu Empörungen geben möchte. Denn nach der Meynung mehrerer Aerzte wird dasjenige Zwillings-Kind, welches zuerst empfangen war, zuletzt gebohren; folglich würde jener so lange rechtmäßiger König seyn, als diese Meynung von andern Aerzten noch nicht ausgemacht ist.“

„Demohnerachet konnte die Königin sich doch nicht entschließen, die schriftlichen Beweise von seiner Geburt zu vertilgen; weil sie ihn, wenn der junge König sterben sollte, in die Rechte seines Bruders wollte treten lassen, obgleich sie noch ein andres Kind hatte. Sie verwahrte, wie sie mir öfters gesagt hat, diese schriftlichen Beweise sorgfältig in ihrem Schranke.“

Ich habe dem unglücklichen Prinzen eine Erziehung gegeben, wie ich sie mir selbst gewünscht hätte. Fürstensöhne, die von ihrem Vater anerkannt sind, könnten keine bessere erhalten. Der einzige Vorwurf den ich mir machen kann, ist dieser, daß ich, wiewohl ohne mein Willen, die Ursache seines Unglücks ward. Er war nemlich 19 Jahr alt, als er ein sonderbares Verlangen äußerte, zu wissen, wer er wäre. Ich zeigte mich entschlossen, ihm dieß Geheimniß zu verbergen und ward immer unbeweglicher, je mehr er mich mit seinen Bitten bestürmte. Endlich entschloß er sich seine Neugierde zu verstecken, und that, als ob er sich für mein eignes, ausser der Ehe erzeugtes Kind hielt. Ich [100] sagte ihm öfters, wenn wir allein waren, daß er sich in diesem Wahne trüge, ich bekämpfte aber seinen Wahn nicht weiter, den er vielleicht nur in der Absicht annahm, um mich zur Sprache zu bringen. Ich ließ ihn in demselben, und er beharrte dabey, mittlerweile er Mittel suchte, zu erfahren, wer er wäre.“

„So verstrichen zwey Jahre, als eine Unvorsichtigkeit, die ich unglücklicher Weise begieng, und über die ich mir gerechte Vorwürfe mache, ihm seinen Stand entdeckte. Er wußte, daß unlängst königliche Boten bey mir gewesen waren. Zum Unglück vergaß ich das Kästchen mit den Briefen der Königin und des Kardinals zu verwahren. Er findt es, liest einen Theil, sein guter Kopf läßt ihn den andern errathen, und in der Folge sagte er mir, daß er den wichtigsten Brief, der über seine Geburt den deutlichsten Aufschluß gebe, weggenommen habe.“

„Ich bemerkte, daß seine Freundschaft, seine Achtung gegen mich, in der ich ihn erzogen hatte, durch Trotz und Eigensinn unterbrochen ward, aber ich konnte noch nicht sogleich auf die Quelle dieser Veränderung kommen. Denn daß er meine Briefe sollte durchsucht haben, fiel mir gar nicht ein. Auch hat er mir nie die Mittel, deren er sich dazu bedient, gestehen wollen. Vielleicht hat er dabey einige Arbeiter gebraucht, die er nicht hat verrathen wollen, oder er ist auf eine andre Weise zu seinem Zwecke gelangt.“

[101] „Einst begieng er die Unbedachtsamkeit von mir die Gemählde des verstorbenen Königs Ludwigs XIII. und des itzt regierenden Königs zu verlangen. Ich antwortete ihm, diejenigen, welche man habe, wären so schlecht, daß ich mich selbst gedulden müßte, bis ein Künstler bessere Stücke lieferte.“

„Auf diese Antwort, die ihn nicht befriedigte, äußerte er den Wunsch, nach Dijon zu reisen. Nachher erfuhr ich die Absicht, die er dabey gehabt. Er wollte ein Gemälde des Königs sehen, wollte an den Hof gehen, der sich damals zu St. Jean de Lus, wegen der Hochzeit mit der Infantin, aufhielt, und seinen Bruder ins Auge fassen, um zu erfahren, ob er Aehnlichkeit mit demselben habe. Ich hatte seinen Entschluß fortzureisen entdeckt, und ich ließ ihn nun nicht ferner aus der Acht.

„Der junge Prinz war schön, wie die Liebe, und die Liebe verhalf ihn auch zu einem Bilde seines Bruders. Seit einigen Monaten hatte er eine von den Kammermädchen so sehr nach seinem Geschmacke gefunden, und sie im Dienst der Liebe so gut befriedigt, daß sie ihm ein Gemählde des Königs zustellte, ohnerachtet ich allen Bedienten untersagt hatte, ihm nichts ohne meine Erlaubniß zu geben. Der unglückliche Prinz erkannte sich in dem Gemälde, und zwar um so viel mehr, da Ein Bild dem einen und andern dienen kann. Dieser Anblick setzte ihn in eine solche Wuth, daß er zu mir lief, und in die Worte ausbrach: Sehen Sie [102] hier meinen Bruder, und hier, (indem er einen Brief des Kardinal Mazarin, den er mir entwandt hatte, vorzeigte) wer ich bin.“

„Aus Furcht, er möchte mir heimlich entwischen, und bey dem Beylager des Königs erscheinen, schickte ich an S. Majestät einen Boten mit der Nachricht von dem, was vorgefallen war, und ließ mir zugleich weitere Verhaltungsbefehle ausbitten. Die Befehle des Königs, welche der Cardinal überbrachte, bestimmten uns beide zum Gefängniß, bis auf weitere Verfügung, und bedeuteten ihm, daß seine Anmaßungen die Ursache unsers beiderseitigen Unglücks wären. Ich habe mit ihm in der Gefangenschaft bis auf den Augenblick ausgeharrt, wo ich auf den Ausspruch meines Richters im Himmel bald diese Welt zu verlassen hoffe. Ich muß zu meiner eigenen und meines Zöglings Beruhigung eine Art von Erklärung von mir geben, die ihm den Grund seines gegenwärtigen schimpflichen Zustandes aufdecken kann, wenn etwan der König ohne Erben sterben sollte. Kann ein gezwungener Eyd mich zur Geheimhaltung so beispielloser Begebenheiten vermögen, die man doch nothwendig der Nachkommenschaft überliefern sollte?




[103] Dieß ist die Schrift welche der Herzog den Händen der Prinzessin anvertraute, und die bey Liebhabern sonderbarer Vorfälle eine Menge von Untersuchungen veranlassen muß. Man wird nemlich fragen, wer war der Hofmeister des Prinzen? War er aus Burgogne? wie weit lag sein Gut von Dijon? Ganz gewiß war es ein merkwürdiger Mann, weil er sich am Hofe Ludwigs XIV. aufhielt, und entweder vermittelst seines Postens oder als ein Günstling des Königs, der Königin, und des Cardinals Richelieu des innigsten Zutrauns gewürdiget ward. Kann uns das Adelsbuch von Burgoigne eine Person aus dieser Provinz nennen, die nach Ludwig XIV. Hochzeit mit einem jungen ohngefähr zwanzigjährigen unbekannten Menschen, überden sie in ihrem Haus oder Schlosse die Aufsicht führte, verschwunden ist? Warum führt jene Schrift, die beinahe hundert Jahre alt zu seyn scheint, nicht den Namen ihres Verfassers? Hat dieser sie vielleicht auf dem Sterbebette dictirt, ohne sie unterzeichnen zu können?

Wie ist sie aus dem Gefängniß gekommen? – alles Untersuchungen, zu denen sie uns hinführt. Sie bestättigt es nicht, daß der junge Prinz und der Mann mit der eisernen Maske eine Person seyn: aber alle jene Thatsachen passen dem Letztern, von dem wir einige Anecdoten kennen, so schön an, daß sie die große Lücke dieser Memoires auszufüllen, und uns ihren Anfang zu liefern scheinen. Ich will hier noch zur Vollständigkeit oder als Fortsetzung seiner Geschichte die authentischen [104] Nachrichten liefern, die sich von der Zeit anheben, da er dem Cinq-Mars ausgeliefert ward; jedoch mit Uebergehung der gelehrten Fehden, die sich daher entspannen.

Die Memoiren des persischen Hofes waren kaum ans Licht getreten, als unter den Gelehrten ein Streit über die Deutung dieser Geheimnisse entstand. Voltaire, der Thatsachen anführte, ohne sie zu erläutern, ohnerachtet er mehr als irgend jemand unterrichtet war, Saintsoir, der Pater Griffet, La Riviere, Linguet, La Grange chancel, der Abbé Papon, Palteau, M. De la Borde, mehrere Mitarbeiter an verschiedenen Journalen, namentlich dem Journal de Paris, haben manche Anecdoten bekannt gemacht, von denen ich diejenigen, welche die mehreste historische Gewißheit haben, ausheben, und mit veränderter Schrift solche Ausdrücke bezeichnen will, die mir in diesem Gefangenen eine sehr hohe Standsperson, und das, was er wirklich war, anzudeuten scheinen.

Der erste der seiner erwähnt, ist der ungenannte Verfasser des persischen Hofes. Er bringt einige zuverläßige Thatsachen vor, die man immer als glaubwürdig aufgenommen hat. Allein er trügt sich in der Deutung, wenn er glaubt, daß der Mann mit der Maske der Graf de Vermandois gewesen – – –

„Dieser Gefangene, spricht er, wurde dem Befehlshaber der Inseln St. Margerite zugeschickt, der schon im Voraus Befehl von Ludwig XIV. [105] erhalten hatte, ihn keinen Menschen sehen zu lassen. Der Befehlshaber behandelte seinen Gefangenen mit der größten Achtung. Er bediente ihn selbst, und nahm in der Thür des Vorzimmers den Köchinnen die Schüsseln ab, so daß ihn keine je zu Gesichte bekam. Einst grub der Prinz mit einem Messer seinen Namen auf den Rücken eines Tellers ein. Ein Sklave, dem der Teller in die Hände fiel, trug ihn zum Commendanten, in der Hoffnung sich dadurch eine Belohnung zu verdienen. Statt dessen aber wurde er auf der Stelle niedergemacht, um mit ihm ein Geheimniß von der größten Wichtigkeit zu begraben. Der Mann mit der Maske blieb mehrere Jahre in dem Schloß auf der Insel St. Margerite, bis der Befehlshaber derselben zur Belohnung seiner treuen Dienste zum Commendanten der Bastille ernannt ward. Denn nun erforderte es die Klugheit, den Gefangenen nicht von einem Manne zu trennen, dem man ihn einmal anvertraut hatte. Ein andrer hätte vielleicht weniger treu, weniger pünctlich seyn können.

Man brauchte auf der Insel sowohl als in der Bastille die Vorsicht, über den Prinzen eine Maske zu werfen wenn man ihm, Krankheiten oder anderer Ursachen halber, fremde Menschen zuführen mußte. Mehrere glaubwürdige Personen versichern, ihn maskirt gesehen zu haben, und erzählen, daß er den Gouverneur geduzt, dieser [106] ihm hingegen mit aller nur ersinnlichen Hochachtung begegnet habe.

Einige Monate nach dem Tode des Cardinal Mazarin (sagt Voltaire im Jahrhundert Ludwigs XIV. als dem zweyten Werk, wo er von dem Gefangenen spricht) ereignete sich eine Begebenheit die ganz Beyspiellos ist, und durch den Umstand, daß kein einziger Schriftsteller davon gewußt hat, nicht wenig befremdet. Man sandte einen unbekannten Gefangenen, auf das Schloß der Insel St. Margarete in dem Provencer See, und verfuhr dabey auf die Geheimnißvollste Art.“

„Der Marquis de Louvois besuchte ihn auf der Insel, ehe er von da weggeführt ward, sprach mit ihm stehend, und äusserte eine Aufmerksamkeit die von Hochachtung zeugte.“

„Der Gouverneur setzte sich selten in seiner Gegenwart.“

„Daß er nie sein Gesicht gesehen habe.“

M. de Chamillard war der letzte Minister, der dieß sonderbare Geheimniß wußte.“

„Chamillard antwortete ihm, daß dieß ein Staatsgeheimniß wäre, und daß er einen Eyd gethan, es nie zu entdecken.“

„An einem andern Ort, wo von dem Fischer die Rede ist, der dem Gouverneur etwas brachte, das der Gefangene in den Wassergraben warf.

[107] „Ich kann nicht lesen, antwortete der Fischer, ich hab es gefunden; kein Mensch hat es gesehen.“

„Nun geht, sagte er, ihr seid glücklich, daß ihr nicht lesen könnt.“ u.s.f. „glaubenswürdig; der noch lebt.“

Der Verfasser des Jahrhunderts Ludwigs XIV. (sagt nochmals Voltaire in den Melangen) „weil er von der Geschichte sehr gut unterrichtet war“ „wenn man ihn nicht in den Hof der Bastille gehen, wenn man ihn nicht ohne Maske mit seinem Arzt sprechen ließ, so ist klar, daß man es aus Furcht that, seine Gesichtszüge möchten eine gewisse sehr auffallende Aehnlichkeit verrathen.“

„Daß er glaubte 60 Jahr alt zu seyn“ „er kann davon weiter nichts sagen.“

La Grange Macial ist der dritte Geschichtsschreiber, der von dem auf der Insel St. Margarite eingesperrten Gefangenen, nachdem dieser schon einige Zeit auf der Bastille gesessen, Nachrichten ertheilt: er war auch im Stande sich einige Notizen hierüber zu verschaffen.

„Mein Aufenthalt auf den Inseln St. Margarite wo die Gefangenschaft der eisernen Maske, als ich dort ankam, nicht mehr ein Staatsgeheimniß war, hat mir gewisse besondre Nachrichten verschafft, die ein Geschichtschreiber, der sorgfältiger als Voltaire in seinen Recherchen erzählt, so gut als ich, hätte wissen können, wenn er sich die Mühe gegeben hätte, sie einzuziehen. [108] Diese ausserordentliche Begebenheit, die er in das Jahr 1661, einige Monate nach des Cardinals Mazarin Tode, verlegt, fällt erst in das Jahr 1669. M. de la Mothe-Guerin, den ich als den Befehlshaber der Inseln antraf, versicherte mich, daß der Gefangene der Herzog von Beaufort gewesen, der bey der Belagerung von Candien sollte geblieben seyn, dessen Körper man aber nach allen damaligen Berichten nicht auffinden konnte. Er sagte mir auch daß M. de S. Mars dem Gefangenen mit sehr großer Achtung begegnet sey, ihm immer selbst mit silbernem Tischgeschirr bedient, und zum öftern mit so kostbaren Kleidungsstücken versehen habe, als er nur zu verlangen schien. War er eines Arztes oder Chirurgi benöthigt, so durfte er ohne Lebensgefahr zu besorgen in ihrer Gegenwart nicht anders als mit der eisernen Maske erscheinen.

Zum Zeitvertreib in einsamen Stunden raufte er sich mit einer sehr artigen Zange von hellglänzendem Stahle den Bart aus. Ich habe eine dergleichen bey dem Herrn Beaumanoir gesehen, einem Neffen des St. Mars, und Lieutenant einer Freycompagnie die zur Bewachung der Gefangenen diente. Als St. Mars mit seinem Gefangenen auf die Bastille abgieng, soll dieser, wie mich mehrere versicherten, zu seinem Begleiter gesagt haben: „Will mir der König ans Leben kommen? Nein, mein Prinz, versetzte St. Mars, euer Leben ist in Sicherheit; ihr dürft weiter nichts als ruhig folgen.“

[109] Ein gewisser Dubuisson, Kassenverwalter des berüchtigten Samuel Bernard, wurde von der Bastille, wo er einige Jahre gesessen hatte, auf die Inseln St. Margarite gebracht. Er erhielt mit einigen andern Gefangenen ein Zimmer, das gerade über dem stand, wo sich jener Unbekannte aufhielt. Hier konnten sie sich vermittelst der Kaminröhre mit einander unterhalten, und fragten ihn einst, warum er durchaus seinen Namen und seine Geschichte verheimliche „wenn ich sie entdecke, erwiederte er, so würde es mir, und denen, die das Geheimniß erfahren haben, das Leben kosten.“

Da nun heut zu Tage der Name und der Stand dieses Opfers der Policey kein Geheimniß mehr ist, bei dem sich der Staat interessirt; und ich es mir jetzt zum Geschäffte mache, dem Publiko das, was ich hierüber in Erfahrung gebracht, mitzutheilen; so glaub ich nicht unrecht zu thun, wenn ich die Gedanken, die sich jeder nach seinem Kopfe bildet, auf die Treue eines Schriftstellers richte, der in dem größten Theil seiner Schriften, selbst in dem Leben Carls XII. sich der Kunst bedient, dem Wunderbaren einen Anstrich von Klarheit zu geben, und der sich eben dadurch vielen Ruhm und Bewunderung zugezogen hat.

Auch Abbe Papon, spricht so von dem Mann mit der eisernen Maske, dessen Gefängniß er besucht hat.

„Gegen Ende des letzten Jahrhunderts wurde der berühmte Gefangene mit der eisernen Maske, dessen [110] Namen man vielleicht niemals erfahren wird, auf die Insel St. Margarete gebracht. Er wurde nur von wenigen Personen bedient, die die Freyheit hatten, mit ihm zu reden. Einst unterhielt sich Ms. St. Mars mit ihm ausserhab dem Zimmer in einer Art von Vorsal, wo er jeden, der da kam, von ferne erblicken konnte. Der Sohn eines seiner Freunde kömmt herzu, und nähert sich dem Orte, wo er die Stimmen hört. Kaum bemerkt ihn der Gouverneur, so schließt er den Augenblick das Zimmer zu, stürzt hastig auf den jungen Menschen, und frägt ihn ängstlich, ob er etwas verstanden habe. Dieser versicherte ihn, daß er kein Wort verstanden habe, mußte aber doch denselben Tag wieder abreisen. Zugleich schrieb St. Mars seinem Freunde, daß dieser Umstand seinen Sohn hätte unglücklich machen können, und daß er ihn bloß aus Besorgniß einer nochmaligen Unvorsichtigkeit zurückschicke.

Aus Neugierde besuchte ich den 2ten Febr. 1778 das Zimmer dieses unglücklichen Gefangenen. Es erhält sein Licht durch ein einziges Fenster, das auf der Nordseite steht, durch eine dicke, starke Mauer gebrochen, und mit drey gleich weit von einander stehenden Gittern versehen ist. Man erhält durch dasselbe die Aussicht auf die See. Ich fand in der Citadelle einen 79 jährigen Offizier von der Freykompagnie, der mir sagte, daß sein Vater unter eben der Compagnie gestanden, und ihm mehreremahlen folgende Begebenheit erzählt habe: Ein Frater Barbirgeselle bemerkte einst unter dem Fenster des Gefangenen etwas Weißes über [111] dem Wasser flattern. Er nahms und brachte es dem H. St. Mars. Es war ein sehr feines Hembd, das äußerst nachlässig zusammengelegt, und von einem Ende bis zum andern beschrieben war.

M. de St. Mars schlug es aus einander, laß einige Zeilen, und fragte den Ueberbringer mit äußerster Bestürzung, ob er nichts von dem gelesen habe. Der Mensch betheuerte mehreremahle, daß er nichts gelesen: jedoch zwey Tage nachher fand man ihn todt im Bette. Diesem Umstand hat der Offizier von seinem Vater, und dem damahligen Almosenier des Forts so oft erzählen gehört, daß er ihn als ganz unwiderleglich ansah. Nicht minder gewiß scheint mir das folgende nach den Zeugnissen, die ich an Ort und Stelle, und in dem Kloster de Lerins, wo diese Nachricht sich erhalten, gesammelt habe.

Man suchte eine Weibsperson zur Aufwartung für den Gefangenen. Eine Frau aus dem Dorfe Mongin erbot sich hiezu, in der Hoffnung, dadurch das Glück ihrer Kinder zu machen. Als man ihr aber sagte, daß sie diese nie wieder sehen, und aus aller menschlichen Gesellschaft treten würde, so nahm sie ihren Entschluß wieder zurück. Auch den Umstand muß ich noch erwähnen, daß man auf beiden äussersten Seiten des Forts nach der See hin zwei Schildwachen ausgestellt hatte, die auf jedes Fahrzeug, das in einer gewissen Entfernung zu nahe kam, schießen mußten.

[112] Die Person, welche den Gefangenen bediente starb auf der Insel St. Margarite. Der Bruder des Offiziers, dessen ich vorhin erwähnte, und der in gewissen Dingen sein Vertrauter war, hat seinem Sohn öfters erzählt, daß jener um Mitternacht im Gefängniß gestorben sey, und er ihn auf den Schultern an die Begräbnißstelle getragen habe; er sey damals der Meinung gewesen, der Verstorbene wäre der Gefangene selbst: allein dieß war, wie ich eben gesagt, die Person die ihn bedient hatte, und an dessen Stelle man jetzt ein Frauenzimmer haben wollte.

Im Jahr 1698, wo St. Mars den Gefangenen auf die Bastille brachte, kehrte er mit ihm auf sein Landgut de Palteau ein. Um Voltairen zu widersprechen, der von diesem Gefangenen geschrieben hatte, bat sich Freron die Anecdoten vom Herrn von Palteau aus, der im folgenden Briefe antwortete, welchen man im Anné Litteraire von Monat Junius 1768 finden kann.

– – – ich habe nie sagen hören, daß er eine fremde Aussprache gehabt.

Du Joncu, Lieutenant des Königs, trug in nachfolgenden Ausdrücken die Ankunft des Gefangenen in die Jahrbücher der Bastille ein. Der Jesuit Griffet hat zuerst diese beiden sonderbaren Fragmente bekannt gemacht und sie aus den Papieren eines Schlosses gezogen, aus dem noch nie ein Papier gekommen ist – allein er war Beichtvater in der Bastille, und die Jesuiten [113] und der Commendant dieser Festung mögen wohl ihre guten Ursachen gehabt haben, warum sie diese Anecdoten ans Licht zogen.

Donnerstag den 8 Septbr. 1698. der benannte du Joncu.

Um drey Uhr nach Mittag betrat M. de St. Mars zum ersten mahl die Bastille als Commendant. Er kam von den Inseln St. Margarete und St. Honorat, und führte in seiner Sänfte einen alten Gefangenen, den er zu Pignerol gehabt hatte, dessen Name aber verschwiegen bleibt. Dieser trug beständig eine Maske, und wurde sogleich in den Thurm de la Bassiniere gebracht, aus dem ich ihn um neun Uhr Abends in die dritte Stube des Thurms de la Bertaudiere brachte, die ich schon vor seiner Ankunft auf Befehl des M. de St. Mars mit allem nöthigen Hausrath versehen hatte.

Als ich ihn hinbrachte, begleitete mich M. de Jonca du Sieur Rosarges, den M. de St. Mars mit sich gebracht hatte, um den Gefangenen, den er unterhielt, zu bedienen.“

Linguet hat uns die letzten Anecdoten über den Mann mit der eisernen Maske geliefert. Sein langer Aufenthalt in der Bastille und seine Bekanntschaft mit den ältesten Officieren oder Bedienten der Festung verschaffte ihm dieselben. Er gab seine Aufsätze dem Herrn de la Borde, der sie in ein kleines Werk, das [114] er über den Mann mit der Maske schrieb, folgendermaßen einrückte.

1. Der Gefangene trug eine Maske von Sammet, nicht aber von Eisen, wenigstens während seines Aufenthaltes in der Bastille.

2. Der Commendant selbst bediente ihn, und nahm ihm seine Wäsche ab.

3. Er hatte die gemessensten Befehle, wenn er zur Messe gieng, kein Wort zu reden, oder seine Figur zu zeigen; widrigenfalls hatten die Invaliden Ordre auf ihn zu schießen, zu welchem Endzweck ihre Flinten scharf geladen waren. Auch er selbst gab sich alle Mühe still zu bleiben, und sich nicht zu verrathen.

4. Nach seinem Tode verbrannte man alle Möbels, deren er sich bedient hatte, man riß den Boden in der Stube auf, nahm die Decke ab, durchsuchte alle Ecken und Winkel, jeden Platz wo Papier oder Leinwand sich verbergen könnte, kurz man wollte wissen, ob er irgend etwas zurückgelassen habe, das seinen Stand verrathen könnte. Linguet versicherte mich, daß es in der Bastille noch Menschen gebe, die dieß von ihren Vätern gehört, welche alte Bediente in der Bastille gewesen, und den Mann mit der eisernen Maske gesehen hatten.

Dieser unglückliche Gefangene starb nach einem langen Leiden im Jahr 1703 in der Bastille, wo er fünf Jahre zwei Monathe gewesen war, und derselbe der seine Ankunft eingezeichnet hatte, zeichnete auch seinen [115] Tod in das Buch der Gefangenen unter folgenden Ausdrücken ein.

Montag den 19 Novembr. 1703.

Der unbekannte Gefangene, der immer eine Maske von schwarzem Sammet trug, den M. de St. Mars von der Insel St. Margarete, wo er lange Befehlshaber gewesen war, mitgebracht hatte, fiel gestern nach geendigter Messe in eine kleine Unpäßlichkeit, und verschied heute um 6 Uhr Abends, ohne eine schwere Krankheit gehabt zu haben: sie hatte vielmehr gar nichts zu bedeuten. M. Guiraut, unser Allmosenier, hörte ihm gestern die Beicht. Der Tod überraschte ihn, ehe er die Sacramente nehmen konnte. Unser Almosenier hat ihm noch kurz vor seinem Ende zugesprochen. Er wurde Dienstag den 20 November um 4 Uhr Nachmittags, im Kirchhof von St. Paul, unsrer Pfarrkirche, beerdigt. Sein Begräbniß kostete 40 Livres.

Sein Name und Alter blieb auch den Priestern dieser Kirche ein Geheimniß, und man findet seine Beerdigung in dem Kirchenbuch unter folgenden Ausdrücken, die ich selbst ausgezogen habe, angemerkt.

„Im Jahr tausend siebenhundert und drey, den neunzehnten November, starb Marchialy, ohngefehr 45 Jahr alt, in der Bastille, dessen Leichnam in dem Kirchhof von St. Paul den 20sten [116] dieses beerdigt ward, und zwar in Gegenwart des M. Rosarges, Major, und des Monsieur Reilh, Chirurgien Major der Bastille, die dieß unterzeichnet haben.

Rosarges, Reilh. 

Auch das ist ausgemacht, daß man nach seinem Tode überhaupt alles verbrennen mußte, was zu seinem Gebrauch gedient hatte, Wäsche, Kleider, Matratzen, Decken, selbst die Thüren seines Gefängnisses, Bettstelle, und Stühle. Sein Silbergeräthe wurde umgeschmolzen; die Wände seines Wohnzimmers von neuem ausgeweißet, ja man trieb die Vorsichtigkeit so weit, daß man sogar die Glasscheiben zerbrach. Ohne Zweifel fürchtete man, er möchte einige Zettel versteckt, oder Zeichen gemacht haben, die seine wahre Geschichte verriethen.

Alle diese historischen Bruchstücke und Bemerkungen überlaß ich dem Urtheile der Sachverständigen. So viel aber wird immer wahr bleiben, daß der Mann eine Person von hohem Stande gewesen; daß die äußerste Sorgfalt, mit der man seine Person vor den Augen der übrigen verbarg, auf eine große Gefahr hindeute, die zu befürchten wäre, wenn er erkannt würde; daß man blos aus seinem Gesichte habe schließen können, wer er wäre; daß er bey sich selbst mehr das Verlangen, sich zu entdecken, als zu entfliehen, gewährt; daß um die Zeit, da Mazarin starb, kein Prinz in Frankreich plötzlich verschwunden sey, der [117] Gefangene also zwar eine wichtige aber damals unbekannte Person gewesen, und daß dem Minister daran sehr viel habe liegen müssen, seinen Namen nicht bekannt werden zu lassen, weil er den Befehl ertheilt, auf ihn zu schießen so bald er sich zu erkennen geben würde.

Ferner erhellt – und diese Bemerkungen sind sehr auffallend – daß überall, wo sich dieser Unglückliche befand, auf der Insel, auf der Reise, in Paris, seine Gestalt nie gesehen werden durfte.

Sein Gesicht hätte also in ganz Frankreich das Geheimniß des Hofes verrathen können. Endlich ist noch zu bemerken daß der Befehl sich zu verhüllen, von Mazarins Tode an, bis an sein eignes Ende fortdauerte, und die Regierung ihre Vorsicht so weit trieb, daß sie sein Gesicht nach dem Tode entstellte, oder, wie andre sagen, ihn ohne Kopf begraben ließ.

Sein Gesicht konnte ihn also ein halbes Jahrhundert hindurch und von einer Grenze Frankreichs bis zur andern verrathen. Man hatte also, ein halbes Jahrhundert lang, in Frankreich eine merkwürdiges an allen Orten des Landes bekanntes Haupt, das mit dem Gefangenen, seinem Zeitgenossen eine auffallende Aehnlichkeit besaß. Und wer anders sollte jener seyn als Ludwig XIV, der Zwillingsbruder des letztern, der eben dadurch, daß er ihm ähnlich sah, so sehr gefürchtet ward? Das Staatsgeheimniß, oder vielmehr das Verbrechen Ludwigs des XIV. scheint demnach offen da zu liegen, [118] und nur noch ein Zweifel bleibt übrig, ob es nemlich wahrscheinlich sey, daß man selbst den Befehlshabern der Staatsgefängnisse die gemessene Ordre gegeben habe, einen so großen Prinzen mit kaltem Blute zu ermorden, wenn er sein Geheimniß entdecke. Diese Unmenschlichkeit läßt sich nicht mit andern trefflichen Zügen aus dem Character Ludwigs XIV. zusammenreimen.

– Indeß war doch, nach dem einstimmigen Zeugniß aller derer, die von dem Gefangenen sprechen, jener Befehl gegeben.

Ludwig XV. zeigte sich weit menschlicher als Ludwig XIV. Er würde ihn gewiß beym Antritt seiner Regierung in Freyheit gesetzt haben, wenn er noch um die Zeit gelebt hätte. Er lag dem Herzog von Orleans häufig an, ihm die Geschichte des Mannes zu entdecken, erhielt aber beständig zur Antwort, daß dieß nicht eher geschehen könne, als bis er aufgehört, unter der Vormundschaft zu stehen. Noch den Tag vorher, ehe er für volljährig erklärt ward, fragte ihn der König, ob es denn ein wirkliches Staatsgeheimniß wäre. “Ja Sire, erwiederte dieser in einer zahlreichen Versammlung, ich würde meine Pflicht übertreten, wenn ich es Ihnen heute eröffnen sollte; aber morgen bin ich schuldig auf alle Fragen zu antworten, die sie mir vorlegen.“

Den folgenden Tag zog ihn der König in Gegenwart seines Hofes bey Seite, um von ihm das Geheimniß zu erfahren. Aller Augen waren auf ihn gerichtet, [119] und man merkte deutlich, daß das Gespräch den jungen Monarchen angriff. Die Hofleute konnten nichts verstehen, aber beym Weggehen sagte der König mit lauter Stimme: Wahrhaftig, wenn er noch lebte, ich würde ihm die Freyheit schenken. Ludwig XV bewahrte das Geheimniß weit sorgfältiger auf, als der Herzog von Orleans. Der Jesuit Griffet und Saint-Foix brachten die Frage über diesen unbekannten Gefangenen in ihren sehr gelesenen Schriften wieder in Anregung, und jeder widerlegte des andern Meynung. Der König hatte eben Griffets Schrift in der Hand, als ihm in Gegenwart mehrerer Hofleute diese Worte entfuhren: mögen sie immerhin streiten; bis jetzt hat noch keiner die Wahrheit getroffen.

Der Dauphin, Vater Ludwigs XIV. bat den verstorbenen König oft um die Geschichte dieses berühmten Gefangenen „es ist gut, antwortete dieser, daß ihr sie nicht wißt, sie würde euch vielen Kummer verursachen.“

Ludwig XV. pflegte sich mit M. de la Borde, seinem ersten Kammerdiener, bisweilen über verschiedene Gegenstände aus der Geschichte, Literatur, und den schönen Künsten zu unterhalten. Einst fiel das Gespräch auf den Mann mit der eisernen Maske. „Ihr wünschtet wohl, sagte der König, von mir einigen Aufschluß. Ihr wißt davon nichts mehr als alle andre. Aber ihr könnt gewiß glauben, daß dieser Unglückliche [120] keinen Menschen am Hofe beleidigt und niemals Weib oder Kind gehabt hat.“

Eben dieselbe Zurückhaltung bewies Ludwig XV. auch gegen die Pompadour, und seine andren Geliebten. Sie quälten ihn vergebens mit der Bitte, ihre Neugierde zu befriedigen: er sah es selbst ungerne, daß man nur die Frage an ihn that.

Ich schließe mit der Bemerkung, daß der Geschmack des Gefangenen an sehr feiner Wäsche, mit der ihn die Gemalin des St. Mars versorgte nothwendig von seiner eingezogenen Lebensart herrührte. Mangel an Veränderung der Luft, und an Bewegung, der Zwang im Genuß der Sinnlichkeit, brachten in seinen Organen jene ausserordentliche Empfindlichkeit hervor, die man nur bey Mönchen, jungen weichlich erzogenen Menschen, und zärtlichen Weibern antrifft. Durch die beständige Ruhe des Körpers häuft sich das Blut in den äußern Theilen desselben an. Die Haut welche ihn zu oberst umgiebt wird dadurch reitzbar, das Gefühl erhöht, die Empfindlichkeit verstärkt, und der Eindruck äußerer Gegenstände wirkt durch ein so zartes Blut weit fühlbarer. Menschen hingegen die an Reisen oder starke Leibesübungen gewohnt sind, Landleute, und solche die sich mit schweren Arbeiten beschäfftigen, sind für die Eindrücke äusserer Gegenstände weniger empfindlich. Man darf sich also nicht wundern, daß dieser Prinz, der von Jugend auf eingesperrt war, der weder den Gebrauch seiner Füsse, noch die Wirkungen einer freyen [121] Luft, oder freye Leibesbewegungen kannte, eine so äusserst zarte Haut besaß, die ihm das Tragen der feinen Leinwand zu einem wahren Bedürfniß machte.

Dieß ist alles, was ich über jene merkwürdige Person zusammentragen konnte. Ich wünsche nur noch, daß man alle möglichen Untersuchungen anstelle, um den Namen ihres Erziehers zu erforschen, und in den Archiven das Protocoll der Geburt Ludwigs XIV. aufzufinden sich bemühe. Sollte nicht die Rechnungskammer oder die Bibliothek des Königs dieses Actenstück enthalten? Wenigstens verdient der von mir bekannt gemachte Aufsatz alle Aufmerksamkeit des Critischen Forschers. Sollten neuere Entdeckungen es bestätigen, daß der Gefangene kein andrer als ein Zwillingsbruder Ludwigs XIV. gewesen, so würden sie zugleich das Andenken dieses vorzüglichen Mannes, der so lange ein Gegenstand der allgemeinen Neugierde war, allen Einwohnern theurer und werther machen, und die willkührlichen Befehle der Minister und Tyrannen mit desto größerer Schande brandmarken. [3]


Anmerkungen:
  1. Memoires du Marechal Duc de Richelieu Fair de France etc. etc. pour servir a l’historie des Cours de Louis XIV. de la régence du Duc d’Orleans, de Louis XV. et celle des 14 premieres années du Regne de Louis XVI. Roi des François et Restaurateur de la liberté. Unter den Augen des Marschalls und nach den Memoires, Porte-Feuilles und Correspondenzen mehrere gleichzeitigen Minister und Offiziere ausgearbeitet, in vier Bänden. Wie es heißt, sollen auf diese vier Bände noch zwölf andre folgen.
  2. Wer diesen Brief zu entziffern wünscht, dem erspart es einige Mühe, wenn er weiß, daß die Nullen gar nichts bedeuten, daß 1 e, 2 l, 17 u auch v, 20 a, 5 f, 12 o, 15 t, 22 s, bezeichnet.
  3. Vergleicht man die hier vorgetragene Vermuthung mit dem historischen Charakter der dabey handelnden Personen, so scheint sie dadurch einen Grad von Wahrscheinlichkeit mehr zu erhalten. Der ganze Vorgang ist überhaupt aus zwei Handlungen zusammengesetzt, von denen die Eine, wo nicht ganz zu billigen, doch gewiß durch die erheblichsten Gründe zu entschuldigen ist, die andre hingegen vor keinem Tribunal gerechtfertigt werden kann. Den Entschluß, dem Einen der beiden Zwillingsbrüder seine Geburt zu verheimlichen, [122] konnte dem Monarchen, der ihn faßte, nur eine aufrichtige Sorgfalt für das Beste des Staats dictiren, da für ein neugebohrnes und gegen ein ungebohrnes Kind keine Parteilichkeit statt finden kann. Und das Mittel, welches er dazu erwählte, bestätigt dieß noch mehr indem es vielleicht das Einzige ist, bey welchem sich die Gerechtigkeit gegen den Prinzen, welchen man beraubte, mit der Gerechtigkeit gegen den Staat noch einigermaaßen vereinigen ließ. Denn dem Prinzen geschah dadurch die wenigstmögliche Gewalt; er wurde in einem glücklichen Loos in der Gesellschaft, ja sogar für eine königliche Bestimmung erzogen. Wenn ihm in der Folge der Tod seines ältern Bruders den Weg zu dem Thron geöffnet hätte, so hätte ihm diese Unwissenheit seines Standes eher genutzt als geschadet, und er würde in alle seine Rechte wieder eingetreten seyn, ohne durch den bisherigen Irrthum über sich selbst das geringste verloren zu haben, was ihn zu dem ganzen Genuß derselben fähig machen konnte. Ob die Uebel wirklich zu erwarten waren, denen man durch diesen sonderbaren Ausweg vorbeugen wollte, dürfte schwerlich einem Streit unterworfen seyn; wohl aber, ob das Entschiedenste Beste des Staats zur Rechtfertigung dienen konnte, gegen ein einzelnes Glied desselben gewaltthätig zu verfahren? Der unwidersprechlichste Nutzen des Staats würde es nicht entschuldigen, dem geringsten Bürger ein Recht zu entziehen, woran er als Mensch Anspruch machen kann, und wenn Millionen Beyspiele das Gegentheil zeigen, so handelte in diesen Fällen der Staat der stärkere gegen den schwächern, d. i. nach der Gewalt und nicht nach dem Rechte. Aber der Staat sollte es nie vergessen daß er selbst nur ein Mittel zu dem Zwecke seiner Glieder ist (der in dem Genuß ihrer Rechte besteht) und daß der Zweck nie seinem Mittel darf aufgeopfert werden. Eine schreyende Gewaltthätigkeit wäre es demnach gewesen, wenn an diesem Zwillingsbruder [123] Ludwigs XIV. die Fähigkeit entzogen hätte ein glücklicher nehmlich ein vortrefflicher Mensch zu werden – wenn man seinen Geist in einer Jesuiterschule verstümmelt, seinen Körper durch eine weichliche Erziehung zu Grunde gerichtet hätte, und kein noch so großer Vortheil des Staats würde eine solche Gewaltthätigkeit entschuldigt haben. Aber – ganz anders ist es mit einer Krone. Das Recht an diese hatte er nur von dem Staat und was allein der Staat geben kann, kann um der Wohlfahrt des Staats willen auch genommen werden. Die Erblichkeit der Kronen so wie alle übrigen Würden ist nicht um des Prinzen willen, der sie trägt, sondern um des Staats willen eingeführt – und man müßte annehmen, daß die Unterthanen um ihrer Beherrscher willen da seyn, wenn man von der politischen Gesellschaft verlangen wollte, ihre Wohlfahrt lieber in die unvermeidlichste Gefahr zu setzen, als einem einzelnen Bürger ein Recht zu entziehen, das sie ihm nur um ihrer eignen Wohlfarth willen verliehen hat. Aber weder das natürliche noch irgend ein positives Recht und die verabscheuungswürdige Gewaltthätigkeit rechtfertigen, welche man nach Entdeckung seiner Geburt über diesen unglücklichen Prinzen verhängte. Das erste Urtheil entzog ihm bloß ein konventionelles und bedingtes Recht, das zweyte beraubte ihn seiner heiligsten Menschenrechte. Von diesen zwey ganz verschiedenen Theilen und Epochen dieser Begebenheit kommt die unschuldige auf Rechnung Ludwigs XIII. und die abscheuliche auf Rechnung Ludwig des Großen. Die Erste liegt ganz im Karakter eines scrupulosen, gewissenhaften, besorglichen Fürsten; die zweyte ganz im Karacter jenes Ehrgeitzigen, der die Löcher der Bastille mit zahllosen Schlachtopfern seiner Herrschbegierde, seines Despotismus angefüllt hat. Der historischen Wahrscheinlichkeit geschieht also von dieser Seite [124] nicht die geringste Gewalt, wenn man die Gründe des Verfassers für seine Hypothese sonst für bindig halten will. Es wäre zu wünschen, daß ein volles Licht über diese Muthmaßung verbreitet wäre, um den diyonsischen Dolch zu wissen, der so lange Zeit über dem Haupte Ludwigs XIV. gehangen hätte.