Engel-Ehe

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
>>>
Autor: Theodor Storm
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Engel-Ehe
Untertitel:
aus: Neue Gedichte. In: Der Salon für Literatur, Kunst und Gesellschaft, 10. Band (1872) S. 540
Herausgeber: Ernst Dohm und Julius Rodenberg
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von A. H. Payne
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[540]
          Engel-Ehe.


Wie Flederwisch und Bürste sie regiert!
Glas und Geräth, es blitzt nur Alles so
Und lebt und lacht; nur, ach, sie selber nicht;
Ihr schmuck Gesicht – dem Manne ihrer Wahl,

5
Wenn ihre wirthschaftliche Bahn er kreuzt,

Gleich einer Maske hält sie’s ihm entgegen;
Und fragt er gar, so wirft sie ihm das Wort,
Als wie dem Hunde einen Knochen zu.
Denn er ist schuld an Allem, was sie plagt,

10
Am Trotz der Mägde, an den großen Wäschen,

Am Tages-Mühsal und der Nächte Wachen,
Schuld an dem schmutz’gen Pudel und den Kindern.
Er aber weiß, wenn kaum der grimme Tod
Sein unverkennbar Mal ihm aufgeprägt,

15
Dann wird, der doch in jedem Weibe schläft,

Der Engel auch in seinem Weib erwachen;
Ihr eigen Weh’ bezwingend, wird sie dann,
Was aus der Jugend Süßes ihr verblieb,
Heraufbeschwören; leuchten wird es ihm

20
Aus ihren Augen, lind wie Sommerathem,

Wird dann ihr Wort zu seinem Herzen gehn.
Doch glaubet nicht, daß dies ihn tröste! Nein,
Den künft’gen Engel, gräulich haßt er ihn;
Er magert ab, er schlottert im Gebein,

25
Er wird daran ersticken jedenfalls.

Doch eh’ ihm ganz die Kehle zugeschnürt,
Muß er sein Weib in Himmelsglorie sehn;
Die Rede, die er brütend ausstudiert,
Womit vor seinem letzten Athemzug,

30
Jedwedes Wort ein Schwerdt, auf einen Schlag

Er alles Ungemach ihr hat vergelten wollen, –
Er wird sie nimmer halten; Segenstammeln
Wird noch von seinen todten Lippen fliehn.
Das Alles weiß er, und es macht ihn toll;

35
Er geht umher und fluchet innerlich.

Ja, manches Mal, im hellsten Sonnenschein,
Durchfährt es ihn, als stürz’ er in das Grab.
Es war sein Weib, sie sprach ein sanftes Wort;
Und zitternd blickt er auf: „Oh, Gott sei Dank!

40
Noch nicht! Noch nicht das Engelsangesicht!“