Ernst Possart

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Titel: Ernst Possart
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 323,324
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[321]

Ernst Possart als Karl IX. in Lindners „Bluthochzeit“.
Originalzeichnung von P. Grotjohann.


[323] Ernst Possart. (Mit Illustration S. 321.) Wir haben bereits im Jahrgang 1876 unseres Blattes (Nr. 1.) eine Lebensbeschreibung des gefeierten Künstlers gegeben, zugleich mit einer Abbildung, welche seinen Richard III. darstellte. Seitdem hat er sowohl in seiner Kunst, wie auch aus der Bahn des Ruhms glänzende Fortschritte gemacht.

Der am 11. Mai 1841 in Berlin geborene Künstler war, wie wir damals berichteten, seit 1864 am Münchener Hoftheater engagirt. Im Jahre 1878 wurde er Direktor des Königlichen Schauspielhauses und Professor und gab der seit 1876 dort bestehenden Theaterschule eine neue Organisation. Dem Vorgange Dingelstedts folgend, regte er die Gesammtgastspiele von 1880 an, welche die namhaftesten Künstler der Gegenwart an der Isar versammelten und der Schauspielkunst wie der dramatischen Kritik die förderlichsten Anregungen boten. Zahlreiche, oft eine längere zusammenhängende Epoche umfassende Gastspiele machten ihn nicht nur dem deutschen Publikum aller großen Städte bekannt, sondern er hatte auch in Rußland und Holland glänzende Erfolge, die glänzendsten freilich [324] in diesem Winter in Amerika, wo er am Thaliatheater in New-York ausverkaufte Häuser machte, wie kaum ein anderer deutscher Darsteller, und vom Publikum und der Kritik mit Begeisterung aufgenommen wurde.

Was seine sonstigen Lebensverhältnisse betrifft, so erwähnen wir noch, das er mit zu den Begründern des Deutschen Theaters in Berlin gehörte, aber damals von Seinen Verpflichtungen gegen die Münchener Hofbühne nicht entbunden wurde, sondern gegen Zahlung einer bedeutenden Konventionalstrafe aus der Gesellschaft der Societäre des Deutschen Theaters ausscheiden mußte. Gegenwärtig aber ist er als künstlerischer Direktor bei dem Lessingtheater Blumenthals in Berlin engagirt, welches im nächsten Herbst seine Pforten öffnen wird.

Ernst Possart ist ein Künstler von ursprünglicher Begabung; wenn ihm ein dramatischer Charakter in der Seele aufgegangen, so verfügt er über die glänzendsten Mittel zur Gestaltung desselben. Mit großer geistiger Schärfe faßt er seine Umrisse auf; Maske und Gebärdenspiel tragen gleichmäßig dazu bei, ein einheitliches Gesammtbild hervorzurufen; vor allem aber ist er ein Meister des sprachlichen Ausdrucks, wobei er sich stets von allem Deklamatorischen freihält; er ist ein Rhetoriker ersten Ranges, ohne je dabei zu vergessen, daß die dramatische Rede nicht der letzte Zweck der darstellenden Kunst, sondern nur ein Mittel ist zur Erreichung ihrer Zwecke, in deren Dienst er sein prächtiges Organ, die logische Klarheit und zündende Begeisterung seines Vortrags giebt – und diese Verschmelzung des Charakteristischen mit hoher dichterischer Weihe gehört zu seiner Eigenart und räumt ihm einen so hervorragenden Rang unter den deutschen Schauspielern ein. Was er in rednerischer Hinsicht zu leisten vermag, zeigen sein „Nathan“ und sein „Manfred“ – er beherrscht das Wort salbungsvoller Weisheit und milder Lebensklugheit ebenso wie den Ausdruck eines mächtigen Gefühls- und Gedankenlebens, das sich an einem titanischen Ringen entzündet.

Unser Bild zeigt uns den Künstler in einer seiner bedeutendsten Rollen, als König Karl IX. in der „Bluthochzeit“ des unglücklichen, jüngst verstorbenen Albert Lindner. Dieser knabenhaft unreife König, von seiner Mutter zum Verbrechen angelernt, aber sich im entscheidenden Augenblick aus dem Intriguennetz der verworfenen Mediceerin losreißend, ist eine Prachtleistung, ein feines Charakterbild mit packender dramatischer Wendung. Hier sehen wir ihn im letzten Akt, in der Scene, wo er den Qualm der vergifteten Kerzen einathmet, welche seine Mutter einem andern Opfer bestimmt hatte. Sein Hamlet und Narciß, sein Richard III. und Shylock, vor allem sein Advokat Berent in Björnsons Drama „Ein Fallissement“ sind in ganz Deutschland bekannte Kunstleistungen. Neuerdings hat er sein Repertoire durch den Napoleon in dem Heigelschen Stück bereichert und diese Rolle steht, was die ausgezeichnete Maske des Gesichts und der Gestalt und das entsprechende Gebärdenspiel betrifft, würdig neben seinem Friedrich II. in „Des Königs Befehl“. Der König Heinrich VIII. in Gottschalls „Katharina Howard“, den er bei seinem letzten Gastspiel in Leipzig dargestellt, war ein frappantes Charakterbild von wahrhaft dämonischer Beleuchtung.

Noch ist Possart ein schaffensfreudiger Künstler; er ruht nicht auf den Lorbeern eines bisher geschaffenen Repertoires aus; das deutsche Publikum darf noch neue ausgezeichnete Leistungen von ihm erwarten.
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