Fortsetzung der Merckwürdigen Nachricht aus Ost-Indien/Der achte Brieff

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Vorwort Fortsetzung der Merckwürdigen Nachricht aus Ost-Indien (1708)
von Bartholomäus Ziegenbalg und Heinrich Plütscho
Der Neunte Brieff
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Der achte Brieff.
In unserm Heylande, JEsu Christo, Wertheste Gönner und Freunde!

ES hat uns sehr gewundert, daß wir von ihnen dieses Jahr mit den Schiffen von Europa keine Briefe erhalten haben, unerachtet, daß wir beydes aus Africa von Cabo de bona Esperança, als auch verwichenes Jahr von hier aus Ost-Indien an sie unterschiedliche Brieffe geschrieben. Indessen aber habe weder ich, noch mein lieber Mitt-Bruder, auf die Gedancken kommen können, als solten Sie unser vergessen haben: Sintemahl wir täglich in unserm Amte verspühret, daß viele fromme Seelen in Europa seyn müssen, die unser in ihrem Gebeth für GOtt eingedenck seyn; Unter welchen denn sonderlich die werthesten Freunde zu zehlen sind. Nachdem denn nun so wohl meine, als auch meines lieben Collegen Liebe gegen Sie groß ist, und wir ihrer nicht nur allein in unserm Gebeth, sondern auch sonsten täglich eingedenck sind, so haben wir nicht unterlassen können, ihnen hiemit eine kurtze Nachricht von dem Anfange und Fortgange des Wercks, wozu wir ausgesand sind, und von der grossen Gnade, die uns GOtt bißhero alhier erwiesen hat, zu ihrer und anderer Auffmunterung mitzutheilen. Als vergangenes Jahr die Schiffe nach Europa gingen, fiel ich, Bartholomæus Ziegenbalg, in eine sehr gefährliche Kranckheit, welche über einen Monat anhielt, und mich dermassen entkräfftete, daß weder ich, noch sonsten jemand einige Hoffnung zu leben haben konte. GOtt aber schenckte [4] mir dennoch das Leben. In Ansehung dessen erkannte ich meine Schuldigkeit zu seyn, mich so vielmehr gäntzlich dem HErren zu seinem Dienst auffzuopffern. Desgleichen that auch mein lieber Collega, so daß wir, uneracht alles Gegenstandes, unser Amt mit allen Ernst zu treiben anfingen, in Versicherung, daß uns GOtt in unserm Vertrauen nicht würde zu schanden werden lassen.

Unsere vornehmste Sorge aber war, wie wir möchten zur Erlernung der Malabarischen Sprache gelangen, nachdem wir der Portugisischen schon ziemlich mächtig waren. Nun hatten wir zwar einen eigenen Malabarischen Schulmeister; Aber gleichwol wusten wir nicht, wo wir Vocabula und die Wissenschafft der Construction dieser Sprache hernehmen solten; Indem uns vom Schulmeister zwar das Lesen und Schreiben konnte gezeiget werden; Aber weil er kein Wort Portugisisch verstund, wuste er uns darinnen keinen Unterricht zu geben. Hierauff wurden wir mit einem Malabaren bekandt, der zuvor der Compagnie als Ober-Tolck gedienet hatte, und nebst dem Malabarischen, gut Portugisisch, Dänisch, Holländisch und Teutsch redete. Diesen nahmen wir für ein gewisses Geld zu unsern Translatorem an, und colligirten[1] vermittelst seiner täglich sehr viel Malabarische Vocabula, biß auf etliche tausend, und memorirten sie wol. Nachmahls bemüheten wir uns, wie wir hinter die Declinationes und Conjugationes kommen möchten, fingen auch an schon Bücher in solcher Sprache zu lesen. GOtt ließ alles wol von statten gehen. Hierauff wurden uns von dem Herren Commendanten alhier, in Portugisischer Sprache einige Grammaticalische Præcepta[2] verschrieben, welche ein Missionarius vom Könige in Franckreich auffgesetzet hatte; Ja wir bekamen auch unterschiedliche Bücher, so von den Catholicken in Malabarischer Sprache verfertiget; welche zwar voller gefährlicher Irrthümer waren, aber nichts desto weniger zur Erlernung dieser Sprache ein grosses contribuirten, also daß wir aus selbigen einen Christlichen Stilum uns angewöhnen können; Da wir sonsten vorhero nicht wusten, mit was für Worten und Redens-Arten man die Geistliche Materien ausdrucken solte, damit nichts nach dem Heydenthum schmeckete. Das beste Buch, so uns nöthig und nützlich, war unter selbigen das Euangelien-Buch. Dieses gingen wir am ersten durch, und zogen alle Vocabula und Redens-Arten heraus, machten uns selbige wohl bekannt, [5] und suchten sie gleich in täglicher Ubung anzuwenden. Nachmahls giengen wir auch andere Bücher durch, also daß ich, B. Z. endlich in 8. Monaten so weit kam, daß ich, vermöge Göttlicher Gnade, in dieser sehr schweren Sprache lesen, schreiben und reden, auch selbige im Reden mit andern verstehen konnte. Herr Heinrich Plütschau legete sich zwar auch auf die Erlernung dieser Sprache, und ist auch darinnen, ohnerachtet, daß man in diesem heissen Lande nicht viel mit dem Kopfe arbeiten darff, ziemlich weit gekommen; Aber gleichwol war es höchst nöthig, daß wir uns hierinnen theileten, also, daß er sich hauptsächlich auf das Portugisische, und ich mich sonderlich auf das Malabarische legete, indem wir alle beyde Hände voll in diesen beyden Sprachen zuthun bekamen: wie er denn bißhero alle Tage zwey Stunden im Portugisischen, und ich im Malabarischen catechesiren müssen.

Wir wurden nicht lange nach unser Ankunfft von einigen Warheit-liebenden Teutschen alhier ersuchet, ob wir nicht mit ihnen GOttes Wort handeln wolten? Wir waren gantz willig dazu, und fingen deswegen eine Erbauung in unserm Hause an. An eben dem Tage aber, als solches solte angefangen werden, nöthigte uns der Herr Commendant zu Gaste, alwo wir denn mit ihm von der Sache redeten, und von ihm diese Antwort bekahmen, er könnte und wolte uns solches nicht wehren: aber gleichwol sehe er lieber, daß es öffentlich in der Dänischen Kirche geschehe; wir sagten, daß wir solches so lange in unserm Hause thun wolten, biß er deshalb andere Anordnung machete. Hierauff gingen wir zu Hause, und funden das gantze Hauß voll Leute, GOttes Wort zu hören, denen wir denn nach unserm geringen Vermögen willig dieneten. Es wurden aber andere uns daher sehr contrair, daß sie auch öffters wieder uns redeten. Das Volck aber kam nur desto häuffiger zu uns, desgleichen auch einige der Vornehmsten, also daß uns auch der Raum unsers Hauses zu enge wurde. Der Herr Commendant schickte endlich den Secretarium zu uns, und ließ uns fragen, ob wir belieben wolten, in der Kirchen alle Wochen zu predigen. Wir sagten: Gar gerne, aber doch nicht ohne Verwilligung und Handschlag der Dänischen Herren Prediger. Der Herr Commendant ruhete nicht ehe, biß ers so weit gebracht hatte. Wir verehrten 22. teutsche Gesang-Bücher in die Kirche, und haben von da an, nemlich vom Monat December 1706 biß hieher darinnen geprediget: Welches zwar seinen grossen Wiederstand gehabt, [6] aber gleichwol solchen Seegen verursachet, daß wir uns dessen höchlich zu erfreuen haben. Solcher gestalt hatten wir den nun Gelegenheit, so wol an den Heyden und Mahometanern, als auch an denen Christen zu arbeiten. Wir wusten nicht, wo wir offtmahls nöthige Leibes und Gemüths Kräffte hernehmen solten, indem wir täglich biß hieher vom Morgen sehr frühe, biß späte in die Nacht haben arbeiten müssen. GOtt aber hat uns übernatürliche Krafft mitgetheilet, also, daß so wol Christen, als Heyden bekennen, daß GOtt müssen mit uns seyn: zumahl da sie sehen, daß wir auch in unserm Leben und Wandel, nach unserm Gewissen durch GOttes Gnade dasjenige suchen zu bezeugen, was wir reden und lehren; welches nicht wenig nachdencken bey ihnen verursachet hat.

Und dieses alles, was wir in Einfalt bißhero vorgenommen, hat GOtt auch schon reichlich geseegnet, zur Uberzeugung und Bekehrung einiger, ja vieler Seelen. Gleich zum erstenmahl wurden 5. Heyden mit Christlicher Solennitæt in der Dänischen Kirchen getaufft, dergestalt, daß sie vorher öffentlich von allen Glaubens-Articuln examiniret wurden; wovon sie solche Rechenschafft zu geben wusten, daß viele alten darüber beschämet wurden; Wie wir uns denn dabey überzeuget halten, daß ihnen ihre Bekehrung zu Christo ein rechter Ernst sey. Ja was noch mehr ist, GOtt hat auch Gnade gegeben, daß wir schon eine eigene Kirche alhie unter den Malabaren haben aufbauen können, welches ihnen, Werthesten Freunde und Brüder, wol nicht ein geringes seyn wird; Wie wir denn selbsten Ursache haben uns höchlich darüber zu verwundern, indem sich desfals sehr viel Hinderung gefunden; und gleichwol hat uns GOtt in unsern Vertrauen nicht stecken lassen. Zwar wissen wir durch GOttes Gnade wol, daß der Evangelische GOttes-Dienst des neuen Bundes fürnemlich aufs innere und unsichtbare zu führen sey, und es mit dem äusserlichen Tempel-Wesen, auf welches man es in der Christenheit hin und wieder leyder hauptsächlich ankommen läst, gar nicht ausgemachet sey; Jedoch aber weil GOtt ist ein GOtt der Ordnung; und von seinen Kindern nicht allein innerlich und daheim, sondern auch äusserlich und offentlich wil angebethet und verehret seyn; Unser Wohn-Hauß aber zur öffentlichen Versammlung und dabey vorzunehmenden Handlungen des Göttlichen Worts, der Catechesation und der Heiligen Sacramenten, nicht bequem und hinlänglich war; So haben wir unumgänglich [7] auf ein öffentliches Kirchen-Gebäude müssen bedacht seyn; Zumahl da auch die Heiden in der blancken (wie sie reden) Christen ihre Kirche nicht kommen wolten, weil diese in alzu hoffärtigen Kleidern einher gingen, sie aber schwartz wären, und nur einen Tuch um ihren Leib hätten.

Es funde sich ein Mann von einer vornehmen Familie, der zu unserer Evangelischen Religion treten, und auf seine Unkosten eine Kirche wolte aufführen lassen; aber es erhub sich ein solcher Streit deswegen, daß der Mann sich gäntzlich von hinnen an einen andern Ort begeben muste. Darauff fingen wir im Nahmen GOttes und unsers lieben Königes nichts destoweniger den Bau der Kirchen an, und zwar von unserm ordentlichen salario. Es spottete unser fast jedermann, der es ansahe; man hielte uns für thörichte, und konnte es nicht glauben, daß wir es ausführen würden. Wir aber fuhren im Nahmen des HErren getrost fort; empfingen auch von einem guten Freunde eine Beysteuer von 50 Thlr. Als nun unsere Wiederwärtigen sahen, daß der Bau glücklich von statten ginge, so fingen sie an sich zu schämen, und contribuirten selbsten etwas dazu. Darüber wir den GOtt nicht genugsahm loben und preisen konnten. Also wurde der Bau vollendet, und die Kirche, so ausser der Stadt, mitten unter den Malabaren an der grössesten Land-Strasse lieget, und von lauter Steinen aufgeführet ist, den 14. Augusti, als am VIII Sonntage nach Trinitatis, mit einer Malabarischen und Portugisischen Predigt, unter einer grossen Menge von Heyden, Mahometanern und Christen, im Nahmen des dreyeinigen GOttes eingeweihet. Und dieses geschahe mit Verwunderung aller Menschen, die da bekennen musten, daß die Hand des HErren warhafftig mit uns seyn müste. Und also haben wir bereits sieben Wochen her (ausser dem, daß wir auch beständig beybehalten alle Mittwochen in der Dänischen Kirchen, oder dem so genannten Zion, teutsch zu predigen, welches denn bißhero auch nicht geringen Seegen gehabt) in unserm Jerusalem (denn so nennen wir unsere Kirche) mit predigen, catechesiren, tauffen, und Verreichung des Heiligen Abendmahls, unsern Evangelischen GOttes-Dienst gehalten. Des Sonntags frühe wird von uns darinnen Portugisisch, Nachmittage aber Malabarisch geprediget. Desgleichen wird auch von einem jeden eine kleine Catechesation angestellet. Des Freytags wird gleichfals wechsels-weise Malabarisch und Portugisisch [8] geprediget und catechesiret. Es kömmt allezeit eine grosse Menge Malabaren, Mohren und Christen zusammen. Wir geben auch allemahl jedermann Freyheit hinein zu kommen, er mag seyn Heyd oder Mahometaner, Papistischer oder Evangelischer Christ; jedoch daß unsere eigentliche Gemeine ihren Platz und Sitz besonders hat.

Und auf diese Art ist des HErren Werck in kurtzer Zeit also fort gegangen, daß wir schon eine kleine Gemeine von 36. Persohnen haben, und die sieben und dreyßigste soll im Nahmen JEsu morgen getauffet werden, in der Hoffnung, daß in kurtzen noch mehrere dazu kommen werden, wie denn noch ihrer viel eine Liebe zur Christlichen Religion bezeugen. Wir haben unter andern einen blinden Mann, an welchem GOtt überschwengliche Gnade erwiesen hat, also daß wir ihn auch am Wercke des Herren als einen Catecheten gebrauchen können. Er stehet in einem solchen heiligen Eyfer über unsere Christliche Religion, daß jedermann sich über seine mächtige Reden verwundern muß. Was für eine innige Freude wir haben an unserer neu gepflantzten Gemeine, können wir mit Worten nicht aussprechen. Unsere Liebe in Treibung und Fortsetzung dieses Wercks wird dadurch so groß, daß, ob wir gleich, laut unsere Instruction, nach dem dritten oder fünfften Jahre wieder von hinnen nach Dennemarck gehen könten, wir dennoch vermeinen nach GOttes Willen alhier zu leben und zu sterben, zum wenigsten können wir noch auf keine Zurück-Kunfft gedencken: Unerachtet daß wir ungemeine Arbeit haben, und dabey fast von allen Seiten angefeindet und verfolget werden; Wie sie sich denn darüber sehr verwundern würden, wenn wir ihnen alles umständlich erzehlen solten. Jedoch hat der Teuffel dadurch das Werck des HERREN nur desto mehr befordern, und uns desto mehr zu GOtt treiben müssen. Mit denen Heiden und Mahometanern haben wir uns gar wol vertragen können, und sie mögen auch gar gerne um uns seyn, unerachtet daß wir sie stets ihres Aberglaubens und Abgötterey halber bestraffen. Aber von denen sich alhier befindenden, zum theil aber Heidnischen Christen, haben wir dagegen fast lauter Feindschafft gehabt; wiewol auch GOtt die seinigen darunter hat, die die Warheit gerne hören.

Unser gantzes Bemühen gehet nun dahin, wie wir noch ferner [9] am Wercke des HErren im Seegen arbeiten mögen, und haben an Ihro Königliche Majestät in Dennemarck unterschiedliche Vorschläge gethan, wodurch es könne befordert werden. Es kömmt zwar hierinnen alles auf die Gnade GOttes an; Aber gleichwol wenn uns solten fein viel äusserliche Mittel zugeschicket werden, so würden wir Gelegenheit haben, zu vielen guten Anstalten und vielen Seegen. Wir haben mit dem vorigen Schiffe unsern werthesten Freunden geschrieben, daß sie uns möchten eine Steuer zu schicken, und hoffen, daß wir dieselbige auch mit kommenden Schiffen gantz gewiß empfangen werden. Indessen bitten wir, daß, wo es möglich ist, man uns doch gute erbauliche teutsche Bücher überschicken wolle, und sonderlich etwan 50 Gesang-Bücher, die der Herr Pastor Naumann drucken lassen. Es ist alhier und an andern Orten herum von denen Teutschen ein grosser Hunger darnach. Ich zweiffele nicht, daß, wenn die lieben Freunde mit einigen GOttliebenden Persohnen desfals reden werden, selbige etwas dazu zu contribuiren, sich nicht wegern werden. Wir haben mit diesen Schiffen zugleich verlanget, daß uns annoch zwey Persohnen möchten zu Hülffe geschicket werden. Indessen werden die lieben Freunde und Brüder nicht aufhören unser stets in ihrem Gebeth bey GOtt zu gedencken, wie uns denn diese Versicherung so lieb ist, als wenn wir Persönlich bey ihnen seyn könten. Jedoch wünschen wir offtmahls, daß sie uns einmahl in der grossen Menge der Heiden Malabarisch und Portugisisch möchten predigen hören.

Wir grüssen in dem HErrn ihre Werthgeschätzte Familien, und alle andere geliebten Freunde und Gönner, insonderheit den Herrn N. N. N. N. und alle diejenigen insgesamt, so da dieses Werck des HErrn durch ihr Gebet zu befördern suchen. GOtt sey mit uns und ihnen immer und ewiglich, Amen! Wir verbleiben unter dessen allmächtigen Schutz und Gnade

Unsere in Christo vielgeliebten Freunde und Brüder zu Gebet
und Liebe Verbundene.
Bartholomæus Ziegenbalg,
Heinrich Plütscho.
Diener des Göttlichen Worts unter den
Heiden.
Geschrieben in Ost-Indien auf der Küste
Coromandel, zu Tranquebar den 12.
Septembr. 1707.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. sammelten
  2. Grundlagen