Geheimnis (Tucholsky)

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Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Geheimnis
Untertitel:
aus: Das Lächeln der Mona Lisa, S. 335-337
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1929
Verlag: Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Weltbühne, 1. November 1927
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[335]
Geheimnis


Jüngst betraf mich ein Japaner,
und in des Gespräches Wellen,
als wir von Matrosen sprachen,
ließ er ein klein Wörtlein fallen:

5
               „Skibi“.


„Was bedeutet das, Geehrter?“
fragt ich leicht und glatt und höflich.
„Nie noch hört ich diese Silben:
               Skibi –?

10
Ists ein Laster? Ein Gesellschafts-

spiel? Kann man es konsumieren?
Tun Matrosen es? Mit wem wohl?
               Skibi –?“

Der Japaner nickte höflich,

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lächelte und schwieg. Und seitdem

hockt auf mir der Skibi-Wahnsinn.
Skibi! zwitschern alle Spatzen.
Skibi-skibi! gellt die Hupe.
Und die Stadtbahn-Wagenachsen

20
rattern: Skibi-skibi-skibi …!


[336]
Skibi! piept die Bodenmaus.

Und so sieht die Sonne aus:



Traurig krauche ich durchs Leben.
Kann mir niemand Rettung geben?

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     Auf, nach Japan laßt mich fahren,

     seekrank, heiß, mit Möwenscharen
     wochenlang in Schiffsbewegung,
     II. Klasse (mit Verpflegung) –
Und ich seh nicht Palästina,

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Indien nicht an und China –

Bombay nicht und nicht Kalkutta,
in Port-Said die Kuppelmutter …
Ungegessen, ungeschlafen,
               fahr ich.

35
Auf dem Quai im Japan-Hafen

spring ich auf den ersten Besten,
halt ihn an am Knopf der Westen –
     schreiend frag ich:
          „Was ist Skibi –?“

40
Der Japaner, kalten Blutes,

spricht: „Das fragt man nicht. Man tut es.
     Skibi-skibi-skibi-skibi –!“

[337]
In die Heimat fährt ein Greis.

Stumm. Zerbrochen. Haar schlohweiß.

45
Geht ins Kloster als Trappist,

weil er nicht weiß, was Skibi ist.