Geschichte des Illuminaten-Ordens/Beschuldigungen die dem Orden wurden

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Weishaupts letzte Jahre und seine Familie Geschichte des Illuminaten-Ordens (1906) von Leopold Engel
Weishaupts letzte Jahre und seine Familie
Der Fortbestand des Ordens und die Furcht vor ihm


[402]
Beschuldigungen, die dem Orden wurden.

Die merkwürdigste, aber auch gleichzeitig groteskeste Beschuldigung, die jemals dem Illuminatenorden nachgesagt worden ist, [404] war die, dass er die französische Revolution zur Explosion gebracht habe. Es gehörte recht viel Kombinationsvermögen und Taschenspielerei in der Logik dazu, um den Beweis für diese wundersame Behauptung zusammenzuleimen, aber in jener Zeit wurde tatsächlich alles geglaubt, sobald es sich darum handelte, dem Illuminatismus eine neue Schurkerei aufzuhalsen. Französische und deutsche Schriftsteller haben diese Fabel behandelt, wir greifen aus deren Werken das des bekannten Freimaureranklägers Starck heraus, betitelt: Der Triumph der Philosophie im 18. Jahrhundert, das 1803 erschien und in dem die ganze Kette der angeblichen Begebenheiten ausführlich erzählt wird. Nach diesem Werke heisst es im Auszuge ab Seite 348, II. Band, dass Graf Mirabeau bei seinem Aufenthalte in Berlin mit den dortigen Illuminaten, aus deren Nachrichten er die geheimen Briefe über die preussische Staatsverfassung zusammenschrieb,[1] bekannt geworden war. Von diesen ward er Mauvillon empfohlen, der damals schon zu Braunschweig stand und ihn in die Geheimnisse des Illuminatismus einweihte. Mauvillon und sein Adept kamen bald darin überein, dass Frankreich, wo die Philosophen gegen Religion und Staatsverfassung schon so herrlich vorgearbeitet hatten, wo die Sitten verdorben waren und alles schon gärte, vor allen andern das Land sei, wo man das experimentum in anima vili anfangen könne. Es ist wohl zu merken, dass nicht gesagt wird, dass die Illuminaten oder illuminierten Freimaurer die französische Revolution hervorgebracht haben, diese würde durch den Philosophismus, durch welchen die Nation total verbildet war, ohnehin erfolgt sein, obgleich später. Aber die Illuminaten haben die schon längst durch die Philosophen angelegte Mine zur Explosion gebracht.

Sobald Mirabeau in die Geheimnisse[2] des Illuminatismus eingeweihet war, bewies er sich auch gleich als einen tätigen Adepten.[3]

[405] Er machte bald nach seiner Zurückkunft nach Paris den Versuch, den Illuminatismus in die Loge der Philalethen oder sogenannten Amis réunis einzuführen. Er trug daher Mauvillon auf, dafür zu sorgen, dass der Orden ein paar vollkommen unterrichtete Männer von Gewicht nach Paris senden möchte, um die dortigen Logen zu illuminieren.

Graf Mirabeau.
(Leonidas?).

Der Autor gibt nun einen Überblick über die damalige Lage der Freimaurerei in Frankreich und behauptet, dass die Anzahl der Logen daselbst bald auf 532, bald auf 477 echte und 33 unechte angesetzt worden sei und dass sie sich in mehrere Parteien gespaltet haben.

  1. Bestanden Logen mit nur 3 Graden nach dem englischen System.
  2. Dann Logen mit mehreren Graden, darunter solche, die dem Clermontschen System angehörten.

[406]

  1. Das Templerische System mit der strikten Observanz.
  2. Die Philalethen oder Martinisten, deren Häupter Martinez de Pasquali, St. Martin, Villermoz, Chappe de la Henriere und Savalette de l'Ange waren und die nachmals unter dem Namen der wohltätigen Ritter der heiligen Stadt sich mit der 3. Partei grösstenteils vereinigten.
  3. Die Illuminés. Das sind nun nicht etwa die Illuminaten, sondern eine ganz besondere Sekte, auf die wir noch zu sprechen kommen werden.


»Von diesen Parteien,« erzählt nun der Autor weiter, »waren die zweite und die vierte die zahlreichsten. Jene nannten ihre Pariser Hauptloge den Grand Orient de Paris, und der Herzog von Orleans, nachmals Egalité, war schon zu der Zeit, da er noch Duc de Chartres war, ihr Chef. Die dritte und in der Folge auch die vierte Partei erkannte den Herzog Ferdinand von Braunschweig für ihr Oberhaupt. Diese letztere Partei war bisher von der zweiten, die den Herzog von Orleans zum Grossmeister hatte, und von einem gewissen de Leutre, einem Avanturier, der schon zu Avignon unter dem Galgen gestanden hatte, mit mehreren neuen Graden und Geheimnissen bereichert war, für schismatisch erklärt und in den Bann getan worden. Da aber das System der Philalethen ungeachtet ihrer Bemühungen auf dem Wilhelmsbader Konvent im Jahre 1782 nur sehr wenige Anhänger in Deutschland erhalten hatte, so unterwarfen sie sich grösstenteils dem Herzoge von Orleans und vereinigten sich dem Grand Orient de Paris. Diejenigen, die dieses taten, erhielten den Namen des Amis réunis und da sie nicht nur ihre Geheimnisse in den Schoss des Grand Orient niederlegten, sondern auch alles, was sie von Freimaurersystemen auftreiben konnten, sammelten, in der sonderbaren Absicht (wozu sie auch einen Konvent nach Paris ausschrieben, womit es aber verunglückte), daraus ein vollkommenes Ganzes zu bilden, so gab dies Gelegenheit zu der Inschrift, die Orleans über die Türe der Hauptloge setzen liess:

Chacun y porte son rayon de lumière.

Das war die Lage der französischen Freimaurerei, als Mirabeau es versuchte, den Illuminatismus in dieselbe einzuführen.

Auf Mirabeaus Verlangen, dass zwei vollkommen unterrichtete und angesehene Illuminaten nach Frankreich geschickt werden möchten und auf Mauvillons Betrieb wurden im Jahre 1787 Bode (Aemilius) und von dem Busche (Bayard) nach [407] Paris abgeschickt. Ihre Sendung ward in Deutschland sehr geheim gehalten, und wo man sie erfuhr, hiess es, dass sie Erkundigungen über den Magnetismus, und ob und wie weit die Jesuiten Einfluss auf die geheimen Gesellschaften hätten, einziehen wollten. Die beiden Apostel fingen ihre Operationen in der Loge des Amis réunis an, an deren Spitze Savalette stand und zu welcher auch Bonneville gehörte, mit welchem Bode gleichfalls in Verbindung stand.


Es hat nicht an deutschen Schriftstellern gefehlt, welche bald die Mission dieser beiden Apostel nach Paris, bald die Absicht derselben geleugnet und diejenigen, welche sie bekannt gemacht, als Lügner und Verleumder gebrandmarkt haben. Teils wollten sie den Bode, teils den Illuminatenorden von dem grossen und gerechten Vorwurf, an dem Ausbruch der französischen Revolution Teil gehabt zu haben, retten und mit Tinte rein und weiss waschen.« — —


Der Autor gibt nun an, dass ausser der genannten Hauptloge auch die andern nicht versäumt wurden. Zu diesen Logen gehörten nun auch die beiden unter Orleans als Grossmeister gestandenen Logen les neufs Soeurs und de la bandeur, die eine ganze Anzahl späterer Revolutionshelden, wie z. B. de Rochefoucauld, Condorcet, Camille-Desmoulins, Danton, Lafayette, Guillotin, Morel, de Leutre usw. zu Mitgliedern hatten.

»Das Evangelium des Spartacus musste hier eine günstige Aufnahme finden, die blosse Entdeckung, dass Voltaires Wunsch — dass die Philosophen eine solche Vereinigung wie die Freimaurerei errichten möchten — durch den Illuminatismus erfüllet sei, wäre dazu schon hinreichend gewesen.


Der Illuminatismus ward von nun an der französischen Freimaurerei eingeimpft und ihre Logen wurden in Verschwörungsspelunken gegen Thron und Altäre umgeschaffen. Hass dem Gottesdienste! Hass dem Königtume! Freiheit und Gleichheit! Die Fürsten und Pfaffen, als die Bösen, von der Erde verschwinden machen, und eine allgemeine Republik und eine Vernunftreligion einzuführen, dies grosse Geheimnis der illuminatischen Mysterienklasse, war auch das Geheimnis dieser Comités Sécréts und die Mittel, es auszuführen, der Gegenstand ihrer Beratschlagungen. Da man insgemein die Zahl der dem Grossmeister Orleans unterworfenen Logen auf 266 rechnet, welch eine Menge von Verschwörungshöhlen wurden auf solche Weise gebildet, [408] wenn nur in der Hälfte derselben dergleichen Comités errichtet wurden.

An den in den Logen errichteten Comités hatte man indessen nicht genug. Man sah wohl ein, dass man zur thätigen Ausführung des Grand Oeuvre derbe Pöbelfäuste gebrauche und nicht vergebens hatte Spartacus den Adepten empfohlen, sich durch die Menge zu verstärken. Das Mittel dazu war bei der Hand, — und dies waren die seit der bei den Franzosen eingerissenen Anglomanie schon eingeführten Clubbs, »die«, wie ein Schriftsteller sagt, »anfangs zum Lesen der öffentlichen Blätter bestimmt waren, aber bald der Schauplatz der heftigsten Diskussionen gegen die Regierung wurden.« Dies durfte nur genützet werden, in England und Deutschland hatten die Freimaurer ausser den Logen auch häufig Clubbs, welchen auch Profane beiwohnen durften, und der Illuminatismus hatte Lesegesellschaften und correspondirende Zirkels, die vom Orden abhingen. Man ermangelte also nicht an allen Orten, wo nur illuminirte Logen Comités sécréts oder Adepten sich befanden, welche die Leitung übernehmen konnten, solche Clubbs zu errichten, welche die Pflanzschule zu künftigen Revolutionshelden und die Vorhöfe des Allerheiligsten waren und nach den Grundsätzen und Absichten dieser letztern sowohl bei den Wahlen der Deputirten zur Nationalversammlung, als auch nachher auf diese Versammlung selbst wirkten.

Unter allen diesen Clubbs war der wichtigste der sogenannte Club Breton, der 1789 gestiftet wurde, ganz unter der Leitung des Areopags der illuminirten Pariser Loge stand und mit allen übrigen im Reiche zusammenhing. Die vornehmsten Glieder desselben — alle Mitglieder der Comités sécréts der Pariser Logen — waren: Glezen, Mirabeau, Lieges, leChappellier, Pethion, Barnave, Volney, die Brüder Lameth, Bouche, Coroller, la Coste und Camille Desmoulins. Ein Souterain der Zugänge des dem Herzoge von Orleans gehörigen Schlosse zu St. Cloud war der erste Versammlungsort dieses Clubbs.

Endlich sprang am 14. Juli 1789 die schreckliche Revolutionsmine und nun ward dieser Clubb, welcher durch die glücklichen Operationen der vor ihm ausgespieenen Casse-cous, wie man sie nannte, Bouche, La Coste, die Lameths und Desmoulins immer kühner geworden war und immer mehr Zulauf erhielt, nach Paris in das Dominicaner-Kloster in der Strasse St. Jaques verlegt, und von diesem Versammlungsorte erhielten die Glieder dieses [409] Clubbs den Namen Jacobiner. Von dieser Zeit an war das grosse Geheimnis der illuminirten Logen und ihrer Comités sécréts kein Geheimnis mehr.« — —

Hier ist nun der famose Autor mit der Beweisführung, dass der Jacobinismus nur eine Ausgeburt des Illuminatismus sei, fertig. Er gibt noch eine ganze Anzahl von Schriftstellern an, die derselben Meinung waren und begreift nicht den Unsinn, der in der Logik liegt, dass, wenn Bode und v. Busche nicht nach Paris gereist wären, es jedenfalls dann niemals Jakobinerklubs gegeben hätte. Die Geschichte hat längst endgültig nachgewiesen, dass diese Beschuldigung lächerlich, absurd ist und jedes Hintergrundes entbehrt. Wenn wir nun noch hier nachweisen, wie der so vielgeschmähte Bode, den wir bereits als Freund des Herzogs von Gotha kennen lernten, zu seiner Reise nach Paris kam, und dass diese wirklich recht harmloser Natur war, so fällt mit dem Nachweis der falschen Prämisse auch sofort das künstliche Gebäude dieser Verleumdung.

Im vorigen Kapitel ist bereits die Böttigersche Briefsammlung in der Königl. öffentl. Bibliothek zu Dresden erwähnt. Diese enthält auch die Abschriften einer ganzen Anzahl von Briefen Bodes an Frau Hess in Hirschberg. Mit dieser Dame, die in glücklichster Ehe lebte, verband ihn die reinste Freundschaft. Bode verlebte bei dem Ehepaare schöne Stunden und hat in einem jahrelangen Briefwechsel seiner Freundin die klarsten Einblicke in seine Denkweise gegeben. Als Bode am 13. Dezember 1793 gestorben war, entstand ein Briefwechsel zwischen Böttiger und Frau Hess, die die gesamten Briefe Bodes an Böttiger übersandte mit folgenden Worten, datiert vom 20. Sept. 1794:


»Seine Briefe an mich, werden Ihnen theurer Freund, die sprechendsten Beweise davon geben. (Nämlich von dem reinen Freundschaftsverhältnis.) Daher hat sie auch ausser Ihnen noch kein Mensch in seine Hände bekommen und ich konnte dem engen Freund und Liebling meines Bode wohl keinen grösseren Beweis meines Vertrauens geben, als durch diese Überlieferung.« —


Unter den Briefen befindet sich nun ein Schreiben, das Bode aus Paris an Frau Hess sandte und das alle die hier in Frage kommenden Punkte seiner Pariser Reise berührt. Böttiger erkannte sofort die Wichtigkeit dieses Schreibens und wollte deswegen [410] diesen Pariser Brief in der Lebensbeschreibung Bodes, die er als berufener Nekrologschreiber herauszugeben dachte und auch veröffentlicht hat, wörtlich bekannt geben. Er ersuchte hierum Frau Hess, die inzwischen die Briefe zurückerhalten hatte, jedoch ohne zu wissen, dass Böttiger sämtliche Briefe kopieren liess und seiner Briefsammlung einverleibt hatte. Frau Hess antwortete ihm aus Hirschberg am 15. März 1795:


»Mit demselben Vertrauen mit welchem ich schon einmahl meine Bodenschen Briefe in Ihre Hände legte, werde ich Ihnen zwar auch diesmahl, den Gebrauch der bezeichneten Stellen aus seinem von Paris an mich geschriebenen Briefe überlassen, wenn Sie überzeugt sind: dass es der Verewigte, könnte er befragt werden, selbst billigen würde, sonst, mein theurer Freund — — werde ich nie einwilligen, dass aus diesen unter dem heiligen Siegel reiner Vertraulichkeit geführten Briefwechsel, auch nur ein Wort öffentlich bekannt werde.«


Böttiger hat des Briefes nicht Erwähnung getan. Zweifellos aus Rücksicht für die Dame, die er nicht in einen Klatsch verwickeln wollte, der in Anbetracht der lauernden Feinde sicher damals entstanden wäre. Dadurch ist es gekommen, dass bis heute der inzwischen gänzlich vergessene Brief niemals veröffentlicht worden ist. Dieses jetzt auch noch zu unterlassen, liegt jedoch gar kein Grund vor, denn sicherlich würde der Verewigte, wie Frau Hess verlangt, die Veröffentlichung nicht nur billigen, sondern aus Geschichtsinteresse sogar verlangen.

Der Brief gibt klaren Einblick über die Gründe der Reise und auch über die Erfahrungen mit dem sogenannten Tierischen Magnetismus. Er ist zur Beurteilung der nüchternen Denkweise Bodes sehr charakteristisch und zeigt, wie er, ohne die heutigen unumstösslichen Lehren des Hypnotismus und der Suggestion zu kennen, doch schon diese Gesetze ahnt. Es spricht der Forschergeist Bodes hier deutlich seine Bedenken aus und deswegen setzen wir den ganzen Brief an diese Stelle, wenn auch nur der Anfang für die Ordensgeschichte von Bedeutung ist.


Paris, d. 2. Aug. 1787.
Meine höchst geschätzte Freundin!

Es ist auf meiner Reise kein Tag hingegangen, da ich nicht an Sie gedacht habe, und immer fast mit der unangenehmen [411] Vergleichung des Vergnügens, das ich bei Ihnen würde genossen haben und das oft sehr Unangenehme, was mir auf dieser Reise zum Loose gefallen ist. Alles was mich trösten muss, ist, dass ich Pflichten für Andere, meinen eigenen Freuden vorgezogen habe.[4]

Lassen Sie mich, meine geliebte Freundin, da ich hier meine Geschäfte geendigt habe und die erste Musse nach langer Zeit finde, Ihnen die Gefahr meiner Reise, so kurz als möglich erzählen.

Als ich schon meine Sachen völlig eingerichtet hatte, um den 21sten May in Herrenhut einzutreffen, und des Endes den 4ten May nach Leipzig abgehen wollte, kam den 26. May ein Freund, Herr v. d. Busche, ein ziemlich reicher Edelmann zu mir, der mit seiner Zeit zuweilen im Kriege lebt. Als ich ihm von meiner Schlesischen Reise sprach, wollte er mit mir gehen. Ich hatte nichts dawider. Bey weiterem Gespräche kamen wir auf den Convent der Freymaurer in Paris, unter dem Namen der Philalethen zu sprechen, für welchen ich den Winter über an einer Schrift gearbeitet und bereits abgeschickt hatte, um diese grössesten Theils gute und redliche Menschen von gewissen schädlichen Meynungen[5] zurück zu bringen. Als Herr v. d. B. dieses Memoir gelesen hatte, meinte er, ich würde viel Nutzen stiften, wenn ich selbst nach Paris ginge, wo die Versammlungen noch fort dauerten, und daneben noch ein neuer Einladungsbrief einlief, und ich mich entschuldigte, dass ich die Kosten der Reise für meinen Beutel zu schwer fände, hob er diesen Einwurf, dass er die Reise mitmachen, und die Kosten hin und her, allein tragen wolle, dass ich nur in Paris für mein Geld zu leben hätte. Aus Ursachen, die ich Ihnen nicht sagen mag, wollte mir die Proposition nicht gefallen. Allein einige hohe Brüder, denen er die Sache vorstellte, traten ihm bey und stellten mir vor, es sey Pflicht, ja sie wussten die Frau Gräfin[6] auf ihre Seite zu bringen. Ich musste also nachgeben und wir reiseten den 1ten May ab, um den 20sten in Paris zu seyn. Herr v. d. Busche [412] hatte vorausgesagt, dass er Geschäfte halber einige Tage in Frankfurt bleiben müsse. Aber er blieb viel länger, und ich, der ich gerne meine Pläne stricte befolge, sass da wie auf Kohlen, und wartete von Tag zu Tage, dass wir weiter reisen sollten, so dass ich also in dieser Ungewissheit nicht einmal eine Arbeit vornehmen konnte, um so weniger, da ich meine Sachen in einem Koffer vorausgeschickt hatte, um den Reisewagen nicht zu beschweren.« —


Bode erfährt nun Ende Mai von der Herzogin von Weimar in Frankfurt, dass die Gräfin tödlich krank gewesen sei. Er will sofort umkehren, die Herzogin versichert, dass das unnötig und sie beauftragt sei, ihm mitzuteilen, er möge weiterreisen. Bode schreibt dem Arzt und erhält nun von der Gräfin selbst die Versicherung, sie sei in völliger Besserung, und sie verlange, dass er weiterreise. Er kam erst den 24. Juni in Paris an, infolge längeren Aufenthaltes unterwegs. Nachdem Bode angibt, wohin die Briefe, die er erbittet, zu senden sind, fährt er fort:


»Mein Hauptzweck hier ist mir gelungen. Weil ich hier ankam, hatte meine Schrift, die ich vorausgeschickt hatte, als ich noch nicht daran dachte selbst zu kommen, schon einen guten Eindruck gemacht, und, welches bey den ungeduldigen, flüchtigen Franzosen keine Kleinigkeit ist, war zweimal gelesen worden. Das Suchen nach Alchemie, Cabala, Theosophie, Theurgie und wie die feinen occulten Wissenschaften mehr heissen, hat bey diesen Conventualen ein Ende. Sie sind überzeugt, dass sie seither eine gutherzige Thorin gewesen sind, und sind entschlossen, hinkünftig ihre Zeit und ihre Geisteskräfte auf solche Dinge zu richten, welche erreichbar und der menschlichen Gesellschaft nützlicher sind. Von dieser Seite bin ich also mit meiner Reise völlig zufrieden. Mehr kann ich Ihnen, als einer in der Freymaurerei Prophanen hierüber nicht sagen! Sie verstehen mich über das Wort, hoffe ich, denn ich halte Sie in andern Verhältnissen, in meinem Herzen für eine Heilige, zu der ich mein heisses Gebet schicke. —

Auch habe ich die Gelegenheit in Strassburg und hier wahrgenommen, mit allem Fleiss zu bemerken, was es mit dem Thierischen Magnetismus für eine Bewandniss habe. Man hat bisher in Deutschland so viel darüber gesprochen und geschrieben, dass ich, obgleich ich nicht an Wunder und Wunderkuren [413] glaube, es doch der Mühe werth erachtete, der Wahrheit, auch in dieser Sache, so nahe als möglich zu kommen. Ich würde für heute zu weitläufig seyn, wenn ich Ihnen meine Bemerkungen nach der Länge hersetzen wollte. Sie stehen alle getreulich in meinem Journale, und wenn Sie es interessiert, so will ich Ihnen über diesen Punkt einen Auszug schicken. Sie müssen ihn aber verlangen.

So viel kann ich Ihnen, meine theuerste Freundin hier darüber sagen, ohne von Ihnen zu befürchten, dass Sie mich für einen Leichtgläubigen halten werden. Ich bin durch meine eigene Erfahrung überzeugt, dass in der Natur, die wir noch gar wenig, obgleich ein wenig besser, als unsere Vorältern kennen, eine sehr feine Materie vorhanden sey, welche bis jetzt noch ganz unerklärbare Wirkungen hervorbringt. Der, welcher sie zuerst aus der Wirkung bemerkt hat, hat solche ein magnetisches Fluidum genannt, vielleicht blos deswegen, weil er solche eben so unbegreiflich fand, als den Eisenmagnet mit seiner anziehenden und abstossenden Kraft. Diejenigen, die sich viel mit dem Magnetisiren abgeben, selbst die, welche Ursach und Wirkung blos als physisch betrachten, sind durch die Erscheinungen, die ganz unerwartet unter ihren Augen entstehen, voller Bewunderung, Erstaunen und werden also gar leichtlich übertreibende Enthusiasten. Die Vernünftigsten unter diesen Magnetiseurs halten dafür, das Fluidum sey eine, der elektrischen ähnliche Materie, die durch ihr unaufhörliches Strömen um und durch alle Körper gleichsam das Principium aller Bewegung, alles Lebens sey. Ein lebender thierischer Körper also, durch welchen dieses Fluidum allenthalben gleich frey strömen, und sich in demselben im Gleichgewicht halten könne, sey im vollkommensten Stande der Gesundheit, und die meisten wenigsten Nervenkrankheiten entstünden daher, dass diese Materie in einem Theile des Körpers zu viel und in einem andern zu wenig, und ihr dabei der Weg gehemmt sey, sich allenthalben de niveau zu setzen. Bey der Electricität ist es ein bekannter Satz, dass man ihre Materie die überhaupt mit der magnetischen viel Ähnlichkeit hat; wofern es nicht gar nur zwey verschiedene Modifikationen einer und derselben Materie ist! durch Entgegenhaltung von Spitzen, in umgekehrter Potenz ableiten und still ohne Explosion in andere Körper leiten kann. Eine Erfahrung, die endlich den Blitzableiter hervorgebracht hat. Die blos physischen Magnetiseurs also sagen, [414] sie bringen alle Wirkungen des Thierischen Magnetismus (der Mensch wird in diesem Falle auch, und ich glaube mit Recht, in das Thierreich gesetzt) bloss dadurch hervor, dass sie durch Ableitung dieses Fluidi, von Orten, wo sie zu angehäuft, und durch Mittheilung, wo ihrer zu wenig ist; und dieses vermittelst der vorgehaltenen Fingerspitzen, welche da, wo sie mehr finden als sie haben, ansaugen, und wo sie zu wenig finden, ausströmen, indem dieses Fluidum sich, wie das Wasser etwa, immer in Gleichgewicht und freye Bewegung zu setzen sucht. Es giebt besonders 3 Theorien hierüber. Die Barberinische, welche durch Gebetsformeln und exaltirte Religiosität zu wirken vorgiebt. Diese halte ich für Buben und Narren, das Puiseguirische, welches mit den blos physischen Operationen, auch Formeln zu verbinden nöthig erachtet.

Hierbey mag sich Schwachheit des Geistes, Mangel an physischen Untersuchungsgeiste, und ein wenig Charlantanerie verbinden, besonders sprechen diese zweyten noch viel vom Glauben; aber nicht soviel als die Ersten; und die letztern, welche ihr System freylich auch lange nicht ins Reine gebracht haben, sprechen von keinem Glauben, weder bey dem Operateur, noch bei dem Operirten.[7] Doch ich spreche Ihnen zu viel von einer Theorie, die erst durch Deutsche oder Engländerische Naturforscher, der Wahrheit nähergebracht werden wird, und wollte Ihnen eigentlich sagen, was ich für Erscheinungen bey dieser Sache gesehen und gefühlt habe. —

Ich habe also gesehen: Personen beyderlei Geschlechts im Magnetischen Schlafe, die sprechen und handeln, als ob sie wachten. Das ist gewiss. Über sich selbst und ihre Krankheit am meisten und zuverlässigsten. Ihre Imagination ist in diesem Zustande sehr erhöht, bis zum Prophezeien aber gehet es gewiss nicht. Sie haben in diesem Schlafe gewiss keine andern Ideen, als etwa ein erhöhtes, kläreres Resultat derer, die sie mit hinein brachten, z. B. wer keine Mathematik kennt, wird in diesem Zustande nicht von Mathematik u. s. f. sprechen. Ich habe Kuren gesehen, die bloss durch das Magnetisieren bewirkt, ohne deswegen zu glauben, das es ein Universalmittel gegen [415] Krankheiten oder gar gegen den Tod sey. Das Merkwürdigste und an sich schon Entscheidende für das Daseyn einer physischen Kraft des Thierischen Magnetismus, was ich mehr als einmal gesehen habe, ist, dass in eben dem Zimmer, worin eine Gesellschaft magnetisierter Personen, in einem Zirkel sitzen, der Thermometer, der in diesem Zirkel aufgehängt, in wenigen Secunden um verschiedene Grade steigt, unterdessen der andere, der ausser dem Zirkel hängt, in seiner natürlichen Stellung bleibt und nur den Grad der Wärme der äusseren Luft anzeigt, obgleich der Zirkel den freyen Fluss der Luft im Zimmer nicht hemmen kann.[8]

Kurz, Sie sehen, meine Theuerste Freundin, dass ich an den Magnetismus, als eine bisher unbemerkte Kraft in der Natur, glaube; und dass ich überzeugt bin, diese Kräfte werden einst, wenn sie erst von unsern tiefer forschenden Physikern näher beleuchtet werden, zu mancherley Vortheilen für die Menschheit angewendet werden können. Die Franzosen, die allerdings oft Windeyer legen und immer gaksen, werden theils selbst nicht weit mit ihren zukünftigen Untersuchungen kommen, theils aber auch haben sie Uns Deutsche so misstrauisch gemacht, dass wir auf ihr Gaksen nicht achten, wenn sie auch wirklich ein volles Ey gelegt haben, das des Unterlegens wohl werth wäre. Und da sie zum Ausbrüten zu wenig anhaltende Stetigkeit haben; so gehen manche ihrer Eyer verloren. Dies ist ungefähr die bisherige Geschichte des von einem Empiriker, Messmer, durch glücklichen Hazard gefundenen Thierischen Magnetismus. Von dem ich übrigens ganz kühnlich prophezeie; er werde mit der Zeit ein wichtiger Gegenstand der physischen Wissenschaften werden. Aber erst muss er aus den Händen unwissender Charlatane gerissen werden.« —


Wie übrigens Bode über Frankreich dachte, schreibt Schiller ebenfalls an Körner am 10. Sept. 1787. Er sagt: Bode hat eine schlechte Idee von Paris zurückgebracht. Die Nation habe alle Energie verloren und nähere sich mit schnellen Schritten ihrem Verfall. — Bei solchem Urteil, das Bode offen aussprach, erscheint die Kombination, dass dieser Mann den Versuch gemacht habe, die Nation aufzurütteln, doch recht lächerlich.

[416] Es heisst auch offene Türen einrennen, wenn heutzutage noch bewiesen werden soll, dass die Illuminaten nichts mit den Jacobinern gemein hatten, immerhin ist es doch nicht so ganz überflüssig, für die Zwecke dieses Werkes, den Beweis hierfür endgültig noch weiter durchzuführen, als es aus dem Bodeschen Briefe möglich ist. Letzterer liesse für verdächtigende Kombinationen noch immer Spielraum, enthält daher in sich nicht den ganz strikten Beweis von dem, was nach der Abreise der beiden Illuminaten in Paris noch geschehen ist. Es wird daher auch in alten Schriften betont, dass Bode und Busche nur den entwicklungsfähigen Samen ausgestreut haben, dann ist aber die Verbindung zwischen Illuminaten und Jacobinern noch nicht durch den Brief als falsch bewiesen.

Bode galt nun einmal als Hauptilluminat und sogar als Nachfolger Weishaupts. In der anonym und ohne Jahreszahl, etwa 1860 erschienenen Ausgabe der Briefe Schillers, herausgegeben von der Allgemeinen Deutschen Verlags-Anstalt, Berlin, befindet sich Band I. Seite 296 in einer Fussnote über Bode folgende Erklärung: »Er spielte in dem geheimen Ordenswesen der damaligen Zeit eine grosse Rolle: als Aemilius trat er in den Illuminatenorden, ward 1782 zum Illuminatus dirigens befördert und wurde nach Weishaupts Vertreibung dessen Nachfolger.« —

Für diese letzte weitgehende Behauptung existiert jedoch kein anderer Beweis, als dass Bode im regen Verkehr mit der Illuminaten-Loge in Gotha stand, die etwa 2—3 Jahre bestand, der Weishaupt selbst jedoch nicht angehörte. Bode und Koppe, Generalsuperintendent in Gotha, später in Hannover gestorben, scheinen wohl die führenden Geister für Thüringen, jedoch nicht für andere Länder gewesen zu sein. Der Verdacht, dass bei der Nähe von Weimar und Gotha und dem tatsächlichen Bestehen der Loge in letzter Stadt, Weishaupt etwa durch Bode regierte und rachsüchtig revolutionäre Pläne schmiedete, selbst bis nach Paris hin, erscheint immerhin durch die Umstände erklärlich, entbehrt jedoch jeder Grundlage. Falls eine solche Verbindung existierte und weittragende Wirkungen, wie die französische Revolution, hervorrief, so ist sicher, dass die Pariser Staats-Archive in den Schriftstücken aus jener Zeit Spuren derselben aufweisen müssten. Das ist nicht der Fall, wohl aber enthalten sie Beweise für das Gegenteil.

Die bisherigen Gesandtschaftsberichte Montezans und Chalgrins, die unter Ludwig dem XVI. ihre Tätigkeit in München ausübten, [417] brechen mit dem April 1792 ab. Von da ab bewahrt das Archiv Berichte von verschiedenen Abgesandten, die unter dem Revolutionsregime arbeiteten.

Die Kenntnisse von den Verhältnissen in Bayern müssen sich diese Nachfolger erst neu erwerben, die Berichte zeigen deutlich, dass ihnen diejenigen ihrer Vorgänger gänzlich fremd waren, was aus dem Hass der revolutionären, bürgerlichen Vertreter gegen die aristokratischen früheren Regierungsvertreter leicht erklärlich ist.

Am 16. Mai 1792 erwähnt Bourdois kurz die Sekte der Illuminés, ohne diese weiter zu erklären. Am 1. November 1792 sendet Dassigny einen langen Bericht über seine Reisen und Beobachtungen in Bayern und Deutschland ein, die eine Zone von 70 Lieus umfassen; er war in Frankfurt, Heilbronn, München, Augsburg, Ulm und berichtet darüber und sagt z. B. von den Illuminaten ganz kurz bei der Benachrichtigung, dass Österreich gern Bayern mit seinen andern Staaten vereinen wollte:

»Le predecesseur du Ministre actuel, immédiatement après la paix de Teschen, mit tout en combustion à la cour et à la ville, à l'aide d'une secte d’illuminés très merveilleusement approprié au goût des Bavarois pour les nouvautés.« —

Er geht jedoch auf den Orden durchaus nicht näher ein, ihm ist es nur darum zu tun, zu erfahren, wie die revolutionären französischen Ideen in Deutschland Anklang finden.

Am 25. Mai 1796 sendet nun ein Regierungsagent Frey einen deutschen Bericht (er war ein Deutscher) über Bayern ein, in dem er sagt: Es gab in Bayern immer sehr aufgeklärte und helldenkende Köpfe und das Volk ist nichts weniger als dumm, selbes würde die Sprache der Wahrheit noch leichter verstehen, als manches andere, sobald man in selber mit ihm sprechen würde. — —

Er zählt dann eine Anzahl berühmter Männer und deren Verdienste auf und sagt:


Dieses geschah Alles während unsere Nachbarschaft sich noch nicht einmal die Augen zu wischen anfing, anno 1774—80 wurden eine Menge Schriften in Bayern herausgegeben und mit Eifer verbreitet, welche in mancher Hinsicht selbst der französischen Revolution würden Ehre gemacht haben, z. B. die Charfreytags-Prozession, das Deliberierbüchlein, Portzjunkula-Büchlein, deren Satyre nach Voltaires Art ihrem Verfasser Bucher viel [418] Ehre und wegen der angenehmen leichten Schreibart auch jetzt noch beim Volke viel Einfluss schaffte, dann das Buch Florus, der bayrische Hanswurst, die Evangelisten und eine Menge andere, die viel Nutzen stifteten. Die Bayrische Akademie der Wissenschaften fing ebenfalls um diese Zeit an gemeinnütziger zu werden und bald darauf erhob sich der Illuminatenorden, welcher mit den nehmlichen Artikeln im Kleinen handelte, mit welchen gegenwärtig die französische Nation im Grossen handelt: Diese wichtige bayrische Kompagnie war schon sehr zahlreich, und würde mit ein wenig mehr Vorsicht, Klugheit und ehrlichem Sinn ganz gewiss das geleistet haben, was die Menschheit von ihr fordern durfte. Dessenungeachtet konnte doch die priesterliche Milde nicht hindern oder ungeschehen machen, was einmal gethan war, obgleich sie mit dem frömmsten Eifer eine Menge Opfer aus diesem Orden dem zu Ehren darbrachte, den sie vor 1796 Jahren seines Illuminatismus wegen hängen liess. —

Am 7. juin 1796 enthält ein Extrait d'une Notice de Guerre folgende Mitteilung in Übersetzung:

Ich denke, dass es wichtig sein würde, zu wissen, ob es in München einige Mitglieder der Illuminaten gibt, um sie zu verbinden, Frankreich nützlich zu sein. Dieser Orden unterscheidet sich wesentlich von dem der Illuminés. Er ist ehemals in Bayern sehr verbreitet gewesen, seine Prinzipien sich nähernd denjenigen der Freimaurer, waren sehr scharf gegen den religiösen und zivilen Despotismus ausgesprochen. In der Epoche der ersten französischen Erfolge in Deutschland nannten ihn die Verbündeten den Vorläufer der Jacobiner und klagten ihn an, mit diesen letzteren einverstanden zu sein. Er war von sehr aufgeklärten Männern gegründet, dann wurde er angezeigt durch einige falsche Brüder und durch den Kurfürsten aufgehoben. —
(Unterschrift fehlt.)

Dieser Bericht zeigt deutlich, dass man in Paris nichts von dem Orden wusste; noch klarer geht das aus nachfolgender Note hervor, datiert nach dem Revolutionskalender.


Note. 19 Gal. an 4.
(Übersetzung.)

Der Orden der Illuminaten, welcher sich wesentlich von dem der Illuminés unterscheidet, ist ehemals in Bayern sehr [419] verbreitet gewesen. Freunde von Grundsätzen und der Menschlichkeit hatten sich da vereinigt, um sich dem Fortschritt des zivilen und religiösen Despotismus entgegenzustellen, sehr aufgeklärte, öffentliche Beamte gehörten zu dieser Zahl. Weishaupt, sehr berühmter Professor an der Universität zu Ingolstadt, war an ihrer Spitze. Dieser Geheimorden näherte sich viel den Freimaurern, aber er war mehr instruiert und mehr dem Interesse der Volksunterdrücker entgegengestellt.

Der Kurfürst von Bayern, durch einige falsche Brüder von den Grundsätzen, zu denen die Illuminaten sich bekannten, unterrichtet, verfuhr mit Härte gegen dieselben, er hat sie von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen und sie selbst in seinem Kurfürstentum verboten. Es war leicht, ihre Versammlungen zu schliessen und ihre Korrespondenz aufzufangen, aber es war unmöglich, dieses heilige Feuer zu verlöschen, diesen Enthusiasmus für die Freiheit zu ersticken, welchen dieser Orden dem Geist junger, ehrbarer und aufgeklärter Leute mitzuteilen gewusst hat. Die vereinigten Mächte nannten die Illuminaten die Vorläufer der Jacobiner, schrieben ihnen ein angebliches Einverständnis zwischen den Illuminaten und den Jacobinern zu, und alle Unfälle, welche die deutschen Armeen beim ersten Triumph-Einzug der Franzosen in Deutschland zu ertragen hatten.

Es scheint mir wichtig, unsern Korrespondenten in München zu fragen, ob er frühere Mitglieder des Ordens der Illuminaten kennt und ob er nicht ein Mittel hätte, dass sie sich im Dienste der französischen Republik nützlich erweisen. —


Unter dem Datum Munich le 30 Pluviose an 7, schreibt »Alquiet« noch einen Bericht, der des Inquisitors Lippert gedenkt und seiner Verfolgungen gegen alle, die des Illuminatismus verdächtig sind, dann verschwinden die Mitteilungen über den Orden zur Revolutionszeit. — Es ist klar, wenn eine Verbindung zwischen den Jacobinischen Machthabern in diesen Jahren mit den Illuminaten bestanden hätte, dass dann diese Mitteilungen doch ganz anders lauten müssten und nicht von einem angeblichen Einverständnis geredet würde, wie es der Fall ist; ganz sicher würde aber nicht eine vollständige Unkenntnis von dem Orden zum Vorschein kommen. —

Wir können daher jetzt ruhig diese Tatsache, dass der Orden nichts mit den revolutionären Bewegungen Frankreichs zu tun hatte, als endgültig bewiesen ansehen und wollen nur [420] noch darauf hinweisen, dass ein Ordensmitglied, der unglückliche Maire von Strassburg, namens Dietrich, mit dem Ordensnamen Omarius, ein Opfer der Revolution wurde. Sein Haupt fiel unter der Guillotine, ein Schicksal, das sicher zu vermeiden möglich gewesen wäre, wenn zwischen den Revolutionären und den Illuminaten tatsächliche Verbindungen bestanden hätten.

In den französischen Berichten wird auf den Unterschied zwischen Illuminés und Illuminaten hingewiesen. Wir müssen hier einen Augenblick verweilen.

Es gab in Frankreich eine Sekte, die sich Illuminés nannte und die namentlich durch eine Broschüre »Essay sur le secte des Illuminés« bekannt geworden ist. Diese Schrift wurde auch in das Deutsche übersetzt und mit vielfachen Bemerkungen versehen, die beweisen, dass diese Illuminés in keiner Weise mit den Illuminaten identisch sind. Der Hauptsitz dieser Sekte soll auf dem Schlosse zu Ermenonville gewesen und Saint-Germain, der Vorläufer Cagliostros, der nach einigen phantastischen Erzählungen ebenfalls dem Illuminatenorden angehört haben soll, jedenfalls in Verwechslung mit den Illuminés, war Vorsitzender der dortigen Logen. Diese Illuminés werden nun als Leute dargestellt, die an den fürchterlichsten Riten, Eidschwüren und Lehren Gefallen fanden. Geisterbeschwörungen, Bluttränke und allerhand Unfug war bei ihnen zu finden, alles Dinge, die den Illuminaten nicht nachgewiesen werden können. Die Regierung kannte diese Illuminés, wie die Berichte beweisen und unterschied sie daher auch von den Illuminaten. Auf diese Illuminés weiter einzugehen liegt kein Grund vor, nur ist zu betonen, dass sie nicht mit den Illuminaten zu verwechseln sind.

Ebenso wie Saint-Germain manchmal als ein Mitglied des Ordens genannt wird, ist auch Cagliostro, dieser Erzschwindler und Betrüger, als Illuminat und sogar als Chef der Illuminaten ausgeschrieen worden. Cagliostro hat sogar selbst versucht, sich mit diesem Nimbus zu umgeben, es muss dabei auch diese Beschuldigung klargestellt werden. Dr. Eugen Sierke gibt in seinem Werke »Schwärmer und Schwindler zu Ende des 18. Jahrhunderts« genaue Nachrichten über Cagliostro auf Grund der italienischen Prozessakten und berührt auch seine Lügereien über den Illuminatenorden:

Er sagt daselbst Seite 407—409:


»Zu Ende Juni 1780 hatte Balsamo (d. i. der richtige Name [421] von Cagliostro) Reissaus genommen und zu Anfang September tauchte er wieder in Strassburg auf.

Der mehrerwähnte Auszug aus den römischen Prozessakten lässt Balsamo auf der Reise dorthin noch in Frankfurt a. M. einen kurzen Aufenthalt nehmen und berichtet über die dortigen Erlebnisse Balsamos mit dessen eigenen Worten. Hiernach will Balsamo in Frankfurt die Bekanntschaft der Häupter der dortigen Illuminaten-Loge gemacht haben und von diesen eingeladen sein,

Dietrich, Maire von Strassburg.
(Omarius.).

mit ihnen auf ein drei Meilen bei der Stadt belegenes Landhaus zu fahren, in dessen Garten man eine künstliche Grotte besuchte und dann, auf 14-15 Treppen in derselben hinabsteigend, in ein unterirdisches Zimmer gelangte, das den Ordensmitgliedern als Versammlungslokal diente.

Einer der beiden Begleiter Balsamos nahm aus einem Tische in der Mitte des Zimmers ein Buch heraus, dessen Anfang folgendermassen lautete: »Wir Grossmeister der Tempelherren« etc. Sodann folgte eine Eidesformel, die in schrecklichen Ausdrücken abgefasst war und die Verpflichtung enthielt, alle despotischen [422] Monarchen zu vertilgen. Die Formel war mit Blut geschrieben und hatte ausser der Chiffre Balsamos, die obenan stand, elf Unterschriften, die sämtlich ebenfalls mit Blut geschrieben waren. Diese Unterschriften wiesen die Namen der zwölf Grossmeister der Illuminaten auf. Balsamos Chiffre war jedoch nicht von ihm selbst gezeichnet und er wusste auch nicht, wie sie dorthin kam.

»Aus dem, was ich hier und dort in dem Buche gelesen, überzeugte ich mich immer mehr, dass der bestimmte Streich dieser Secte vornehmlich auf Frankreich gerichtet war, nach dessen Fall es sodann auf Italien, sonderlich auf Rom losgehen würde,« bemerkte Balsamo seinen Richtern gegenüber betreffs des gedachten Buches. So versichert wenigstens sein Biograph. »Ich überzeugte mich ferner, dass die Gesellschaft in verschiedenen Banken zu Amsterdam, Rotterdam, London und Genua grosse Geldsummen liegen habe, welche, wie mir meine Begleiter versicherten, von den Beträgen herkommen, die alljährlich von 180000 Maurern, für jeden fünf Louisdor gerechnet, entrichtet würden, dass man sich dieser Summe zur Unterhaltung der Ordenshäupter, zur Besoldung der Emissäre, die an allen Höfen sich befänden, zur Unterhaltung der Schiffe und endlich zur Anschaffung dessen, was die Secte brauchte, und zur Belohnung derjenigen bediene, welche irgend eine Unternehmung gegen despotische Souveraine wagten. Ich entdeckte ferner, dass die Anzahl der Logen, die sich in Amerika und Europa befinden, 20000 betrage, die jährlich am St. Johannistage verpflichtet seien, 25 Louisdor an die gemeinsame Ordenskasse zu zahlen. Endlich boten mir meine Begleiter Unterstützung an Geld an und versicherten, bereit zu sein, mir auch mit ihrem Blute zu dienen. Ich erhielt wirklich 600 Louisdor von ihnen an baarem Gelde. Als wir hierauf in Gesellschaft nach Frankfurt zurückkamen, reiste ich andern Tags mit meiner Frau nach Strassburg ab.«

So unser Wundermann.

Da sich füglich nicht annehmen lässt, dass der römische Biograph an dieser Stelle sich eine direkte Fälschung resp. Unterschiebung erlaubt haben sollte, so bleibt nichts anderes übrig als die Möglichkeit, Balsamo habe auch in Rom seine Richter in der nämlichen unverschämten Weise an der Nase herumgeführt, wie er es in Paris getan. Diese Möglichkeit wird indessen zur Gewissheit, wenn wir diesen Roman besonders an seinem Schlusse genauer betrachten. Balsamo wollte damit nur [423] seinen Richtern imponieren und zugleich einen Beweis liefern, wie es schon früher vorgekommen, dass er zum Mitglied einer geheimen Verbindung gestempelt worden, ohne es in der Tat zu sein, und um an der Hand dieses Beispiels die Unhaltbarkeit der jetzt in Rom wegen des nämlichen Umstandes gegen ihn erhobenen Anklage zu beleuchten. Er will seine Richter glauben machen, sein Ruf als Wundermann habe ihm wider sein Wissen und Willen die Ehre eines Illuminuten-Grossmeisters eingebracht, wobei er die unbeschreibliche Dummheit begeht, einbilden zu wollen, ein so staatsgefährlicher Orden hätte ihn, ohne ihn vorher zu prüfen, in seine tiefsten Geheimnisse eingeweiht! Für den Kundigen bedarf es jedenfalls nicht der besonderen Bemerkung, dass die Illuminaten mit diesem fabelhaften Bunde nicht das Mindeste zu schaffen gehabt haben. Übrigens lässt auch Pater Marcell seinen Zweifel an der Wahrheit dieser Erzählung hindurchschimmern, indem er bemerkt, dem Untersuchungsrichter sei es nicht möglich gewesen, über diese Angaben Nachforschungen anzustellen. Wenn wir trotz der Ungeheuerlichkeit jenes Märchens davon Notiz genommen, so verfolgten wir abermals den Zweck, damit die Lügenhaftigkeit unseres Helden noch weiter zu charakterisieren. Das vorstehende Beispiel dafür gehört eben zu den bemerkenswertesten.« — —

Soweit Sierke.

Die Wahrheitsliebe fordert einzugestehen, dass trotz der allerdings horrenden Lügenhaftigkeit des sogenannten Grafen Cagliostro dennoch ein, wenn auch nur kleines Körnchen Wahrheit an der Sache ist. — Nicht weit von Frankfurt a. M. liegt der Ort Gross-Karben mit dem Schlosse gleichen Namens, Majorat der Freiherrn v. Leonhardi. Im Parke des Schlosses befindet sich noch heute ein Gartentempel mit einem Steintisch und sagt die Überlieferung, dass hier Cagliostro seiner Zeit von Obern des Illuminatenordens empfangen worden sei. Dokumente, die diese mündliche Überlieferung bestätigen, existieren nicht. Wie ist demnach diese Angelegenheit zu erklären?

Im Jahre 1780 lebte auf dem Schlosse Freiherr Peter v. Leonhardi, der als hervorragender Freimaurer bekannt ist und unter dem Namen Anarcharsis auch dem Illuminatenorden angehörte. Der Freiherr interessierte sich ungemein für alle geheimen Wissenschaften, trieb Alchemie und war mit allen Wundermännern bekannt. Zum Beispiel befindet sich im Schlosse noch ein Stück Gold, das er mit dem Gaukler Schrepfer in einer [424] Nacht hergestellt hat. Diese Liebhaberei für geheime Künste war damals allgemein und wurde auch von Knigge geteilt, der den Freiherrn kannte. Knigge hat jedenfalls den Baron angeworben, als er nach seinen Aussagen im Jahre 1780 bei Frankfurt lebte und eifrig für den Orden warb. Auch der Umstand, dass der Freiherr sich von Weishaupt abwandte, nachdem Knigge mit dem Orden gebrochen hatte, lässt vermuten, dass beide gute Freunde waren.

Knigge gibt nun in seiner rechtfertigenden Schrift »Philos endliche Erklärung« Seite 23 an, dass er 1780 einen einsamen ländlichen Aufenthalt in der Nähe von Frankfurt a. M. bezogen hat und sagt dann wörtlich, nachdem er über seine phantastischen Neigungen in früheren Jahren selbstironisch berichtete:

»Da ging denn kein vacierender Geisterseher, vornehmen und geringen Standes, kein reisender Geheimnisjäger, kein bettelnder Goldmacher mein Haus vorbei.« —

Es ist doch sehr naheliegend, dass unter solchen Umständen Knigge auch mit Cagliostro bei Frankfurt a. M. zusammengekommen sein muss, der im Jahre 1780 bereits ein berühmter Mann war. — Ob Knigge nicht etwa gar in Grosskarben wohnte, kann ich nicht feststellen, er selbst spricht nur von seinem ländlichen Aufenthalt bei Frankfurt. Wenn das nun auch nicht der Fall ist, so genügen doch diese drei Tatsachen, 1. die Überlieferung von dem Tempel im Park, 2. die Angaben Knigges, 3. dass Knigge eifrig für den Orden warb, und alle bedeutenden Männer heranzuziehen suchte, um anzunehmen, dass Cagliostro später ein sicher nur ganz vorübergehendes Zusammentreffen mit Illuminaten, die allem Anschein nach Knigge und v. Leonhardi waren, zu seinem phantastischen Märchen aufbauschte, das lebhaft an die famosen Aussagen des Barons Mändl erinnert.

Es hat der Vorwurf, Cagliostro sei ein Illuminatenoberer gewesen, wobei die Illuminés wieder mit ihren schauerlichen Gebräuchen ebenfalls als die Illuminaten angegeben und mit letzteren verwechselt wurden, später solche Dimensionen angenommen, dass Bode eine anonyme Schrift herausgab, die beides richtig stellen sollte. Bode schreibt aus Weimar am 12. Mai 1790 an Frau Hess:


»Wenn sie einmal nichts besseres zu thun haben: so lesen Sie doch auch eine Broschüre mit dem Titel: Ist Cagliostro Chef der Illuminaten? Wenn Sie aber den Notenmacher zu [425] errathen vermeynen sollten: so bitte ich Sie Ihre Vermuthung niemanden mitzutheilen. Denn der Mann mag von den Kreuzluftfrommen weder geliebt noch gehasset seyn.«


In dieser Schrift ist überzeugend nachgewiesen, dass der Illuminatenorden weder mit den Illuminés verwechselt werden darf, noch jemals etwas mit Cagliostro zu tun hatte. Nur das hier Geschilderte ist der ganze Grund und Boden, auf dem auch diese Beschuldigungen aufgebaut worden sind.


  1. Das ist Unsinn, denn Mirabeau hielt sich als nichtoffizieller Gesandter in Berlin auf, verkehrte viel am Hofe und schrieb aus eigener Anschauung sein vor kurzer Zeit neu aufgelegtes Werk: Geheime Geschichte des Berliner Hofes, oder Briefwechsel eines reisenden Franzosen, vom 5. Juli 1786 bis den 19. Jan. 1787.
  2. Es sei hier darauf aufmerksam gemacht, dass diese Geheimnisse immer darauf hinausgehen sollten, die Fürsten zu stürzen, die Religion zu beseitigen und eine Selbstregierung einzuführen.
  3. Sein Ordensname soll Leonidas gewesen sein.
  4. Er beabsichtigte die Familie Hess zu besuchen, was jedoch durch die Pariser Reise unmöglich wurde.
  5. Diese betreffen den Glauben an Geisterbeschwörungen, theosophische Phantastereien, Studium der Theurgie, Alchemie und allerhand okkultistischen Spielereien, die namentlich durch Cagliostro mit seiner egyptischen Maurerei verbreitet worden waren.
  6. Gräfin Bernstorff, seine Gönnerin, deren Vermögen er verwaltete.
  7. Es ist sehr interessant, aus dieser Einteilung zu ersehen, wie scharf Bode beobachtete. Diese Dreiteilung besteht noch heute. 1. Gebetsheilung, jetzt aus Amerika importiert. 2. Magnetismus, die Mesmer-Theorie der jetzigen Magnetopathen und 3. Hypnotismus und Suggestion der Nancyer Schule. Nur die Namen sind anders, die Sache ist dieselbe.
  8. Dieses Experiment nachzuprüfen, dürfte berufenen Kreisen anzuempfehlen sein.


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