Geschichte des Illuminaten-Ordens/Die Ordenskasse. Geistliche als Illuminaten.

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Giftrezepte der Illuminaten und ein berüchtigtes Protokoll Geschichte des Illuminaten-Ordens (1906) von Leopold Engel
Die Ordenskasse. Geistliche als Illuminaten.
Die Ausbreitung des Ordens


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Die Ordenskasse. Geistliche als Illuminaten.

Die Kassenverhältnisse des Ordens erregten das ganz besondere Interesse des Kurfürsten. Er liess daher den Ordenskassierer Kanonikus Hertel mehrfach verhören und schliesslich in den Neuturm einsperren, um von ihm genauen Ausweis über Einnahmen und Ausgaben, sowie über Verbleib der Ordenskasse zu erhalten. Hertel, dessen sonstige Aussagen nichts Neues über das von uns schon Verhandelte enthalten, gibt denn auch eine Schilderung der Illuminaten- sowie Logenkasse und den Schlussstand dieser Kassen an. Er beruft sich darauf, dass seine Angaben, da ihm alle Unterlagen fehlen und nur sein Gedächtnis als Hilfsmittel ihm zu Gebote steht, in den Ziffern nicht genau sein können.

Nach ihm war der Illuminaten-Orden oder Provinz Cassa-Rest zum Beschluss des Illuminaten Jahres 1784, das am 20. März 1785 endete, an Barschaft 8—900 fl.

Von diesem Gelde erhielt Weishaupt 500 fl. Der gewesene Stadtoberrichter Fischer 250 fl., die übrigen 100 fl. beiläufig verschiedentlich ausgegeben vom März bis August. An Aussenständen gab es: an Darlehen fl. 725. — und an Forderungen an Mitgliedsbeiträgen fl. 1800. —

In Betracht zu ziehen ist hier natürlich nur der Barstand. —

Die Illuminaten-Loge besass 1785 an Cassarest 1000 fl.

Von diesem Gelde wurden 250 fl. für den Marquis Constanzo und 25 fl. für andere Ausgaben zurückbehalten. 500 fl. für den Weishaupt zur Fortsetzung seiner Reise und der Rest zu 275 fl. für seine in Ingolstadt zurückgelassene Frau und Kinder geschickt. Aussenstände 250 fl. Darlehen an Graf Savioli; 900 fl. aussenstehende Mitgliederbeiträge, Rezeptions-Tax-Gebühren.


Hertel klagt in seinen Aussagen über die schlechten Eingänge der Beiträge; viele zahlten gar nicht oder nur wenig, die Aussenstände mussten schliesslich, weil zu hoch angewachsen, gestrichen werden. Auch die Logen waren schlechte Zahler, so z. B. zahlten zwei neue Logen für ihre Constitutions-Urkunde gar nichts.

Da die Angaben über Einnahmen und Ausgaben des Ordens interessante Einblicke über dessen Tätigkeit und Ausbreitung geben, so ist es angebracht, einen Teil wörtlich wiederzugeben, [341] weil dadurch alle übertriebenen Schilderungen von der Macht des Ordens am besten widerlegt werden. Es heisst da:


Von der Illuminaten-Orden oder Provinz Cassa in Bayern.

1. Einnahmen bey dieser Cassa.

a) Von dem Ordensstifter und jeden Areopagiten 1779 im Juny beiläufig ad fundiam cassa 1 Ducaten. Was Zwackh zuvor erlegt hat kommt in den Rechnungen vor.
b) Von der Logen-Casse: Vermöge des Vergleichs mit der Loge von 16 Mitgliedern, welche den doppelten Tax bezahlten beyläufig 400 fl. wie schon gemeldet wurde.
c) An Vorschussgeldern zu einem Anlehen für den Grafen Portia in Mannheim haben einige Illuminaten, Zwackh 25 fl. oder 50 fl. Berger 25 fl. Hertel 50 fl. Cossandey 20 fl. Grünberger und andere, die auf einer besonderen Liste standen, 300 etliche, 90 fl. zusammengeschossen, für welche man dem Grafen Portia einen Schein auf die Gesellschaft ausstellen lies, damit er den Individuen nicht obligiret seyn dürfte.
d) für die Illuminaten Grade wurde nichts bezahlt, die Einnahmen bey den Minerval Versammlungen aber waren, für die Receptions-Initation und die Introduction 1 Ducaten oder 1 Carolin oder 3 Ducaten, für das Minerval-Insigne 2 fl. 24 und was bey jeder Versammlung an Almosen und Strafgelder z. B. für das unterlassene quibus licet 12 oder 14 einging. Der monatliche Beitrag der Minervalen war 50 und der Illuminaten 1 fl., wenn sie nicht bey der Loge zahlten oder dispensirt waren. Von den Illuminaten weiss ich einen einzigen (Attila) der anstatt des monatlichen Beytrages alle Quartale 6 fl. 15 im letzten Jahre zu geben anfing.

Die Ausstände bey allen Minerval-Versammlungen werden vermöge derselben Rechnungen von 1779—1785 über 1500 fl. ausmachen. Was deductis deducendis bey den 1779 bis 81 in München, dann 1782 bis 84 zu Burghausen, Straubing, Regensburg und Landsberg constituirten und zu Erding, Amberg und Aichach angelegten Minerval-Versammlungen übrig blieb, wurde alle quartal oder halbe Jahr meistentheils von den Superioren an die Provinz Directores oder dem Provinz-quaestor eingeschickt, die Minerval Versammlungen zu Freysingen, Ingolstadt und Neuburg haben ihre Gelder in loco verwenden können.

[342] Die zwey ersten auswärtigen Minerval-Versammlungen zu Eichstätt und Frankfurt standen zwar anfangs unter der Direction der hiesigen Areopagiten und fragten einmal an, ob sie ihren Cassa Rest einschicken müssten. Es wurde ihnen aber von der Illuminaten-Versammlung rescribiret, dass sie solche behalten sollten und 1787 wurden beyde Versammlungen ihren Provinzen überlassen.

Die besondere Einnahme von Mitgliedern, welche ausser den Minerval-Versammlungen anfangs recipiret wurden und was einige Ausländer, die unter der Direction des Superior Salla standen, weil sie an ihre Provinz noch nicht angewiesen werden konnten, bezahlten oder vielmehr ausständig blieben, 63 fl. und 68 fl.

Von den Cassen der Provinzen (denn jede Provinz hatte eine eigene Cassa) wurde an die hiesige nichts abgegeben, so, wie diese auch nichts an jene geschickt hat. Der Provinz Direktor stellte zwar einmal an den Provinzial Constanzo das Ansuchen um 50 fl. jährlichen Beytrag zum Unterhalte eines Secretarius für die Provinz Inspection. Man machte ihm Hoffnung. Es wurde aber nichts bezahlt.

Das Project der Areopagiten von einer allgemeinen Cassa und Universal-Archiv, dann die von Areopagit Philo (Knigge) in seinem schottischen Rittergrade und Freymaurer-Constitutions-Buche[1] projectirte Abgaben, wie auch seine verschiedenen Promessen, welche er in letzteren Briefen an Weishaupt und Zwackh äussert, blieben das, was sie waren — Projecten — Promessen. Aber dessen Drohungen fingen mit seinem Austritte aus dem Ill.-Orden 1783 an, in Erfüllung zu kommen.

Wie viele Illuminaten und Minervalen ihren monatlichen Beytrag ganz, oder halb, oder gar nicht erlegt, oder bey der Loge bezahlt haben, wann ein jeder zu zahlen anfing und wieder aufhörte. Die Zahl der Mitglieder nahm mit den Jahren zu und ab und von Zeit zu Zeit wurden einige introducirt, einige dimittirt, einige in die Loge inscribirt, ob und was ein jeder Minerval bey der Reception, Initation und Introduction gegeben (die Minervalen waren meist junge Leute, welche nichts bezahlen konnten und deren Mehrere vom Orden unterstützt wurden) ferner wieviel die Minerv. Versammlungen von ihren Einnahmen nach Abzug der Ausgaben hätten einschicken können, zeigen die [343] Minerv. Rechnungen an. Welche Minerv. Versammlungen aber ihre Abgaben eingeschickt haben und wie oft, kömmt in den Ordens Rechnungen vor.

Es ist nicht möglich, dieses aus dem Kopfe anzugeben.


2. Ausgaben von der Illuminaten Ordenscasse.
a) Der Ordensstifter wird von 1779—85 in allem 3 bis 400 fl. empfangen haben.
b) Ein jeder der hiesigen Areopagiten (Cato, Scipio, Celsus et Marius) erhielt für die besonderen Ausgaben wegen dem Orden 1779 bis Febr. 85 jährlich 50 fl.
c) Der Provinzial Constanzo aber vom Jänner 1783 bis Febr. 85 inclusive monatlich 25 fl. Unterhalts-Beytrag. Was er 1782 empfing, kann ich mich nicht erinnern.
d) Vergütungen der Reiseunkosten, z. B. dem Areop. Philo, als er 1781 hier war, Beytrag 50 fl.
e) An Gratificationen und Unterstützungen für andere Mitglieder:
Diese bestimmten in den ersten Jahren die Areopagiten, in den letzten die Provinz Directores. Sie wurden entweder gleich bei dem Minerval Magistrat bezahlt, z. B. dem Superior Tropponegro 60 fl., dem Minerval Dillis 20 fl. oder von der Ordenscasse z. B. dem Areop. Solon für das copiren der Reprochenzettel; 84 fl. dem Minerval Haberl, als er in Wien practizirte, oder durch den Provinz Director von den an ihn eingeschickten Minerval-Versammlungsabgaben z. B. dem Ill. Drexl 34 fl., dem Minerval Senner jun. etliche Monat 8 fl.
f) Für die Unkosten der Ordens-Correspondenz. Diese führte in den letzten Jahren der Provinzial Constanzo fast ganz allein und konnte die Auslagen dafür von den erhaltenen Minerval-Abgaben abziehen.

Es folgen nun noch mehrere Positionen, welche die Ordens-Ausgaben angeben, jedoch von keinem wesentlichen Interesse sind, da sie rein allgemeine Geschäftsausgaben enthalten.

Diese wahrheitsgemässen Angaben zeigen deutlich, dass im Illuminatenorden wirklich keine Reichtümer gesammelt wurden, die zu verbrecherischen Zwecken benutzt werden konnten und dass Baron Mändls Angaben in der Luft hingen. Hertel hat auch Glauben beim Kurfürsten gefunden und wurde [344] infolgedessen am 10. Mai 1788 laut Befehl mit der Verwarnung entlassen, dass, falls sich über kurz oder lang herausstelle, Arrestant sei nicht mit der Wahrheit herausgegangen oder mache sich im geringsten verdächtig, in Zukunft der Illuminatensekte neuerdings mit Worten oder Werken anzuhängen, so wird man ihn wieder in den Arrest bringen und nicht sobald entlassen. — Die ihm gehörigen beschlagnahmten Gelder wurden laut Befehl vom 17. Mai 1788 zurückerstattet, jedoch nicht ohne Abzug der gemachten Auslagen. Hertel blieb weiterhin unbehelligt, die Verwarnung brauchte nicht betätigt zu werden.

Durch die entdeckten Namenslisten war es offenkundig, dass sehr viele Geistliche dem Orden anhingen, eine Erscheinung, die natürlich in höheren klerikalen Kreisen sehr missliebig angesehen wurde und den Fürstbischof von Regensburg veranlassten, ein Verbot[2] für alle Geistlichen zu erlassen.

Die Freimaurerzeitung Nr. 58 und Folge[3] berichtet über dieses Verbot folgendes:


Neuwied, d. 19. Juli 1787.
Auszug eines Schreibens vom Donaustrom
d. d. den 9. Jul.

Wer sollte glauben, dass man im Jahre 1787 noch Ketzer machen würde? Und dennoch geschieht es. Ganz kürzlich erliess der Herr Fürstbischof von Regensburg einen Hirtenbrief gegen die Illuminaten, den ich wegen seiner Merkwürdigkeit hier beyfüge. Nun muss die Religion zum Deckmantel der Verfolgung dienen, weil sonst die Feinde des Illuminatismus in einer schändlichen Blösse erscheinen würden. Befremdend ist es eben nicht, dass der Herr Fürstbischof von Regensburg sich zu diesem Schritt entschloss. Dieser würdige Oberhirt hat seine ganze Familie in Baiern, und zieht ansehnliche Einkünfte aus demselben. Der wohlverschrieene Herr Pater Frank soll es sogar dahin gebracht haben, dass man allen Bischöfen des Bairischen Kreises mit Sperrung ihrer Temporalien drohete, wofern sie sich nicht nach seinen Absichten fügten. Demungeachtet konnte weder der vortreffliche Herr Erzbischof zu Salzburg, noch die Herren Bischöfe zu Passau, Freysingen[4] und [345] Eichstädt zu ähnlichen Schritten bewogen werden. Dreymal versuchte es schon Pater Frank, den letztern zu einer Inquisition gegen die Illuminaten zu bereden. Man bot ihm sogar Soldaten an, wenn das Volk, welches von der Unschuld dieser Männer überzeugt ist, etwa einen Aufstand erregen sollte. Da sich die eben genannten Herren Bischöfe nicht dazu verstanden, so verbreiteten die Jesuiten ein Ideal eines Hirtenbriefes, welches sie auf die unverschämteste Weise dem Herrn Fürstbischof von Freysingen unterschoben. Ein Ideal, welches ganz den Stempel Frankischer Rhetorik trägt und von Widersprüchen wimmelt. So nennt es die Illuminaten bald eine Socianische Seele, bald Deisten, bald gar Atheisten, zum Beweise, dass ihre Hässer selbst noch nicht wissen, warum sie sie verdammen. Rachsucht und Eigennutz sind die einzigen Triebfedern, welche ihren Fall verursacht haben. Selbst der Herr Fürstbischof von Freysingen fand ihre Lehre rein, als er die Geistlichen seines Sprengels darüber zur Rede stellte, und er denkt zu christlich, als dass er Unschuldige auch nur kränken könnte. Das Mandat des Herrn Fürstbischofs von Regensburg lautet folgendergestalt.


Des Hochwürdigsten Fürsten und Herrn,
Herrn Maximilian Prokop, Bischofes zu Regensburg, des Heil. Röm. Reichs Fürsten etc. Grafen von Törring-Settenbach, Herrn auf Törring und Dengling, des hohen Ritterordens St. Georgii Grosskreuz, und infulierten Probstes zu Straubing etc. Wir Suffraganeus, Praeses Consistorii, Vice-Präses, Officialis, und andere zu den
geistlichen Sachen geordnete Räthe etc.

Es hat sich der Illuminatismus dergestalt verbreitet, dass auch sogar der geistliche Stand nicht ganz davon befreyet, sondern ein Theil des Cleri tam secularis quam regularis, damit angesteckt ist, und noch einige derselben gegen das ausdrückliche landesherrliche Verboth dieser Sekte anhangen, und selbe nach ihren höchstverdorbenen Grundsätzen zu verbreiten sich beeifern.

Damit nun diese für den Staat, Religion, und gute Sitten sehr gefährliche und schädliche Sekte in Unserm Bissthume gänzlich unterdrücket und ausgerottet werde; so befehlen Wir anmit in virtate sanctae Obedientiae, dass jeder sowohl Sekular- als Regularpriester, der dem Illuminatismo beygethan ist, dieser Sekte sogleich entsage, und dass jeder Dechant auf seine untergebene [346] Kapitularen, auch jeder Pfarrer auf seine Mitkapitularen, Ordensgeistliche und Gesellpriester beständig ein wachbares Auge habe, und jene, welche sich durch freye Denkungs- und Lebensart, oder sonst mit Worten und Werken des Illuminatismi verdächtig machen, sogleich unmittelbar anher anzeige, und von allen Vorfällen umstandliche Nachricht ertheile: wo Wir nachhin nicht ermangeln werden, nach gepflogener Untersuchung der Sache, mit geistlichen Strafen und Censuren nach Vorschrift der geistlichen Rechte gegen die Ungehorsamen zu verfahren und selbe schärfest zu bestrafen.

Gleichwie aber der Illuminatismus dadurch in Unserm Bissthume Wurzel gefasst hat, weil von subalternen Obern auf die Disciplin kein wachsames Augenmerk gewendet worden ist; so befehlen Wir an mit ernstgemessenst allen Dechanten und Pfarrern, über die Kirchendisciplin, Diözesanverordnungen, und die mehrfällig erlassenen Generalien nicht nur genauest zu invigiliren, sondern auch die Uebertreter derselben ebenfalls sogleich anhero namhaft zu machen, und über derselben Vergehen umständlichen Bericht zu erstatten.

Gegenwärtiges Generalmandat haben sämmtliche Dechanten ihren Kapitularen zu kommuniziren, welche selbes ihren Gesellpriestern publiziren sollen, damit sich keiner mit einer Unwissenheit diessfalls entschuldigen könne. Gegeben im geistlichen Rathe zu

Regensburg, d. 31sten May 1787.
Valentin Anton L. B. de Schneid.
Episcopus Corucensis, Suffraganeus, Preeses
Consistorii, & Ecclesiae cathedralis summus Scholasticus.
Andreas Mayer, Ss. Theol. Llc. Consil.
Eccl. v. Notarius Apostolicus.

Das andere Schriftstück »Ideal eines Hirtenbriefes etc.« benannt, zeigt auf dem Titelblatte die Bemerkung:

»bereits in seinem Sechs Monatlichen Entstehen, noch aber nicht aus Verstopfter Quelle in seiner Existenze.« —

Daraus scheint hervorzugehen, dass von den Ordensfeinden der Bischof v. Freysingen möglichst gezwungen werden sollte, eine ähnliche Schimpferei und Verdonnerung der Illuminaten bekannt zu geben, wie dieses Ideal eines Hirtenbriefes enthält. Der Bischof mag jedoch über die Folgen seines Briefwechsels [347] nach Rom selbst erschreckt gewesen sein und wünschte nicht noch mehr Öl ins Feuer zu giessen. Er verhielt sich deswegen solchen Anzapfungen gegenüber passiv, zum grössten Missmute seiner Angreifer.

Die Erscheinung nun, dass so viele Geistliche sich dem Orden anschlossen, hat einen sehr einleuchtenden Grund, wenn man sich in Erinnerung ruft, was Kluckhohn (s. Seite 10) über den Zustand abergläubischer Gebräuche sagt. — Denkende Köpfe, und wer würde wagen zu behaupten, dass gerade der geistliche Stand nicht solche jederzeit aufzuweisen hat, durften in jener Zeit sich gar nicht öffentlich über vorhandene Missbräuche in der Religion äussern, die Kirche verlangt unbedingten Gehorsam und Glauben an solche Sätze, die sie als Wahrheit ausgibt. Wissenschaft und Gedankenfreiheit mussten demzufolge zu allen Zeiten sich verbergen, wenn das Dogma mit Richtbeil, Galgen und Scheiterhaufen seine unbezwingliche Herrschaft behauptete, — aber nur verbergen, sie konnten nicht vertilgt werden. In den ältesten Zeiten hatte die Priesterschaft selbst in den geheimnisvollen Mysterien ihre tiefere Erkenntnis der Öffentlichkeit verborgen, in denen des Mittelalters und jener Periode, die hier geschildert ist, war sie jedoch wieder Sklave ihrer Unwissenheit geworden, die ein freies Denken verboten und so flohen jene Priester, die nun einmal ketzerische Gedanken nicht unterdrücken konnten, in den Schoss geheimer Gesellschaften, hoffend, dort eine nicht vertrocknete Geistesnahrung zu finden.

Hier in dem Kreise von Männern, die durch ein gleiches Ziel zusammengeführt wurden, konnte ein offenes Wort gesprochen und angehört werden, ohne schwere geistliche Pönitenz auf sich zu laden. Den Inhalt von Schriften konnten sie erfahren, die zu lesen strenge verboten, — kurz, viele Dinge konnten in der Loge von anderer, als der eigenen einseitigen Seite betrachtet werden. Das musste reizen und wirkte auch für jene Geistlichen anziehend, die recht gut wussten, dass sie dem Volke nicht immer das boten, was in ihrer eigenen Seele schlummerte, weil sie die Allgemeinheit für unfähig hielten, höhere Wahrheiten zu begreifen.

Der Illuminatenorden stand jedoch in dem Rufe, die Lehren des Urchristentums zu bewahren und sein Priestergrad war auch dazu angetan, diesen Gedanken zu bestärken, trotzdem nicht bewiesen werden kann, dass Weishaupt eine solche Absicht [348] verfolgte. Im Gegenteil, Weishaupt ist darüber sehr verwundert und sagt kopfschüttelnd: »Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch ein neuer Religionsstifter werden würde.« — Wohl aber steht es fest, dass Knigge in den von ihm ausgearbeiteten Ritualen den Gedanken ausstreute, der Orden sei im Besitze alter überbrachter Geheimnisse. — Die Freimaurerei beansprucht für sich, noch heute als ein Hort altchristlicher Symbolik angesehen zu werden. Die in den Logen gepflegten Legenden wurden ganz nach dem geistigen Standpunkte ihrer Vertreter und Mitglieder, teils auf Salomo, teils auf Christus gedeutet, es ist daher das Beginnen Knigges, schon damals eine energische Schwenkung nach der christlichen Seite auszuführen, keineswegs verwunderlich, nur fand er dabei nicht bei Weishaupt die erhoffte gänzliche Zustimmung.

Durch dieses Beginnen mussten jedoch Geistliche jedenfalls sympathisch berührt werden, zumal eine Profonation religiöser Gebräuche absolut nicht vorkam und ängstlich vermieden wurde. Alle diese Dinge, zu denen nicht wenig auch die damaligen politischen Zustände, durch die weltlichen Machtbefugnisse der regierenden Fürstbischöfe, die manchmal mehr Bewegungsfreiheit in einzelnen Diözesen gestatteten, beitrugen, erklären den Zuzug von Geistlichen zwangslos.

Natürlich war das nicht nach dem Geschmack der kirchlichen und weltlichen Gewalthaber; die durch den Klerus auf den unbedingten Gehorsam der Bevölkerung rechnen, ist dieser zu aufgeklärt, so würde dem Volke mit Sicherheit ebenfalls helleres Licht gegeben.

Es wurde daher, um sich zu vergewissern, dass die Seuche des Illuminatismus nicht unter der Geistlichkeit weiter um sich greife, das so ungemein beliebte Mittel der unversehenen Visitationen auch hier angewandt, wie aus dem nachfolgenden, für die damaligen Zustände sehr charakteristischen Brief, der an den Fürstbischof von Regensburg gerichtet ist, und aus dem so recht klar ersichtlich ist, wie unhaltbar diese geworden waren, hervorgeht.

Unsere Freundschaft zuvor:

Hochwürdiger in Gott Vatter, besonders lieber Freund! Wir finden selbst rathsam zu seyn, dass die Bischöflichen Visitationes bey den Pfarrern und andere untergebene Diocösen [349] Geistlichkeit allemal unversehener Weise vorgenohmen werden, und verlangen daher nicht, das, wenn solche nur die Spiritae alio, oder disciplinaria betreffen, bey Uns, oder Unserem geistlichen Rath eine vorläufige Anzeige, oder requisition hierin geschehe.

Wir werden auch Euer Liebden mit dem weltlichen Arm allenthalben wo er immer nöthig seyn mag, durch Unsere nachgeordnete Obrigkeiten hierin zu unterstützen nicht ermangeln. Es steht Euer Liebden denn hiernächst frey die Visitation auf Unsern teutschen und lateinischen Schulen quo ad Religionem et mores in dero Dioces vorzunehmen.

Wir gedenken hierzu weder einen Commissarius bey zu ordnen, noch sonst ein Hinderniss hierin zu machen, oder dem Unsrigen dergleichen zu gestatten, sondern vielmehr bey einem so löblich, als gemeinnüzigen Werk all benöthigen Vorschub zu geben und verbleiben Euer Liebden mit allem guten wohlbeygethan.

München,
d. 11. September 1787.
Carl Theodor
(unterschrieben mit allen seinen Titeln.)

Man sieht, wohin das Schulwesen jener Zeit, das unter Ickstatt einen so schönen Aufschwung genommen hatte, wieder geraten war, dass es gänzlich dem Obscurantentum wieder ausgeliefert wurde und seufzend auf den Retter aus solcher Not warten musste.


  1. Ein solches Manuskript aus Zwackhs Nachlass in Händen des Autors.
  2. Ein Originalabdruck im Besitz des Autors.
  3. Ebenfalls im Besitz des Autors.
  4. Welcher Irrtum des Schreibers hier vorliegt, beweisen die päpstlichen Briefe.


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