Geschichte des Illuminaten-Ordens/Illuminatismus und Freimaurerei

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Die Ausbreitung des Ordens Geschichte des Illuminaten-Ordens (1906) von Leopold Engel
Illuminatismus und Freimaurerei
Das Ende des Ordens


[357]
Illuminatismus und Freimaurerei.

Aus der veröffentlichten Ordensgeschichte Zwackhs haben wir bereits ersehen, in welch innigem Zusammenhange der Orden mit der Freimaurerei stand, und dass unter der Bezeichnung Illuminaten-Freimaurerei eine ganz besondere Richtung zu verstehen ist, die näher zu beleuchten der Mühe wert ist. Es existiert noch zu Händen des Autors das bereits von Hertel erwähnte durch Knigge verfasste Freymäurer-Constitutionsbuch und dieses gibt Einblicke, namentlich in die Absichten Knigges, die einfach darauf hinausgingen, die gesamten damaligen Freimaurer zu Illuminaten-Freimaurer umzuwandeln. Diese Absicht würde höchstwahrscheinlich gelungen sein, wenn die Ordensverfolgung nicht ausgebrochen wäre. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, dass diese auch aus dem Grunde entstanden ist, einer solchen Machtentfaltung vorzubeugen. Jedenfalls war es dringendstes Interesse jener Obern, die den Rosenkreuzer-Orden leiteten, die damals von ihrer Bedeutung herabgesunkene zersplitterte Freimaurerei, nicht plötzlich durch den Illuminatenorden wieder geeint und in ihrer Organisation zentralisiert zu sehen, als dann allerdings zu fürchtende Macht. Der Plan, den Knigge erdacht hatte, war unbedingt schlau und wirksam, die Mittel, das Vertrauen der Brüder zu erringen, geradezu genial; das Constitutionsbuch gibt darüber genügende Aufklärung. Um jedoch dessen Inhalt zu würdigen, ist es notwendig, uns vorher kurz umzusehen, wie es mit der Freimaurerei in jener Zeit aussah.

Karl Gotthelf, Reichsfreiherr v. Hund, hatte Mitte des 18. Jahrhunderts das System der sogenannten strikten Observanz aufgebracht, das dazu dienen sollte, den Tempelherrnorden, dessen heimliches Fortbestehen ihm glaubhaft gemacht worden und zu dessen Heermeister er ernannt sein wollte, durch Hilfe der Freimaurerei wieder zu seinem früheren Glanze zu verhelfen. Baron Hund spielte in jener Zeit in der Geschichte der Freimaurerei eine merkwürdige Rolle dadurch, dass er seine Ernennung sowie Auskünfte durch unbekannte Obere, die strengen Gehorsam — daher strikte Observanz — verlangten, erhalten haben wollte. Dieser Umstand brachte ihn später in den Verdacht eines Schwindlers, der er jedoch nicht war, vielmehr ist er als ein leichtgläubig Betrogener anzusehen, der in seiner Schwärmerei sogar sein bedeutendes Vermögen unfruchtbaren Ideen opferte. Die »strikte Observanz« fand Boden und [358] viele Logen traten dem System dieser Tempelherrn unter dem Heermeister von Hund bei. Es zeichnete sich dadurch aus, dass über den 3 Johannisgraden der allgemeinen Freimaurerei der schottische Meistergrad eingeführt wurde, der noch heute üblich ist, und darüber drei weitere Grade: 1. Maître elu oder Chevalier de l'aigle. 2. Chevalier illustre oder Templier. 3. Chevalier sublime. Später wurden diese Grade wieder abgeändert. Uns interessiert nur bei diesen Untersuchungen der Schottenmeister, der seit jener Zeit eng mit der Freimaurerei verbunden ist und weisen wir auf diesen Umstand hin. Der Tempelherrnorden[1] verfiel später wieder und wurde 1782 auf dem Konvent zu Wilhelmsbad, den Knigge besuchte, verlassen. Inzwischen war Herzog Ferdinand v. Braunschweig, der dem v. Hundschen Tempelherrnsystem als Amicus und Protektor beigetreten war, 1772 zum Grossmeister aller schottischen Logen unter dem Titel Magnus Superior ordinis per Germaniam inferiorem erwählt und am 21. Oktober in Braunschweig eingesetzt worden. Der Herzog wurde ebenfalls von den französischen und italienischen Kapiteln als Grossmeister anerkannt. 1782 rief er den Konvent von Wilhelmsbad ein, weil er das Tempelherrnsystem als irrig erkannt halte, infolgedessen wurde beschlossen es aufzuheben und dafür den Grad der Ritter der Wohltätigkeit einzuführen. Er blieb nunmehr Generalgrossmeister aller Provinzen der Ritter der Wohltätigkeit und der rektifizierten Freimaurerei, so dass er letztere gänzlich beherrschte. 1783 trat der Herzog dem Illuminatenorden bei und dazu dürfte ihn wohl sicher der Umstand bewogen haben, dass der Schottengrad als Andreasgrad von Weishaupt aufgenommen und laut dem Constitutionsbuch von Knigge derartig bearbeitet worden war, dass die früheren Anhänger der strikten Observanz sicher interessiert und für das Illuminatensystem eingenommen werden mussten. Knigge hatte ganz besonderen Wert auf die Organisation der Schotten-Direktorien gelegt, denen die anderen Logen unterstanden. Seine National-Direktions-Tabelle von Deutschland beweist, wie zielbewusst er vorging. Er wusste, dass hier allen Freimaurern die Tür zur Verbindung mit dem Illuminatenorden weit geöffnet wurde, einmal diese Schwelle übertreten, wurde es dann leicht, die geeigneten Personen auch dem Orden zuzuführen [359] oder doch die vorhandenen Logen zu illuminieren. In dem Constitutionsbuche befinden sich genaue Anordnungen, wie das zu machen und wir wollen nicht mit einem Auszuge desselben zurückhalten, hoffend, dass freimaurerische Kreise uns für diese

Herzog Ferdinand von Braunschweig.

weitere Klärung in der Entwicklungsgeschichte der Maurerei Dank wissen werden.

     Es heisst da:

     Instruction in Ansehung der Freymäurer Logen.

1. Soll das geheime Capittel[2] sorgen, dass in allen irgend [360] beträchtlichen Städten seines ihm angewiesenen Districts, Logen der drey ersten Fr. Mr. Grade angelegt, und in solchen gute, moralische, angesehene, wohlhabende Leute aufgenommen werden, wenn diese auch sonst zu unsern höhern Zwecken nicht brauchbar sind.

2. Die Constitution muss das geheime Capittel in der Landes Sprache, nach dem Formular (Beylage A.) auf den weltlichen Namen des Meisters vom Stuhl ausfertigen, der zuerst dieses Amt bekleiden soll.

3. Sind schon Logen der andern sogenannten Freymaurer-Systemen dort etablirt; so soll man entweder daneben eine ächte anlegen, oder wenn dies wegen Unbeträchtlichkeit des Ortes oder anderer Umstände wegen, nicht anginge; so soll man in jener Loge heimlich das Übergewicht zu erhalten, und dieselben entweder zu reformiren oder zu sprengen suchen.

4. Will jemand das Recht der Erlauchten Obern, Logen zu errichten, bezweifeln, so sagt man ihm, man erlaube ihm das gern. Das gute, neue, wahre sey allein ächt, und wenn er irgendwo etwas besseres, wichtigeres, nützlichere für die Welt, neueres und wahreres, mit eben so leichter Mühe erhalten könne, so solle er dahin gehen und nur sagen, er seye von uns betrogen.

5. Man soll unsern Leuten wohl einprägen, dass sie sich hüten, ohne ausdrückliche Erlaubnis der Obern, keine von den sogenannten Logen zu besuchen, welche von England aus, oder sonst constituirt worden sind, und welche, ausser einem unterschriebenen und untersiegelten Briefe, einigen Sinnbildern, welche sie gar nicht oder gänzlich falsch verstehen, und einigen nichtssagenden Ceremonien, von der wahren Freymaurerey, ihren hohen Zwecken und ihren höchsten Obern nichts wissen. Auch kann aus sehr viel Gründen, nicht leicht jemand von ihnen, obgleich sehr würdige Männer darunter sind, bey unsern Logenversammlungen zugelassen werden. Nur eine Loge ist in Deutschland, die nicht mehr mit unsern höchsten Obern in Verbindung, aber doch aus ächter Quelle constituirt worden ist. Allein sie arbeitet nicht mehr.

6. Obgleich jeder Minerval Freymaurer werden muss, so muss er doch nicht merken, dass man ihn dazu bewegen will, und dass seine weitere Beförderung davon abhängt, sondern es muss wo möglich der Wunsch bey ihm ganz von sich selbst entstehen. Bittet er nun um die Erlaubnis Freymaurer zu [361] werden, so entdecket man ihm, dass der O. in unmittelbarer Verbindung mit der einzigen ächten Maurerey stehe und man ihm die Mittel zu dieser zu gelangen erleichtern könne.

7. Das Capittel soll sorgen, dass diejenigen von unsern Leuten, welche etwa eingenommen gegen die Freymaurerey sind, nach und nach von diesem Wiederwillen zurückkommen, und bey ihnen Lust entstehe, Maurer zu werden. Man kann ihnen begreiflich machen, wie wenig wahrhaftig erleuchtete Freymäurer es gebe, und dass diejenigen Logen, welche ihren Widerwillen gegen die Sache erregt haben, keine ächte Logen sind, möchten sie auch die besten Constitutionen haben. Die Freymaurerey ist keine Kunst, eine Wissenschaft, kein Handwerk, Sie erfordert Studium. Ihre Ächtheit beruht auf Kenntnisse, nicht auf Verbriefungen.[3]

8. Hat ein Minerval sehr wichtige Gründe, nicht öffentlich Freymaurer werden zu wollen, als welches der Präfect beurteilen muss; so kann er auch mit Erlaubniss der Provinzial-Loge, heimlich aufgenommen werden.

9. (Ist nebensächlich.)

10. Wenn jemand schon in einem andern System Fr. Mr. geworden ist und zu unsern Logen übergeht, so bezahlet er eine kleine Taxe, und muss uns den Gehorsam durch einen Handschlag leisten. Will ein solcher, der überhaupt ein Freymaurer unseres Systems, weiter befördert werden, taugt aber zu unsern höhern Zwecken nicht, so muss man ihm dies auf eine gescheide Art begreiflich machen. Dringt er dennoch darauf, mehr Freymaurer Grade zu bekommen und scheint geneigt bey andern Systemen Aufklärung zu suchen; so kann man ihm alles, was er in solchen Systemen lernen würde, mittheilen; hierbey ist aber zu merken.

a) dass man ihn nicht betrügen, sondern im voraus sagen soll, dass er keine Befriedigung in diesen Graden finden wird. Und wenn er dennoch Lust hat, sich einführen zu lassen; so kann er wählen, welches System er kennen lernen will.
b) Er muss aber sodann seine Thorheit mit einigem Geld Erlage bezahlen.

[362]

c) Da er dann die Grade, auf Ansuchen des geheimen Capittels von der Provinzial Loge versiegelt zugeschickt bekömmt, und nachher wieder abliefern muss.

11. Da heut zu Tage mit der Königlichen Kunst viel Spielwerk getrieben, und manches neue System erfunden wird, so sollen die Schottischen Ritter alle unächte Grade sammeln, und an die Provinzial Loge einschicken, damit man jeden Neugierigen befriedigen könne.

12. u. 13. enthält die Darstellung von Abgaben, die nach Hertel Projecte blieben.

14. Das geheime Capittel muss sorgen, dass die Logen nie über 30 anwachsen, und dass die Beamten Logen die übrigen immer überstimmen können.

15. Die Logen Verzeichnisse bleiben hier liegen und es werden nur die general Extracte daraus an die Provinzial Loge eingeschickt.

16. Wenn erfahrene Freymaurer zu dem O. angeworben werden; so stehen dieselben unter unmittelbarer Leitung der Schottischen Ritter.


Ganz besonderes Interesse verdient nun der Wortlaut des Reverses, den jeder zukünftige schottische Ritter, bevor er aufgenommen werden konnte, unterschreiben musste. Derselbe lautet:

Revers.

Ich endesunterzeichneter, verbinde mich, vermöge dieses Reverses, dem Hochwürdigen Orden der Illuminaten, als in welchem ich bis jetzt die beste Befriedigung für mein Herz, so wie für meinen Verstand gefunden habe, von nun an, mein ganzes Leben hindurch, in so fern treulich anzugehören, dass ich:

A. Keinem andern Systeme der Fr. Maurerey oder irgend einer andern geheimen Verbindung anhängen, noch für solche arbeiten

B. Sondern, so lange es meine Umstände leiden, für irgend eine dergleichen Verbrüderung thätig zu seyn, ich meine Kräfte und Kenntnisse allein diesem Erlauchten Orden widmen wolle.

C. Sollte ich aber (welches mir jederzeit frey steht) den Orden ganz verlassen wollen, dass es mir dann doch nie erlaubt seyn soll, mich auf eine andere dergleichen geheime Verbindung [363] einzulassen. Ich erkenne diese Forderungen um destomehr für billig:

1. Da ich bis jetzt nirgends so herrliche Vorschriften zu meinem und der Welt Glück als hier erhalten, auch nirgends eine bessere, nützlichere Freymaurerey gefunden habe, mithin

2. alle Ursache finde, die hohen Obern dieses Ordens als die ächten unbekannten Obern der Freymaurerey anzuerkennen.

3. Da mich dieser Erlauchte Orden nicht abhalten will, im Fall meine Bürgerlichen Verhältnisse, oder Unzufriedenheit mit den erhaltenen Kenntnissen mich dazu bewegen sollten, aus demselben zu treten

4. meine Obern aber mit Recht fordern können, dass ich alsdann nie die hier erhaltenen Anweisungen zum Nutzen anderer Verbindungen anwende, sondern

5. im Gegentheil, da ich von der vortrefflichen Grundlage des Ordens der Illuminaten und von desen Bereitwilligkeit, jedes Gute anzunehmen, nun sattsam überzeugt bin, es meine Pflicht ist, wenn ich irgendwo wichtige Kenntnisse erhalten hätte, sie, ohne solche zu verrathen, auf die von meinen jetzigen Obern mir vorgeschriebene, allein auf das Glück der Welt abzielende Art, anzuwenden, und also zu Ausführung der Ordenszwecke zu nützen.

Dies alles verspreche ich frey willig, und ohne geheimen Vorbehalt bey meiner Ehre und gutem Namen.


Nach Unterschrift dieses Reverses wurde der Kandidat in die Gemeinschaft der schottischen Ritter ritualgemäss aufgenommen. Das Ritual ist im Constitutionsbuche[4] enthalten; es enthält noch mehrere und interessierende Stellen, die wir angeben müssen, um zu beweisen, wie zielbewusst Knigge in seinem Plane vorging, die Illuminaten-Freimaurerei als die allein echte hinzustellen. Der Beweis liegt in dem Wortlaut des Schwures, den der Kandidat nunmehr leisten musste und in den Erklärungen, die er nach der Aufnahme erhielt. Der Schwur enthält auch gleichzeitig den Beweis, dass dem alten Orden zwar die Beseitigung eines despotischen Regimentes, nicht jedoch [364] die Absetzung der Fürsten als Ziel vorschwebte. Im Grunde genommen genau das, was die späteren Geschlechter durch Aufstellung der Constitution und Volksvertretung errungen haben.

Es hat daher gerade diese Verpflichtung des schottischen Ritters ein grosses historisches Interesse und wir geben nachstehend den geforderten Eid in wortgetreuer Form bekannt.


Ritter Eyd.

Ich gelobe und schwöre die treueste Erfüllung des vor einigen Tagen von mir ausgestellten Reverses; Ich verspreche Gehorsam den Erlauchten Obern, Eifer für das Wohl des Ordens. Ich verpflichte mich, so viel an mir liegt, keinen Unwürdigen zu dem Eintritte in die geheiligten Grade dieses Ordens behülflich zu seyn. Ich verbinde mich zu Aufrechterhaltung der alten Freymaurerey, gegen die After Systeme, nach meinen Kräften zu wirken. Ich will von nun an der Unschuld, der Armuth, den Nothleidenden, und jedem gedrückten Redlichen, wo ich Gelegenheit dazu finde, ritterlich beystehen. Nie will ich ein Schmeichler der Grossen, kein Niedriger Fürsten Knecht seyn, sondern muthig, aber mit Klugheit, für Tugend, Freyheit und Weisheit streiten; dem Aberglauben, dem Laster und dem Despotismus will ich, wo es dem Orden und der Welt wahrhaften Nutzen bringen kann, kräftig wiederstehen; Niemals werde ich das Wohl des Ganzen und das Glück der Welt meinen Privat Vortheilen aufopfern; Meine Brüder will ich gegen Verläumdungen männlich vertheidigen, und ihr Bestes als das meinige ansehen; Ich verspreche ferner der reinen wahren Religion und den Lehren der Freymaurerey fleissig nachzuspüren und meinen Ordens Obern Nachricht zu geben, wie weit ich es darin gebracht habe; Überhaupt werde ich den Erlauchten Obern, als meinen treuesten Freunden, mein Herz eröffnen, und den Orden so lange ich ein Mitglied desselben bin, als meine Haupt Glückseligkeit ansehn; Übrigens gelobe ich die Erfüllung meiner häuslichen, geselligen und Bürgerlichen Pflichten meinem Herzen heilig seyn zu lassen. So wahr mir Gott helfe und so lieb mir das Glück meines Lebens und die Ruhe meines Herzens ist. — —


Nach diesem Eid erfolgte der Ritterschlag durch drei Schwertschläge, zu denen der aufnehmende Präfekt sagte:

[365] Ich schlage dich zum Ritter des heiligen Andreas nach ächtem Brauche unserer Schottischen Vorfahren, durch die Kraft des alten Meisterworts. Sey ein Kämpfer für Weisheit und Tugend, durch deine Klugheit den Königen gleich, ein Freund des Fürsten und des Bettlers, wenn sie tugendhaft sind. — —

Ich schlage dich zum schottischen Ritter im Namen unserer Erlauchten Obern, welche die Obern der ächten Freymaurerey sind. Sey dem Orden treu, streite gegen die Verderbnisse, welche Dummheit und Bosheit erzeugen, und forsche der Wahrheit nach. —

Ich schlage dich zum Ritter, im Namen dieses geheiligten Capitels und aller Schotten der Erkänntnis und der Gewalt. Stehe auf, und beuge nie wieder deine Knie, vor dem, der ein Mensch ist, wie du. —


Zweierlei geht aus Schwur und Ritterschlag klar hervor. Erstens, dass es die Absicht war, das Pflichtgefühl für Vaterland und Familie in dem Aufgenommenen zu wecken und diese Absicht kann nur allgemeine Billigung hervorrufen, zweitens, dass man ihm eine möglichst hohe Meinung von den Obern beizubringen suchte.

Hier stehen wir nun auf dem gefährlichen Punkte, der in der Geschichte aller derartigen Vereine seine dunklen Schatten geworfen hat und in der Freimaurerei sehr böse Folgen durch abenteuernde Schwindler hervorrief. Enttäuschung, Zwiespalt, Feindschaft und Hass entstehen durch eine Art Vergötterung der Obern gar zu leicht. Von vornherein ist der Neuling nur zu sehr geneigt, seine Obern als höchst vollkommene Menschen anzusehen, sie in allen Beziehungen über sich zu stellen und wie es Weishaupt selbst (s. Seite 59 und 60) beschreibt, ist er durch diese hohen Erwartungen bereit, alles zu tun, was sie verlangen würden. Diese hohen und höchsten Erwartungen können jedoch niemals voll befriedigt werden, sobald der erste Rausch vorüber ist und die Obern, die doch auch nur mit menschlichen Schwächen behaftete Menschen bleiben, in nähere Berührung mit den Neulingen treten. —

Es wurden, aus klar ersichtlichen Gründen, daher die unbekannt bleibenden Oberen erfunden, zu denen zu dringen möglichst unmöglich gemacht wurde. Baron Hund z. B. dürfte niemals seinen wirklichen Oberen kennen gelernt haben, und [366] eben deswegen wird er auch mit solchem unglaublichen Eifer das System der strikten Observanz erfasst haben. Kein anderes ist so sehr geeignet, die Hoffnung zu erwecken und immer wieder anzufeuern, doch endlich gewürdigt zu werden, dass der hohe, hehre, leuchtende Obere aus seiner Verborgenheit herabsteige, um den vertrauenden Sterblichen[5] zu beglücken. Die so bequeme Entschuldigung für das Nichterscheinen, der Suchende sei noch nicht würdig, noch nicht reif genug, um seinen Anblick zu ertragen, verfängt immer wieder und für seine Ungeduld, Neugierde oder schwankendes Vertrauen fühlt er sich schliesslich nur gerecht bestraft, wenn der hohe unbekannte Obere noch sein Angesicht verbirgt. In dieser Weise sind die edelsten Männer, die sonst aufgeklärtesten Köpfe genarrt worden und — werden noch genarrt.

Knigge war augenscheinlich bereit, in die Fussstapfen des Baron Hund zu treten und arbeitete darauf hinaus, die Illuminaten-Oberen, zu denen er selbst ja gehörte, als die bisher noch immer unbekannt gebliebenen Oberen der strikten Observanz hinzustellen. An dieser Absicht ist auf Kenntnis des Ritualbuches kein Zweifel mehr möglich. Nach den jetzigen Forschungen wurde wahrscheinlich um 1742 das System der strikten Observanz in Paris gestiftet, um dadurch die Anhänger der Stuarts und ihre Zwecke zusammenzuhalten und zu verbergen. C. G. von Marschall (nach Lenning soll das ohne Zweifel ein M. von Bieberstein auf Herrengrosserstädt in Thüringen gewesen sein) wurde darin eingeführt und durch ihn v. Hund als sein Nachfolger. Wie sehr man von der Existenz des unbekannten Grossmeisters überzeugt war, ergibt der Umstand, dass Herzog Ferdinand v. Braunschweig 1777 die Erklärung abgab, er wolle das grossmeisterliche Amt, zu dem er 1772 berufen worden, nur solange verwalten, bis der wirkliche Grossmeister bekannt gemacht sei und sich legitimiert habe.

Auf dem Konvent zu Wilhelmsbad, der dem Tempelherrnsystem ein Ende machte, hatte nun Knigge freies Feld, die alten Hoffnungen neu zu beleben und namentlich durch Bode in Weimar, der mit allen Fürsten, die Freimaurer waren, eng liiert [367] war, den alten Glauben geschickt zu benutzen. Die Aulegung dessen, was echt sei, war eine Hintertüre, durch die immer zu entschlüpfen möglich war, und in diesem Sinne konnten sich die Illuminatenlogen wohl füglich als echte bezeichnen, wenn nur die Forderung Weishaupts, die auch Zwackh so hoch hervorhebt, »nützliche Kenntnisse aller Art zu sammeln«, treu erfüllt wurde. Dazu war aber Knigge wenig geneigt, ihm war es um äusseren Glanz zu tun. Es kann daher nicht genug betont werden, dass der Bruch zwischen ihm und Weishaupt unvermeidlich war, aus den zwischen beiden bestehenden, völlig entgegengesetzten Grundsätzen.

Diese Grundsätze, die sicherlich sich auch um den Nimbus der Echtheit drehten, kamen aber gerade bei Bearbeitung des Schottischen Rittergrades schroff zum Vorschein. Weishaupt schreibt daher auch an Zwackh (s. Originalschriften, Nachtrag Seite 66):


»Lassen sie mit Ertheilung des Rittergrades noch auf eine kurze Zeit Innstand halten, lassen sie solchen neu abschreiben: dabey aber lassen sie aus: 1. den Revers, 2. das Liebesmahl, 3. die von Philo verfasste kauderwelsche halb theosophische Anrede[6] und Erklärung der Hieroglyphen. Statt dessen erhalten sie dieser Tage eine von mir neu verfasste sehr zweckmässige wichtige Anrede.[7] Ich habe es vor nöthig gefunden, diese Abänderungen zu machen, weil dieser Grad offenbar der elendste von allen ist, sich sogar nicht zu den übrigen schickt, alle Achtung der Leute (der mit jedem Grade wachsen sollte) vermindert, und wie die Beylage zeigt, den M. Aurelius nebst noch mehr andern scheu machte. F. und mehr andere nennen es jouer la religion, und sie haben recht.« — —


In dem Formular zu einer Logen-Constitution, die der Orden ausgab, heisst es absichtlich gleich im Anfange, um die Echtheit zu betonen:


Wir von den Erlauchten Hochwürdigen geheimen Obern der ächten alten Freymaurerey dazu Bevollmächtigte, unter dem [368] unsichtbaren Schutze der geheimen grossen National Loge, im Orient von Teutschland etc. etc. —


Späterhin wird gesagt:


Aber denen in der Irre umher wandelnden, oder von falscher Lehre in der Dunkelheit erhaltenen Freymäurern, welche, unter dem Schutze einer erkauften Constitution, deren die wahre Weisheit nicht bedarf, um uns her arbeiten, ohne weder die hohen heiligen Zwecke des Ordens, noch dessen geheime Obere zu kennen, weyhen wir unser Mitleiden und biethen ihnen Schutz und Erleuchtung an. Viele sind berufen, aber wenige auserwählt.

Es liegt an ihnen uns kennen zu lernen. Nicht leere Verbriefungen, Nein! die Güte der Sache muss für unsere Ächtheit reden, und in höhern Graden, in dem Heiligthum des Tempels, kann jeder treue Maurer einsehen lernen, wer uns berechtigt hat, diese Loge zu stiften. — — —


Charakteristisch ist auch, wie bei Erklärung der Maurerischen Hieroglyphen die Befeindung der Rosenkreuzer als Goldmacher festgehalten wurde.

Dem Einzuweihenden wurden alle Wertsachen abgenommen, ein symbolischer Vorgang, der auch heute noch in den Johannisgraden üblich, erklärt wurde jedoch folgendes:


Sie wurden alles Metalls beraubt, theils um Ihnen zu zeigen, dass sich die Wahrheit weder erkaufen, noch ertrotzen lässt, theils weil dies unglückliche Metall, und vorzüglich Gold und Silber, der Menschheit so ungeheuren Schaden gebracht hat. Halten Sie daher diejenigen sicher für falsche Freymäurer und Betrüger, welche die elende Kunst, Gold zu machen, für den einzigen Zweck unseres Ordens angesehen wissen wollen.

So täuschen ganze Gesellschaften, welche sich für die Obern der Freymaurerey ausgeben, indem sie nach und nach das Uebergewicht in unsern Logen zu bekommen trachten, eine Menge unwissender Brüder, welche sich in Bewegung setzen, Geheimnisse, die sie selbst nicht haben, für sie aufzuspüren, und indess von nüzlichen Arbeiten die Hände abzuziehen. — —


Die angegebenen Stellen sind ebensoviele Beweise für die unzweideutigen Absichten Knigges, die Herrschaft an sich zu reissen und jedenfalls wäre ihm dieses auch gelungen, nachdem erst die Häupter der Freimaurerei, dessen hervorragendstes [369] Herzog Ferdinand von Braunschweig war, gewonnen wurden. Sicherlich wird man vom Standpunkte des Freimaurers solches Vorgehen verurteilen müssen, der Ausbreitung des Illluminatenordens war es jedoch förderlich. Der jetzige Illuminatenorden bringt diesen Angelegenheiten nur historisches Interesse entgegen, da seine Bestrebungen mit der Organisation der Freimaurer nichts mehr zu tun haben.


  1. Uber alle diese Dinge, die hier nur berührt werden, gibt Lennings Allgemeines Handbuch der Freimaurerei, Leipzig 1900/01, Max Hesses Verlag, genaue Auskunft.
  2. Das waren die Andreasritter oder Schottenmeister des Ordens.
  3. Dieser Satz ist ein zweischneidiges Schwert. Alle maurerischen Schwindler, wie Cagliostro und Schrepfer, behaupteten, aussergewöhnliche Kenntnisse zu besitzen und gründeten hierauf besondere Logen. Knigge verfolgt hier seine Absicht, die strikte Observanz an sich zu reissen.
  4. Das vorliegende Manuskript zeigt die Handschrift Zwackhs und wurde bisher sorgfältig in der Familie bewahrt. Es dürfte zurzeit kaum ein zweites Exemplar noch vorhanden sein. Die Echtheit dieses Manuskriptes ist zweifellos.
  5. Etwas ganz ähnliches, nur noch in schlimmerer mystischer Art, haben wir heute in den indisch-theosophischen Lehren, mit ihren Mahatmas und Adepten. Tausende warten sehnsüchtig und vergeblich auf das Erscheinen dieser Mahatmas (Obere) und sind immer wieder bereit, für das Nichterscheinen entschuldigende Gründe zu finden.
  6. Das Ritualbuch enthält diese vollkommen. Es wird daselbst auf den Fall Lucifers hingewiesen und die Errettung des Menschengeschlechtes in mystischer Art dargestellt.
  7. Diese ist im Nachtrag zu den Originalschriften daselbst II. Abteilung Seite 44 abgedruckt.


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