Gesetz, betreffend die Abänderung des Titels VIII. der Gewerbeordnung

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Gesetzestext
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Titel: Gesetz, betreffend die Abänderung des Titels VIII. der Gewerbeordnung.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1876, Nr. 9, Seite 134 - 136
Fassung vom: 8. April 1876
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 12. April 1876
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(Nr. 1129.) Gesetz, betreffend die Abänderung des Titels VIII. der Gewerbeordnung. Vom 8. April 1876.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Artikel 1.

An die Stelle des §. 141 der Gewerbeordnung treten nachfolgende Bestimmungen:

§. 141.

Durch Ortsstatut (§. 142) kann die Bildung von Hülfskassen nach Maßgabe des Gesetzes über die eingeschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876 zur Unterstützung von Gesellen, Gehülfen und Fabrikarbeitern angeordnet werden.
In diesem Falle ist die Gemeindebehörde ermächtigt, nach Maßgabe des genannten Gesetzes die Einrichtung der Kassen nach Anhörung der Betheiligten zu regeln und die Verwaltung der Kassen sicher zu stellen.

§. 141a.

Durch Ortsstatut kann Gesellen, Gehülfen und Fabrikarbeitern, welche das sechszehnte Lebensjahr zurückgelegt haben, die Betheiligung an einer auf Anordnung der Gemeindebehörde gebildeten Kasse zur Pflicht gemacht werden.
Von der Pflicht, einer solchen Hülfskasse beizutreten oder fernerhin anzugehören, werden diejenigen befreit, welche die Betheiligung an einer anderen eingeschriebenen Hülfskasse nachweisen.
Wer der Pflicht zur Betheiligung nicht genügt, kann von der Kasse für alle Zahlungen, welche bei rechtzeitigem Eintritt von ihm zu entrichten gewesen wären, gleich einem Mitgliede in Anspruch genommen werden.

§. 141b.

Für Gesellen, Gehülfen und Fabrikarbeiter, welche nach Maßgabe der Landesgesetze auf Grund einer Anordnung der Gemeindeverwaltung regelmäßige Beiträge zum Zwecke der Krankenunterstützung entrichten, kann durch Ortsstatut die Verpflichtung zur Betheiligung an einer eingeschriebenen Hülfskasse nicht begründet werden.

§. 141c.

Durch Ortsstatut kann bestimmt werden:
1. daß Arbeitgeber diejenigen Beiträge, welche ihre Arbeiter an eine auf Anordnung der Gemeindebehörde gebildete Hülfskasse zu entrichten haben, bis auf die Hälfte des verdienten Lohnes vorschießen, soweit diese Beiträge während der Dauer der Arbeit bei ihnen fällig werden, [135]
2. daß Fabrikinhaber zu den vorgedachten Beiträgen ihrer Arbeiter Zuschüsse bis auf Höhe der Hälfte dieser Beiträge leisten,
3. daß Arbeitgeber ihre zum Eintritt in eine bestimmte Hülfskasse verpflichteten Arbeiter für diese Kasse anmelden. Wer dieser Pflicht nicht genügt, kann von der Kasse für alle Zahlungen, welche bei rechtzeitigem Eintritt von den Arbeitern zu entrichten gewesen wären, gleich einem Mitgliede in Anspruch genommen werden.

§. 141d.

Die in §. 141a. Absatz 3 und §. 141c. Nr. 3 bezeichneten Forderungen einer Kasse verjähren in einem Jahre; die Verjährung beginnt mit Schluß des Kalenderjahres, in welchem die Forderung entstanden ist.

§. 141e.

Gleich der Gemeinde kann auch ein größerer Kommunalverband nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen durch seine verfassungsmäßigen Organe für seinen Bezirk oder für Theile desselben die Bildung eingeschriebener Hülfskassen anordnen und Gesellen, Gehülfen, sowie Fabrikarbeiter zur Betheiligung an diesen Kassen verpflichten.

§. 141f.

Den Bestimmungen der §§. 141 bis 141e. unterliegen auch diejenigen bei Bergwerken, Aufbereitungsanstalten und Brüchen oder Gruben beschäftigten Arbeiter und Arbeitgeber, für welche eine sonstige gesetzliche Verpflichtung zur Bildung von Hülfskassen und zur Betheiligung an denselben nicht besteht. Arbeitgeber der hier bezeichneten Art werden den Fabrikinhabern (§. 141c. Nr. 2) gleichgeachtet.
Auf Arbeiter und Arbeitgeber, welche bei den auf Grund berggesetzlicher Vorschriften gebildeten Hülfskassen betheiligt sind, finden die Bestimmungen der §§. 141 bis 141e. keine Anwendung.

Artikel 2.

Hülfskassen, in Ansehung derer eine Eintrittspflicht gewerblicher Arbeiter bei Erlaß dieses Gesetzes begründet ist, werden bis auf weitere Bestimmung der Zentralbehörde den eingeschriebenen Hülfskassen im Sinne des Artikels 1 gleichgeachtet. Bis dahin bleibt die Pflicht zum Beitritt, sowie zur Zahlung von Beiträgen und Zuschüssen für Arbeiter und Arbeitgeber bestehen. Wenn Arbeiter oder Arbeitgeber ihrer Pflicht nicht genügen, so treten die in §§. 141a. und 141c. bestimmten Rechtsfolgen ein. [136]
Hülfskassen, in Ansehung derer eine Eintrittspflicht gewerblicher Arbeiter nicht begründet ist, werden, wenn sie bei Erlaß dieses Gesetzes auf Grund landesbehördlicher Genehmigung im Besitz der Rechte einer juristischen Person sich befinden, in Bezug auf die Befreiung ihrer Mitglieder von der durch §. 141a. begründeten Verpflichtung den eingeschriebenen Hülfskassen gleichgeachtet.
Hat eine der in diesem Artikel bezeichneten Hülfskassen bis zum Ablauf des Jahres 1884 ihre Zulassung als eingeschriebene Hülfskasse nicht bewirkt, so geht sie der gedachten Rechte verlustig.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 8. April 1876.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst v. Bismarck.