Herodot und Aëtion

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Autor: Lukian von Samosata
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Titel: Herodot und Aëtion
Untertitel:
aus: Lucian’s Werke, übersetzt von August Friedrich Pauly, Fünftes Bändchen, Seite 598–603
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 2. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1827
Verlag: J. B. Metzler
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: August Friedrich Pauly
Originaltitel: Ἡρόδοτος ἢ Ἀετίων
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[598]
Herodot und Aëtion.

1. Was gäbe ich nicht, wenn ich im Stande wäre, den Herodot, nicht in allen seinen Eigenschaften, denn dieß wäre mehr, als ich auch nur wünschen dürfte, sondern nur in irgend einer von allen gleich zu werden, wie z. B. in der Schönheit des Ausdrucks, in dem harmonischen Tone des Ganzen, in dem natürlichen und eigenthümlichen Reize seiner jonischen Mundart, in der Fülle seines reichbegabten Geistes, und wie die vielen Vorzüge sonst noch heißen, welche dieser einzige Schriftsteller in sich vereinigt! Da ich aber die Hoffnung aufgeben muß, einen derselben durch Nachahmung zu erreichen, so bleibt mir und Andern meines Gleichen nichts übrig, als ihn wenigstens in der Art und Weise zum Muster zu nehmen, wie er es angieng, um sich und sein Werk in der kürzesten Zeit allen Griechen bekannt zu machen. Gleich nach der Ueberfahrt aus seiner Heimath Karien nach Griechenland dachte er auf ein Mittel, mit dem wenigsten Aufwande von Zeit und Mühe die Augen der Griechen auf sich und seine Geschichtbücher zu ziehen und sich einen berühmten Namen zu machen. Selbst von Stadt zu Stadt zu reisen, und sein Werk jetzt den [599] Athenern, dann den Corinthern, hierauf den Argivern und Lacedämoniern besonders vorzulesen, däuchte ihm ein zu beschwerlicher, langer und zeitraubender Weg, um zu seinem Ziele zu gelangen. Er wollte das Geschäft, den Griechen sich bekannt zu machen, mit Einemmale abthun, und seinen Ruhm sich nicht so allmählig und theilweise sammeln; daher trachtete er nach einer Gelegenheit, die Griechen irgendwo in Masse beisammen zu treffen. Eben standen die großen Olympien bevor, und Herodot sah sogleich, daß dieß der günstigste Zeitpunkt für ihn seyn würde, den er sich nur wünschen könnte. Er wartete also, bis die Versammlung sehr zahlreich und die vornehmsten und gebildetsten Griechen von allen Seiten herbeigekommen waren: alsdann bestieg er die Stufen auf der Rückseite des Jupitertempels, nicht als Zuschauer, sondern um selbst als olympischer Kämpfer vor dem Volke aufzutreten, und declamirte nun seine Geschichte, wodurch er die Zuhörer so sehr bezauberte, daß sein Werk, das gerade aus neun Büchern besteht, den Namen der Musen erhielt.

2. Nun war sein Name allgemeiner bekannt, als selbst die Namen der olympischen Sieger; und wer ihn nicht selbst in Olympia vernommen hatte, der erfuhr von den dorther Zurückkommenden das Lob Herodot’s; und wo er sich hinfort nur sehen ließ, da ward mit Fingern auf ihn gewiesen, und Jeder zeigte ihn seinem Nachbar mit den Worten: „Das ist der berühmte Herodot, der in jonischer Mundart die Persischen Kriege beschrieben und unsere Triumphe verewigt hat!“ Welch herrliche Frucht trug ihm also dieses [600] historische Werk, da er an Einem Tage den allgemeinen und einstimmigen Beifall des versammelten Griechenvolks davon trug, und sein Ruhm nicht nur von Einem Herolde, sondern in jeder der Städte, aus welchen die Anwesenden herbeigekommen waren, verkündigt wurde!

3. In Betracht, wie kurz dieser Weg sey, öffentlich bekannt zu werden, hielten später auch Hippias (der ja aus jener Gegend gebürtig war), Prodikus aus Ceos, Anarimenes aus Chios, Polus aus Agrigent, und noch viele andere Sophisten jedesmal ihre Vorträge an die Versammlung zu Olympia, und machten sich dadurch in sehr kurzer Zeit einen Namen.

4. Doch wozu erwähne ich jener Sophisten, Geschichtschreiber und Redner aus alten Zeiten, da ja noch ganz neuerlich der Maler Aëtion eines seiner Gemälde, vorstellend die Vermählung Alexander’s mit Roxanen, nach Olympia brachte und öffentlich ausstellte, welches so großen Beifall fand, daß Proxenidas, einer der damaligen Hellanodiken, aus Wohlgefallen an dem vortrefflichen Künstler, ihn zu seinem Eidam erwählte.

5. Was war denn aber so Wunderbares an dem Gemälde, höre ich fragen, daß ein Hellanodike deßwegen einem Ausländer, welcher Aëtion war, seine Tochter zum Weibe geben mochte? Das Gemälde befindet sich in Italien, wo ich es selbst sah: ich kann also mit Zuverläßigkeit davon sprechen. Es stellt ein außerordentlich schönes Gemach mit einem Brautbette vor. Roxane, eine unbeschreiblich reizende Gestalt, sitzt, jungfräulich züchtig zur Erde blickend, vor dem [601] ihr gegenüber stehenden Alexander. Das Paar ist von lächelnden Liebesgöttern umgeben: einer derselben steht hinter ihr, zieht ihr den Brautschleier vom Kopfe und zeigt sie dem Bräutigam; ein zweiter ist sehr dienstfertig beschäftigt, ihr die Sandalen von den Füßen zu nehmen, damit sie sich niederlegen könne. Ein Dritter hat Alexandern beim Mantel gefaßt, und zieht ihn aus allen Kräften zu Roxanen hin. Er selbst, der König, reicht der Jungfrau einen Kranz dar. Als Bräutigamsführer steht Hephästion neben ihm, mit einer brennenden Fackel in der Hand, und auf einen gar zarten, blühenden Jüngling gelehnt, den Hymenäus, wie ich vermuthe; denn der Name steht nicht dabei. Auf einer andern Seite des Bildes spielen Amoren mit Alexanders Waffen; zwei derselben tragen seine Lanze, und geberden sich dabei wie Zimmerleute, wenn sie einen schweren Balken auf den Schultern haben: ein andres Paar zieht einen Dritten, der den König selbst vorstellt, wie auf einem Wagen, auf seinem Schilde heran, den sie an den Handhaben gefaßt halten. Noch ein Anderer ist in den rückwärts liegenden Panzer gekrochen, wo er zu lauern scheint, um das letztere Paar, wenn es in seine Nähe käme, zu erschrecken.

6. Uebrigens ist dieses Beiwerk nichts weniger als bloßes müßiges Spiel des Künstlers: Aëtion wollte damit Alexander’s Liebe zu kriegerischen Thaten andeuten, die ihn über der schönen Roxane der Waffen nicht vergessen ließ. – Und wirklich zeigte sich’s, daß dieses Gemälde recht eigentlich hochzeitlicher Natur war, da es auch seinem Künstler eine Braut, die Tochter des Proxenidas, zuführte. Die [602] Hochzeit, die er mit derselben feierte, war das Seitenstück zu der des Alexander, wobei dieser König, so zu sagen, Brautführer war, und ihm zum Lohne für seine gemalte Braut zu einer wirklichen verhalf.

7. Doch um wieder auf Herodot zurückzukommen, so hielt er also die olympische Volksversammlung für die schicklichste Gelegenheit, sich den Griechen als den Geschichtschreiber ihrer glorreichen Thaten darzustellen, und die Bewunderung von ihnen zu ernten, die er verdiente. Nun bitte ich euch bei dem Genius der Freundschaft, mir die wahnsinnige Anmaßung nicht zuzutrauen, meine Sächelchen dem Werke eines solchen Mannes an die Seite stellen zu wollen. Herodot’s Manen mögen mich davor in Gnaden bewahren! Nur darin glaubte ich eine Aehnlichkeit mit ihm zu finden, daß ich bei meiner Ankunft in Macedonien eine gleiche Ueberlegung bei mir anstellte, wie ich es anzugehen hätte, um, was ich so sehr wünschte, überall bekannt zu werden, und meine schriftstellerischen Versuche möglichst vielen Bewohnern dieses Landes zur nähern Kenntniß zu bringen. Selbst umherzureisen, und eine Stadt um die andere zu besuchen, schien mir, zumal in jetziger Jahrszeit, nicht wohl thunlich. Am besten dachte ich also meine Absicht zu erreichen, wenn ich diese eure Zusammenkunft abwartete, um mit einer öffentlichen Vorlesung meiner Schriften vor euch aufzutreten.

8. Nun ist dieser Tag gekommen; die ausgezeichnetsten Männer jeder Stadt, die Vortrefflichsten der ganzen Macedonischen Nation sehe ich um mich her versammelt. Eine glänzende Hauptstadt [Thessalonik] hat uns in ihre Mitte aufgenommen, [603] wo wir uns nicht wie zu Pisa in einem engen Raume zwischen Buden und Gezelten und in einem erstickenden Gewühle hin und her drängen. Die Versammlung besteht nicht aus einem zusammengelaufenen Pöbel, der viel lieber Athleten begafft, und dort den Herodot höchstens im Vorbeigehen angehört haben mag, sondern aus den gebildetsten und angesehensten Pflegern der schönen Wissenschaften. Daß also dieser Schauplatz, auf welchem ich auftrete, jenem zu Olympia nachstehen möchte, ist meine geringste Sorge.[1] Allein wenn ich mich freilich mit jenen Helden, die dort literarische Triumphe feierten, zusammenhalten wollte, so müßtet ihr mein Unterfangen sehr anmaßlich und verwegen finden. Daher bitte ich euch, den Gedanken an jene großen Meister ferne zu halten, und mich nur nach mir selbst zu beurtheilen: vielleicht daß ich dann euch wenigstens nicht strafwürdig erscheine, wenn ich es wagte, einen so glänzenden Schauplatz zu betreten; und ich würde mich glücklich genug schätzen, wenn mir auch nur das gelänge.



  1. Ich schlage vor: Δέος οὖν μικρὸν ἤδη.