Herz und Blutlauf

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Textdaten
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Autor: Dr. L.-n
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Titel: Herz und Blutlauf
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 91–95
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Beschreibung des menschlichen Blutkreislaufes
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Vom Baue des Menschen.

Von Dr. L–n.
I.0 Herz und Blutlauf.

Seit Jahrtausenden hat die Wissenschaft ihre Schätze aufgehäuft; Jahrtausende sind gekommen und gegangen, mit ihnen die Geschlechter der Menschen, Völker und Staaten. Im Laufe der vergänglichen Dinge ist so Vieles bis auf den Namen, Vieles namenlos verschwunden; - geblieben aber ist über allem Wechsel des Menschen Herz selbst mit seiner Leidenschaft, seiner Freude und Trauer, des Menschen Geist mit seinem Drange nach Wissen und Aufklärung. Und seltsam! vielleicht gerade das Nächste, was uns umgiebt, ja das Allernächste, sich selbst, kennen die Meisten nicht. Wie wir gehen, sitzen, liegen; was in uns schlägt, sich bewegt; ohne das wir nichts sehen, nichts hören, nichts genießen, überhaupt gar nichts thun können, ist größtentheils ein verschlossenes Geheimniß für Viele; wir selbst sind uns nur zu oft auch in unserm sichtbaren Theile ein ungelöstes Räthsel. Erklären wollen wir hier diese Erscheinung nicht weiter, wohl aber versuchen, zur Aufhellung des Dunkels ein Kleines beizutragen und dem freundlichen Leser in einzelnen Schilderungen den künstlichen Bau des Menschen und seiner Organe vorführen, aus denen er sich dann ein klares Gesammtbild seines leiblichen Wesens selber zusammensetzen möge.

Nicht mit Unrecht hat man den Menschen eine kleine Welt, Mikrokosmus, genannt, gegenüber dem großen All, Makrokosmus. Nicht blos bildlich ist dies richtig; unser Leib enthält alle Elemente der andern Geschöpfe, unsere Lebensform wiederholt alle Vorgänge des allgemeinen Lebens auf den niederen Stufen der Wesen; aber in der letzten, höchsten Vollkommenheit - der Mensch ist Gipfel und Krone der Schöpfung. Man hat oft schon den Organismus mit den Werken der Mechanik, der Maschinen oder ähnlichen Vorrichtungen verglichen. Bis zu einem gewissen Punkte kam man damit nothdürftig aus, aber gar bald zeigte sich diese schwache und unvollkommene Auffassung als ungenügend. Erst wenn wir den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Stoffen, Theilen und Organen des menschlichen Körpers zu erforschen suchen, werden wir zur Anerkennung der unendlichen Weisheit des Schöpfers gezwungen, je öfter sie die Fassungskraft des menschlichen Geistes übersteigt. Bei der Schilderung der Organisation werden wir freilich oft genöthigt sein, nach mechanischen Erklärungen zu greifen; man wird aber dabei stets im Auge behalten müssen, daß damit nicht die ganze Eigenthümlichkeit des selbstständigen, aus sich lebendig herausgebildeten, sich erhaltenden und fortpflanzenden Organismus erschöpft sein sollte und könnte.

Der menschliche Körper besteht aus festen und flüssigen Bestandtheilen. Letztere machen vier Fünftel des Körpergewichts aus, und deren allgemein bekanntester ist das Blut, die Quelle der Ernährung wie der Absonderung, also des Lebens. Dieser Nahrungs- und Bildungssaft ist in weiteren und engeren Röhren, die ein zusammenhängendes System bilden, durch den ganzen Körper verbreitet und in beständiger Bewegung – sein völliger Stillstand ist Tod. Diese Anordnung stellt sich uns (wenn auch nicht mathematisch genau) in einem Kreislaufe dar, indem das Blut von einem Mittelpunkte aus durch die Organe des Körpers getrieben und am Ende durch die Vermittlung feinster Blutgefäße in entgegengesetzter Richtung wieder zu jenem Mittelpunkte zurückgeführt wird. Der Kreislauf ist ein doppelter, ein kleiner und großer (davon später); sein Mittel- und Ausgangspunkt aber das Herz, dessen Einrichtung wir hier zunächst anschaulich machen wollen.

Das Herz, Centralorgan für das System der blutführenden Gefäße, ist eigentlich ein Muskel, d. h. eines jener faserigen Organe, welche man gewöhnlich mit dem allgemeinen Namen Fleisch bezeichnet; hat eine länglichrunde (kegelförmige) Gestalt, und liegt, eingestülpt in einen häutigen geschlossenen Sack, den Herzbeutel, dessen innere Platte das Herz selbst überkleidet, mitten in der Brusthöhle zwischen den Lungen, hinter dem Brustbein und zwar in schräger Richtung, von oben, rechts und hinten nach unten, links und vorn. Seine zwei Hälften, rechtes und linkes Herz, sind der Länge nach durch eine Scheidewand getrennt und haben (im erwachsenen Zustande) keine Verbindung [92] unter sich; wohl aber ist dieses der Fall zwischen den durch eine Querwand geschiedenen zwei Theilen jeder Hälfte, nämlich dem an der Basis (oberem Herztheile) liegenden Vorhof und der gegen die Spitze gerichteten Kammer. Wir haben also einen Vorhof und eine Kammer der rechten, und einen Vorhof und eine Kammer der linken Herzhälfte, von welchen die Vorhöfe als Erweiterungen der großen Gefäßstämme (Venen) betrachtet werden können, deren Blut sie aufnehmen und in die Herzkammern ergießen. Die Vorhöfe haben dünne Wände und jeder einen blinden, taschenförmigen Anhang, Herzohr. Die Herzkammern geben den Schlagadern (Arterien) ihren Ursprung und drücken das Blut, das sie von den Vorhöfen erhalten haben, in jene, wozu sie die muskulöse, zusammenziehbare Beschaffenheit ihrer Wände geschickt macht. Die Länge des Herzens nimmt man durchschnittlich auf 43/4 Zoll, seine Breite auf 31/2, seine Dicke 21/2 an; das Gewicht ist 9 Unzen bei Männern, bei Weibern etwas weniger; nach dem dreißigsten Jahre nimmt die Schwere immer mehr zu.

Fig. I.

Das Herz von vorn und oben mit seinen Gefäßen.

Es wird die folgende Darstellung erleichtern, wenn wir hier sogleich Einiges über die allgemeine Natur und Beschaffenheit der Gefäße anschließen. Die Gefäße, Adern, sind häutige, im ganzen Körper verbreitete Röhren oder Kanäle, in deren Höhlen (Licht, Lumen) die zur Erhaltung des Organismus dienenden Flüssigkeiten ihre Wege machen. Von den nach ihrem Inhalte verschiedenen Blut- und Lymphgefäßen brauchen wir für jetzt nur die Ersteren, welche selbst wieder zerfallen in: 1) Puls- oder Schlagadern (Arterien), welche das Blut vom Herzen nach allen Theilen des Körpers führen; 2) Blutadern (Venen), die das Blut wieder von allen Punkten des Körpers zum Herzen zurückleiten; 3) Haargefäße (Capillargefäße), die feinsten Aederchen, welche Puls- und Blutadern mit einander verbinden, indem sie den Uebergang des Blutes aus den feinsten Enden der Schlagadern in die gleich feinen Anfänge der Blutadern vermitteln. Der Umstand, daß häufig das hellrothe Blut mit dem Namen des Arterien-, das dunkelrothe mit dem des Venenblutes bezeichnet wird, verführt oft zu der Annahme, daß der Inhalt aller Schlagadern hellrothes, der aller Blutadern eine dunkelrothe Farbe habe. Beim großen Kreislaufe ist dies der Fall; wir werden aber später sehen, daß der kleine Kreislauf gerade das umgekehrte Verhältniß zeigt. Am besten wird man thun, wenn man fest hält, daß die Herzkammern alle Schlagadern entlassen, die Vorhöfe die Blutadern empfangen, und daß das rechte Herz nur dunkles, das linke dagegen helles Blut führt. Die Wand der Gefäße besteht aus mehreren concentrischen Häuten, deren innerste und wesentlichste alle Gefäße und auch das Herz auskleidet, die allgemeine Gefäßhaut; die äußere Haut, von welcher die Festigkeit und Ausdehnbarkeit der Wände abhängt, kommt gleichfalls allen Adern zu, während sich eine zwischen beiden befindliche mittlere Haut nur bei manchen findet. Bei der Ernährung der Gefäße wiederholt sich das Verhältniß wie beim Körper selbst; sie geschieht nämlich, wenigstens bei den größeren, wieder durch Gefäße und Nerven, während diese Gefäße der Gefäße selbst und die kleineren Gefäße durch die in ihnen fließende Flüssigkeit ernährt werden. Die Schlagadern haben, um dem vom Herzen ausgehenden Drucke widerstehen zu können, dickere und elastischere Wände, als alle übrigen Gefäße; von der aus dem Herzen kommenden Blutwelle ausgedehnt, ziehen sie sich beim Nachlasse des Druckes wieder zusammen: sie pulsiren. Wie die Schlagadern in der Nähe des Herzens am weitesten, und je weiter weg in immer kleinere Aeste und Aestchen ausgehen, bis sie in den feinsten Verzweigungen als Gefäßnetze sich zeigen, so beginnen die Blutadern in unmerklichen Uebergängen aus den Haargefäßen als kleine netzartig verbundene Gefäßchen (Blutaderwurzeln), fließen dann in größere Aeste und Zweige zusammen und münden endlich in großen Stämmen in die Vorhöfe. Was dort also Aeste und Zweige eines Baumes, sind hier Wurzeln. Die Wände der Blutadern sind dünner, schlaffer, ausdehnbarer; sie selbst weiter und zahlreicher als die Schlagadern, verlaufen gerader, verbinden sich unter einander weit häufiger und ihr Verlauf ist der Oberfläche des Körpers näher; dagegen verlaufen die Schlagadern mehr in der Tiefe und zwischen andern Theilen geschützt – aus dem weisen Grunde, weil ihre Verletzung auch viel bedenklicher ist. Die Blutadern führen (mit Ausnahme der Lungenblutader) kohlenstoffreicheres, nicht nährendes Blut; sie führen das Material herbei, das durch andere Vorgänge erst seine ernährende Eigenschaft zu erhalten hat. So sehen wir denn bereits, wie zweckmäßig auch hier Alles geordnet und berechnet ist, wie weise Alles in einander greift, um endlich zu jenem wunderbaren Resultate zu führen, welches wir den menschlichen Organismus nennen.

Haben wir so eben im Allgemeinen die Organe für die Verbreitung und Austheilung der allgemeinen Bildungsflüssigkeit, des Blutes, Herz und Gefäße, kennen gelernt, so versuchen wir es nun, die Verrichtung des Gefäßsystems, und wie jene Verbreitung durch den Blutumlauf zu Stande kommt, zu veranschaulichen.

Nur das hellrothe Blut, das mehr Sauerstoff enthält als das dunkelrothe, ist zur Ernährung und Belebung tauglich. Da nun aber das Schlagaderblut bei seinem Durchströmen der Körperorgane die hellrothe Farbe verliert (ein Vorgang, der noch nicht hinlänglich erklärt ist) und zuletzt namentlich in den Haargefäßen eine dunkelrothe annimmt, so wird es nöthig, daß das dunkelrothe Blut [93] wieder in hellrothes, lebensfähiges, verwandelt werde. Dieser Absicht dienen die Athmungswerkzeuge, die Lungen, indem sie dem Venenblut, das seine Kräfte verloren hat, aus der eingeathmeten Luft Sauerstoff abgeben und dafür Kohlensäure aufnehmen (dieser Vorgang wird bei Betrachtung der Lungen klar werden). Das Venenblut muß also zu den Lungen zurückkehren. Aus diesem beständigen Hin- und Herbewegen der ganzen Blutmasse entsteht eben, was man den Blutumlauf nennt; und da dieser, wie wir gesehen, eine doppelte Bestimmung hat, einmal nämlich, die Vertheilung des Blutes im Körper, sodann aber auch die Wiedersammlung des Vertheilten, auf daß es in den Lungen auf’s Neue erfrischt werde, so haben wir denn auch einen doppelten Kreislauf, einen großen und kleinen; und wie für beide das Herz der bewegende Mittelpunkt ist und das Blut dasselbe zweimal durchströmt, so durchschlingen sich beide Blutbahnen im Herzen, gleichsam wie zwei ineinandergelegte Ringe. Recht deutlich wird uns dies erst werden, wenn wir noch Folgendes über diese Hergänge beigebracht haben.

Fig. II.

Das Herz von hinten und unten nebst seinen Gefäßen.

Man erinnere sich, daß wir am Herzen vier Höhlen kennen gelernt haben, zwei Vorhöfe (Fig. I. a und c Fig. II. a und d) und zwei Kammern (die man sich hinter den Wänden x und y denke) wovon jene den Blutadern, diese den Schlagadern zugehören; ebenso, daß Vorhof und Kammer des rechten Herzens das dunkelrothe Blut aufnehmen, das linke Herz aber hellrothes weiter fördert. Darnach ordnen sich nun die beiden Blutkreisläufe. Der kleine, Lungen- oder Athmungskreislauf, nach den Lungen gerichtet, kommt aus der rechten Herzkammer, geht durch die Lungenschlagader (Fig. I. h abgeschnitten zu sehen) zu den Haargefäßen der Lungen, wo der oben angedeutete Umwandlungsproceß des dunkelrothen in hellrothes Blut stattfindet, und kehrt durch die Lungenblutader die gemäß ihres Ursprunges aus den beiderseitigen Lungen aus mehreren Venen besteht (Fig. I. e. f. Fig. II. f. g. h.) zum linken Herzvorhof zurück. Aus diesen Verhältnissen wird man nun auch einsehen, warum die Lungenschlagader allein von allen Schlagadern dunkelrothes, die Lungenblutader aber ebenso hellrothes Blut führt; in gleicher Weise, weshalb alle Schlagadern und alle Blutadern den gleichen Bau besitzen, mögen sie nun zum großen oder kleinen Kreislaufe gehören. – Der große oder Körperkreislauf geht von der linken Herzkammer aus, und zwar durch die große Körperpulsader (Aorta). Diese vertheilt das Blut durch vielfache Verästelungen und Verzweigungen im Körper. Letztere werden endlich zu feinsten und durchsichtigen Aederchen, welche deshalb Haargefäße genannt werden und ein zusammenhängendes Netz bilden. Aus diesen Haargefäßen entspringen die kleinen Blutadern, welche in umgekehrte Weise, wie die Schlagadern sich vertheilen und verästeln, so sich aus kleinen Zweigen in größere Stämme verbinden, die das Blut wieder zum rechten Vorhofe des Herzens zurückführen – mit Ausnahme der Blutadern des Verdauungssystems, welche als Pfortader zur Leber gehen und ein eigenes kleineres zusammenhängendes und geschlossenes Ganzes bilden. Wir wissen bereits, daß die Vorhöfe des Herzens mit ihren Kammern zusammenhängen; und so wird auch klar sein, wie die rechte Kammer das von ihrem Vorhofe erhaltene dunkelrothe Blut wieder zu den Lungen behufs seiner Erfrischung führen kann.

Zu größerer Verständlichkeit haben wir an den zwei Zeichnungen dem freundlichen Leser noch Einiges zu erklären. Er erblickt in Fig. I. das Herz von vorn und oben, in Fig. II. dasselbe von hinten und unten, die Gefäße aber nur bei ihrem Austritte aus dem Herzen und ihrem Rücktritte in dasselbe. In Fig. I. i sieht er die große Körperpulsader aus der linken Herzkammer aufsteigen, dann einen Bogen bilden, aus dem die großen Schlagadern für Hals, Kopf und Arme kommen, von denen hier die namenlose Schlagader (Fig. I. k), die linke Drosselschlagader (linke Carotis) (Fig. I. l) und die linke Armschlagader (Fig. I. m) sichtbar sind. Der Leser hat wohl schon öfters von tödtlichen Verletzungen und Blutungen am Halse gehört; in solchem Falle sind es die Drosselschlagadern, die lebensgefährlich verwundet waren. Fig. II. l zeigt die große Körperpulsader, wie sie nach dem oben erwähnten Bogen abwärts in die unteren Theile des Körpers geht, daher hier absteigende genannt. Weiter sehen wir von Blutadern die obere große Hohlader, welche das Blut aus den obern Theilen des Körpers zurückführt, bei ihrer Einmündung in den rechten Vorhof (Fig. I. g), sodann die untere Hohlader abgeschnitten (Fig. II. b). In Fig. I. h ist das rechte, in d (auch Fig. II. e) das linke Herzohr angedeutet. Das Herz selbst muß ernährt werden, hat daher einen eigenen Kreislauf, durch welchen das zwischen den großen Körperpulsadern und Körperschlagadern bestehende Verhältniß von ihm im Kleinen gleichsam wiederholt wird. Von den hierher gehörigen Gefäßen erblicken wir auf Fig. I. p den Ast einer Kranzschlagader und auf Fig. II. m eine große Kranzblutader, die ihr Blut, wie alle dunkelrothes Blut führenden Gefäße, in den rechten Vorhof ergießt. Wie aber werden nun diese Organe zu ihrer so verschiedenartigen und doch so harmonischen Thätigkeit gebracht? welches ist die treibende Kraft dieser wunderbaren Blutbewegung? Wir wissen, daß das rastlos thätige Herz es ist; aber wie? Das Blut hat keine eigene Bewegungskraft; die Natur mußte also für eine Einrichtung sorgen, welche die Fortleitung in den Gefäßen, welche wir uns als ein System von Röhren denken können, vermittelt. Das Herz stellt diese Vorrichtung dar, gleichsam [94] ein Pumpwerk mit Druck- und Saugwirkungen. Geschickt wird es zu dieser wechselnden Wirkung durch die Muskelfasern, die, wenn und wo sie einen hohlen Raum umgeben, denselben durch ihre Contraction oder Verkürzung verkleinern, mithin den Inhalt hinaustreiben, und durch ihre Erschlaffung ihn wieder zur Aufnahme neuer Flüssigkeiten fähig machen. Darauf beruht der Vorgang im Herzen. Das Wechselspiel in der Zusammenziehung und Ausdehnung des Herzens, wodurch das Blut ausgetrieben und sein neues Einströmen ermöglicht wird, stellt sich als die mechanische Ursache des Kreislaufs dar. Die linke Herzkammer treibt ihr Blut in die große Körperschlagader (Aorta) und beginnt damit den großen Kreislauf; gleichzeitig drängt die rechte Herzkammer ihr Blut in die Lungenschlagader, womit der kleine Kreislauf seinen Anfang nimmt. Da die das Blut forttreibende Zusammenziehung an den Vorhöfen beginnt und in diese, wie man weiß die großen Blutadern münden, so liegt die Frage sehr nahe: ob denn jene Zusammenziehung das Blut nicht auch in letztere drängen müsse? Allerdings würde dies der Fall sein, wären nicht gegen die Blutadern Klappen angebracht, welche einen solchen Rückfluß hindern. Diese weise Vorrichtung der Klappen finden wir allenthalben da, wo ein gleicher Zweck erreicht werden soll; so in derselben Weise in den Kammern, damit das in sie getriebene Blut der Vorhöfe nicht in diese bei der Zusammenziehung der Kammern selbst zurückströmen kann, sondern einem einzigen Auswege gegen die Schlagadern hin folgen muß. Das Andrängen des Bluts gegen die Kammern schleudert diese gegen die Rippen, was den fühlbaren Herzstoß oder Herzschlag giebt. Erschlaffen die Muskelfasern des Herzens wieder, so bewirkt neu einströmendes Blut die Ausdehnung der Kammern, die auf ihrem höchsten Grade abermals in Zusammenziehung übergeht; und so fortwährend in rascher Aufeinanderfolge und in vollkommen gleichartiger Arbeit beider Herzhälften, wie es zur Vermeidung von Störungen in dem geregelten Gange der Flüssigkeiten, den wir mit einem hydraulischen Werke verglichen haben, erforderlich ist.

Der Herzschlag den man links zwischen der 5. und 6. Rippe mehr oder minder deutlich fühlt, ist die Ursache des Pulsschlages in den Schlagadern, der im gesunden Körper durchschnittlich in der Minute siebenzig bis fünfundsiebenzigmal erfolgt. Einige andere Herztöne werden durch die Bewegung des Blutes gegen die Wände des Herzens und der großen Schlagadern, oder als Geräusche der Herzklappen, und deren Spannung erklärt. Der Blutlauf durch die Schlagadern, von den Herzbewegungen begonnen, wird durch die Elasticität jener Adern und die sich schnell folgenden Zusammenziehungen der Kammern in fortwährender (aber etwas ungleich geschwinder) Bewegung erhalten. Eine Blutwoge drängt die andere. Die Erschütterung der Wände durch die fortgetriebene Blutsäule bewirkt den Pulsschlag. Der Blutlauf durch die Haargefäße, obgleich noch fortdauernd unter dem Einflusse der Herzthätigkeit, ist doch schon durch die größere Entfernung vom Herzen langsamer und ohne Schlag, und wird mehr durch die eigenthümliche Thätigkeit der Organe vermittelt. Gleichwohl darf man sich diese Langsamkeit deshalb nicht mit einem großen Zeitverluste verbunden denken; das Blut hat kaum eine Minute nöthig, um den kleinen und einen bedeutenden Theil des großen Kreislaufes durchzumachen, so daß man eine Minute als runde Zahl für die mittlere Kreislaufsdauer beim Menschen annehmen kann. In zwei Minuten hat durchschnittlich das gesammte Blut des Körpers die Lungen durchsetzt. – Der Druck von der Kammerzusammenziehung pflanzt sich in die Haargefäße und Blutaderwurzeln fort; und so wird der Blutlauf in den Blutadern durch eine Kraft im Rücken vorwärts gegen das Herz getrieben; aber da der Druck geringer ist, auch mit geringerer Geschwindigkeit. Wieder in der Nähe des Herzens angelangt, befördert der Umstand, daß durch Austreibung des Blutes aus den Vorhöfen in die Kammern in ersteren momentan ein leerer Raum sich bildet, das Einströmen des Blutes aus den vollen Blutadern in die Vorkammern, auch hier durch viele Klappen, als ebensoviele Sicherheitsventile, in den Blutadern verhindert wird. Um den für die Auffassung nicht schwierigkeitslosen Blutumlauf, den wir hier nicht vollständig abbilden können, unsern Lesern recht anschaulich zu machen, nehmen wir zu einer sinnbildlichen Darstellung (Schema) unsere Zuflucht, an der sich die beiden Blutbahnen und ihre Durchschlingung im Herzen ganz gut werden einprägen lassen.

Fig. III.

In Fig. III ist a die rechte, b die linke Herzkammer, c der rechte, d der linke Vorhof. Aus a geht die Lungenschlagader e durch die Haargefäße der Lungen, die man sich an der Stelle des Ringes f denken mag, in die Lungenblutadern g über, die in den linken Vorhof münden. Die große Körperschlagader h theilt sich in zwei Haupthälften für den obern und untern Körper. Die Schlagadern i der ersteren Hälfte lösen sich in ihre Haargefäße k auf und gehen dann in ihre Blutadern l über. In gleicher Weise sind m die Schlagadern der zweiten Hälfte, n die Haargefäße, o die Blutadern. Die Hohladern l und o münden endlich in dem rechten Vorhofe c. Da, wie man weiß, keine unmittelbare Verbindung aus der rechten Herzhälfte c a in die linke d b führt, so muß das von den Hohladern l und o in die rechte Vorkammer c geflossene und in die rechte Kammer a weiter getriebene Blut den Lungenkreislauf e f g durchmachen, um in das linke Herz d b zu gelangen. Man ersieht daraus, daß kein Tropfen Blutes von Neuem in die Bahnen i k l und m n o zurückkehren kann, ehe er den Weg durch die Lungen behufs neuer Beathmung gemacht hat. – Betrachten wir das Blut in Hinsicht seiner Farbe, so strömt der dunkelrothe Inhalt der Hohladern l o dem rechten Herzen c a zu, kommt von da in die Lungenschlagader e [95] und wird in den Haargefäßen der Athmungswerkzeuge f wieder hellroth. Diese neu belebte Blutmasse geht hierauf durch die Lungenblutadern g, den linken Vorhof d, die linke Herzkammer b, die große Körperschlagader h und die oberen und unteren Körperschlagadern l und m, und wird in den Haargefäßen k und n wieder dunkelroth. Vertheilt man die Abschnitte des Herzens in die beiden Kreisläufe, so gehören rechter Vorhof c und linke Kammer b dem großen, der linke Vorhof d und die rechte Kammer a dem kleinen Kreislaufe an, was die mehrerwähnte Durschlingung und Kreuzung im Herzen ergiebt.

Dies ist der Kreislauf des Blutes. Ein inniges und harmonisches Zusammengreifen aller dabei betheiligten Organe, ein rastloser Wechsel aller dabei in’s Spiel kommenden Thätigkeiten lassen uns an ihm die wunderbare Ordnung und Uebereinstimmung im menschlichen Organismus und seinem Haushalte erkennen. Und doch haben wir hier nur allgemeine Umrisse gegeben, noch lange nicht Alles erschöpft, was auch nur mit dieser einen Lebensäußerung des Organismus zusammenhängt und von hohem Interesse ist, geschweige daß wir bis an die Quelle des Lebens selbst und seiner ewig pulsirenden Kraft gedrungen wären. Von einigen weiteren Vorgängen, die mit dem eben abgehandelten Gegenstande in Verbindung stehen, unterhalten wir die freundlichen Leser wohl ein nächstes Mal.