Hexenprozesse

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Autor: Friedrich von Rath
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Titel: Hexenprozesse
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aus: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267
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Erscheinungsdatum: 27. September bis 6. November 1844
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Siehe auch Hexenwesen und Hexenprozesse
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Hexenprozesse.
Mitgetheilt von Fr. v. Rath.

Ein zweimaliger Aufenthalt in dem vortrefflichen, aber noch lange nicht genug gewürdigten Bade in Mergentheim gab dem Verfasser der folgenden Mittheilungen Gelegenheit, in dem dort befindlichen, an historischen Dokumenten der vielfachsten Art höchst reichen Archive des deutschen Ordens, mit welchem die nicht weniger reichen Archive des Ritterstifts Comburg, des Klosters Schönthal u. s. w. vereinigt sind, eine Masse der vollständigsten Akten von Hexenprozessen kennen zu lernen, welche von der zweiten Hälfte des sechzehnten bis in die erste Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts auf den nächstgelegenen Gebieten des Ordens geführt worden sind. Als nun die erbetene Erlaubniß ertheilt ward, diese merkwürdigen Akten zu excerpiren und zu benutzen, so gab dieses hinreichende Veranlassung, mancherlei Studien in dieser Richtung zu machen. – Der vielbesprochene Roman des Pfarrers Meinhold, „Maria Schweidlerin, die Bernsteinhexe etc.,“ der ungeachtet der hohen, ihm zu Theil gewordenen Protektion gleich Anfangs von Jedem, der nur irgend eine ächte Hexenakte in der Hand gehabt, als eine Mystifikation betrachtet werden mußte, hat die Aufmerksamkeit des belletristischen Publikums, das in neuerer Zeit jeder Art von Emotionen auf das Emsigste nachzujagen pflegt, auch den Hexenprozessen zugewendet, einem der dunkelsten und grauenvollsten Kapitel der Verirrungen des menschlichen Geistes.

Der Verfasser dieser Mittheilungen glaubt keine undankbare Arbeit unternommen zu haben, wenn er, anstatt seine Studien zu Novellen oder Lustspielen zu verarbeiten, einige der merkwürdigsten, jenem Archive entnommenen Hexenprozesse folgen läßt, nicht nur um manche, durch Meinholds Roman verbreitete Irrthümer zu berichtigen, sondern hauptsächlich um zu zeigen, wie solche Prozesse eigentlich aussahen. Leider muß zugegeben werden, daß in ihnen eine fortlaufende Kette von Momenten enthalten ist, die an tragischem Interesse, an Schauderhaftigkeit keinem der so beliebten, an Emotionen so reichen Romane deutschen oder französischen Ursprungs nachstehen, mit dem großen Unterschiede jedoch, daß in lezteren eine oft in das Gräßliche ausschweifende Phantasie, in den erstern dagegen die furchtbarste und grauenvollste Wahrheit spricht. Zum bessern Verständniß dieser Prozeßgeschichten möge es dem Verfasser jedoch vergönnt seyn, in einigen möglichst kurzen Umrissen Andeutungen darüber zu geben, wie es der unvernünftigsten Justiz und der gottesvergessensten Theologie gelingen konnte, dem krassesten Aberglauben zahllose Hecatomben der schuldlosesten Menschen zu opfern. Es dürfte eine solche Uebersicht um so zeitgemäßer erscheinen, [930] als es unserer so viel belobten Aufklärung zum Trotze doch nicht unter die unmöglichen Dinge gehören möchte, die Wiederkehr einer solchen furchtbaren Periode zu erleben, wenn es gewissen Bestrebungen gelingen sollte, sich allgemeine Geltung entweder bei den Machthabern oder bei den Massen zu verschaffen.


Erste Abtheilung.

Ob das Hexenwesen des Mittelalters im germanischen, ob es im griechischen oder römischen Heidenthum seinen Ursprung zu suchen habe, ist eine noch ungelöste Frage. Erstere bis jezt vorwiegende Ansicht, namentlich noch sehr stark vertheidigt von Professor Fischer in seinem sehr interessanten Werke „über Somnambulismus,“ hat durch Dr. Soldans im vorigen Jahre herausgekommene „Geschichte der Hexenprozesse,“ einem in dieser Beziehung höchst wichtigen historischen Beitrag, zu Gunsten der leztern Ansicht einen großen Stoß erlitten. So viel ist jedenfalls gewiß, daß man bei allen Völkern, von den ältesten Zeiten her, den Glauben an dämonische Gewalt und Einfluß, an Magie und Zauberei findet; der eigentliche Hexen- und Teufelsglaube jedoch, aus welchem die gräuelvollen Hexenprozesse entstanden, erhielt erst im Mittelalter und in Mitteleuropa, in Frankreich und Deutschland, seine volle Ausbildung. Vom dreizehnten Jahrhundert an wurde der bis dahin oft sogar von der Kirche angefochtene Glaube an Zauberei und Hexerei von ihr förmlich anerkannt, die Kirche hierin von der Justiz unterstüzt und ihre Urtheile von lezterer vollstreckt, bis endlich Zauberei, in ein bürgerliches Verbrechen umgewandelt, ganz in die Hände der Justiz überging. Ein solcher Stand der Dinge war allmählig aus den Ketzerverfolgungen hervorgegangen; Ketzer aber nannte man von den ältesten Zeiten her Alle, welche den gebotenen Satzungen der Kirche nicht blindlings Folge leisten wollten, und bald ward Ketzerei und Zauberei gleichbedeutend.

Wir erinnern hier nur an die Verfolgungen der Waldenser und Albigenser und der friesländischen Stedinger, welche nicht nur als Ketzer der schlimmsten Art, sondern auch als dem Teufel Verschriebene galten, eben so wie wir später die eigentlichen Hexen bezüchtigt sehen.

Von der Kirche angeordnete Inquisitions- oder Glaubenstribunale sollten unter besondern Ketzermeistern dem Unfuge steuern; als aber der furchtbare Ketzermeister Konrad von Marburg seine blutdürstige Wuth mit dem eigenen Tode büßen mußte (im Jahr 1233), wollten die Ketzergerichte in Deutschland nie mehr rechten Fuß fassen; man mußte daher, wollte man sie nicht ganz fallen lassen, der gleichen Sache einen andern Namen geben. Anstatt der Ketzerei wurden nun Zauberei und Hexenwerk als das Hauptverbrechen angesehen, und so muß die erste Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts als der Zeitpunkt betrachtet werden, wo aus Ketzerei und Zauberei das Ungethüm der Hexerei entstand.

Mit Hexerei bezeichnete man nämlich einen von Menschen mit dem Teufel abgeschlossenen festen Bund, in welchem sich Erstere zu Anbetern des leztern bekannten, Gott und den Heiligen absagten, dagegen von dem Teufel mit allerlei Zaubermitteln versehen wurden, um ihre Mitmenschen auf jede Art zu schädigen; auch mußten sie mit ihm Buhlschaft treiben. Zur Verbreitung eines solchen Glaubens hatten wohl die Kreuzzüge und die Bekanntschaft mit arabischen und jüdischen abergläubischen Lehren viel beigetragen; denn es entstand hieraus eine neue Wissenschaft, die von den besten Köpfen eifrigst bearbeitet wurde, und dieß war die Magie, die bald in Beziehung auf Zweck und Mittel in weiße und schwarze eingetheilt wurde. Obgleich in der weißen Magie und der mit ihr eng verbundenen Cabbala die Ergebnisse von Gott und guten Geistern herrühren sollten und sie sogar auf der hohen Schule zu Toledo und anderwärts öffentlich gelehrt wurde, so konnte sie doch niemals die Zustimmung der Kirche erhalten, während die schwarze Magie als eine vom Teufel und seinen Geistern vermittelst eines Bündnisses mit ihm verliehene Gabe stets als das todeswürdigste Verbrechen galt.

Als es nun, namentlich bei Ketzerverfolgungen, zu unangenehmen Reibungen mit den weltlichen Gerichten gekommen war und das Volk die Inquisition nicht länger ertragen wollte, es auch wohl zeitweise keine Ketzer gab, erfanden die Ketzerrichter den Hexenprozeß, um sich von allen fremden Anfechtungen frei zu halten und bei den damals so finstern Zeiten stets Arbeit zu haben. Alle die Männer, die denselben zu Ende des vierzehnten und zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts in ihren Schriften theoretisch begründeten, waren Inquisitionsrichter und gehörten dem Dominikanerorden an, dem die Handhabung der Inquisition speziell übertragen worden war. Im Jahr 1390 nahm das Pariser Parlament den Inquisitoren die Hexenprozesse ab (ein einziger hatte 200 Zauberer zum Tode verurtheilt), und sogleich verminderte sich ihre Zahl. In Deutschland dagegen begann um diese Zeit dieses Unwesen eine furchtbare Höhe zu ersteigen. Zwei Dominikaner, Johann Nider aus Isny in Schwaben, Ketzerrichter in Bern, und Nicol. Jaquier, ein Franzose, verhalfen dem Hexenwesen durch ihre Schriften zu großer Ausbildung. Lezterer bewies namentlich die Gültigkeit und Rechtmäßigkeit des gerichtlichen Vorschreitens auf den Grund der Aussagen der Complices, d. h. solcher Mitschuldigen, die angeblich auch auf Hexenversammlungen zugegen gewesen seyn sollten, was bis jezt bestritten worden war, weil man annahm, der Teufel lasse Trugbilder [931] derjenigen Personen erscheinen, die er als gegenwärtig gewesen darstellen wolle. Auch behauptete er siegreich den furchtbaren Satz, daß Zauberer, auch wenn sie bereuten, doch nie wieder in den Schooß der Kirche aufgenommen werden könnten, weil bei ihnen Alles aus bösem Willen, nichts aus Irrthum hervorgehe, und weil ihr Verbrechen jedenfalls die strengste Bestrafung verdiene.

[934]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

In Spanien erreichten die Ketzerverfolgungen in dem furchtbaren Tribunale der Inquisition ihren höchsten Grad der scheußlichsten Ausbildung; hier fiel Hexen- und Zauberwesen zusammen mit dem Verbrechen der Ketzerei, während in Deutschland, wie schon bemerkt, seit Konrads von Marburg Ermordung das Inquisitionswesen nicht recht gedeihen wollte. – Dem ungeachtet waren gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts Heinrich Institoris für Oberdeutschland, Jakob Sprenger für die Rheingegenden zu Ketzerrichtern bestellt worden, welche aber, um ihr Geschäft volksthümlicher zu machen, nicht sowohl als Ketzer-, sondern als Hexenverfolger auftraten, wobei sie jedoch namentlich bei der weltlichen Obrigkeit und bei andern weniger in den Vorurtheilen der Zeit befangenen Männern heftigen Widerstand fanden und oft hören mußten, Zauberei und Hexenwerk existire nur in ihren Köpfen. Zu ihrem Schutz erließ hierauf Pabst Innocentius VIII. im Jahr 1484 eine Bulle, wodurch der Hexenprozeß, nämlich die Untersuchung der Ketzerei des Zauberwesens und das Inquisitionsverfahren erst die eigentliche päbstliche Sanction erhielt und die Verbreitung dieses Unwesens wesentlich befördert wurde. Die beiden genannten Ketzermeister gründeten auf diese Bulle das von ihnen verfaßte berüchtigte Buch, Hexenhammer genannt, ein Werk, das in seinen drei Abtheilungen überall vom grassesten Unsinn strozt.

Im ersten Theil wird die Realität des Zauberwesens aus der heil. Schrift, aus dem kanonischen und bürgerlichen Recht erwiesen, und der gehässige Satz aufgestellt, es sey das Leugnen dieser Wirklichkeit eine der ärgsten Ketzereien. Hierauf folgt die Lehre von dem Bündnisse mit dem Teufel, von den verschiedenen Gestalten desselben, namentlich als Incubus oder Succubus, d. h. als männlicher oder weiblicher Buhlteufel. Im zweiten Theile wird die Art verhandelt, wie die Zauberer vom Teufel auf- und angenommen werden, wie sie durch die Luft fliegen, mit Dämonen sich vermischen, die Menschen schädigen, und endlich wird der Schatz der kirchlichen Heilmittel gegen allerlei Zauber angegeben. Dabei wird [935] eine Masse der ungeheuerlichsten Mährchen aufgetischt; W. Tell erscheint dabei unter den höllischen Freischützen. – Der dritte Theil handelt vom gerichtlichen Verfahren; der altdeutsche Anklageprozeß wird verworfen, die Denunciation dagegen eingeführt, und zwar so, daß der Denunciant sich nicht zur Beweisführung für das Ganze verpflichtet, sondern nur die Wahrheit seiner Aussagen beschwört, welche nur auf einzelne Indicien, bösen Ruf etc. gegründet zu seyn brauchen.

Auf dieses unsinnige, im Jahr 1487 erstmals gedruckte Buch ist der ganze Hexenprozeß, der unzähligen Menschen das Leben gekostet hat, gegründet. Viele gelehrte Männer bearbeiteten von jezt an das gehörig vorbereitete Feld, unter welchen sich vor Allen auszeichnete der lotharingische Geheimerath Nicolaus Remigius, der sich gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts rühmte, an 900 Personen als Hexen verbrannt zu haben, und der Löwensche Professor und Jesuit Del Rio, der 1608 starb. Er war der bei weitem gelehrteste und schlaueste aller Hexenfeinde, und stellte unter andern das Leugnen des Hexenglaubens als eines der schwersten Indicien auf.

Es muß jedoch hierbei ausdrücklich bemerkt werden, wie dieser Greuel nie eine solche Höhe hätte erreichen können, wenn nicht gerade um diese Zeit, nämlich zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, das altdeutsche Recht und die Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahren von dem römischen Rechte und dem damit verbundenen geheimen Verfahren verdrängt worden wäre. Mit welchem Widerstreben des Volks eine solche Umwälzung durchgeführt wurde, gehört nicht hierher; ich gedenke hier nur des vierten Artikels der von den in Schwaben und Franken aufgestandenen Bauern entworfenen Verfassung, welcher hinreichend diesen Widerstand beweist. Jezt ward das Recht nicht mehr gefunden und gesprochen von den vom Volke erwählten Rechtsfindern und Rechtsprechern, sondern von den von der Herrschaft gesezten Richtern. Diese wurden nur zu bald die ärgsten Landplagen des Volks, und nur durch das jezt eingeführte heimliche Verfahren wurden die Hexenprozesse in ihrer ganzen Scheußlichkeit möglich. In der Brust der damaligen gelehrten Diener der Themis lebte kein menschliches Gefühl, in die Hände solcher Fühllosen wurde die Folter als Ergänzungsmittel der Wahrheit gelegt, und dabei die Art ihrer Anwendung, über welche ohnehin nur wenige gesetzliche Bestimmungen vorlagen, größtentheils der Willkühr jener Unmenschen preisgegeben.

In dem tüchtigen Werke, „Bayerns Kirchen- und Volkszustände“ erzählt Sugenheim ein gräßliches Beispiel der Trüglichkeit der auf der Folter erpreßten Geständnisse. Im Jahr 1518 hatten vier Bösewichte in Pommern viele Kirchen beraubt und mehrere Mordthaten begangen; bevor man nun der wirklichen Verbrecher habhaft werden konnte, wurden 124 Menschen, unter ihnen 3 Priester, 17 Küster, 80 Männer, 18 Frauen und 6 Jungfrauen, die sämmtlich unschuldig und nur durch die Folter zum Geständniß, als seyen sie die Thäter gewesen, gebracht worden waren, nach gutem Urtheil und Recht hingerichtet.

Nur wenige Bemerkungen mögen jezt noch über den gewöhnlichen Gang der Hexenprozesse folgen. Zauberei war ein vom gewöhnlichen Gerichtsverfahren ausgenommenes Verbrechen, folglich der Richter nicht verbunden, sich genau an die sonst vorgeschriebenen Formen und Grundsätze zu halten, auch konnte dieses Verbrechen niemals verjähren. Ein solcher Prozeß konnte sogleich nach bloßen Indicien eröffnet werden, und diese waren zahllos: übler Ruf, Aussagen von Inquisiten auf der Folter, Abstammung von Eltern, die wegen Hexerei hingerichtet worden waren, Androhungen, auf welche schnell den Bedrohten ein Schaden traf, rasch zunehmender Wohlstand etc. Es gab kein Mittel, dem einmal entstandenen Verdachte zu entgehen, und noch weniger ein Mittel, sich den Klauen des Richters zu entziehen, wenn man einmal in sie gefallen war. Von Untersuchung des Thatbestands oder der Möglichkeit der von den Gefolterten einbekannten Unthaten, oder der gegen sie erhobenen Anklagen war nicht entfernt die Rede. So wurden z. B. in Lindheim in der Wetterau i. J. 1667 mehrere Weiber so lange gefoltert, bis sie einstimmig bekannten, ein todtes Kind ausgegraben, zu Brei gekocht und gegessen zu haben. Als es endlich der Beharrlichkeit des Ehemannes einer der Angeklagten gelang, das Grab des angeblich gefressenen Kindes im Beiseyn einer Commission öffnen zu lassen, und da nun der Körper desselben unversehrt vorgefunden wurde, hielt man diesen unversehrten Leichnam für ein teuflisches Blendwerk, und die armen Weiber wurden nichts destoweniger zu Ehren des dreieinigen Gottes als Hexen verbrannt. Ein Angeklagter war jedes rechtlichen Vertheidigungsmittels beraubt, und wurde ihm je ein Vertheidiger erlaubt (in allen von mir gelesenen Akten kommt kein solcher Fall vor), so mußte er sich sehr in Acht nehmen, um nicht selbst in Verdacht zu kommen. Auch hob das auf der Folter erpreßte Geständniß alle Früchte der Defension auf. Auf die leichtesten Indicien hin erfolgte sogleich, gewiß aber im zweiten Verhör, die peinliche Frage, und zwar in der Regel so oft und so lang andauernd, bis das Geständniß erpreßt war; Zurücknehmen desselben zog neue Folter nach sich, festes Beharren darauf verkürzte und milderte wenigstens die Qualen und den in allen Fällen gewissen Tod.

[938]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Es tritt hierbei noch eine eigenthümliche Erscheinung auf; es lag nämlich dem Inquirenten weit weniger an dem zur Verurtheilung eines einzigen Inquisiten nöthigen Geständnisse, als vielmehr an Erforschung seiner vermeintlichen Genossen und Mitschuldigen. Der Grund davon war weniger zu suchen in dem Bestreben, das Hexenwerk auszurotten, als vielmehr darin, die Arbeit nicht ausgehen zu lassen und sich damit einen fortdauernden Verdienst zu sichern. Solch schnöde Habgier scheint einer der hauptsächlichsten Hebel des glühenden Hexenhasses gewesen zu seyn; dieß ergibt sich wenigstens aus den Zeugnissen hellsehender, muthiger Zeitgenossen, und geht aus meinen eigenen Untersuchungen, wie ich später zeigen werde, klar genug hervor.

Wenn das Geständniß der eigenen Missethat heraus gefoltert war, so wurde ferner auf Complices inquirirt, d. h. auf Personen, welche auch mit auf den Hexentänzen und Sabbathen zugegen gewesen seyen. Bei den darauf folgenden Confrontationen trug es sich nicht selten zu, daß die Aussagen von den Inquisiten beschworen und zur Bekräftigung der Wahrheit sogar das heil. Abendmahl darauf genommen wurde. Zwei oder mehrere solcher Angaben, von verschiedenen Inquisiten gegen eine und dieselbe Person gemacht, was namentlich in kleinen Orten sehr häufig vorkommen mußte, reichten hin zur gefänglichen Einziehung solcher Bezüchtigten und zum Beginnen eines neuen Prozesses. Alle Bekenntnisse sind in der Regel an einem Untersuchungsorte, wo viele Hexenprozesse hinter einander vorkommen, völlig gleichstimmig; dieß hatte einen doppelten Grund: einmal waren alle Punkte, auf welche es ankam, dem Volke vollständig bekannt, und zweitens wurde zulezt Uebereinstimmung der Aussagen durch zahllose Suggestivfragen hervorgebracht. Nur selten gab es moralisch und physisch so starke Personen, und diese vorzugsweise unter dem weiblichen Geschlecht, daß sie alle Grade der Tortur, und zwar zu mehreren Malen, aushielten, ohne zu bekennen. In solchem Falle erfolgte zwar, aber erst nach langem und schwerem Gefängniß, eine Freilassung, immer aber nur gegen Beschwörung einer schweren Urphede, und meistens war Landesverweisung damit verbunden. In den bei weitem meisten Fällen ward nach wenigen Tagen, nach drei bis vier Verhören schon das Urtheil gefällt, welchem die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. zu Grunde lag, die auf Zauberei, wenn wirklich die Beschädigung einer Person erfolgt war, den Tod sezte. Andere kurz vorher oder bald darauf erlassene [939] Kriminalordnungen, z. B. die Bamberger vom Jahr 1507 oder die chursächsische von 1577, sezten auf Bündnisse mit dem Teufel, auch ohne Schädigung anderer Personen, den Feuertod, auf Schaden durch Zauberei ohne Teufelsbündniß, Tod durch’s Schwert. In der Praxis stellte es sich jedoch heraus, daß ausgezeichnete und unbußfertige Hexen lebendig verbrannt, reumüthige aber geköpft, gehenkt oder erstickt wurden.

Nach dem canonischen Recht war Vermögensconfiskation eine Strafe der Zauberei; eine Stelle in Kaiser Karls Halsgerichtsordnung wurde auch in dieser Richtung verdreht und gedeutet, und wenn es auch in der Theorie eine Streitfrage blieb, so ward dagegen in der Praxis entweder geradezu das Vermögen für verfallen erklärt oder doch durch die großen Prozeßkosten vollständig geplündert. Ersteres war mehr in katholischen, lezteres mehr in protestantischen Ländern der Fall, und lieferte namentlich in den erstern, wie später gezeigt werden wird, ein bedeutende Quelle von Einnahmen. Es bedarf dabei keiner weitern Ausführung, daß Haß, Rachsucht, Habgier in den Hexenprozessen den weitesten Spielraum fanden.

Den Juristen allein wäre es jedoch nie möglich geworden, die Greuel der Hexenprozesse so lange fortzusetzen, hatten sie nicht an den Theologen den kräftigsten Beistand gefunden. Die weiteste und furchtbarste Ausdehnung erhielten die Hexenprozesse in der lezten Hälfte des sechzehnten und in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts. Dieser Zeitraum hatte aber vor Allem eine theologische, und zwar durch die Parteien für und wider die Reformation eine höchst leidenschaftliche theologische Richtung. Beide sich sonst so schroff entgegenstehenden Parteien trafen in Einem Punkte zusammen, nämlich in der Vorstellung von der Persönlichkeit und von der Macht des Teufels. Der mangelhafte Zustand sämmtlicher Naturwissenschaften und die Furcht der wenigen hellern Köpfe, sich gegen die Theologen zu verfehlen, trugen nicht wenig dazu bei, die Finsterniß in Beziehung auf den Hexenglauben zu erhalten, und zwar in einer Periode, die gewöhnlich als die der rasch sich verbreitenden Aufklärung bezeichnet wird. Zu gleicher Zeit war der Glaube an theurgische und theosophische Magie, an Alchymie, Astrologie, durch die Bestrebungen der mystischen Rosenkreuzer nicht wenig begünstigt, allgemein verbreitet und von den höchsten Herrn und den ausgezeichnetsten Köpfen gehegt und gepflegt. Die Jurisprudenz war befangen in den Satzungen und Spitzfindigkeiten des römischen und canonischen Rechts, in den theologischen Begriffen der Zeit, in dialektischen Spielereien. Es ward nicht geforscht nach der Möglichkeit der Zauberei. Wenn also Protestanten und Katholiken den Hexenglauben aus gleichem Gesichtspunkt betrachteten, und wenn bei erstern Luther durch seine Annahme der Lehre vom Teufel nach St. Augustin hiezu nicht wenig beigetragen hatte, so erreichte dem ungeachtet das Wüthen gegen Hexen in protestantischen Ländern nie eine solche Höhe, wie in den Ländern katholischer und vorzugsweise geistlicher Fürsten. Als Beweis dieser Behauptungen mögen folgende kurze, größtentheils der Geschichte Schwabens und Frankens entnommene Angaben dienen.

In den alten württembergischen Landen scheint das Hexenwesen nur wenig Wurzel geschlagen zu haben. Nur aus Balingen, aus Kirchheim finden sich einzelne Fälle verzeichnet. In Güglingen wurde des berühmten Astronomen Keppler vierundsiebzigjährige Mutter i. J. 1620 vierzehn Monate lang als Hexe prozessirt. Nur ihrem Sohne, der ein Jahr lang hier verweilte und 400 Gulden opferte, verdankte sie ihre Rettung. Gleichergestalt verhält es sich in den meisten Reichsstädten, die größtentheils der evangelischen Lehre zugethan waren. Von Ulm z. B. ist dem Verfasser nur eine einzige Hexe bekannt geworden, ein fünfzehnjähriges Mädchen, das im Jahr 1680 hingerichtet wurde. Das hinterlassene Tagebuch des Meisters Franz, Scharfrichters von Nürnberg, erwähnt unter den von ihm zwischen den Jahren 1573 und 1615 hingerichteten 361 Maleficanten keiner Hexe und keines Zauberers. Eben so wenig sind von Heilbronn, von Hall Hexenprozesse bekannt. In Eßlingen erscheint der erste Hexenprozeß i. J. 1562, der durch Aufhetzung des Predigers Naogeorgius entstand, aber mit Freilassung der Angeklagten und einem ernsten Verweise des Predigers endigte. Dem ungeachtet mußte auf ein neues Geschrei des Naogeorgius abermals ein blödsinniges Weib eingezogen und, weil sie sich auf der Folter als Hexe bekannte, hingerichtet werden. Erst 1662, ein Jahr, in welchem auch anderwärts große Hexenverfolgungen ausbrachen, begann auch hier eine neue, aber blutige Hexenjagd, bei welcher 108 Personen in Untersuchung gezogen und 32 als Hexen und Zauberer hingerichtet wurden. Hiemit endigte hier dieses Unwesen. In Reutlingen fanden zu derselben Zeit Hexenbrände statt.

In Nördlingen hatten von 1590–94 nicht weniger als 32 ehrbare Bürgerfrauen den Scheiterhaufen als Hexen bestiegen, alle Gefängnisse waren mit andern Frauen, die von den Hingerichteten auf der Folter als Mitschuldige angegeben worden, angefüllt und sahen auch dem gräßlichen Feuertod entgegen, als diesen Greueln durch die ausnehmende und wunderbare Standhaftigkeit der auch als Hexe eingekerkerten dortigen Wirthin zur Krone, Maria Holl, aus Ulm gebürtig, ein Ziel gesezt wurde. In acht Verhören hatte sie sechs-und-fünfzigmal die Folter ausgehalten, ohne das verlangte Geständniß abzulegen. Als die Juristen ob solchem Starrsinn sich nicht mehr [940] zu helfen wußten, trat endlich der Superintendent Lutz, der im Namen der Kirche sich schon früher gegen solche Unmenschlichkeiten erklärt hatte, entschieden für die Holl auf; er sah sich hiebei von der öffentlichen Meinung unterstüzt, und als der Rath von Ulm für seine Tochter kräftig einschritt, wagten es die Juristen nicht, die Folter noch weiter anzuwenden, gaben die Hollin nach geschworener schwerer Urphede frei, und seitdem ward in Nördlingen keine Hexe mehr verbrannt. In Basel kamen zwar von 1519 bis gegen das Ende des siebzehnten Jahrhunderts einige Hexenprozesse vor, die aber, mir Ausnahme von wenigen, keine Hinrichtung zur Folge hatten. Im Anfange dieser Periode erscheinen die Juristen strenger als die Theologen, während es am Ende derselben umgekehrt ist.

[942]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

In Rottweil, einer katholischen Reichsstadt, wurden dagegen von 1561 bis 1648 113 Personen, und zwar 94 Weiber und 19 Männer als Hexen und Zauberer hingerichtet. Saulgau hieß wegen des häufigen Hexenverbrennens weit und breit nur das Hexenstädtlein. Graf Ulrich von Helfenstein, der 1570 starb, ließ in seinem Städtchen Wiesensteig, dem Sitze eines Domherrnstiftes, in kurzer Zeit 70 Hexen verbrennen, und der Wiesensteiger Scharfrichter wurde wegen seiner Geschicklichkeit im Hexenfoltern weit und breit verlangt.

Noch greulicher wurde aber gewüthet in den Ländern deutscher Kirchenfürsten, wobei aber ausdrücklich bemerkt werden muß, daß alle diejenigen geistlichen Fürsten, welche als eifrige Hexenverfolger sich auszeichneten, von katholischen Schriftstellern auch als siegreiche Bekämpfer des in ihre Länder eingedrungenen Protestantismus gerühmt werden. Durch den Religionsfrieden von 1555 war zwar den deutschen Ketzern das Leben gesichert und ihnen nur Landesverweisung gedroht, leicht aber wurde es dagegen möglich, heimlichen oder offenen Freunden der evangelischen Lehre als Zauberern und Unholden an Leib, Leben und Vermögen zu kommen. Daß solches im Churfürstenthum Trier und im Erzbisthum Salzburg wirklich der Fall gewesen, ist geschichtlich; daß im Gebiete des deutschen Ordens, das fast ganz von protestantischen Ländern umgeben war, solche Motive bei den Hexenverfolgungen zu Grunde lagen, davon habe ich überzeugende Beweise erhalten. Einen großen Theil der Schuld trugen dabei die an die Stelle der Dominikaner getretenen Jesuiten.

In den trierschen Ländern wüthete man gegen Ketzer und Hexen dermaßen, daß in einem Dorfe nur noch [943] zwei Weiber am Leben waren, und daß das ganze Land im Anbau zurück kam. In Bamberg begann 1625 eine bis 1629 dauernde Hexenverfolgung, welche über 900 Menschen das Leben kostete; darunter befanden sich die angesehensten Personen, ein Kanzler mit Frau, Sohn und zwei Töchtern, zwei Bürgermeister, zwei-und-zwanzig sieben- bis neunjährige Mädchen. Das Unwesen ward so arg, daß sogar Kaiser Ferdinand II., der in seinen Erblanden und in Böhmen furchtbar gegen Ketzer verfahren war, hemmend einschreiten mußte, Eben so schauderhaft ging es in Würzburg zu, wo unter dem Bischof Philipp Adolf von Ehrenberg von 1627 bis 1629 gegen 900 Personen als Hexen und Zauberer verbrannt oder mit dem Schwert hingerichtet wurden, unter ihnen mehrere Vornehme von Adel beiderlei Geschlechts, vier Chorherrn, vierzehn Dominikaner, eine Bürgermeistersfrau, die schönste Jungfrau der Stadt, mehrere Rathsherrn, sogar der nächste Verwandte des Bischofs und lezte Sprößling seines Stammes, der vierzehnjährige ausgezeichnete Jüngling Ernst von Ehrenberg, viele Kinder von neun bis zwölf Jahren und noch jüngere. Die Schulen wurden geschlossen, und es kam so weit, daß sogar der Bischof und sein eigener Kanzler von den Gefolterten als Mitschuldige angegeben wurden. Jezt erst scheinen dem Kirchenfürsten die Augen aufgegangen zu seyn; er that der Verfolgung Einhalt und stiftete zum Seelenheil der Hingemordeten feierliche Gedächtnißtage bei den Augustinern in Würzburg. – Wie es zu dieser Zeit im Gebiete des deutschen Ordens in dieser Beziehung aussah, werden wir später berichten.

Als zu Ende des Jahres 1631 der dreißigjährige Krieg die geistlichen Fürsten in Franken, Schwaben und am Rhein aus ihren Ländern trieb, hatten die Hexenprozesse dort für längere Zeit ein Ende; nach dem Jahre 1660 brach aber dieses Unwesen hier und in den ritterschaftlichen Gebieten von Neuem, und zwar mit einigen veränderten Formen in den Anklagen, mit alter Wuth aus. So wurden z. B. in der Herrschaft Lindheim im Jahr 1661 dreißig Personen verbrannt, 1671 von dem berüchtigten Protestantenverfolger und Verjager, dem Erzbischof Max Gangolph von Salzburg, nicht weniger als 97 Personen als Hexen und Zauberer, in Wahrheit aber weil sie Protestanten waren, durch Feuer hingerichtet u. s. w. Sehr häufig beschuldigte man jezt die Hexen, sie hätten Mäuse, Hasen und anderes schädliche Ungeziefer gemacht; von solchen Bezüchtigungen sollen später einige merkwürdige Belege geliefert werden.

Im siebzehnten Jahrhundert hatten also, wie wir gesehen, die Hexenprozesse ihre furchtbarste Ausdehnung erhalten. Vergeblich hatten schon früher ehrenwerthe Männer, selbst von den Kanzeln herab, gegen den Hexenglauben gestritten. Als einer der Ersten muß genannt werden der Dr. juris und Sachwalter in Constanz, Ulrich Molitoris, welcher schon um das Jahr 1489, gleich nach dem Erscheinen des Hexenhammers, die Nichtigkeit des Hexenglaubens sehr bündig bewies. Johannes Wier, Leibarzt des Herzogs von Cleve, wagte in einem Buche, das in vierzehn Jahren fünf Auflagen erlebte, im Jahr 1563 den ersten offenen Angriff gegen den Unsinn der Hexenprozesse. Sein Werk trug jedoch, ob es gleich die Grundlage aller spätern Angriffe blieb, geringe Früchte, weil Alles über dasselbe herfiel und eine Unsumme von Gegenschriften erschienen. Dem ungeachtet folgten andere kühne Männer seiner Bahn. Zu nennen ist namentlich Cornelius Loos, der im Trierschen das Unwesen hatte kennen lernen; er ward eingezogen und entging nur durch baldigen Tod weitern Verfolgungen. Dr. Dietrich Flade, Bürgermeister in Trier und Rath des Kurfürsten, wurde 1589 als ein Angreifer des Hexenglaubens selbst als der Hexerei verdächtig festgenommen und hingerichtet. Gegen diese Angriffe standen neue Vertheidiger der Hexenverfolgung auf, unter ihnen, als die gefährlichsten und klügsten, die schon erwähnten Nicolaus Remigius und Martin del Rio. Ehrenvoll muß erwähnt werden, daß es jezt auch ein Jesuit wagte, die Schändlichkeit und Rechtswidrigkeit des Verfahrens bei Hexenprozessen öffentlich aufzudecken. Dieß that der Jesuit Friedrich Spee, aus dem noch jezt am Rhein blühenden Geschlechte der Grafen von Spee, der als Beichtvater in Franken das Unwesen gründlich hatte kennen lernen, als es in Würzburg und Bamberg den höchsten Grad erstieg. Er ließ, ohne jedoch seinen Namen zu nennen, in einer protestantischen Stadt (in Rinteln) sein Werk, „Cautio criminalis etc.“ betitelt, im J. 1631 erscheinen, als dessen Verfasser er erst nach seinem bald erfolgten Tode bekannt wurde. Sein Buch scheint jedoch unterdrückt worden zu seyn, denn bald gehörte es zu den größten Seltenheiten.

Endlich aber, nachdem die großen Männer Leibnitz, Spinoza, Descartes, Newton etc. neues Licht in den Wissenschaften zu verbreiten angefangen hatten, gab Balthasar Bekker, ein reformirter Prediger in Amsterdam, im Jahr 1691 seine „bezauberte Welt“ heraus, welche in zwei Monaten in 4000 Exemplaren abgesezt und bald darauf fast in alle Sprachen übersezt wurde. Er behauptete in diesem wichtigen Werke geradezu die völlige Nichtigkeit alles Zauberglaubens in seiner Totalität, und erklärte folglich nicht den einzelnen Erscheinungen, sondern dem zu Grunde liegenden Prinzipe selbst den Krieg, und dieses Prinzip liegt in der Lehre vom Teufel. Allein die Geistlichkeit, namentlich die protestantische, welche den Teufel nicht hergeben wollte, fiel von allen Seiten über ihn her, er ward von der Synode verklagt, [944] seine Meinungen verdammt, er selbst abgesezt, und nur sein 1698 erfolgter Tod entriß ihn den unangenehmsten Streitigkeiten. – Der von Bekker ausgestreute Samen trug jedoch bald herrliche Früchte. Christian Thomasius, Professor der Rechte an der neuerrichteten Universität Halle und preußischer Geheimerath, kämpfte den lezten Kampf gegen das Hexenwesen. Im Jahre 1701 verfaßte er seine „kurzen Lehrsätze vom Laster der Zauberei,“ in welchen er Juristen und Theologen gleich scharf angriff, aber eben dadurch einen furchtbaren Sturm erregte.

[945]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Eben so wenig wie die Theologen den Teufel, wollten die Juristen den Hexenprozeß fahren lassen; es gehörten bis jezt die berühmtesten Juristen, der jüngere, 1666 gestorbene Carpzow an ihrer Spitze, im Glauben an das Hexenwesen zur striktesten Observanz, namentlich hatte Lezterer die Abweichung der Hexenprozesse vom regelmäßigen Gange der andern peinlichen Prozesse durch sein gewaltiges Ansehen unterstüzt, und eben so hielt es die Geistlichkeit für arge Ketzerei, die Macht und Persönlichkeit des Teufels anzugreifen. Aller Anstrengungen ungeachtet, duldeten aber die beiden ersten Könige von Preußen von jezt an keine Hexenprozesse mehr, welche bald darauf im protestantischen Deutschland ganz verschwanden.

Anders war es dagegen in den Ländern, wo der römisch katholische Glaube herrschte. Kaiser Joseph I. erließ noch 1707 für Böhmen, Mähren und Schlesien eine neue Kriminalprozeßordnung, in welcher wahrscheinlich in Beziehung auf den dort immer noch im Stillen fortglimmenden Protestantismus, dem Hexenprozesse ein neues, wenn auch nur kurzes Leben verliehen wurde. Zauberei und Teufelsbündniß ward mit Feuer, wenigstens mit dem Schwerte gestraft. Erst Maria Theresia sezte 1766 diese Gesetze außer Wirkung. Am 6ten September 1713 ward in Schwaigern bei Heilbronn eine Frau als Hexe verbrannt, ihre beiden Töchter, die sich auf der Folter auch als Hexen bekannt hatten, wurden nach dem Spruche der Tübinger Fakultät nur mit Kirchenbuße bestraft. – In Würzburg kam 1749 ein berüchtigter Hexenprozeß vor, in welchem die siebzigjährige Subpriorin des Frauenklosters Unterzell bei Würzburg, Maria Renata, als Hexe verbrannt wurde. Bis jezt ist die Einsicht der in Würzburg aufbewahrten Akten dieses Prozesses noch nicht gestattet worden. – In dem zum damaligen Bisthum Augsburg gehörenden Städtchen Buchloe, wo sich ein Zuchthaus des schwäbischen Kreises befand, ward noch im Jahr 1766 ein Zigeuner als Hexenmeister verbrannt, bei dessen Prozeß sich Umstände ereigneten, die an die grassesten Zeiten der Hexenverfolgungen erinnerten. Ein Zigeuner saß wegen Gaunerlebens in Untersuchung und sollte, als die Folter ihm kein besonderes Verbrechen abpressen konnte, in Freiheit gesezt werden, als der Stadtrichter Nachmittags nach der Tortur auf einem Spaziergange eine Zigeunerfamilie traf, deren drei kleine Kinder in der Erde gruben. Als nun am folgenden Abend ein schweres Gewitter in das Gefängniß des Zigeuners einschlug, sah man hierin [946] den Beweis, daß seine Genossen dieses Wetter zu seiner Befreiung veranstaltet hatten. Es ward ein neues Verfahren gegen ihn eingeleitet, und er nach sechs Wochen, als der Zauberei überführt, hingerichtet. – Eben so ward 1782 im Kanton Glarus eine Frau, Anna Göldin, als Giftmischerin und Hexe hingerichtet, und diese gilt als die lezte öffentlich hingerichtete Hexe; allein noch 1793 wurden in dem damals erst von Preußen besezten Theile von Polen zwei Weiber als Hexen verbrannt, bevor die neue Regierung einschreiten konnte. Erst noch in unsern Tagen haben wir erlebt, wie bei Danzig alte Weiber als Hexen lebensgefährlich mißhandelt worden sind, und im Jahr 1823 in Delden in Holland mit einer vermeintlichen Hexe die Wasserprobe vorgenommen wurde. In Frankreich, in Belgien, in Irland kommen ähnliche Scenen nur zu häufig vor, und liefern den Beweis, daß der Glaube an Hexen und Zauberei keineswegs ausgerottet ist.

Wenn auch im Allgemeinen heutiges Tages Geistlichkeit und Lehrstand nach allen Kräften gegen den noch bestehenden Aberglauben ankämpfen, wenn die Verbrechen der Hexerei und Zauberei in den Kriminalgesetzbüchern nebst den alten Foltergraden ausgestrichen sind, so sehen wir demungeachtet, daß gegen solches, von der gesunden Vernunft gebotenen Walten entgegengesezte Bestrebungen sich geltend zu machen suchen, die in ihrer vollen Consequenz nothwendig zur Wiederherstellung des gesammten alten, mit so unsäglicher Mühe ausgerotteten Greuels führen müssen. Man lasse z. B. in protestantischen Ländern die orthodoxe Reaction immer eifriger ihre alte Teufelslehre von den Kanzeln neu verkündigen, Ansichten, nach denen der Glaube an Gott und Christus wenig sagen will, wenn man nicht zugleich an den altlutherischen Teufel glaubt und den Einfluß anerkennt, durch welchen dieser stets auf der Lauer liegende Erzbetrüger den Menschen zu verführen und zu allem Guten unfähig zu machen sucht; – man lasse in immer weitern Kreisen (um uns so mild als möglich auszudrücken) die seltsamen Theorien Kerners und Eschenmeiers Zutritt finden, welche in der Seherin von Prevost, im Magicon und in andern von ihnen herausgegebenen Büchern aufgestellt sind, in denen die albernsten Gespenster- und Hexengeschichten aus dem höllischen Proteus und andern Werken ähnlichen Gelichters aufgefrischt werden; – man lasse gewisse Bestrebungen der römischen Kirche, welche Exorcismen und Teufelsaustreibungen niemals verworfen hat, festern Boden gewinnen (wir erinnern hierbei nur an das Treiben des Prinzen von Hohenlohe, an die öffentlichen Exorcismen der Jesuiten in Freiburg und in Luxemburg, und an den neuesten Unfug des Kapellan Oschwald im Badischen, welcher behauptete, alle Krankheiten rührten nur von bösen Geistern her und könnten lediglich, mit strenger Vermeidung aller andern Mittel, durch Gebet gehoben werden), man lasse, sagen wir, solche Tendenzen sich immer mehr festsetzen, man gehe das Ganze den Missionären der zahlreichen Mucker zu weiterer Verbreitung, und man wird leider die Befürchtung nichts weniger als lächerlich finden, daß in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts vielleicht Volkshaufen die Obrigkeit zwingen, ganz nach den Formen des Hexenhammers Recht in Hexensachen zu sprechen. Es ekelt, weitere Beispiele aus der neuesten Zeit anzuführen, gewiß aber ist es, daß schon jezt in manchen Gegenden nur noch der Kapuziner mit dem geweihten Sack fehlt, um den ausgetriebenen bösen Geist zu fangen und an irgend einen wüsten Ort zu bannen, wie unsere Ammen und Großmütter vor vierzig, fünfzig Jahren uns fleißigst und feierlichst zu erzählen liebten.

[950]
Hexenprozesse.
(Schluß.)

Es möge vergönnt seyn, jezt noch einige Augenblicke bei der ziemlich weit verbreiteten Ansicht zu verweilen, als möchten die zahllosen, meistens nach einigen Unterbrechungen massenweise vorkommenden Hexenprozesse am besten und leichtesten durch das zeitweise epidemische und endemische Auftreten gewisser physischen Krankheiten zu erklären seyn und diese Krankheiten in neueren Untersuchungen über Somnambulismus, Magnetismus u. s. w. ihren eigentlichen Schlüssel finden. So hat namentlich Professor Fischer in seinem schon oben angeführten Werke über Somnambulismus diesen Weg eingeschlagen. Er sagt z. B.: „in den meisten Fällen bestand die Hexerei in bloßen mehr oder minder lebhaften somnambulen Träumen, welche durch die Hexenmanie der Zeit eingegeben oder gefördert wurden, und zwar waren es besonders die geschlechtlichen Träume, welche sich zu dem visionären Verkehr mir dem Teufel verzerrten oder auch bloß wachend dahin gedeutet wurden. – Das Sonderbarste und Merkwürdigste an den Hexenprozessen ist, daß nicht bloß Richter und Henker, sondern die Hexen selbst an die Wirklichkeit der Hexerei glaubten, daß sie nicht bloß auf der Folter, sondern auch in freimüthigen und reumüthigen Geständnissen die speziellsten Details über jene Hexenzusammenkünfte und ihren Umgang mit dem Teufel angaben, sie umständlich und wie erlebte Geschichten erzählten und im Glauben an ihre Schuld [951] den Scheiterhaufen bestiegen. Nicht selten waren es Kinder, oft in dem zartesten Alter, die freiwillig und unaufgefordert ihre eigene Hexerei ausschwazten. Diese Unglücklichen waren meist schwermüthige, hysterische, mit Krämpfen behaftete Personen, womit somnambüle Phantasien und Träume außerordentlich häufig verbunden sind u. s. w.“

Der Verfasser dieser Mittheilungen muß sich gegen diese in mannigfacher Hinsicht sehr ansprechende Ansicht auf das Bestimmteste erklären. Von somnambülen Zuständen irgend eines der als Hexen und Zauberer zur Untersuchung gezogenen Individuen ist ihm in den mehreren hundert genau von ihm durchgegangener Hexenprozesse, die sich meistens aus Zeiten herschreiben, wo Hexenverfolgungen in Masse vorkamen, nicht die leiseste Spur vorgekommen, wenn man nicht dazu das hin und wieder, aber selten vorkommende Einschlafen der Inquisiten während der Folter dahin rechnen will, welches aber leicht als eine durch den ungeheuern Schmerz hervorgerufene Ohnmacht erklärt werden kann. Eben so wenig ist ihm ein Beispiel vorgekommen, welches ihn nur einigermaßen zu der Ueberzeugung bringen könnte, daß eine der als Unholde eingefangenen Personen nur entfernt an die Wahrheit der ihr entweder durch die Folter abgepreßten, oder, um ihr zu entgehen, freiwillig abgelegten Bekenntnisse geglaubt habe. Ob die meisten dieser Unglücklichen schwermüthige, hysterische oder mit Krämpfen behaftete Personen gewesen sind, dieß konnte aus den Akten nicht ersehen werden, dürfte aber wegen der großen Anzahl dieser jedem Alter, jedem Geschlecht, jedem Stande angehörenden, dem grauenvollsten Geschick verfallenen Menschen sehr zu bezweifeln seyn.

Die Uebereinstimmung in den Aussagen der Gefangenen, unter denen sogar ganz junge Kinder vorkommen, von welchen später einige seltsame Prozesse mitgetheilt werden sollen, läßt sich leicht daraus erklären, daß das Volk mit den gewöhnlichen, den Gefangenen vorgelegten Fragen und der ganzen Form des Verhörs allgemein bekannt war. Obgleich die vielleicht nur als Complices vorgeforderten, aber wieder entlassenen und nicht in weitere Untersuchung gezogenen Personen einen schweren Eid der Verschwiegenheit schwören mußten, so ergibt sich doch genugsam aus den Akten, daß solcher Eid selten streng gehalten wurde, und daß dem Volke Alles genau bekannt wurde, um was es sich handelte. Weil immer so lang fortgefoltert wurde, bis ein Geständniß erfolgte, so war es natürlich, daß die Gefolterten immer zulezt dasjenige bekannten, was man von ihnen, wie sie vorher wußten, eingestanden haben wollte. Daß die häufig vor beginnender Folter freiwillig abgelegten Geständnisse gleichen Inhalts waren, ist demnach leicht zu begreifen. Schließlich muß der Verfasser erklären, daß er in Folge seiner eigenen Studien zu dem Resultate gelangt ist, daß Soldan gewiß Recht hat, wenn er im lezten Kapitel seiner vortrefflichen Geschichte des Hexenprozesses behauptet, daß das angebliche Verbrechen der Hexerei, dem vom fünfzehnten bis siebzehnten Jahrhundert so unzählige Menschenleben zum blutigen Opfer fielen, einzig und allein unter den Händen der um Einkommen und Popularität verlegenen Inquisition entstanden, daß es vergeblich sey, sich nach andern Quellen dieser Greuel umzusehen.[1]

[977]
Hexenprozesse.
Mitgetheilt von Fr. v. Rath.
Zweite Abtheilung.

Es ist die Absicht des Verfassers dieser Blätter, einige merkwürdige Hexenprozesse mitzutheilen. Als Einleitung mußte in kurzen Umrissen Entstehung und Ausbildung des Hexenwesens geschildert werden. Dieß ist in der ersten Abtheilung geschehen. Soll aber in den vorzulegenden Prozessen nicht Manches unverständlich bleiben, so erscheint es nicht weniger zweckmäßig, auch noch allgemeine Notizen über das Verfahren selbst voran zu schicken, die sämmtlich aus den Akten solcher Prozesse entnommen sind, welche auf dem Gebiete des deutschen Ordens gegen Hexen und Unholde geführt wurden.

Der erste der im Mergentheimer Archive befindlichen Hexenprozesse wurde im Jahr 1539 geführt, der lezte im Jahr 1662; dieser endigte nicht mit der Hinrichtung, sondern nur mit der Landesverweisung der Angeklagten. In dieser einhundert-und-dreiundzwanzigjährigen Periode wurden die „Unholde und das Druttenvolk,“ wie man Hexen und Zauberer gemeinschaftlich nannte, nicht immer mit gleicher Heftigkeit verfolgt; es fanden dagegen in gewissen Jahren solche Verfolgungen gleichsam in Masse statt, und es scheinen hiebei die persönlichen Ansichten der jeweiligen Hoch- und Deutschmeister von großem Einfluß gewesen zu seyn. Es zeichneten sich in dieser Beziehung die Jahre 1590, 1602, 1618 und 1619, vor allen aber die Jahre 1626 bis 1630 aus, als Johann Caspar von Stadion, ein vertrauter Freund des eben so eifrigen Hexenjägers Philipp Adolf, Bischofs von Würzburg, die hoch- und deutschmeisterliche Würde bekleidete. Es ist erwiesen, daß in dieser 123jährigen Periode auf dem Gebiete des Ordens gewiß über 1200 Menschen des Hexenwerks wegen hingerichtet wurden. So wurden z. B. vom 23. Oktober 1628 bis 10. Februar 1631 135 Personen als Unholde in Mergentheim und dessen nächsten Umgebungen eingezogen; einige von ihnen starben im Gefängniß, sieben wurden, fast sämmtlich gegen das Ende des Jahres 1630, gegen Urpheden entlassen, eine entkam aus dem Gefängniß, 123, darunter 24 meistens junge Männer, die übrigen Frauenspersonen jeden Alters, von 15 bis 87 Jahren, wurden zum Theil lebendig verbrannt, zum Theil geköpft und dann verbrannt, einige aus besonderer Gnade nur mit dem Schwerte hingerichtet. Allein nicht nur am Regierungssitze des Fürsten wütheten diese Greuel, auch in andern Theilen des Ordensgebietes verfuhr man nicht weniger grausam. In Ellingen, wo der Landcomthur der Balley Franken residirte und [978] welches jezt eine Besitzung des Fürsten Wrede ist, wurden vom Anfang des Jahres 1590 bis in den Monat August desselben Jahres 65 Individuen hingerichtet. Aehnliches war der Fall in den Comthureien Mühringen, Stockheim, Gundelsheim u. s. w., von welchen Orten zwar die Prozeßakten weniger vollständig vorliegen, dagegen eine Menge Berichte, Anfragen und Dekrete hinlänglich beweisen, wie auch dort das Hexenwesen nicht weniger furchtbar gewüthet habe.

Gewöhnlich nahmen die Hexenverfolgungen ihren Anfang, wenn in irgend einer Ortschaft Personen oder Sachen auf mehr oder weniger auffallende Weise beschädigt wurden; in der Regel beschuldigte man dann irgend eine schon vorher berufene oder beschrieene Person, meistens alte böse Weiber, solchen Schaden veranlaßt zu haben, zog sie ein, zwang sie durch die Folter zum Geständniß der That, zur Angabe von Mitschuldigen, und damit war gewöhnlich das Signal zu einer allgemeinen Verfolgung und zu gräßlichen Hexenbränden gegeben. Es kommen auch einige Fälle vor, wo ganze Gemeinden um gerichtliches Einschreiten gegen das täglich mehr um sich greifende Hexenwesen bitten, weil sie sonst ihres Lebens und Eigenthums nicht mehr sicher seyen. So z. B. von Schultheiß und ganzer Gemeinde Stockheim im Zabergau (im jetzigen Württembergischen Oberamt Brackenheim) aus dem Jahre 1594 eine demüthige Bitte an den Hochmeister Maximilian von Oesterreich, er möchte gegen das täglich mehr überhand nehmende Hexenwesen einschreiten; eben so von der Gemeinde Ailringen an der Jaxt (zum Oberamt Künzelsau gehörig), ohne Angabe des Jahres. Leztere bittet um eifrige Continuirung des Hexenbrennens, und will gern alle Kosten tragen, weil die Unholden, trotz aller schon verbrannten Weiber, immer ärger um sich griffen und Schaden anrichteten.

Wenn nun in der Gegend von Mergentheim eine solche verdächtige Person eingezogen war, so lieferte man sie auf die ganz nahe bei der Residenz liegende Ordensburg Neuhaus ab, von deren mächtigen Ruinen ein gewaltiger, weit sichtbarer Thurm noch heutiges Tages der Hexenthurm heißt. Es waren jedoch öfters der Gefängnisse zu wenig; deßwegen mußte im Jahr 1628 dort eine Reihe kleiner, mir Oefen versehener Häuser erbaut werden, welche zu Gefängnissen dienten. In ihnen wurden übrigens die wegen Hexenwerks Gefangenen ziemlich gut gehalten; es waren ihnen Betten und andere Bequemlichkeiten verstattet, und für jeden wurden täglich vier Batzen Kostgeld bezahlt, was als sehr beträchtlich erscheinen muß in einer Zeit, wo ein nach einem Verhöre von dem Verhörspersonale verzehrtes Nachtessen nur 2 Gulden und 43 Kreuzer kostete, obgleich der Kapuziner-Guardian, der Hauscomthur, der Verhörsrichter, zwei Gerichtsschöppen und der Gerichtsschreiber die Gäste waren und dabei 23 Maaß Wein getrunken wurden.

[982]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Unmittelbar nach der Ablieferung begann das erste Verhör unter dem Vorsitz eines rechtsgelehrten Doktors und in Gegenwart des Hauscomthurs, des Centgrafen von Igersheim (einem unterhalb Neuhaus liegenden Dorfe), zweier Schöppen und des Malefiz- oder Gerichtsschreibers. Zu der wichtigen Stelle eines Untersuchungsrichters ward in der Regel ein in Hexenprozessen wohl erfahrener Mann genommen, auch oft ein solcher von [983] benachbarten Fürsten auf eine Zeitlang erbeten. So finden wir in Mergentheim im Jahr 1623 einen Dr. Vasolt aus einer noch jezt in Würzburg lebenden Familie, welchen der damalige schon öfters erwähnte Bischof von Würzburg dem Deutschmeister auf einige Zeit freundnachbarlichst geliehen hatte. Dr. Vasolt verdiente in Mergentheim schweres Geld und kostete in wenigen Wochen 573 Gulden, von denen er 336 Gulden baar empfing, während das andere für Zehrungs- und Reisekosten aufging. Zur Reise von Würzburg nach Mergentheim hatte er zwei Tage verwendet und 46 fl. 47 kr. dabei verbraucht.

Die ersten Verhöre mußten nach Mergentheim gesendet werden, wo unter dem eigenen Vorsitze des Hochmeisters und in Gegenwart der höchsten Ordensbeamten, zweier rechtsgelehrten Doktoren, des Kammersekretarii und Malefizschreibers, bei wichtigeren Fällen auch unter Zuziehung noch anderer Personen, eine Art von Gerichtshof zusammentrat, dem die eingelaufenen Akten vorgelesen und von welchem beschlossen wurde, ob die Inquisiten weiter verhört, oder gleich hingerichtet, und ob andere, durch neue Aussagen verdächtig gewordene Personen gleich oder erst später eingezogen werden sollten. So heißt es z. B. „Actum den 20. Junii 1629 in praesentia Ihro Hochfürstlichen Gnaden, Herrn Kanzlers, Herrn Marschalls, Herrn Hauscompthurs, Herrn Dr. Baumanns, Herrn Dr. Kirschingers, Herrn Kapitan Herold (Commandant der Veste Neuhaus) und des Malefizschreibers Burchers – Catharina Kolbenschlägin ganze gethane Aussag (sie hatte auf der Folter Alles eingestanden) ist in Concilio referirt, abgelesen und benebst Bescheid erholet worden, wessen man ferners gegen ihr sich zu verhalten. Conclusum: sie soll zu dreien Malen ad bancum juris (d. h. in Gegenwart des Scharfrichters und der Folterinstrumente) gestellt, im Fall sie beständig, ihr endlicher Rechtstag ihr angemeldet werden“ (d. h. wenn sie nicht widerruft, so soll sie nach der in der Halsgerichtsordnung vorgeschriebenen Form peinlich angeklagt, der Stab ihr gebrochen und sie alsbald zur Hinrichtung geführt werden). – Diese Inquisitin blieb beständig; das Gegentheil würde ihr auch nur neue Folter zugezogen haben, und sie vermachte vor ihrer Hinrichtung 100 Gulden zu Seelenmessen für sich selbst.

Gegen solche Beschlüsse fand keine Appellation statt, und nur in seltenen Fällen, wenn z. B. in der zum drittenmale nur der Form wegen angestellten Vorführung und Befragung des Angeklagten sich besondere Incidenzpunkte ergaben, durfte die Exekution aufgeschoben werden. In diesen Sitzungen wurden alle das Hexenwerk betreffende Punkte abgemacht und gelegentliche Anstände erledigt, z. B. wie es mit gefangenen Weibern gehalten werden solle, wenn sie Schwangerschaft vorgäben u. s. w. Nur selten ward Rücksicht hierauf genommen; es liegen Fälle vor, wo Frauen auf der Folter geboren haben. In besonders schweren Fällen, wenn namentlich die Inquisiten ein oder mehrere Male ihre Geständnisse widerrufen und bei diesem Widerrufe beharrt hatten, wurde das Urtheil geschärft, und die unter solchen Umständen stets zum Lebendigverbrennen Verurtheilten vor der Hinrichtung noch mit glühenden Zangen gezwickt.

Einige der Geistlichen, die vor der Hinrichtung zu den Verurtheilten Zutritt erhielten, scheinen heller gesehen und diese Unglücklichen zum Widerruf ihrer Bekenntnisse veranlaßt zu haben, um sie dadurch vielleicht zu retten; denn es wird unterm 6. September 1629 befohlen: „es solle vor allen Dingen dem Decan von Markelsheim mit guter Maniera zu verstehen gegeben werden, wie Ihro Hochfürstliche Durchlaucht einen beständigen Beichtvater und Confessionarius den Verurtheilten zugeordnet wissen wollten, und sollte obgemeldter Decan nur Tröstung halber zugelassen werden. Befinde man aber, daß die eine oder die andere Person, welcher er zusprechen würde, abermals revocirte, so solle er alsdann ganz und gar und mit andern Mitteln davon absentirt werden. Es solle dagegen Hr. Stadtpfarrer in Mergentheim die Freiheit haben, sowohl die Priester in Mergentheim als andere nach seinem Belieben und Discretion zu dergleichen Personen zu ordnen, um dieselben zu trösten. Auch solle ihnen angesagt werden, wie dergleichen Revocation mit lebendig Verbrennen gestraft werden würde. Eben so sey künftig zu bestellen, wie solche Personen auf dem Wege zur Justificirung abzuhalten seyen, mit andern Personen zu communiciren.“

Wenn nicht besondere Fälle vorkamen, so waren diese Prozesse mit dem achten bis zwölften Tage, oft noch weit früher abgeurtheilt und die Inquisiten schon hingerichtet. Von den Inquisiten zugeordneten oder auch nur erlaubten Vertheidigern ist in allen Akten keine Spur aufzufinden.

Bei den im Gebiete des deutschen Ordens vorgekommenen Hexenprozessen wurde wie gewöhnlich auf die neun im Hexenhammer vorgeschriebenen Fragartikel mehr oder minder weitläufig inquirirt, wobei zu bemerken ist, daß dabei in den frühern Untersuchungen weit genauer und pünktlicher als in den spätern zu Werke gegangen wurde. Es kam lediglich darauf an, das Geständniß, daß die Angeklagten Hexen seyen, zu erpressen, sie in diesem beständig zu erhalten und Mitschuldige zu erheben. Von irgend einer andern Erhebung des Thatbestandes ist nicht entfernt die Rede. Diese Artikel begriffen ungefähr folgende Fragepunkte in sich.

[986]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

I. Wie sie (die Inquisiten) hinter das Hexenwerk gerathen? warum, von wem und wie sie es gelernt? Wann und wie sie Gott und seine Heiligen verleugnet? Wie viel Jahre sie es getrieben? Wo der böse Feind und in welcher Gestalt er ihnen erschienen? was sie ihm und er ihnen versprochen? wie sie sich gegen ihn verbunden? wo und wie er sie gezeichnet? wie er heiße und (eine Hauptfrage) wo und wie oft sie mit ihm Buhlschaft getrieben? – II. Ob ihnen der böse Feind nicht besonders eine Salbe zum Ausfahren (d. h. zum Ausfahren bei Nacht auf Besen, Ofengabeln, Stöcken, Katzen, Böcken etc.) und zum Beschädigen der Menschen und des Viehes und ein Pulver oder andere giftige Dinge gegeben? – III. Wo sie und ihre „Gespillen“ (Genossen) ihre Zusammenkünfte und Tanzplätze gehabt? an welchen Tagen sie zum „Gaisten“ (Hexenwerktreiben) ausgefahren? wo sie Essen und Trinken hergenommen? und was sie sonst Alles bei den Tänzen verrichtet? – IV. Ob sie den Leuten und Wirthen hin und wieder in die Keller gefahren, den Wein ausgetrunken und Unrath in den Wein gethan und denselben verdorben haben? – V. Was sie für Vieh gedrückt, erlahmt, umgebracht oder umbringen helfen? – VI. Wo, wann, wie oft sie zum Wettermachen geholfen? wie sie die Unwetter zubereitet? wer mit dabei gewesen? was die Wetter für Schaden gethan? – VII. Ob sie auch Nebel und Reifen gemacht und damit Bäume, Weinberge und andere Früchte helfen verderben? – VIII. Wann, wo und was für Leute, besonders aber schwangere Frauen und Kinder, sie zu Tode oder sonst gedrückt oder geschädigt? – IX. Ob sie die reine Wahrheit bekannt? ob sie ihren Mitschuldigen in ihren Angaben kein Unrecht gethan? ob sie auf ihre Aussagen leben und sterben wollen?

Es dürfte nothwendig und interessant seyn, bei mehreren dieser Fragen und den von der Folter erpreßten Beantwortungen derselben etwas länger zu verweilen. Auf die Fragen des ersten Artikels finden sich gewöhnlich folgende Antworten vor. Die Angeklagten sind entweder schon in früher Jugend, oft schon in der Kindheit, von Bekannten, Verwandten, oft von den eigenen Müttern zum Hexenwerk (das aber nie näher bezeichnet wird) angelernt oder dem Bösen zugeführt worden, oder dieser ist ihnen in reifern Jahren bei Nacht in der Schlafkammer, in Küche, Keller etc., so wie auch am Tage, an einsamen Orten erschienen, und zwar meistens in Zeiten, wo sie durch irgend eine Ursache in Jammer und Elend gestürzt gewesen seyen. Gewöhnlich erscheint der Böse in der Tracht der damaligen Zeit als Junker, Landsknecht, Reitersmann, Bauernbursch, Bürgersmann oder schönes Mädchen, gut gekleidet, in stattlich schöner Gestalt, an welcher später in der Regel ein oder zwei Bocks-, oder Gänse-, auch Raubvögelfüße erkannt werden. Zuweilen aber behält er fortwährend menschliche Gestalt und zeigt täuschende Aehnlichkeit mit frühern oder abwesenden Geliebten. Er führt unzählige Namen: Federlein, Hasenfuß, Jäcklein, Wedel, Sträußle, Gräßle, Flederwisch, Weißköpfle, Schwarzhansel, Lorenz, Gabriel, Mephistopheles u. s. w. In den ältern Akten gibt der Böse gewöhnlich gutes Geld, das von den Inquisiten ausgegeben worden ist, oft zu Erkaufung von Milch und Brod für ihre hungrigen Kinder; nach Angabe der Akten aus den mittlern Zeiten verwandelt sich aber dieses Geld stets in Unrath oder werthlose Dinge, nach den spätern Akten muß der Teufel gar nichts mehr gegeben haben; es wird über diesen Punkt wenigstens nicht mehr inquirirt.

[987] Eben so wird in den spätern Akten die Frage, wann und wie sie Gott und seine Heiligen verleugnet und dem Bösen sich ergeben? wenig oder gar nicht berührt, mehr in den ältern, wo die Antworten entweder lauten, die Beklagten haben auf des Bösen Frage, ob sie sein seyen und ihm gehören wollten? ohne weiteres Ja gesagt, und damit sey es gut gewesen, oder sie haben sich ihm förmlich verschrieben, Gott und die Heiligen verleugnen, ihn anbeten und versprechen müssen, Menschen, Vieh und Früchte zu schädigen u. s. w. In seltenern Fällen kommt auch wohl eine förmliche, vom Teufel vorgenommene Taufe mit unreinem Wasser oder auch mit Wein vor, bei welcher dem Täufling auch ein neuer Name, z. B. Leni, beigelegt wird. Oft verlangt der Teufel die beim Abendmahl empfangene Hostie, die er zuweilen erhält, zuweilen auch nicht. Gewöhnlich verbietet er den Kirchenbesuch, jedoch nicht immer. Von einem förmlichen, mehr oder weniger Jahre andauernden Contrakte ist nirgends die Rede, und eben so wenig von Gegenleistungen des Bösen. Viele der Inquisiten geben an, sie haben sich dem Teufel nur mit dem Leibe, nicht aber mit der Seele ergeben, auch fernerhin andächtig die Kirchen besucht, ihr Verbrechen aber deßwegen nicht gebeichtet, weil der Pfaffe nicht darnach gefragt. Andere meinten, die Pfaffen sagten auch nicht Alles, was sie trieben. Oft hat ihnen der Böse beim Abschlusse des Vertrags ein Zeichen an ihren Körper gemacht, nach welchem beim Beginn der Untersuchung fleißig geforscht und ein Muttermal und dergleichen als solches erkannt wird. In den spätern Akten wird wenig nach diesen sogenannten Hexenzeichen gefahndet.

[990]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Ein viel wichtigerer und stets wiederkehrender Frageartikel blieb die Buhlschaft mit dem Teufel. Hierauf bezügliche Antworten der seltsamsten Art liegen in Masse vor, von denen jedoch hier nichts mitgetheilt werden kann. – Eine nicht minder große Rolle in diesen Untersuchungen spielen die Hexentänze und die damit verbundenen Gelage. Gewöhnlich ist der Versammlungsort ein in der Gegend schon von früher her berufener Platz, ein ausgezeichneter Berg, ein alter großer Baum, eine Wiese, ein abgelegener Grund, oft auch der Kirchhof oder ein Hochgericht, oder der gut versehene Keller eines reichen Mannes; einmal wird als Sammelplatz der Hohenstauffen angegeben. Hier kommen nun alle Unholde aus der ganzen Umgegend zusammen; sie bekommen in der Regel schlechte, übel schmeckende Sachen zu essen und zu trinken, Salz und Brod fehlen fast immer. Sie benehmen sich im Ganzen sehr albern; endlich wird getanzt, Unzucht getrieben und dem Teufel, der oft in seiner ganzen Herrlichkeit und Pracht den Vorsitz führt, zuweilen die bekannte häßliche Ehrenbezeugung erwiesen, wobei sie jedoch fast immer von demselben mit Schlägen u. s. w. gar übel traktirt werden. Eine der Inquisiten gibt an: „es sey zwar bei den Tänzen sehr hoch hergegangen, sie aber sey stets schlecht behandelt und der verachtete „Spüllumpen“ gewesen. Es haben auch hier, wie gewöhnlich in der Welt, die Reichen den Vortritt gehabt, die Armuth sey verschmäht gewesen, und sie als ein gar armer Tropf sey stets übel traktirt und herumgestoßen worden.“

Die Fahrt zu diesen Gelagen wird auf Besenstielen, Ofengabeln oder Gaisböcken gemacht, oft aber auch auf Pferden, zuweilen ganz gewöhnlich zu Fuß. Besen und Gabeln werden zuweilen mit einer vom Bösen erhaltenen Salbe geschmiert, eine solche aber bei den genauesten Nachsuchungen nie vorgefunden. In den ältern Prozessen verwandelt das Einreiben mit dieser Salbe die Hexen auch in mancherlei Thiere, gewöhnlich in Katzen. Wie sie aber wieder Menschengestalt annehmen, ist nirgends bemerkt. Der Tanzplatz ist gewöhnlich mit blauen Lichtern erleuchtet, welchen oft einige der Anwesenden auf [991] seltsame Art als Leuchter dienen müssen. Eine gibt von sich selbst an, daß sie einen solchen Leuchter vorgestellt habe. Auch wird dabei Musik gemacht, aber schlecht klingende, gewöhnlich von in der Gegend allgemein bekannten Spielleuten. Die Heimfahrt wird auf gleiche Weise wie die Herfahrt bewerkstelligt.

Bei diesem Artikel ward nun aber eine Hauptfrage gestellt: wer bei diesen Hexentänzen anwesend gewesen sey? Wurde eine Person von vier beständigen Verurtheilten, d. h. von solchen, die ihre Angabe nicht widerrufen und hingerichtet worden waren, als auf solchen Tänzen zugegen gewesen genannt, so war dieß Grund genug, um eine solche Person einzuziehen und ihr den Prozeß zu machen. In der Regel weigern sich die Inquisiten, auf diese Frage bestimmt zu antworten; sie geben vor, es sey zu dunkel, die Anwesenden seyen wohl gar verhüllt gewesen. Bald aber erpreßt die Folter bestimmtere Angaben; es werden im Anfang gewöhnlich längst verstorbene oder sogar hingerichtete Personen angegeben, und erst, wenn auch dieses nicht genügt und die peinliche Frage fortgesezt wird, werden in den furchtbaren Schmerzen auch lebende Personen als Mitschuldige genannt, in einigen Fällen fünfzig, sechzig und noch mehr, unter ihnen Fremde, Bekannte, Verwandte, oft die nächsten Angehörigen. Häufig wurden in solchen Fällen Confrontationen vorgenommen, wobei oft die rührendsten Scenen vorkommen, indem sie z. B. solche Bekenntnisse nur der grausamen Marter und Pein zuschreiben, die neu Angeklagten trösten und auffordern, durch Zugeständniß dessen, was man wissen wolle, wenigstens der Folter zu entgehen und baldigst hingerichtet zu werden. Es liegt ein Fall vor, wo man der Inquisitin, der Frau eines angesehenen Bürgers aus Mergentheim, die trotz der angewendeten höchsten Foltergrade keine Mitschuldigen angeben wollte, endlich eine Liste sämmtlicher Straßen und Häuser Mergentheims nebst den darin befindlichen Bewohnern vorlas, um ihrem Gedächtniß zu Hülfe zu kommen. Als man ihr immer stärker mit der Folter zusezte, bekannte sie 54 Mitschuldige, darunter zwei ihrer Schwägerinnen, gab aber bei einem bald darauf erfolgten Widerruf an, die meisten dieser Personen würden ihr ohne das Vorlesen jener Liste nicht eingefallen seyn. Leider half der Unglücklichen dieser Widerruf nichts, neue Qualen erhielten sie zulezt in ihren Bekenntnissen beständig, denen ihr eigener Feuertod und die Verhaftung vieler der Angeklagten folgte.

Die Frage nach den von den Unholden angerichteten Ungewittern, Reifen und bösen Nebeln wurde zuweilen auch für sehr wichtig gehalten. Die von ihnen gegebenen Erklärungen, auf welche Weise sie solche Ereignisse bewerkstelligt, welche ohne Weiteres als wahr angenommen und geglaubt wurden, sind für den damaligen Stand der Naturwissenschaften zu bezeichnend, um nicht einen Augenblick dabei zu verweilen. Wenn ein Unwetter oder dergleichen angerichtet werden sollte, so hatten sie entweder vom Bösen ein Büchslein erhalten, welches sie öffnen und das darin Enthaltene umrühren mußten, oder sie hatten das Mittel selbst verfertigt. Hierzu nahmen sie Kröten, Schnecken, Schweinsborsten, Heuschrecken, Eierschalen, aus denen Junge gekrochen, Butter, Rinds- und Schweineschmalz, Todtenbeine etc., rührten in des Teufels Namen Alles wohl unter einander und hoben es auf; die Hauptsache sey das Rühren. Wollen sie nun ein Unwetter machen, so tragen sie es an den Ort, wo es entstehen soll, schütten es rückwärts in des Teufels Namen in ein Wasser, oder rühren es, nachdem sie das Büchslein geöffnet, auch nur um und lassen es offen stehen, worauf das Unwetter beginnt.

In den alten Prozessen ward scharf inquirirt, wie und wie viele Menschen und Vieh sie getödtet, gedrückt, erlahmt oder sonst beschädigt hätten. Hierbei wurde in der Regel eine Menge an Kindern, Kindbetterinnen und andern Personen verübter Morde angegeben, nie aber fiel es einem Richter ein, nach der Wahrheit dieser auf der Folter erpreßten Angaben zu forschen. In den spätern Akten kommen solche Fragen, folglich auch solche Geständnisse nur selten mehr vor. Alle dabei angewendeten angeblichen Zaubermittel waren ganz ähnlicher Natur, wie die zum Wettermachen gebrauchten. Manche gestehen ein, ihre eigenen Kinder, ihr eigenes Vieh durch solche Mittel umgebracht zu haben.

[993]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Die Frage des IX. Artikels, ob sie die reine Wahrheit bekannt u. s. w., ward in der Regel von den Inquisiten zulezt auf das Eifrigste bestätigt und bekräftigt. Viele erboten sich sogar, auf die Wahrheit ihrer Aussagen das Abendmahl zu nehmen, was ihnen auch gestattet wurde.

Solches waren die Fragen, welche bei den vorliegenden Hexenprozessen in Betracht kamen, auf deren freiwillige oder durch die Folter erpreßte Bejahung, mit höchst seltenen Ausnahmen, Tod durch Feuer, oder in gelinden Fällen durch das Schwert erfolgte. Sehr viele der in entferntern Ordensgebieten, z. B. in Ellingen, geführten Untersuchungen liegen nur in Urgichten vor, d. h. in kurzen Auszügen der Protokolle, in welchen bloß die nach der Tortur oder vor derselben freiwillig abgelegten Geständnisse verzeichnet sind. Diese Urgichten wurden sodann an den oben erwähnten Gerichtshof in Mergentheim eingesendet, der dann das Urtheil fällte. Auf der äußern Seite dieser Akten steht dann bloß ganz kurz z. B.: „Guetliche und peinliche Urgichten Barbara Michael Bauners zu Hausen Ehlichen Haußfrawen, welliche uff Sambstag den 17. Martii anno 1590 (an welchem Tage noch neun andere Weiber mit ihr verbrannt wurden) geübter Hexerei halber zur Ellingen mit dem Feuer vom Leben zum Tode gebracht worden.“ Daß nur in sehr seltenen Fällen Freilassung der einmal in Untersuchung Gezogenen erfolgte, daß dieß erst gegen das Ende der in Mergentheim geführten Hexenprozesse vorkam, ist schon früher angeführt worden. Es möge hier ein solches Beispiel folgen.

Ameley Frey, die Stieftochter des, um der gleichen Untersuchung zu entgehen, flüchtig gewordenen Jakob Frey, ein zwanzigjähriges Mädchen, wurde am 7. Juni 1629, der Hexerei wegen, so vier Personen auf sie bekannt, gefänglich eingezogen. Am 7., 8. und 9. Juni hält sie mit heroischer Standhaftigkeit alle Grade der Folter aus, bittet in ihrem Gefängniß ihre Wächter, mit ihr zu beten, daß Gott den heiligen Geist zu ihrer Hülfe senden möge, und gesteht trotz aller Confrontationen und der gräßlichen Marter nichts ein. In schwerer Gefangenschaft gehalten, wird sie erst am 22. Januar 1630 wiederum verhört, jedoch ohne Folter, beharrt auf ihrer Unschuld und wird nun am 11. Februar gegen Urphede entlassen. Eine solche Freilassung war aber eine üble Entschädigung für die ausgestandene Pein. Die von der Verhafteten unterschriebene weitläufige Urphede lautet im Auszuge folgendermaßen. Sie bekennt, daß sie nur aus großer Gnade Sr. fürstlichen Durchlaucht wegen des [994] angeschuldigten Lasters der Hexerei entlassen worden sey, und verspricht mit schwerem Eide: 1) Daß sie gegen Niemand, der in diesem Prozeß gegen sie ausgesagt habe, oder in demselben gebraucht worden sey, sich rächen und eben so wenig auf irgend eine Art, gegen wen es auch immer seyn möge, aussagen wolle, was mit ihr während der Untersuchung vorgenommen worden. – 2) Sie widerspricht und widerruft allem Hexenwerk und verspricht, lediglich an Gott, dem Heiland etc. zu hängen und zu glauben. – 3) Sie gelobt, so bald als möglich mit besonderer Reue und Pönitenz zur Beichte zu gehen und das h. Sakrament nach aller Würde zu empfangen und dieses längstens alle drei Monate zu wiederholen. – 4) Sie verspricht, sich auf Erfordern jedesmal zu stellen und Red und Antwort zu geben. – 5) Sie verheißt sich aller ehrlichen Zusammenkünfte, als Hochzeiten, Kindtaufen, Gastereien etc. zu enthalten, ihr Haus, in das sie gebannt, nur des Gottesdienstes wegen zu verlassen und ohne obrigkeitliche Erlaubniß weder über Land noch auf Wallfahrten zu ziehen, sondern sich allweg still, eingezogen, fromm, züchtig und gottesfürchtig zu verhalten, auch geringe schlechte Kleidung zu tragen und alle Ueppigkeit und Leichtfertigkeit zu fliehen und zu meiden. Auch will sie vor keinem andern Gericht klagen; Alles bei schwerer Strafe des Meineids. – Schwerlich konnte wohl einem jungen Mädchen eine ärgere Strafe auferlegt werden.

Wir müssen noch einige Augenblicke bei der Folter und ihrer Anwendung verweilen. Mit Hintansetzung des gewöhnlichen Gerichtsgebrauchs, ward, wenn kein freiwilliges Geständniß im ersten Verhör erfolgte, oft noch in diesem, gewiß aber im zweiten zur Folter geschritten. Die Inquisiten wurden in die abgelegene, unheimliche, nur spärlich erleuchtete Folterkammer geführt, ihnen hier vom Scharfrichter und seinen Knechten die Marterinstrumente und deren Anwendung vorgewiesen, sie, wenn sie noch nicht gestehen wollten, gänzlich entkleidet, ihnen das Marterhemd angezogen und alsbald in Gegenwart des Richters, zweier Schöppen, des Gerichtsschreibers, der Alles niederschreiben mußte, und zuweilen eines Geistlichen, mit der Pein begonnen. Die gewöhnlichen Arten der Folter waren: „Daumenstock und Beinschrauben, die Leiter oder der Zug, der spanische Stuhl oder der Bock,“ welche verschiedene Foltergrade oft noch durch Brennen mit angezündeten Lichtern unter den Achselhöhlen und durch Ruthenstreiche auf den entblösten Rücken bis zu sechzig an einem Tage verstärkt wurden. Das gewöhnliche Gerichtsverfahren schrieb vor, einen Grad der Folter nie über eine Viertelstunde, alle Grade zusammen nie über eine Stunde lang dauern zu lassen. Im Hexenthurme der Burg Neuhaus fand aber solche Milde nicht statt. Die Gemarterten mußten Stunden lang im Zuge mit centnerschweren Steinen an den Füßen hängen, sechs bis zwölf Stunden lang im Bock eingespannt sitzen, so daß manche in Starrkrampf verfielen. Den Richtern war nichts ärger als fortgeseztes Leugnen. „Es ist ein Elend,“ bemerkt ein Protokoll, „daß sie alle also einhellig und übereinstimmend nicht bekennen wollen. Man hält allgemein dafür, daß sie möchten verstummt seyn.“ Durch solche Mittel mußte es freilich gelingen, befriedigende Antworten auf die erwähnten neun Frageartikel des Hexenhammers zu erhalten, und kaum ist es zu glauben, daß Menschen solche Qual zuweilen nicht ein, sondern mehreremale aushalten konnten, ohne sich die verlangten Geständnisse abpressen zu lassen.

Es ist schon in der ersten Abtheilung bemerkt worden, wie das konfiszirte Vermögen der Hingerichteten, nach Abzug der sehr großen Untersuchungskosten, eine bedeutende Einnahme gewährte, und wie dieser Umstand wohl nicht wenig zur Fortdauer und Steigerung dieses schauderhaften Unwesens beitrug. Hier einige Belege dazu. – Am 4. März 1605 wurden von den Erben dreier hingerichteten Personen 7702 Gulden Strafgelder eingezogen; im Jahr 1616 von 22 Hingerichteten 6630 Gulden, worunter von einer Frau 3000 Gulden; vom April bis August 1628 5857 Gulden; im Jahr 1631 in Mergentheim und Neuhaus zusammen 11,187 Gulden u. s. w. – Der schon oft gedachte Fürstbischof von Würzburg, Philipp Adolf, hatte am 14. Juli 1627 durch ein Dekret befohlen, daß von jezt an nicht mehr das ganze Vermögen der Hingerichteten, sondern, wenn Leibeserben vorhanden wären, nur ein Theil desselben konfiszirt werden sollte. Hiervon sollten alle Kosten der Untersuchung und Exekution getragen, vom Ueberreste für der Justificirten Seelenheil und Trost gesorgt werden und das Uebrigbleibende dem fürstlichen Fiskus anheim fallen. Ein ähnliches Dekret des Deutschmeisters, wahrscheinlich eine Folge des Würzburgischen, hob am 9. Januar 1629 „aus fürstlicher Milde“ in dem erwähnten Falle die Confiskation des ganzen Vermögens auf und begnügte sich mit einem Theile desselben, der aber ohne weitere Moderation einzutreiben sey.

[998]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Zuweilen gelang es den Erben, noch etwas davon abzuhandeln; Armen wurde hin und wieder das Ganze erlassen.[2] Ein Theil dieser Summen kam in die Privatkasse des Hochmeisters oder wurde als Geschenke vertheilt. So erhielt einmal der Leibbarbier 200, die beiden Kammerdiener 600, die Jesuiten in Würzburg 60, ein Kirchenbau 150 fl.; das Meiste ging aber für die Untersuchungs- und Hinrichtungskosten auf. Von obiger Summe von 11,187 fl. wurden z. B. folgende Ausgaben bestritten. Der oben genannte Dr. Vasolt empfing 573 fl.; die Mahlzeiten des Herrn Commissarii [999] Vasolt, der Geistlichen und der Gerichtsschöppen kosteten 1084 fl., der Diener Mahlzeiten 125 fl., des Nachrichters und seines Knechts Mahlzeiten 133 fl., der Hingerichteten Mahlzeiten 1429 fl. An den Exekutionstagen stiegen die Gerichts- und Centkosten auf 1615 fl., von welchen die Gerichtsschöppen 242 fl., der Malefizschreiber 215 fl., der Stockmeister und Wächter 968 fl. empfingen. Für Wein zahlte man 2277 fl., welcher damit als Hauptausgabeposten erscheint. Es ward immer und bei jeder Gelegenheit getrunken, und selbst die Verhafteten kamen in dieser Beziehung nicht zu kurz; so erhielten sie z. B. vom 1. December 1628 bis 4. Januar 1629 1 Eimer 17 Maas Wein, vom 4–17. Januar 1 Eimer 19 Maas etc. (3½ Mergentheimer Eimer sind gleich einem württembergischen). Vor der Exekution empfingen die Hinzurichtenden noch eine gute Frühsuppe, das andere dabei anwesende Personal aber ein reichliches und gutes Frühmahl.

Die Kosten der Hinrichtung selbst waren sehr beträchtlich. Eine spezificirte Kostenrechnung über die Hinrichtung von vier am 8. November 1628 in Markelsheim erst geköpften und dann verbrannten Weibern gibt Folgendes an. Für jede Hingerichtete empfing der Centgraf (Ortsrichter) 2 fl. Zu vier Hexenröcken, in welchen die Verurtheilten verbrannt wurden, brauchte man 25 Ellen schwarz wollen Tuch, 24 Ellen schwarz kameelhaarene Börtlein, 5 Ellen rothe dergleichen; zum Umhängen des Scapuliers 8 Ellen Cannevas, welches zusammen 8 fl. 30 kr. kostete. Der Pater Prior der Capuziner empfing 7 Ellen grau englisch Tuch zu einem Mantel – 16 fl. 48 kr.; sein spanischer Rock wurde mit fliegenden Aermeln versehen und ganz verbrämt – 2 fl. 12. Vier Bänke und ein roth angestrichener Stuhl 1 fl. 12. Dem Wagner wurden 24 kr. für Stangen, dem Schmied für Feuerschaufeln und starke Hacken 2 fl., dem Seiler für 10 Pfund Harz und Stricke 4 fl., für 5 Klafter Brennholz, einen Wagen Stroh nebst Fuhrlohn und Transport der Malefikanten – 13 fl. bezahlt; dem Wirth in Markelsheim, für Zehrung des Gerichts und der Wachmannschaft – 12 fl.; zwei Trabanten, zwei Leibschützen, dem Tambour und Pfeifer 3 fl., dem Nachrichter für gütliche und peinliche Fragen, Hinrichtung mit dem Schwert und Verbrennen der Leichname zu Asche und Transport der Asche in’s Wasser 14 fl. 30 kr.; für eine Büchse mit Menschenschmalz, damit der Malefizschreiber seine Arme schmieren könne, 1 fl.; endlich erhielt der Apotheker Nachtrab in Mergentheim, dessen Frau später auch als Hexe verbrannt wurde, für Rauchpulver, Zimmtwasser, Oel u. dgl. 23 fl.

[1003]
Hexenprozesse.
(Schluß.)

Viele der Inquisiten trafen vor ihrer Hinrichtung leztwillige Verfügungen, die in der Regel getreulich ausgeführt wurden, und die man nicht ohne innige Rührung lesen kann. So macht z. B. die am 18. Novbr. 1628 eingezogene und am 1. Decbr. verbrannte Frau des angesehenen Mergentheimer Bürgers Hans Georg Braun folgendes Testament und bittet ihre Richter demüthigst um dessen Vollziehung: „Meinen Sohn will ich um Gotteswillen gebeten haben, den geistlichen Stand zu erwählen. Des jetzigen Todtengräbers Frau, die mich so inniglich in meinem Herzeleid bei dem Tode meiner Kinderlein getröstet hat, vermache ich meinen geblümelten seidenen Rock; meiner Pathe, dem Mariele von Königshofen, die ich zehn Jahre lang auferzogen, meinen gefältelten Kirchenmantel und meinen alten Hausrock. Mein in Brohlbach bei des Gabels Frau liegendes Haustuch soll meine Tochter abholen und unter meine beiden Mägde vertheilen. Mein Hauswirth (Ehemann) soll meiner Tochter meinen neuen Mantel zum Leidrock (Trauergewand) geben. Ihm selbst will ich nichts lieberes wünschen, als daß er sich in eine Pfründe einkaufe und sich vor jeder fernern großen Haushaltung hüte. Den Buben des Hans Waldheßler soll mein Mann nicht verlassen und zu einem Handwerksmann in die Lehre thun etc.“ – Die am 18. December 1628 hingerichtete Wittwe des Sebastian Landbeck von Mergentheim bittet fußfällig, „man möge sie auf dem Gottesacker neben ihrem Bastel begraben und ein Kreuz auf ihr Grab setzen.“

Der am 18. August 1621 verbrannte 26jährige Hans Frey von Markelsheim vermacht seinem Bruder ein kleines Lehen und seinen halben Theil an einem silbernen Becherlein, und fleht, dieß ja bald auszuführen, damit er nicht, wie seine Mutter, nach seinem Tode umgehen müsse, weil ihre Vergabung von 12 fl. an die Kirche wegen Unvermöglichkeit seines Vaters nicht ausgeführt worden sey. – Kunigunde, Hans Schmieds Frau von Igersheim, 41 Jahre alt, verbrannt am 12. März 1629, verordnete, ihr Mann solle ihre Kinder gut bewahren und seiner Haushaltung halber baldigst wieder heirathen. Ihre Schwägerin solle sich auch ihrer Kinder annehmen und sie nicht hart behandeln. Ihr baumwollener Rock, ein rothtafftnes Leiblein und ihr Pelz nebst einem Halsband sollen ihrer Schwester vermacht seyn, die andern Röcke für ihre Mädchen aufbewahrt werden. – Brigitte, die Ehefrau eines andern Bauern von Igersheim, wenige Tage nach der eben Genannten hingerichtet, zeigt sich als höchst zärtliche und besorgte Mutter, sie gedenkt besonders ihrer zwei kleinen Mädchen, und bestellt für alle Vormünder. Ihr Mann soll Ehebett und Handwerkszeug behalten, bis der älteste Sohn die Schmiede übernehmen könne. Schließlich bittet sie flehentlichst, weil ihr Mann Sr. hochfürstlichen Durchlaucht gedient, sie des Handwerks wegen auf dem Zimmerplatz richten zu lassen u. s. w. Viele stifteten Messen für ihr Seelenheil oder begabten auf andere Art die Kirchen.

Diese kurzen Umrisse mögen hinreichen, um ein Bild davon zu geben, wie es eigentlich bei den so berüchtigten Hexenprozessen zugegangen ist. Sie waren aber nothwendig zum bessern Verständniß einiger der in der nächsten und lezten Abtheilung mitzutheilenden merkwürdigen Hexenprozesse. Keiner, der diese in der Regel so kurzen und unscheinbaren Akten zur Hand nimmt, wird glauben, daß es sich in ihnen stets um das Leben der zur Untersuchung gezogenen Personen gehandelt hat, von denen nur sehr wenige und zwar erst nach furchtbaren Martern dem Tode entgangen sind. Es möge hier nun noch die kurze Bemerkung erlaubt seyn, daß in keinem der Mergentheimer Hexenprozesse ein Adeliger, ein Geistlicher, ein Jude oder Zigeuner, oder ein auf dem Gebiete des Ordens nicht Ansäßiger verwickelt gewesen ist. Die ganze Verfolgung, das ganze Unheil lastete auf dem Bürger- und Bauernstande, wüthete aber unter diesem auch ohne Ansehen der Person, des Alters und des Geschlechts. Sehr selten suchte ein des Hexenwerks Bezüchtigter und Verschriener dem gewissen Tode durch Flucht sich zu entziehen; in dumpfer Erstarrung erwartete Jeder das Unvermeidliche.

[1030]
Hexenprozesse.
Mitgetheilt von Fr. v. Rath.
(s. Nr. 251.)
Dritte Abtheilung.

Wie wir schon bemerkt, wurden, wie überall, so auch in Mergentheim, die Hexenprozesse in der kürzesten Zeitfrist abgethan und die solchen Untersuchungen Verfallenen bald möglichst zum unvermeidlichen Tode geführt. Nur ausnahmsweise finden sich einige vor, die den Richtern mehr zu schaffen machten, eben dadurch aber auch ein um so vollständigeres Bild des dabei angewendeten Verfahrens liefern. Unter diesen möchte der folgende Prozeß einer der merkwürdigsten seyn, indem er zeigt, wie ein für jene finstere Zeit sehr hellsehender Mann nicht bloß dem herrschenden Aberglauben, sondern auch andern, noch verwerflicheren und niederträchtigeren Ursachen als Opfer fallen mußte. Aus diesem Prozeß geht nur zu deutlich hervor, daß keiner, einmal in die Klauen der furchtbaren Hexenverfolger gerathen, dem Tode entrinnen konnte. – Lassen wir jezt die Akten selbst reden, wobei wir nur noch bemerken, daß alle Briefe, alle angeführten Stellen denselben wörtlich entnommen sind, nur daß die Orthographie nach dem heutigen Brauch abgeändert wurde.

Als in Mergentheim die Furie der Hexenverfolgungen am schlimmsten wüthete, fand sich Thomas Schreiber, ein wohlhabender, noch nicht dreißigjähriger lebensfrischer Mann und Besitzer des dort noch existirenden Gasthofes zum Hirsch, bewogen, in den ersten Tagen des Februars 1629 Mergentheim heimlich zu verlassen und in die nahgelegenen Besitzungen des protestantischen Markgrafen von Anspach zu flüchten. Er selbst war zwar in Mergentheim geboren, allein mit Ausnahme einiger Brüder und Oheime lebten seine nächsten Blutsfreunde als angesehene Bürger in Heidenheim, Schorndorf, Langenau (bei Ulm), Dünkelsbühl, Ellwangen u. s. w. mit Ausnahme der leztern Stadt in lauter rein protestantischen Orten. Es darf daher mit Recht angenommen werden, auch ergibt es sich deutlich aus seinen Briefen, daß er mit dem Protestantismus genau bekannt, wohl selbst ein heimlicher Bekenner desselben war, ein Umstand, der vom wesentlichsten Einfluß auf den tragischen Ausgang seines Prozesses gewesen seyn dürfte.

Die Ursache seiner Flucht gibt er in folgendem aus Anspach vom 7. Februar datirten Schreiben an, das gerichtet ist „an seinen großgeehrten lieben Herrn Gevatter, Herrn Paulus Nachtrab, Burgermeister in Mergentheim.“

[1031] „Ehrenvester, hochachtbarer, großgünstiger, großgeehrter Herr Gevatter! Demselben seyen meine jederzeit demüthig geflissenen Dienste und Grüße zuvor.“

„Demnach ich leider Gott erbarm’, nicht unterlassen kann, dem Herrn Gevatter und Burgermeister zu schreiben wegen meines Wegreisens – denn Gott im Himmel sey es geklagt, daß ich mein liebes Weib und kleinen Kinder und meine ehrliche Haushaltung also jämmerlich und unschuldig verlassen soll – so muß ich Ihnen sagen, daß Niemand anders daran schuldig, als der’ Amtmann Max Waltz, welcher mir zu zwei Malen, als 1) da man die Lorenz Gurrin gerichtet, und 2) da man die Weißgerberin gerichtet, im Beiseyn des Kapitän Georg Schwarz solche bedenkliche Reden gethan, daß ich mir wohl ein traurig Gemüth darüber gemacht. Denn erstlich als die Gurrin im Beiseyn meiner und anderer zu ihrer Wacht und Begleitung berufenen Männer ihre Unschuld vorgab und wir dieß dem Herrn Amtmann referirten, sagte gemeldeter Amtmann etliche Worte. Als ich mich darüber gewundert, gab er mir zur Antwort: „wer den Teufel kennt, darf sich dessen nicht wundern.“ Darüber ich erschrocken, doch still geschwiegen, mir aber wohl schmerzliche Gedanken darüber gemacht. Nun das andere Mal: als ich mit obgemeldetem Kapitän Morgens wieder mit meiner Wehr auf’s Neuhaus und in gemeldet Herr Amtmanns Stube gekommen, fang ich mit diesen Worten zu reden an: „es wäre gar kalt.“ Darauf gab er mir spöttlich zur Antwort: „ja wenn es ein wenig kälter wäre, wäre es allen Menschen kalt genug!“ Und darüber legte er sich wieder auf die andere Seite und dankte mir nicht auf meinen gewünschten guten Morgen. Hierüber entsezte ich mich so, daß ich meine ganze Zeit mit Weinen und Thränen zugebracht, auch zum Herr Pater Prediger Kapuziner gegangen bin und ihm mit Weinen solches geklagt. Auch bin ich an selbigem Tage von Allen, so dem Examen (dem Verhöre) beigewohnt, feindlich angesehen und keines Wortes gewürdigt worden, welches mir zuvor nie geschehen. Auch hat mir der Gassenvogt (Polizeidiener) öffentlich vorgeworfen, ich stehe schon darin (im Verzeichniß der des Hexenwerks bezüchtigten Personen); woher er dieß geredet, ist mir unbewußt. So hat auch ein fremder Mann an dem Tage, da ich fortreiten wollte, zu dem Hauptmann gesagt und auch zu mir: er habe gehört von glaubwürdigen Männern, man habe mich auf’s Neuhaus geführt. Aus so vielen Ursachen gerieth ich denn leider Gott erbarm’s in einen solchen Schrecken und Angst, daß sich ein frommer ehrlicher Mensch wohl darüber entsetzen mag; denn ich habe von den Verschrienen und andern Menschen genugsam vernommen, wie Gewalt und Unrecht ihnen geschehen, und wie von ihnen ihre Unschuld genugsam an den Tag gelegt worden, was jedoch von Etlichen von ihnen wenig geglaubt ist worden, bis sie solches Herzeleid an sich selbst vor Augen gesehen haben, aber zu spät.“

„Mich anlangend, so weiß der allmächtige ewige Gott, der Aller Herzen Erleuchter ist, daß mir in solch schwerem Fall Gewalt und Unrecht vor Gott und aller Welt geschieht, so wahr als Jesus Christus unser lieber Herr am h. Kreuz vor uns Alle gestorben ist. Es wird mir auch kein Mensch auf dieser Welt mit Wahrheit nichts anderes nachsagen, als daß ich mich vor Gott und der Welt nicht anders gehalten, als einem ehrlichen Mann zusteht. Ich will Gott zwischen mir und meinen Feinden Richter seyn lassen. Gott verleihe mir nur Geduld. Aber die blutigen Thränen und heißen Zähren meines armen lieben Weibes und kleinen Kinder werden vor Gottes heiligem Angesicht im Himmel schreien und werden erhöret werden. Gott verzeih Allen darum, besonders dem Rentmeister, daß sie mich so unschuldig von meinem lieben Weib und Kindern bringen. Ich hoffe zu Gott, meinem Erlöser und Seligmacher, die Gruben, die sie mir graben haben wollen, werden sie selbst verschlingen. Gott der Allmächtige weiß wohl, wer Recht und Unrecht hat, er ist ein gerechter Richter, er wird mein Elend wenden zu seiner Zeit, und mein liebes Weib und Kinderlein sammt mir wieder erfreuen, wie den geduldigen Hiob.“

„Der Hr. Gevatter wolle sich meines armen Weibes und Kinder befohlen seyn lassen, das wird Gott, der ein Beschützer ist der armen Waisen, belohnen. Hiermit befehle ich den Hrn. Gevatter in göttlichen Schutz. Des Hrn. Gevatters

unterthäniger und williger 

Thomas Schreiber, 

um Unschuld hochbetrübter Mann.“
[1034]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Dieser Brief wurde jedoch nicht abgesendet, sondern von ihm bei seiner drei Tage darauf erfolgten Rückkehr nach Mergentheim selbst abgegeben. Gleich nach seiner Entweichung hatte er seiner Frau ohne Angabe des Orts und Datum, wahrscheinlich aber von Creglingen aus (einem kleinen, vier Stunden von Mergentheim entfernten, damals anspachischen Städtchen), folgenden Brief geschrieben.

„Der Ehr- und tugendreichen Frauen, Anna Schreiberin, Wirthin zum Hirschen, zu Handen.“ „Mein herzlich lieb’ und treues Herz, herzallerliebster Schatz! Ich lasse dich wissen, daß ich gestern nach Creglingen gekommen bin, weil ich allda aber den Kastner nicht getroffen, bin ich willens nach Anspach zu reiten, von wo ich dir wieder schreiben werde. Ich bitte dich, lieber Schatz, bekümmere dich nicht so sehr; ich hoffe zu dem allmächtigen Gott, wir wollen bald wieder zusammen kommen. Du hast gottlob eine gute Nahrung, daß du und die Kinderlein (er hatte deren vier) nicht Noth leiden dürft. Sieh daß du zum Schwager Georg Schneider heimlich gehst, frag ihn im Vertrauen, du wüßtest nicht warum ich so lang ausbliebe, ich sey ein- oder zweimal heimgekommen, hätte von dem alten Amtmann etliche Reden anhören müssen und mich deßhalb entsezt. Lug, ob du etwas von ihm hören kannst, geh auch zum lateinischen Schulmeister, ob er etwas von, vom Dr. Baumann vernommen habe oder nicht. Sprich aber sonst nicht viel davon. Bitte Gott herzlich, daß er wolle unsere Traurigkeit wieder in Freud’ verkehren, welches ihm wohl möglich; gleiches will auch ich thun und Gott den Allmächtigen [1035] Tag und Nacht bitten. Ich hoffe zu dem allgnädigen Gott, er wird mein unschuldiges Herz und Gemüth, welches allein nur ihn liebt und lobt, ansehen und mich nicht länger an diesem Kreuz hangen lassen. – Sieh’ daß du des Gevatter Kronenwirths Kellner gelehnt bekommst, schick den Davidlein (seinen ältesten Sohn) hinauf, laß ihn herabkommen, so kannst du mit ihm reden. Was du erfährst, das schreib’ mir ein wenig, ich will’s wohl lesen. Schick mir das Tuch zu Strümpfen, das ich vergessen. Ich will dir bald wieder schreiben, liebes Herz, geduld’ dich ein Weil, unser lieber Herrgott wird’s wieder wenden nach seinem Willen. Nichts mehr betrübt mich, denn daß ich solch Elend so unschuldig leiden muß. – Wenn du Geld aus Wein lösest, so kauf einen Karren voll Haber; wenn der Jung mit ansteht, so laß ihn den Haber im Schloß fassen, laß ihn das beiliegende Zettelein dem Futterschreiber geben. Laß auch dem Herr von Thann seine Schuld anfordern, es ist 17 fl. 34 kr.; er hat den Zettel schon.“

„Liebes Herz, laß’s dich nicht so sehr anfechten, gottlob ich bin nicht sehr traurig und freue mich meines guten göttlichen Gewissens. Strafe die Kinder, wenn sie dir nicht folgen wollen, und hoff’ zu unserm lieben Gott, der uns niemals ganz verlassen hat; er wird es dießmal auch nicht thun. Wenn ich dir innerhalb acht oder vierzehn Tagen einen Boten schicke, so schreibe mir Alles, wie’s geht. Wenn dir ein Gläubiger Geld anfordert, bitt’ ihn um Verzug, ich will dir schon angeben, wie du dich verhalten mußt. - Behüt’ dich Gott der Allmächtige und die Kinderlin vor allem Leid. Verlaß mich nicht, ich will auch dich nicht verlassen, unser lieber Gott wird’s ändern und meine Unschuld rächen. Hab’ nur ein gutes Herz. Es ist nie ein Unglück so groß gewesen, es ist wieder gut worden.“

„Dein 

getreues Herz, dieweil ich lebe, 

Thom. Schreiber.“ 

Wahrscheinlich zu derselben Zeit schrieb er auch folgenden Brief (ohne Datum und Ort). „Dem ehrenvesten und wohlgeborenen Herrn Allemahn, wohlverordneten lateinischen Professorn und Schulmeistern, meinem lieben vertrauten Herrn zu Händen in Mergendall.“[3]

„Ehrenvester, insonders günstiger, vielgeliebter, vertrauter Herr, demselben sage meine jeder Zeit geflissenen Dienste bestes Vermögens zuvor.“

„Ich kann nicht unterlassen, meinem lieben, vertrauten Herrn zu schreiben, welcher Maßen ich leider, Gott erbarms, schmerzlich, mit blutigen Thränen von meinem Weib und lieben Kinderlein aus vielleicht unnöthiger Furcht und Schrecken, wegen dem Herrn in meinem Anwesen schon erzählter Ursachen, und von dem Amtmann Max Waltz mir geschehener schnöder Reden halber, welche mich in solche Furcht getrieben, entwichen bin. Und weiß Gott der Allmächtige, zu dem auch alle meine Hoffnung steht, den will ich Richter seyn lassen wider die mich unbillig in solchen Schrecken getrieben haben; meines armen herzlieben Weibes und Kinderlein blutige Thränen und Zähren werden vor dem h. Angesicht Gottes schreien, und Gott wird sie und mich erhören und meine Unschuld rächen. Vielgeliebter, großgeehrter Herr, ich habe das Vertrauen zu dem Herrn und halte den Herrn für meinen allerbesten Freund, der Herr wolle heimlich der Sache nachfragen an Ort und Ende, und nicht thun, als ob ich ihm zugeschrieben oder mit ihm bekannt wäre, daß man es nicht zu sehr merke und dem Herrn vorhalte, und sehe, wie es eine Beschaffenheit habe, und mir wieder schreiben und den Brief zu meiner lieben Hausfrau tragen lassen, und sie bisweilen trösten. Alsdenn will ich den Brief durch einen Boten abholen lassen zu gelegener Zeit. Gott weiß, daß ich in diesem Fall ganz unschuldig bin, habe auch mein Lebelang kein solchen Gedanken oder Gemüth gehabt, wie ich denn schon dem Herrn persönlich erzählt, auch dem Hrn. Pater Prediger solches geklagt. Weil ich aber in solchen Gedanken und stark geglaubt, noch vermeine und auch zum Ueberfluß den Tag, als ich wegritt, ein fremder Mann in mein Haus kam und auch zum Hauptmann gesagt hatte, man sage öffentlich, ich sey auf das Neuhaus geführt worden, dieß hat mich so furchtsam gemacht, daß ich nicht länger bleiben konnte. Denn ich sehe wohl, wenn Einer überfallen wird, so muß er fort, er sey unschuldig oder nicht. Zwar als unschuldig, und um des Namens Jesu Christi willen, wollte ich mich, wenn’s von Nöthen wäre, nicht weigern zu sterben, allein solche Marter und Pein, und aus großer Marter eine Last auf meine Seele aufzuladen, das fiele mir zu schwer. Gott verzeih’s dem Amtmann, was er mir, meinem lieben Weib und Kindern für Herzeleid macht.“

„Ich bin Willens an den Fürsten zu schreiben, von wegen der mir gethanen Reden, und will ihm meine Unschuld klagen. Der Herr wolle mir rathen, ob ich’s thun soll oder nicht. Verhoffe mit ganzer Zuversicht, der Herr werde das Beste bei Allem thun; das wird der allmächtige Gott ihm in Ewigkeit belohnen, was der Herr an meiner herzlieben Frau und Kindern thut und auch an mir hochbetrübten Mann. Ach, der Herr tröste doch mein armes verlassenes Weib bisweilen. Der Herr schreibe mir bald wieder nach Einziehung der Erkundigung und von meinem Weibe. Wenn in meiner Haushaltung etwas vorgefallen, so wolle es mir der Herr berichten, weilen mein Weib des Schreibens nicht wohl [1036] kundig und ich nicht Jedermann gern vertrauen wollte. Hiermit sey der Herr göttlicher Gnade befohlen. Ich bin ganz betrübt

des Herrn guter Freund 
Th. Schreiber, Hirschwirth.“     
[1037]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Unterdessen hatte sich der flüchtige Thomas wahrscheinlich seiner Heimath wiederum genähert, vermuthlich um von seinem Heimwesen und seinen lieben Angehörigen nicht zu entfernt zu seyn; denn es findet sich wieder ein Brief an seine Frau bei den Akten, abermals ohne Datum und Ort, folgenden Inhalts.

„Der ehr- und tugendsamen Frauen Anna Schreiberin, Hirschwirthin, zu Handen.“

„Mein herzlieber, lieb und treu herzallerliebster Schatz! Dein Schreiben[4] hab ich empfangen und mit bitterm Weinen gelesen. Ich bitte dich, mein allerliebstes Herz und Schatz, den ich auf der Welt habe, bekümmere dich nicht so gar sehr. Denke als wenn ich sonst in ein Ort verreist wäre und etwa eine Zeitlang ausbliebe. Halt’ aber gut über unsere lieben Kinderlein, vermahn’ sie zum Gebet ernstlich, denn das Gebet der jungen Kinder vermag viel bei Gott. Gott der Allmächtige wird mein demüthiges Gebet und große Unschuld, dein und der lieben Kinder Gebet vor sein h. Angesicht kommen lassen und uns aus diesem Kreuz helfen. Ich weiß und zweifle nicht daran, denn mir geschieht ja, weiß Gott, vor Gott und Welt Gewalt und Unrecht. Du weißt ja, lieber Schatz, wie mein Gemüth und Herz ist, daß ich Gott allzeit herzlich geliebt und gelobt habe, was einem frommen, ehrlichen Mann zusteht. Gott der Allmächtige hat uns das Kreuz aufgeladen, so wollen wir es mit Geduld tragen, so lang Gott will. – Schau und forsche heimlich nach, wie es steht. Ich habe dem Schulmeister auch geschrieben. Wenn du etwas zu schreiben hast wegen der Haushaltung, so laß es den lateinischen Schulmeister schreiben, was aber heimlich ist, das schreibe selbst, ich kann’s wohl lesen.“

„Lieder Schatz, du schreibst, wenn ich nicht mit begriffen sey, so soll ich wieder heim! Wie magst du mich mit solchen Worten betrüben? Du weißt ja, was ich mit dir geredet habe. Wollte Gott, du sähest selbst in mein Herz hinein, so würdest du gewißlich sehen, wie mit Gewalt und Unrecht mir dieser Leumund aufgeladen ist. Wären alle Menschen zu Mergentheim so rein von diesem Wesen, als ich bin, so würde kein einziger solcher Mensch zu Mergentheim gefunden werden. Und das betrübt mich zum allermeisten, daß ich so unschuldig von dir, mein herzallerliebster Schatz, und von meinen lieben Kindern soll scheiden. Ich hoffe aber zu dem allmächtigen Gott, es soll nicht lang währen. Ich komme aber noch nicht heim, [1038] ich traue nicht; ich sehe wohl, wie es zugeht, bis ich erfahre, wie oder wann. Gott wird diesem Blutbad nicht lang zusehen und ein Mittler darin seyn. – Ich will sehen, daß ich einen Kellerjungen bekomme und ihn dir heimschicke. – Bete fleißig, das will ich auch thun ohne Aufhören. Ich will bald an den Fürsten schreiben. Sieh’ daß du einmal in des Balbierers Haus zum Gevatter Fortenbach kommst; klag ihm unsere Noth, bitt’ ihn heimlich, ob er nichts davon wisse; bitt’ die Balbiererin, sie soll dir’s sagen, wenn er heraus (vom Schlosse) kommt, du wollest gern mit ihm reden.“

„Herzlieber Schatz! ich will dich bald nicht weit von Mergentheim in ein Ort holen lassen mit einem Boten und selbst mit dir reden. Du mußt die Schuldregister und die Briefe all’ mit dir nehmen. Ich will dir dann schon sagen, wie du dich verhalten sollst. Wenn ich dir einen Boten schicke, so säume dich nicht lang. In acht, höchstens vierzehn Tagen lasse den Davidlein Schulden einfordern und ihn aufschreiben, was du einnimmst. Lieber Schatz, gedulde dich ein Weil, sieh’ wie du Haus hältst. Ich hoffe es soll nicht lang währen. Ich will dich nicht verlassen. Ich wollt eher mein Leben lassen, ehe ich dich und die Kinder verließe. Wenn ich zu dir komme, wollen wir genug zusammen reden. Liebes Herz, schreib mir wieder, wie’s dir geht oder wie es sonst zugeht. Wenn etwas Nöthiges vorfällt, so schicke mir einen Boten nach Creglingen, bin ich auch nicht da, so wird es mir der Kastner schon zuschicken. Behüte dich Gott der Allmächtige, lieber Schatz; küsse die Kinder all’ von meinetwegen. Ach daß ich bei euch seyn könnte! Es wäre mir eine große Freud’. Das Gott erbarm! soll ich so unschuldig von euch scheiden? O wehe den ungerechten Richtern, wie werden sie in der Höllenpein darum leiden müssen! Eine gute Nacht, liebes Herz, dir und deinen lieben Kinderlein!

Dein

treuer bis in den Tod, lieber Schatz alle Zeit

Th. Sch.“

N.S. „Sie sagen, es geschehe Niemand Unrecht; wollte mir ja, lieber Schatz, auf dieser Welt nichts mehr wünschen, als daß solches wahr wäre, wollte mich gar nicht mehr fürchten, sondern fröhlich wieder heim. Schicke mir die Zettel, so in dem kleinen Zettelein geschrieben seyn, so kann ich Schuld fordern. Lieber Schatz, schreibe mir, wie es mit dem Feigenbutz[5] steht, was du von ihm hörst.“

Gleich nach Absenkung dieses Briefs begab sich Schreiber in noch größere Nähe von Mergentheim, denn es findet sich folgendes kurze Briefchen vor, in welchem er seine Hausfrau nach Elpersheim, einem damals gräflich Hohenlohesche Dorfe, anderthalb Stunden von Mergentheim entlegen, zu einer Zusammenkunft einladet.

„Meiner lieben Hausfrau Anna Schreiberin, Hirschwirthin zu Mergentheim.“

„Liebes Anneley, es ist mein Bitten, du wollest morgen in aller Früh mit diesem Boten nach Elpersheim zu mir kommen. Sage Niemand nichts davon, thue als wollest du nach Laudenbach[6] wallen, weil es Ordensfreitag ist. Bleib bei Leib nicht aus. Ich warte heute diese Nacht deiner, ich bin deßwegen herabgeritten. Im Wirthshaus will ich deiner warten, früh am Thor. So kannst du am besten fortkommen. Wünsch’ dir und den Kindern eine gute Nacht.

Th. Schreiber.“     
[1042]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Aus diesen vorstehenden, gut und schön geschriebenen Briefen haben wir den armen Th. Schreiber hinlänglich kennen lernen als einen gottesfürchtigen, seine Familie zärtlich liebenden, klugen und umsichtigen Mann. Wollte er sich nicht, gleich den andern unzähligen, dem blindesten Fanatismus zum Opfer gebrachten Menschen, widerstandslos abschlachten lassen, so hatte er hinreichende Ursachen, sich aus Mergentheim zu entfernen. Das auffallende Betragen von in der Nähe des Fürsten weilenden Männern, das über ihn gehende Gerücht, als stehe er schon auf dem Verzeichniß der des Hexenwerks Bezüchtigten, mußte unter den damaligen Verhältnissen einen Mann wie Schreiber wohl daran denken lassen, dem drohenden furchtbaren Sturme auszuweichen. Was ihn bewogen hat, wiederum in die gefährliche Nähe Mergentheims zu kommen, wenn es noch andere als die oben angedeuteten Ursachen waren, ist aus den Akten nicht zu ersehen. Dieser Schritt führte ihn seinem unvermeidlichen Untergange entgegen, denn seine Anwesenheit in Elpersheim muß alsbald verkundschaftet worden seyn. Es liegt bei den Akten eine schon am 9. Februar von der Regierung in Mergentheim an die hohenloheschen Behörden erlassene Requisition, die seine Auslieferung verlangt. Ob die Zusammenkunft mit seiner Frau stattfand, ob sie ihn vielleicht überredet, nach Mergentheim zurückzukehren, auch dieses ist aus den Akten nicht ersichtlich, wohl aber, daß er schon am 10. Februar in seinem eigenen Hause festgenommen und alsbald auf das Rathhaus in Verhaft gebracht wurde.

Noch an demselben Tage mußte er auf dem Rathhause vor dem wie gewöhnlich zusammengesezten Gerichte unter dem Vorsitz des Dr. juris Baumann, der auch [1043] als berühmter Hexenrichter galt, sein erstes Verhör erstehen. Es wurden ihm dabei über seine Flucht und über die von ihm früher ausgestoßenen Reden sechzehn Fragen vorgelegt, die, der Handschrift nach zu urtheilen, direkt aus der fürstlichen Canzlei gesendet worden waren, und die fast sämmtlich darauf zielten, den armen Thomas wegen seiner freien Reden zu packen und dem Verderben zu weihen. Die ersten bezogen sich auf Personalien, die dritte und vierte fragten, wann und warum er ausgerissen? Seine Antwort lautete: er sey vor ungefähr acht Tagen weggegangen, habe es aber vorher dem Herrn Kapuziner geklagt, warum er es thun müsse. Als Ursache seiner Flucht gab er die schon in seinem Briefe an den Bürgermeister Nachtrab angeführten Gründe an, denen er noch folgende hinzufügte: „Der Malefizschreiber sey ihm auf der Gasse begegnet, ihm aber sichtlich ausgewichen. Der Gassenvogt habe ihm öffentlich in der Krone unter die Augen gesagt, er stehe auch schon darin (nämlich im Verzeichniß der Bezüchtigten); auch habe er ihm früher etwas sagen wollen, nähme jezt aber nicht hundert Thaler darum, wenn er es gethan. Solche und ähnliche Reden hätten ihn zur Flucht bewegen müssen. Ueberdieß betheuerte er hiebei auf das Höchste, daß er vom Laster der Hexerei ganz frei sey, sonst wäre er gewiß nicht wieder heimgekommen, denn er sey genugsam, sonderlich vom hiesigen Hauptmann, gewarnt worden. Gott kenne sein Herz.“ 5) Ob er während seines Vagirens Briefe hereingeschrieben habe? „Ja, an sein Weib zwei, an den lateinischen Schulmeister, an den Bürgermeister Nachtrab, den er ihm selbst gegeben.“ – 6) Was in den Briefen gestanden und wo er sie jezt habe? – „Wahrscheinlich würden sie noch im Besitz der Personen seyn, an die sie gerichtet. Er habe ihnen seine Unschuld geklagt.“ – 7) Ob er ihnen nicht auch unter andern geschrieben, daß den Leuten Unrecht und Gewalt geschehe? – „Dieß habe er nur auf sich bezogen, denn wenn ihm etwas geschehe, so geschehe ihm Unrecht und Gewalt.“ – 8) Ob er wisse, daß Jemand Unrecht geschehen und von wem? – „Gott solle ihn behüten, dieß könne er nicht sagen.“ – Die 9te und 10te Frage bezogen sich auf die Personen, die ihn feindlich angesehen. 11) Was er von der justificirten Braunin gehört? – „Sie habe öffentlich gesagt: Gott wisse, wie ihr’s um’s Herz sey. Sie sey kein solch Weib, sonst wolle sie viel hundert Meilen Wegs hinweg seyn. Behüt’ Gott ein jedes Menschenkind vor dem Neuhaus; wenn der Frömmste hinauf kommt, muß er eine Hexe seyn.“ – 12) Ob er diesen Prozeß nicht ein Blutbad geheißen? – „Das habe er geschrieben, damit aber Niemand besonders gemeint.“ – 12) Aus welcher Ursach das geschehen? – „Weil er geglaubt, daß den Leuten Unrecht geschehen.“ – 14 und 15) Ob er nicht Wein verkauft und das Geld dafür habe auswärts empfangen wollen, um es auf der Flucht zu benutzen? – „Ersteres sey wahr, Lezteres aber nicht, weil er ja bis Philippi und Jakobi das Geld habe wollen stehen lassen.“ – 16) Ob er nicht schon früher und wenn man vom Hexenwerk geredet, es nicht defendiret und bloß für eine Phantasey gehalten? – „Er habe alleweil gesagt, wenn nur Niemand Unrecht geschehe.“ – Hiemit war das Verhör geschlossen.

An demselben Tage hatte man auch die Wächter, die ihn in seinem Hause festgenommen und auf dem Rathhause bewacht hatten, über die von ihm sowohl bei seiner Verhaftung als im Gefängniß ausgestoßenen Reden vernommen. Sie gaben an: als der Hauptmann ihm in seinem Hause angekündigt habe, daß er des gnädigsten Fürsten und Herrn Gefangener sey, habe er geantwortet: „O ihr ehrlichen Bürger, wenn mir solches geschieht, fürchte sich ein Jeder und alle fromme Christen. O Fürst! o Fürst! wie fangst du ein Blutbad an!“ Ein Anderer gibt an, auf dem Rathhause habe Thomas gesagt: von Georg Braunens Weib habe er, als man sie vom Neuhaus herab zur Hinrichtung geführt, so viel verstanden, daß ihr Gewalt und Unrecht geschehe; der König Nero habe auch ein solches Blutbad angestellt, das sey aber auf ihn zurückgefallen. Jezt müsse er sehen, daß allen den als Hexen verbrannten Leuten groß Unrecht geschehen. „Bin ich nicht ein doppelter Narr, daß ich schon draußen gewesen und nicht draußen geblieben bin! Wollen die Herrn ihre Hände auch in meinem Blut waschen? Allen jenen Leuten geschieht großes Unrecht, am meisten aber der Braunin. Ihr lieben Leute, hebt man mit mir an, so habt Acht, wie es ein Blutbad geben wird u. s. w.“

[1045]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Schon am 16. Februar war Thomas auf das Neuhaus gebracht worden, wo er sogleich vom Commissär, Dr. Baumann, in Gegenwart des gewöhnlichen Personals verhört wurde. Die Hauptanklagen gegen ihn beruhten auf der Aussage von drei des Hexenwerks beschuldigten Frauen, von denen zwei schon hingerichtet waren. Die Erste, Martha Dokherin, am 18. December des vorigen Jahrs verbrannt, hatte am 12. December ausgesagt: als sie im heurigen Jahre zum zweitenmal zum Hexentanz gefahren, wobei das Anneley von Neunkirchen in seltsamer Stellung mit einem blauen Lichte geleuchtet, sey Thomas Schreiber auch dabei gewesen. Die Zweite, Catharina, Georg Reißers des Haubenschneiders Hausfrau, verbrannt am 12. Februar dieses Jahres, hatte am 29. Januar bekannt: als sie vor zwei Jahren vom Teufel bei der Hand genommen und zu einem Tanz bei Nacht auf den Trillberg geführt worden, wobei die Lichter gleich andern Lichtern gebrannt und ausgesehen u. s. w., sey der Hirschwirth auch dabei gewesen. Die dritte, Kunigund, des Schwanenwirths Kolbenschlag Hausfrau, hatte erst noch am 13. Februar ausgesagt: als sie vierzehn Tage nach ihrer Verführung auf den Trillberg (eine nahe bei Mergentheim gelegene Anhöhe) gefahren, habe man alldort getanzt. Die Lichter haben schwarz wie eine Fackel geschienen; man habe gegessen, doch ohne Brod, aus rechten natürlichen Bechern getrunken, und der Wölflin (ein Metzger) es ihr zugebracht und sie es ihm in des Teufels Namen gesegnet. Dabei sey Thomas Schreiber auch zugegen gewesen.

Das heute mit Schreiber vorgenommene Verhör scheint nur den Zweck gehabt zu haben, ihn mit dieser Kunigund Kolbenschlagin zu confrontiren, die nach geschehener Confrontation alsbald zur Hinrichtung abgeführt und verbrannt wurde. Das ganz kurze Verhör besagt Folgendes: „Th. Schreiber, jetziger Wirth zum Hirschen in M. entschuldigte sich mit vielfachen hohen Schwüren zum Höchsten, daß er von dem Laster der Hexerei rein und unschuldig sey. Hierauf der Kunigundt Kolbenschlagin unter die Augen gestellt, sagt sie ihm „ohne Scheu ganz rund in’s Gesicht,“ daß er mit ihr auf dem Trillberg bei einem Hexentanz gewesen sey, wo sie gegessen und getrunken.“ – Ihr entgegnete Thomas: „sie thue ihm Gewalt und Unrecht, sie solle ihrer Seelen Seligkeit nicht beschweren.“ – Er entschuldigt sich hierauf seiner ausgestoßenen Reden halber, daß nämlich nothwendig vielen Leuten Unrecht geschehen sey. „Jezt vollends müsse er ganz zu dem Glauben kommen, daß, [1046] weil man ihm so groß Unrecht thue, man dieß auch andern Menschen gethan habe. Er wolle jezt Alles Gott und der Obrigkeit befehlen, er befinde sich in lezterer Gewalt; warum er also so thöricht seyn und seinen Leib den Martern unterwerfen solle“ (d. h. er wolle lieber ungefoltert eingestehen, was man verlange).

Drei Monate lang schweigen die Akten gänzlich über ihn; erst nach Verlauf dieser Zeit ward die Untersuchung, wie wir gleich sehen werden, wieder aufgenommen und dann zu einem schleunigen Ende gebracht. Während dieser Zeit scheinen sich die auswärtigen Verwandten Schreibers seiner thätigst angenommen zu haben; denn am 10. April wurde von seiner gesammten Verwandtschaft folgende „unterthänigste Supplication an den Hochwürdigsten Fürsten und Herrn Johann Caspar, Administrator des Hochmeisterthums in Preußen, Meister deutschen Ordens in deutschen und wälschen Landen und Römisch Kaiserlichen Geheimen Rath etc. unsern gnädigsten Fürsten und Herrn“ eingegeben.

„Hochwürdigster, gnädigster Fürst und Herr! Ew. Hochfürstliche Gnaden können wir unterthänigst vorzubringen nicht unterlassen. – Demnach gesammte, als Thomä Schreibers, Hirschwirths allhier zu Mergentheim, in dem Württemberger Land, zu Heidenheim, Langenau, Dünkelsbühl, Aalen und andern Orten seßhafte, ehrliebende Freundschaft mit Schmerzen und höchster Bekümmerniß vernommen, in was traurigen Stand und schwere Gefängniß gedachter unser Vetter eingerathen und nunmehr neun Wochen in Verhaft gehalten werde, aber von seiner Verwirkung oder Mißhandlung einige gewisse Nachricht nicht haben können, und dennoch bei so gestellten Sachen, in Gebühr und ohne Verletzung der allzeit hochgeehrten Justiz, ihm, dem Gefangenen, aus christlicher Blutsfreundschaft und schwägerlicher Liebe gern mitleidentlich beispringen wollen, so haben wir Ew. Fürstl. Gnaden demüthigst supplicando zu ersuchen keinen ferneren Umgang nehmen können, unterthänigst bittend, diesen Ueberlauf uns gnädigst zu verzeihen.“

„Nachgehends, obwohl aus oft fallirenden gemeinen Reden Etliche dafür gehalten, als wäre itzt berührter Hirschwirth allhier ob der abscheulichen Hexerei willen gefänglich angenommen und eingezogen worden, so können und wollen wir jedoch ein Solches nicht hoffen, noch ihm unserem Vetter einiges Weges zutrauen. Sintemal diesen Punkt berührt, dafern er wider unser Hoffen und Zuversicht dies Orts implicirt und verwickelt seyn sollte, Ew. Hochfürstliche Gnaden uns dahin gnädigst verstehen und vernehmen wollen, daß dieselbe wir deswegen mit dem geringsten Buchstaben zu behelligen, ja mit einem Tritt dem Gefangenen zum Besten nicht anzuwenden gemeint ober im Sinn gehabt. Gehet übrigens unser einfaltiges Erachten dahin, daß nun oftgemeldeter incarcerirter Hirschwirth etwa aus menschlicher Blödigkeit, Unverstand und in Jugend übel unbesonnen ausgestoßenen Worten oder ungebührenden Handlungen gesündiget und sich so gröblich gegen seine von Gott gesezte höchste Obrigkeit vergriffen haben muß.“

„Dieweilen wir aber solches ebener Gestalt, wie es etwan beschaffen seyn möchte, nicht wissen oder vielleicht uns zu wissen nicht gebührt, wir aber dennoch das Amt der Freundschaft nicht verlassen wollen, so gelangt an Ew. Hochfürstliche Gnaden unsere unterthänigste, innigste Bitte, Flehen und Anrufen, sich der armen vier kleinen, unmündigen Kindelein, derer äußerst geängstigter Mutter Großvater, Job Knips, an ein und vierzig Jahre lang Hochfürstl. deutschmeisterischer Hof- und Mundkoch gewesen, mildreichst zu erbarmen, sich wegen uns unbewußter Verbrechen mit der langwierigen Incarceration barmherzigst versöhnen und ihn, den Verhafteten, aus Hochfürstl. Deutschmeisterischer Gnaden, Barmherzigkeit und Güte auf freien Fuß zu seinem äußerst betrübten armen Weibe und Kindlein, auch übel bestellter Haushaltung kommen zu lassen.“

„Darum, Ew. Hochfürstl. Gnaden, sind wir sammt und sonder, neben treuwilligem Gebet mit allem möglichen Dienst zu verschulden und unterthänigst und bereitwilligst, gnädigsten tröstlichen Bescheid demüthigst erwartend

Ew. Hochfürstl. Gnaden 
unterthänigst, bereitwilligst     
Caspar Schreiber, Burgermeister, Joh. Jac. Fischle, Stadtschreiber, Hans Schreiber, Bierbrauer und Hirschwirth in Heidenheim, Georg Schreiber zu Langenau u. s. w. im Namen der ganzen Schreiberischen Verwandtschaft.“
[1050]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Eine Antwort auf dieses Bittschreiben findet sich nicht vor. – Wenn aber auch während der drei Monate, in welchen Thomas in Gefangenschaft, eingesperrt mit andern gleichen Verbrechens bezüchtigten Personen, schmachten mußte, öffentlich nichts weiter gegen ihn geschah, so muß er dem ungeachtet in der fürstlichen Kanzlei als ein sehr gefährlicher Mann betrachtet worden seyn, bei dem Allem aufzubieten sey, um ihn nicht freilassen zu müssen, sondern ihn, als des Hexenwerks überführt, den andern Ungläubigen zum warnenden Beispiel hinrichten zu können.

Am 7. Mai ward befohlen, alle gegen Thomas Schreiber vorliegenden Gravamina zu sammeln, sie so viel wie möglich mit neuen zu vermehren und darüber zu berichten. Bei den Akten befindet sich nun ein undatirter und ununterschriebener Bogen, wahrscheinlich von Dr. Baumann verfaßt und selbst geschrieben, dessen Inhalt Schreibers Angelegenheit nothwendig sehr verschlimmern und dem übelsten Ausgang entgegen führen mußte. Er ist betitelt: „Gravamina wider den auf dem Neuhaus verhafteten Hirschwirth zu Mergentheim,“ und enthält folgende Unheil verkündende Punkte: „1) Hat der verhaftete Th. Schreiber drei beständige (d. h. nicht zurückgenommene) Denunciationen gegen sich, daß er mit auf [1051] solchen Conventibus (Hexentänzen) gewesen.“[7] 2) Ist er übel berüchtigt. 3) Hat er sich flüchtig gemacht. 4) Hat er zuvörderst Ihro Fürstl. Gnaden unsern allerseits gnädigsten Herrn, und alle Assessores, so diesen Prozessen beigewohnt, ehrenrührerisch angetastet, als ob sie den Leuten zu viel thäten, und viel mehr ein Auge auf Ungerechtigkeit denn auf Justitia hätten, auch hat er solche Prozesse ein jämmerlich elendes Blutbad geheißen, als ob gleichsam die Leute mit Gewalt zum Geständniß gezwungen würden. 5) Eben so hat er gegen die Herren Verhörsrichter den unbegründeten Vorwurf ausgestoßen, als hätten sie seiner auf öffentlicher Gasse geschmäht und ihn dadurch zur Flucht veranlaßt. 6) Als Hr. Joh. Braun zu ihm auf das Neuhaus geschickt (weil er eines verkauften Pferdes halber an seine Frau zu schreiben begehrt) und verordnet worden, aufzumerken, daß nicht etwa andere Angelegenheiten mit unterlaufen und vielleicht Anderes möchte geschrieben werden, hat er, ungeachtet als eine gefangene und in der Obrigkeit Handen und Gewalt liegende Person, ohne Scheu gegen Hrn. Braunen gesagt: „Wenn man ihm die Wahl ließe, entweder seiner Banden entledigt zu werden oder den Hexenverhören beizuwohnen, wolle er lieber noch länger in denselben verweilen.“ 7) Hat er sich unterstanden, eine im Gefängniß neben ihm liegende Weibsperson, Eva Breuningerin von Apfelbach, die ganz standhaftig gewesen (d. h. die sich als Hexe bekannt hatte), abwendig zu machen, indem er gegen sie behauptet, daß es unmöglich dergleichen Leute geben könne und ihnen Recht geschehe, wenn sie sich als solche bekennten, wegen welchen Zuredens und Abwendigmachens sich die gedachte Frau gegen die Herrn Examinatoren zum Höchsten beschwert, mit Vermelden, daß sie Gott ganz treulich angerufen, damit er sie nur bei der Beständigkeit (d. h. bei ihrem Geständniß) erhalte und sie durch den Hirschwirth nicht abwendig machen lasse. Dieser Beschuldigung ist der Hirschwirth geständig gewesen, wie aus der hierüber gepflogenen Inquisition mit mehreren zu ersehen. 8) Sonst hat auch Hans Löblin (der wegen im Trunke ausgestoßener verdächtigen Reden eingezogen und nach längerer Gefangenschaft auch verbrannt wurde, dessen vorhandener Prozeß auch zu den merkwürdigen gehört) ausgesagt: „der Hirschwirth habe einst einen Bettelbuben todtgeschlagen und denselben verspeist.“ 9) Aus seiner oben angeführten Inquisition geht hervor, daß Schreiber zum Ueberfluß und ohne Scheu bekannt: „er sehe wohl, daß dieser Prozeß ein blinder Handel sey.“ 10) Schon von Jugend auf, als er noch in die Schule gegangen, ist er berüchtigt gewesen, daß er Mucken (Fliegen) machen könne, daher er den Unnamen „Mucken-Thomas“ bekommen.“

Als nun solchergestalt genugsam Ursache vorhanden zu seyn schien, um jezt in dem so lange zurückgelegten Prozesse ernstlich und peinlich fortfahren zu können, und überdieß der Stockmeister vom Neuhaus am 18. Mai berichtet hatte, daß der verhaftete Hirschwirth, ungeachtet er bei Leibes- und Lebensstrafe mit Niemand reden sollte, nichts destoweniger und trotz allen Verbietens mit den andern, wegen gleichen Vergehens verhafteten Personen fortwährend gesprochen habe, wurde am 19. Mai der unglückliche Thomas wieder in’s Verhör geführt. Klar und deutlich ergibt sich aus demselben, daß während seiner langen Gefangenschaft, in welcher er, wie wir gesehen, in vielem Verkehr mir andern Gefangenen blieb, von denen die Meisten in kürzester Zeit als Unholde hingerichtet wurden, seine schon früher so offen ausgesprochene Meinung, als existire das ganze Hexenwesen nur in den Köpfen blutgieriger Richter, jezt zur vollsten Gewißheit geworden war, und daß er dabei zugleich die traurige Ueberzeugung gewonnen haben muß, wie auch sein Leben dem scheußlichen Unwesen unwiderruflich verfallen sey. Eben so deutlich zeigt sich aber auch sein Entschluß, keiner langen Marter sich zu unterwerfen, sondern baldigst solche Geständnisse zu machen, wie sie auch bei dem beharrlichsten Widerstand ihm zulezt doch abgepreßt werden würden.

[1053]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

In solchem Sinne ließ Thomas gleich beim Beginn dieses Verhörs sich folgendermaßen vernehmen: „Er lobe und danke Gott, daß er ihn um seinetwillen leiden lasse, und das wolle er von Grund seines Herzens gern thun, auch sey er entschlossen, sein Leben gern herzugeben. Er sage nochmals, daß dieser Prozeß ein Blutbad, und glaube jezt noch viel mehr, daß es ein nichtiges Werk sey und daß es gar keine Hexenleute gebe, weil er dieses leider jezt mehr als zu viel erfahren. Er sage zum Ueberfluß bei seiner Seelen Heil, es geschehe den Leuten Unrecht.“ Darauf hat ihm Dr. Baumann geantwortet: „so wahr als Gott im Himmel, so geschehe ihm Recht.“ Thomas aber entgegnete: „So wahr als Gott am Stamm des Kreuzes für uns gestorben, so wahr als ich erschaffen bin, so wahr bin ich unschuldig! Wenn ein einziger Mensch solcher Gestalt und in diesem Falle (d. h. als des Hexenwerks kundig) in Mergentheim gefunden würde, so will ich Leib und Leben verloren haben und sterben. Ich weiß gar wohl, daß man von mir doch nicht ablassen wird, ich muß folglich gedenken, daß es Gottes Wille also ist. Ich frage, ob die Gelehrten nicht auch hierin irren können? Ich trage das Leiden und das Sterben Jesu Christi in meinem Leib.“

„Auf solche seine beharrliche Argumenta hin,“ heißt es weiter im Protokoll, „ist er dem Scharfrichter übergeben worden.“ – „Wenn ich ein solcher Mensch bin,“ rief er, „so will ich mich auch bei meiner Seele nicht peinigen lassen. Was mir geschieht, das geschieht dem Herrn Jesus Christus. Um deines bittern Leidens und Sterbens wegen verlasse mich nicht, mein Jesus!“

Er wurde hierauf gebunden, an der Leiter befestigt und mit angehängten Steinen aufgezogen. Da schrie er zum öftern, als er „ein Paternoster lang“ hing: „Herr Jesus Christus, der du vor mir gelitten, verlasse mich nicht und laß dein Leiden in mir nicht verloren gehen!“ Er flehte, man solle ihn herablassen, und als es geschehen, bat er um ein halbes Stündlein Bedenkzeit. Als auch dieses geschehen, bat er ferner, man solle ihn losbinden, er wolle Alles gestehen. – „Ach! das Gott erbarm,“ begann er hierauf, „wenn Einer meint, er wolle davonkommen!“ – „Vor drei Jahren,“ fuhr er fort, „sey er in Boxberg auf der Hochzeit des Amtsschreibers gewesen, und da sey dieß Laster ihm wider seinen Willen bekannt geworden. Er habe sich daselbst mit einem Frauenbild auf das Innigste eingelassen, die wie eine andere Weibsperson ausgesehen; auch habe er nicht anders vermeint, als daß es des Amtsschreibers Schwester gewesen. Am [1054] andern Morgen sey sie ihm aber statt mit rechten Füßen mit Klauenfüßen erschienen und habe zu ihm gesagt, weil er sich mit ihr eingelassen, sey er ihr verfallen und gehöre nun ihr. Hierauf habe sie noch vier andere Weibspersonen herbei gebracht, sämmtlich von gar schöner Gestalt und Ansehen. Mir allen habe er jezt die vertrauteste Bekanntschaft gemacht, nichts desto weniger aber dabei vermeint, wieder von ihnen loszukommen. Die Erste, Vornehmste und Schönste, die er für des Amtsschreibers Schwester gehalten, habe sich Regelein genannt und er sich ihr auf zehn Jahre versprochen, weil sie ihn überredet, es gebe keine Hölle und keinen Gott, Leib und Seele sterben mit einander und man sterbe wie das Vieh. Weil der Böse, und als solchen habe er das Regelein jezt wohl erkannt, ihn umzubringen gedroht, so habe er Gott abgesagt, und zwar solchergestalt, daß er an kein ewiges Leben glaube, dagegen habe er vom Bösen nichts verlangt, als daß er jedesmal, so oft er wolle, eine Weibsperson haben möge.

Bei Schwäbisch Gmünd sey er wohl zehnmal auf einen Berg, der Hohenstauffen geheißen, gefahren, denn er habe verlangt, an keinen andern Ort als an diesen zu fahren, wo er nicht bekannt gewesen, um nicht verrathen zu werden. Er sey allezeit auf jenen Berg hinauf geritten und vorher in Gmünd in der Krone eingekehrt, und mit der Wirthin, die auch eine solche Person gewesen, dahin gefahren, und habe dabei nicht anders vermeint, denn er sitze auf einem grauen Pferde, so statt des Zaums zwei Rabenklauen im Maul gehabt. Sein Buhlteufel sey vor dem Stall hinter ihm aufgesessen und so seyen sie vom Hof hinweg über das Dach hinaus gewitscht in des Regeleins Namen. Im Gefängniß sey der Teufel nur einmal bei ihm gewesen und habe ihn getröstet, er solle nur keck seyn und nichts sagen. Einst habe seine Buhlin hinter ihm gesessen und ihm versprochen, ihn so verborgen zu halten, daß man ihn nicht erkennen und daß auch er Niemand erkennen solle.

Einst habe ihm gedäucht, er sey auf dem Hohenstauffen bei einem Tanze, wo die Lichter blau gebrannt und ein Spielmann mit einem breiten Instrument, so auf der andern Seite haarig gewesen und vorne ein glattes Katzenmaul gehabt, gar schön aufgespielt, und seine Buhlin habe ihm gesagt, der Spielmann sey aus Wallerstein. Er habe mit seinem Regelein getanzt, auch noch mir andern Buhlinnen, die aber alle einander gleich gesehen. Goldene und silberne Geschirre, doch weder Brod noch Wein seyen vorhanden gewesen, und nur ein übelschmeckendes Getränk, das aber ein schönes Mädchen eingeschenkt. Sein Buhlteufel habe es ihm in einem schönen Becher zugebracht, der aber unten Rabenklauen gehabt; den habe er in des Regeleins Namen gesegnet. Dann seyen sie wieder auf dem Gaul heimgefahren und Alles verschwunden. – Doch sey er auch einmal mit seinem Regelein auf den Trillberg gefahren, und allda habe er hinter sich und für sich getanzt und sey ziemlich lang, wie es ihm gedäucht, dort geblieben. Alle anwesenden Personen seyen aber verhüllt gewesen und habe er keine außer der schon hingerichteten Schwanenwirthin, die eingeschenkt habe, erkennen können.

[1059]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Als er einst mit seiner Buhlerin ausgefahren und, wie er nicht anders vermeint, in der Pfarrkirche zu Mergentheim einen Tanz gehalten, sey auch der (früher mehrmals genannte) Gassenvogt mit des welschen Peters lediger Tochter, so etwas düpflicht (sommersprossig), zugegen gewesen und habe dabei eine Weibsperson, so ein Teufel gewesen, dazu auf der Harfe aufgespielt. Sie haben aber nichts mit einander geredet und nur getanzt. Der Gassenvogt habe vorgetanzt und höhere Sprünge, denn er sonsten gekonnt, dabei gethan; des welschen Peters Tochter habe einen langgeschwänzten pfirsichbraunen Rock angehabt. Alle Uebrigen seyen bedeckt gewesen, doch sey es ihm vorgekommen, als habe er die (hingerichtete) Gurrin lachen hören, und als er gefragt, ob sie die Gurrin sey, habe sie mit dem Kopf geschüttelt.

Unwetter habe er keine machen helfen, auch weder Vieh noch Menschen Schaden gethan, weßhalb er sich habe tribuliren und schlagen lassen müssen, denn er habe nie etwas anderes gesucht und begehrt als Buhlschaft. Auch habe er das Laster Niemand gelehrt. Sein Regelein habe er verehren und ihr einen Ring geben müssen. Eben so wenig könne er andere Gespielen angeben, denn sein Regelein habe ihm versprochen, ihn zu Mergentheim zu keinem Tanz zu führen, damit er nicht erkannt würde. Auch habe er dieß Laster nicht gebeichtet, weil seine Buhlin es ihm verboten. Der böse Feind habe ihm auch zugemuthet, sein eigenes Weib zu verführen, weil sie aber einen guten Engel bei sich gehabt, habe er es nicht in’s Werk setzen können. Das h. Sakrament habe er nie von ihm begehrt, denn er habe ihm gedroht, in solchem Falle von ihm sich loszusagen; doch habe er in seinem Leben an keinem Rosenkranze beten können. – Der Scharfrichter sey ihm 18 fl. schuldig, daran wolle er ihm 5 fl. schenken, den Ueberrest solle er seiner Frau geben und ihn gut richten. – Das Protokoll dieses Verhörs, das wir hier wörtlich gegeben haben, schließt mit den Worten: „Hierauf weint Thomas Schreiber bitterlich unter Erbietung, er wolle geduldig und gern sterben, es sey und müsse so Gottes Wille seyn. Es dauerten ihn nur seine armen Kinderlein, daß sie solche Schande und Schmach an ihm erleben sollen.“

Am 22. Mai ward Thomas abermals vorgefordert und „ganz getreulich erinnert,“ noch mehrere Mitschuldige anzugeben, und auch wegen des angeblich erschlagenen und gefressenen Bettelbuben verhört. „Lezteres,“ behauptete er, „sey nichts.“ Als Mitschuldige gibt er weiter an: die Kronenwirthin in Schwäbisch Gmünd, eine dortige Goldschmiedsfrau, die er nicht zu nennen wisse, einen Tuchmacherknappen und noch einige Andere, die er aber nicht näher kenne; ein Geistlicher sey seines Erachtens auch dabei gewesen, wenigstens habe er Kleider wie ein Geistlicher angehabt. – Weil er, was ihm jezt widerfahren, stets besorgt, habe er mit dem bösen Feind so pactirt, daß er ihn nie zu bekannten Leuten führen solle. – „Als er hierauf,“ heißt es weiter im Protokoll, „zur Tortur geführt und allbereits durch den Scharfrichter angegriffen werden wollte, ist er niedergefallen auf die Knie, hat die Hände aufgehoben und zum Höchsten gebeten, seiner um des jüngsten Gerichts halber zu verschonen, denn er wisse, so wahr er selig zu werden begehre, Niemand mehr anzugeben. Was er ausgesagt, sey die rechte Wahrheit. Er habe Niemand Unrecht gethan, darauf wolle er leben und sterben.“

Hiermit war das Verhör geschlossen. Er wurde nicht weiter peinlich befragt. Ohne im Mindesten die Wahrheit seiner Angaben zu bezweifeln oder weiter zu untersuchen, schienen seine Richter vollkommen zufrieden, ein Geständniß von ihm erhalten zu haben, das ihn ihrer Ansicht nach zum Tode führen mußte. Als er wieder in sein Gefängniß zurückgebracht war, ließ er „den Herrn Examinatoribus“ vermelden, er sey jezt lang genug hier oben gesessen, er bitte, man möge ihm sein Recht anthun lassen.

Am 25. Mai abermals vorgefordert, bleibt er seiner gemachten Aussage vollkommen getreu: „er wolle darauf leben und sterben.“ Gleiches geschah bei einem nochmaligen, am 26. Mai vorgenommenen, eben so kurzen Verhör. „Er habe Niemand Unrecht gethan, darauf wolle er standhaft verbleiben. Er traue und glaube, daß er der Seele nach allbereits selig, und nur dem Körper nach noch sterblich sey.“ – Am 28. Mai ward Thomas abermals zum Verhör geführt, und als er hier wiederum bei seinem Bekenntniß beharrte, daß er nämlich Niemand Unrecht thue und bei seinen Aussagen leben und sterben wolle, ward ihm sein Rechtstag[8] auf Mittwoch den 30. Mai 1629 durch den Stadtknecht von Mergentheim angesagt, und er an diesem Tage nebst Jakob Weyd von [1060] Markolsheim, Hans Doltens Eheweib und Margaretha Schwendin vom Neuhaus herabgeführt und auf dem Waasen bei Mergentheim verbrannt, wahrscheinlich jedoch zuvor erdrosselt.

[1062]
Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Auf solche elende, gottvergessene Anklage hin ward ein Mann zum Tode geführt, der sich ungeachtet seines geringen Standes weit über den damaligen blutdürstigen Aberglauben erhob. Wenn wir auch annehmen müssen, daß noch andere, bei den gewöhnlichen Hexenprozessen nicht obwaltende Ursachen zu seinem Verderben mit in’s Spiel gezogen wurden, worunter wahrscheinlich seine geäußerten protestantischen Grundsätze obenan stehen, so sehen wir doch aus den übrigen zahllosen, zu jener Zeit geführten gleichen Untersuchungen, daß alle die blutigen Urtheile auf nicht weniger erbärmlichem Gründen beruhten. Um aber den armen Thomas und seine Zeit ganz kennen zu lernen, müssen wir noch einige Briefe mittheilen, die sich bei den Akten weiter vorfinden, und welche neben den schon mitgetheilten diesen Prozeß zu einem der merkwürdigsten machen, die bis jezt aufgefunden worden sind. Sicher werden sie nicht ohne Rührung gelesen werden.

Thomas Schreibers Abschiedsbrief an seine Frau und Kinder lautet folgendermaßen:

„Meinem herzallerliebsten, freundlichsten, herzlichsten lieben Herzen und Weibe sammt meinen armen, nunmehr verlassenen Kinderlein zu tausend guter Nacht und traurigem Abschied.“

„Allerliebstes Anneley, allerliebster Schatz und getreues Weib! Gott sey es im Himmel geklagt, daß ich [1063] dich und meine lieben unerzogenen Kinderlein so bald verlassen muß! Das erbarm’ sich der liebe Gott! Dieweil aber diese trübselige Welt also beschaffen und ein wahres Jammerthal ist, muß ich’s dem lieben Gott befehlen, und achte ich mein Leben gar nicht, hab’ auch in so langwieriger Trübsal wohl lernen sterben, daß ich nicht länger mehr begehre auf dieser Welt zu leben, und gedenke kecklich, daß ich nach Gottes Willen ein Kind der ewigen Seligkeit sey; zweifle auch du nicht daran! Ob wir schon auf dieser Welt traurig von einander scheiden, wollen wir doch im himmlischen Leben wieder zusammen kommen, wo Gott der Allmächtige alle Thränen von unsern Augen wischen wird. Da habe denn auch du Hoffnung, Liebe und Vertrauen allezeit auf Gott den Allmächtigen, wie ich denn nie anders bei dir gespürt. Er ist ein Vater aller betrübten Wittwen und Waisen, er wird auch dich nicht verlassen. – Begehrst du auf der Wirthschaft zu bleiben, so bleib nicht ledig, denn es ist dir zu schwer; willst du dich aber verheirathen, so thue die Augen auf und folge gutem Rath; bedenke dich wohl, führe ein gottselig Leben mit den Kindern, halte sie unter der Ruthe und wehre ihnen alles unnütze Geschwätz. Ach! ach! daß ich nicht länger ihr Vater seyn soll! Hab’ ich euch doch so treulich Haus gehalten! Betrübe dich nicht um meine Seligkeit, im ewigen Leben wollen wir wieder zusammen kommen. Laß die Leute reden, was sie wollen, hilf mir mein Kreuz mit Geduld tragen, wie’s unser lieber Gott geschickt hat. Ich freue mich, von dieser argen Welt abzuscheiden und bei meinem lieben Herrn Christus zu seyn im himmlischen Jerusalem, wo all mein Kreuz, Jammer und Trübsal ein Ende nimmt. Es ist ein geringes Leben auf dieser Welt, und wird mit Trübsal erfüllt, doch Alles nach Gottes Willen. Sey getrost, bete fleißig, Gott wird dich mit den Kindern nicht verlassen. Ich habe herzlich gehofft, wieder zu euch zu kommen, aber es hat nicht seyn können; Gott der Allmächtige will’s also haben, o des Jammers!“

„Es reut mich von Grund meines Herzens, daß ich dir, herzliebster Schatz, jemals Leids gethan habe, ich bitte dich um die Liebe Christi, verzeih mir’s. Ach daß ich mein Leben bei dir enden könnte! wollte dir kein böses Wort mehr geben und dich lieber haben als meinen eigenen Leib wegen deiner Frommheit. Bleibe bei deiner Gottesfurcht, wie du allzeit gethan. Verkaufe die Weinberg zum Theil, sey mitleidig mit den Armen, gib nach deinem Vermögen, wie du weißt, daß ich gethan habe. Laß den Kellerknecht die Schulden fleißig einfordern. Bitte den Hrn. Gevatter Fortenbach, daß er bei Sr. Fürstl. Gnaden eine Bitte einlege wegen meiner Strafe (der vom Vermögen der Hingerichteten zu zahlenden Geldstrafe), führe ihm zu Gemüth, daß wir vorhin noch wegen meiner Mutter (die wahrscheinlich auch als Hexe verbrannt worden war) 200 fl. schuldig seyen und verzinsen müssen, daß dir mit den kleinen Kindern Gnade erwiesen würde.“

„Liebes Herz, betrüb’ dich nicht so sehr, thue dein Gebet für meine arme Seele, wie denn du und die Kinderlein allzeit in mein demüthiges Gebet eingeschlossen sind. Laß es also gehen, gedenke, es sey der Wille Gottes, der unsere Traurigkeit wird wieder in Freude verkehren. Halte getreulich über den Kindern, laß sie fleißig in die Schule gehen, laß sie fleißig in der h. Schrift lesen, welche der Anfang ist des ewigen Lebens. Mein Rath ist nicht, daß du ledig bleibst, wegen der Kinder; die Wittwen und Waisen sind bei dieser argen Welt verzagt und unterdrückt. Doch thue, wie dir dein Herz und gute Freunde rathen. Vor allen Dingen suche das Reich Gottes, welches der höchste Schatz ist. Ich gedenke oft an dein Sprichwort, liebster Schatz: „wer zum ewigen Leben ist erkoren, den stechen weder Disteln noch Doren (Dornen).“ – In dem hier beiliegenden Zettel habe ich dir die strittigen Schulden ein wenig aufzeichnen wollen, auf daß du ein wenig Richtigkeit davon hast.“

„Zum Beschluß, herzallerliebster, getreuer Schatz, mein einziges Herz, sey du und meine herzlieben Kinderlein dem allein allmächtigen Gott und Vater aller betrübten Wittwen und Waisen in seinen göttlichen Schutz getreulich befohlen. Setze die Hoffnung stark auf ihn und küsse mir die Kinder alle herzlich von meinetwegen. Daß ich euch nur noch einmal sehen könnte vor meinem Ende! im Himmel, so Gott will, soll und wird’s geschehen. Ach! behüt’ euch Gott vor allem Leid! Wenn ihr mich nicht betrübtet, wie gern wollte ich sterben! Ihr herzliebes Weib und Kinder! Doch kann’s nicht anders seyn, der Tod scheidet Alles. Das noch sey dir befohlen: rede Niemand nichts Böses nach und lasse alle Menschen unausgerichtet; leide dieß auch nicht von den Kindern. Drücke dich mit Geduld in die Furcht Gottes, gedenke daß Alles vergänglich auf dieser Welt und ein wahres Jammerthal sey, welches bald ein Ende wird gewinnen. O selig, der von dieser Welt abgeschieden ist, denn es ist die lezte Zeit! Ich freue mich zu meinem Herrn Christo in’s ewige Leben. Gib den nächsten Freitag vor zwei Gulden Brod den fremden Armen. Beweise mir die lezte Treue mit dem Gebet, das will ich vor dich liebes Herz auch thun.

Thomas Schreiber.“
[1065]
Hexenprozesse.
(Schluß.)

Von Thomas Hand findet sich auch noch folgender kurzer Brief vor, der wahrscheinlich noch vor seiner Verurtheilung geschrieben worden ist. „Wollte Gott, es wäre wahr, wie sie vorgeben, daß Niemand Unrecht geschehe; wäre mir nichts Lieberes auf dieser Welt, wollte ich mich so gar nicht fürchten. Aber ich trage Sorge, es werden es (Gott behüte jeden frommen Menschen davor!) noch Viele erfahren, die es mit ihrem Blut und großen Martern inne werden, und die es jetzund nicht vermeinen. Gott stehe der Gerechtigkeit bei. Dem Jammer wird Gott bald einmal ein Ende machen. Ich gedenke nicht anders, denn Gott habe mich gewarnt, aber ich wollt’ lieber, daß ich todt wäre. Ach meine armen kleinen Kinder! Man wird mir’s einmal zur Zeit glauben, was das für ein jämmerliches Blutbad ist; aber die Kinder Gottes müssen verfolgt werden, hat doch sogar der Sohn Gottes vor Herodes nach Egypten fliehen müssen! Die gottlose Welt hat den gebenedeieten Sohn Gottes beschuldigen dürfen, er habe den Teufel bei sich! Es muß ein böser verzweifelter Mensch seyn, der so verwegen die heiligste Dreifaltigkeit verleugnet! Aber durch große Marter erzwungener Eid ist Gott und Menschen leid. Wo die Wahrheit nicht geglaubt wird, hat sie kein Statt.“

Endlich ist noch folgendes, fast unleserliches, gewiß ganz kurz vor seiner Hinrichtung geschriebenes Blatt vorhanden, in welchem er alle seine auf der Folter gemachten Geständnisse zurücknimmt: „Thomas Schreiber, zum Tod unschuldig verdammter Mann. Mit meiner eigenen Hand geschrieben. – Auch des Amtsschreibers Schwester hat mir nie etwas Böses zugemuthet oder gelernt, denn allein, daß ich sie gar zu wohl gekannt, welches ich vorlängst gebeichtet, und also nur in meiner großen Noth zu einem Mittel der Ausrede erdacht. Eben so soll der Herr Dr. Baumann mein auf den Gassenvogt und des welschen Peters Tochter gemachtes Geständniß wieder austhun, so lieb ihm seine Seligkeit ist; denn da mir die Wahrheit von ihm nicht geglaubt worden, habe ich also aus großer Pein reden müssen, was nicht wahr ist. Ich will sterben als ein Martyrer, Gott sey der Richter; ich verzeih’ Allen, die mir Unrecht gethan, darauf will ich sterben. Ich bin kein Zauberer, kein Hexenmann, so wahr mir Gott helfe und das heilige Evangelium!“

Außerdem liegt noch ein sehr unleserlich geschriebener und mit keiner Unterschrift versehener Brief seiner Frau bei den Akten, aus dem hervorgeht, daß auch sie von dem allgemeinen Wahne befangen, ihren Mann nicht [1066] mit Unrecht des Hexenwerks bezüchtigt hielt. Wahrscheinlich hat Thomas diesen Brief nicht erhalten; er hätte ihn noch unglücklicher gemacht, auch würde er gewiß seiner in seinen Briefen gedacht haben. Er lautet folgendermaßen: „Daß Gott erbarm’, daß ich in so groß Herzeleid bin! Ich hätt’ nicht vermeint, daß du ein solcher Mann wärst, ich hätt’ dir anders zugetraut. Wenn ich meine kleinen Kinder anseh’, so möchte mir mein Herz zerspringen. Daß Gott erbarm’! Wenn du gesündigt, so habe Reue über deine Sünden. Bete fleißig, ich will es auch thun. Befiehl dich der h. Dreifaltigkeit, sie wird uns nicht gar verlassen. Ich hab’ Niemand, als Gott und die Obrigkeit. Ach, mein Herz möchte mir zerspringen! Ach, wenn du doch dein Kreuz ausgestanden hättest! Ich und die Kinder, sie lassen viel tausendmal gute Nacht sagen. Es ist alles traurig und eitel auf dieser Welt. Himmel und Erde muß vergehen, aber des Herrn Wort wird nicht vergehen.“

Solchergestalt endigte ein Hexenprozeß, der in mehrfacher Hinsicht unter die sehr merkwürdigen gezählt werden darf; namentlich liefert er einen Beleg für die Richtigkeit der früher von uns aufgestellten Behauptung, daß die Aehnlichkeit aller zu einer Zeit und in einer Gegend gemachten und von der Folter erpreßten Geständnisse nur auf den allgemeinen, im Volke herumlaufenden Erzählungen und Gerüchten beruhte. Wir haben in diesem Prozesse gesehen, wie ein von dem Unsinne des Hexenglaubens freier Mann nur um weiterer Pein zu entgehen, ein Bekenntniß ablegte, das allen zu jener Zeit erpreßten fast ganz gleich sah, nur mit dem einzigen, seinem Herzen große Ehre machenden Unterschied, daß er den Schauplatz der von ihm angeblich besuchten, Hexentänze nebst den dabei auftretenden Personen in eine Gegend verlegte, die dem Arme der Mergentheimer Hexenverfolger zu fern lag. Nur eine einzige seiner Angaben gründete sich auf etwas Wahres, wo er nämlich des Amtschreibers Schwester in Boxberg erwähnt; alles Andere seines einfachen Geständnisses findet sich in den übrigen gleichzeitigen Hexenprozessen vor, und zwar nicht allein in den Mergentheimern, sondern auch fast wörtlich in den gleichzeitig auf Würzburgischem Gebiete geführten zahllosen Untersuchungen.


  1. Wir werden später einen Aufsatz mittheilen, in dem gezeigt wird, daß die obige Auffassungsweise des Hexenprozesses eine, wenn man so sagen darf, furchtbar trockene und nüchterne ist, daß sie vor Allem den Hexenglauben, den Glauben an Zauberei, an dämonische Kräfte des Menschen, der ja natürlich die nächste Ursache der Hexenverfolgung war, gar nicht erklärt.
    Anm. d. Redaktion. 
  2. Bevor die Furie des dreißigjährigen Kriegs sich auch über die geistlichen Fürstenthümer Mitteldeutschlands ergoß, muß in Mergentheim der Wohlstand der Bürgerschaft sehr bedeutend gewesen seyn. Das von der Herrschaft über die Hinterlassenschaft der am 9. Januar 1629 als Hexe hingerichteten Ehefrau des Bürgermeisters und Kaufmanns Lorenz Gurr aufgenommene Vermögensinventarium weist folgendes baar vorgefundene Geld nach: 642 Reichsthaler, 110 Guldenthaler, 131 königische (?) Thaler, 1 Rosenoble, 2 Goldkronen, 163 Goldgulden, 3 Engellotten, 98 Doppeldukaten, 25 einfache Dukaten, alles in einer Büchse. In einer andern befanden sich 118 einfache, 19 Doppeldukaten, 6 Goldgulden, 1 Portugaleser, 5 französische Kronen, 11 vierfache Pistolen, 5 Doppelpistolen; in einem leinenen Säcklein 66 Reichsthaler und viel kleines Geld. In einer Blase waren 1 Regenbogenschüsselchen, 17 Dukaten, 1 Dublone, 14 Goldgulden, 1 doppelter Albertus in Gold, 4 französische Kronen, 33 königische Thaler, 11 Guldenthaler etc. Außerdem fanden sich viele Kapitalbriefe vor, über 450 Loth Silbergeschirr, 20 goldene Ringe mit feinen Edelsteinen, 300 Pfund Zinngeschirr, sehr viel Bettgewand, Leinwand u. s. w. Von diesem Vermögen mußten 1310 fl. Strafgeld erlegt werden.
  3. Marienthal, noch heutiges Tages beim Volke gebräuchliche Benennung für Mergentheim.
  4. Dieses Schreiben findet sich nicht vor.
  5. Feigenbutz war ein angesehener Bürger, der auch wegen Hexenwerks festsaß und verbrannt wurde.
  6. Ein noch jezt besuchter Wallfahrtsort bei Weikersheim.
  7. Diese wurden schon oben angeführt.
  8. Am Tage der Hinrichtung ward der Verurtheilte nach den Formen von Kaiser Karls Halsgerichtsordnung vor versammeltem Gericht öffentlich angeklagt, das Urtheil ihm gesprochen, der Stab über ihm gebrochen und er alsbald zur Exekution abgeführt.