Im Dom zu Berlin

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Titel: Im Dom zu Berlin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 196–197
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Im Dom zu Berlin.

Winterliche Nacht senkte sich um Sonntag den 11. März über die trauernde Kaiserstadt. Aber der Schneesturm löste heute nicht die stummen Volksmassen auf, die dichtgedrängt das Trauerhaus Unter den Linden umgaben; denn in dieser Nacht sollte beim düstern Fackelschein der Kaiser für immer sein irdisches Heim verlassen und hinausgetragen werden zu seinen Vätern. Vom Dome her riefen ihn mit ehernen Stimmen die Glocken, damit er komme, um noch zu weilen an der Stätte, welche die Särge seiner Ahnen, des Großen Kurfürsten und des ersten Friedrich, birgt, bevor ihn die dunkle Grabespforte zur ewigen Ruhe aufnehmen würde.

Und er kam.

„Achtung! Präsentirt das Gewehr!“ erscholl Nachts um 12¾ Uhr das Kommando. Es öffneten sich die weiten Portale des Palastes und die Leibdiener des Todten trugen den Sarg hinaus und übergaben die sterbliche Hülle des obersten Kriegsherrn den harrenden Soldaten, die ihn zum Dome geleiten sollten.

„Gewehr auf!“ Der Trauerzug setzt sich in Bewegung. Voran reitet die erste Abtheilung der Gardes du Korps-Schwadron; schwarzer Flor dämpft den Glanz der Helme; schwarzer Flor deckt die Brustpanzer, und wie Schatten gleiten langsam die Reiter auf ihren Rappen dahin.

Der dumpfe Hufschlag verhallt in der winterlichen Nacht. Jetzt rückt die Leibkompagnie des ersten Garderegimentes zu Fuß heran; nicht mit flatternden Fahnen, nicht mit klingendem Spiel, wie sonst so oft vor ihrem Kaiser und König. Der Schellbaum der Regimentskapelle ist mit Flor verhüllt und über den historischen Blechmützen der Riesengrenadiere ragt düster die umflorte Fahne. Und hinter den Kriegern schreiten in langer Reihe mit langwallendem Flor um den Hut die altersgrauen Diener des Kaisers.

Ueberführung der Leiche Kaiser Wilhelms nach dem Dome.
Originalzeichnung von F. Wittig.

Endlich naht er, der dunkle Schrein, der den Kaiser birgt, nachdem er aus seinem glorreichen Leben geschieden. Unteroffiziere tragen den besten Freund der Armee. Entblößten Hauptes grüßt ihn die vieltausendköpfige Volksmenge. Stumm, todtenstill! Nur der Sturmwind rauscht in der Ferne wie in Klagetönen.

Hinter dem Sarge schreitet des Kaisers Enkel, Kronprinz Wilhelm; ihm folgen Prinzen und Herzöge und Fürsten und Generale, Moltke und andere Paladine des Kaisers.

Gedämpftes Waffengeklirr klingt wiederum heran; eine Abtheilung berittener Gardes du Korps beschließt den Trauerzug.

So wird der Kaiser nach dem Dom getragen durch die dunkle Nacht; mitten durch das Spalier der Garden, die mit feurigrothem Fackelschein gespensterhaft den Weg beleuchten. So zieht er vorüber an dem Denkmal des Großen Friedrich, an den Standbildern der Helden Blücher, Scharnhorst, Bülow, York und Gneisenau; so erscheint er zum letzten Mal in der Riesenhalle des Domes – der Heldenkaiser und Friedensfürst, der mit dem Ruhm seiner Siege und den Werken des Friedens viele Jahrzehnte füllte.

Es schließen sich die Pforten des Domes; stille Todtenwacht herrscht am Sarge. Nach dem Glauben des Volkes halten in solchen Nächten Geister Zwiesprach. Und in der That, die großen Todten sprechen auch zu uns vernehmlich. Ein Schauer weltgeschichtlicher Größe erfaßt uns, wenn wir uns die irdischen Hüllen drei solcher Fürsten in einer Halle vereint denken; denn in dem Dome zu Berlin ruhten ja: der Große Kurfürst, Friedrich, der erste König von Preußen, und Wilhelm, der erste Kaiser des neu geeinten Deutschlands.

Der Tag brach an; wiederum wirbelte der Schnee in dichten Flocken hernieder. Vor dem Dome aber standen Tausende, der Stunde harrend, in welcher sich die Pforten des Gotteshauses öffnen und jedermann den Eintritt gestatten würden, um Kaiser Wilhelm auf dem Paradebette zu schauen.

In der mit schwarzem Tuch ausgeschlagenen, mit mattem Licht düster erleuchteten Kirche lag Kaiser Wilhelm in dem offenen Paradesarg, der mit rothem Sammet bekleidet und mit goldenen Griffen verziert war. Die Gestalt war in die Uniform des 1. Garderegiments zu Fuß gekleidet, um die Schultern der graue Soldatenmantel geschlagen; Orden zierten die Brust; die Hände ruhten im Schoß gefaltet.

Am Fußende des Sarges ein Riesenteppich von Blumen, Kränzen, Lorbeern und Palmen – letzte Liebesgaben, welche aus allen Theilen der Welt und aus allen Gauen Deutschlands dem großen Todten gespendet wurden. – Auf Tabourets zu beiden Seiten des Sarges lagen die äußeren Zeichen der Herrschergewalt, die Insignien des Kaiser- und Königreichs sowie das Reichssiegel, in einer goldenen Kapsel verwahrt. – Silberne Kandelaber, mit schwarzem Flor verhängt und mit Palmen geschmückt, warfen ihr Licht auf den düstern Katafalk und auf die Ehrenwache.

Tausende und Abertausende schritten in stummer Ehrfurcht an diesem ergreifenden Bilde vorüber, um mit thränendem Auge und trauerndem Herzen Abschied zu nehmen von ihrem Kaiser und König. *      


[197]

Kaiser Wilhelm auf dem Paradebette im Dom zu Berlin am Morgen des 12. März 1888.
Photographische Aufnahme nach der Natur von W. Höffert, königl. Hofphotograph in Berlin.