Im Wintergarten

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Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Peter Panter
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Titel: Im Wintergarten
Untertitel:
aus: Die Weltbühne. Jahrgang 17, Nummer 3, Seite 85-86
Herausgeber: Siegfried Jacobsohn
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 20. Januar 1921
Verlag: Verlag der Weltbühne
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Die Weltbühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1918–1933. Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1978. Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Im Wintergarten

war Dies und Jenes – aber das Richtige war es noch nicht. Das liegt an der Valuta, die der Direktion verbieten mag, die guten Ausländer herüberzukriegen – und die Deutschen haben nun einmal nicht die Komik des Körpers –; es liegt aber wohl auch an dem blödsinnigen Boykott, der hüben und drüben noch gehandhabt wird. Ursache und Wirkung: Uns hat die O. H. L. Verachtung eingetragen, und nun bekommen wir keine guten Clowns mehr zu sehen … Denn immer nur Herrn Kahl: das ist auch nicht das Richtige. (Na, Willem? Klagst du wieder ein bißchen? Hast lange Keinen ins Gefängnis gebracht?) Ja, also der Wintergarten.

Da war zuerst ein Mann, der hatte einen netten Trick. Er kam mit einem weißen, wohlfrisierten Pudel auf die Bühne und verkündete, der Hund könne sprechen. Das haben wir ja gehört – da war früher mal eine Förster-Christel, die hatte einen braunen Jagdhund, der machte immer „Bau“, und das hieß dann: „Kuchen!“ – und mal machte er „Bau“, und das hieß: „Guten Morgen, Herr Fischer!“ Aber dieser, Gott strafe mich, setzte sich wahrhaftig auf den Stuhl, sagte deutlich: „Guten Abend!“ und fragte dann laut und vernehmlich: „Wer lacht da?“ Der Hund machte das Maul auf, und der Mann redete Bauch – es war himmlisch. Am hübschesten, daß sich der Pudel von Zeit zu Zeit von seinem Sitze erhob und sich über einen Noogel beschwerte, der was da eingeschlagen sei … Es war sehr hübsch. Der Mann heißt Karl Prelle. Und dann [86] brabbelten die Papageien so viel, daß der arme Dompteur gar nicht mitkonnte – wenn er fragte: „Wie macht das Kätzchen?“, dann waren sie schon beim „Kikeriki!“, und es gab Privatclowns unter ihnen, die sich über den ganzen Salat heftig lustig machten. Daß ein Vogel mit einem eiergelben Kopf in einer geschlossenen Reisetasche das Lied vom Böhmerwald sang, nebenbei. Auch Clowns waren da. Ich habe schon mal größere Zwerge gesehen.

Charell tanzt und läßt tanzen. Die Kunst wirft einen nicht grade vom Stuhl – aber es sind reizende Ideen im Programm. Die lebendig gewordenen Pi-Pa-Po-Puppen, die auf das peccanniny im Nachthemd zulaufen, alle mit Masken – ach! was sind die Neger für schlaue Leute, daß sie nur in Masken tanzen! –: das war recht hübsch. Und die Pension von ihrer dürren Mamusell ausnutzen, um mit dem Leierkastenmann einen rumzutanzen – nett! nett! artigen Mädchen, die den Schlaf

Richtig: ich habe den Humoristen vergessen. Er heißt Strebel, stammt offenbar aus Bayern, wo es am orgeschsten ist, und legte richtig los. Daß Einer im Variété nationale Politik macht, ist sein gutes Recht. Aber der Bursche ist nicht halb so witzig wie ein Trauerspiel von Hans Müller, und als er schließlich sagte, früher hätten wir Kaiser und Könige gehabt, aber jetzt besorge das bei uns alles nur ein Sattlermeister, da zischte ich ihm dazwischen. Einige Leute hatten Zivilcourage und zischten mit. Der Held da oben bekam Stilaugen und wurde zusehends kleiner. Er braucht nicht zu wissen, wie geschmacklos er gewesen ist. Daß Einer ein Sattlermeister war und nun Präsident ist, das ehrt ihn – und es kommt nur darauf an, daß er ein guter Sattlermeister war und ein guter Präsident ist. Daß Einer aus Bayern ist und ein nationaler Variétékomiker – das schadet noch nichts. Aber er darf kein Stückchen Malheur sein.

Peter Panter