Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. 12. Eine Treibjagd

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Titel: Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. 12. Eine Treibjagd
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 333–336
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Jagd- und Lebensbilder aus Amerika.
12. Eine Treibjagd.

Das Guanaco[1] ist eins der scheuesten Thiere, das ich je gejagt habe und dabei ist seine Stellung fast immer der Art, daß es sich über dem Jäger befindet und dessen Bewegungen erspähen kann. Wenn man sich indessen vorsichtig heranschleicht und durch die Felsenvorhänge deckt, so kann man zum Schuß kommen. Dieser muß aber tödtlich sein, denn wenn man das Guanaco nur verwundet, so setzt es über die Klippen und stürzt vielleicht in einen Abgrund, aus dem es der Jäger nie herausholt.

Während ich bei einem Gastfreunde war, hörte ich von einer eigenthümlichen Art der Indianer, das Vicuña in großer Anzahl zu erlegen, welche sie „Chacu“ nennen, und da mich diese sehr anzog, ersuchte ich meinen Freund, mir zu einer solchen zu verhelfen. Es war gerade die Zeit dazu, und der Stamm, zu dem er gehörte, beabsichtigte eine solche Jagd zu halten, und da er für einen alten kunstgerechten Jäger galt, mußte ihm eine Hauptrolle dabei zufallen.

Einen Tag vor der Expedition begaben wir uns nach dem Dorf seines Stammes, d. h. einer Anzahl roher Hütten, die in dem Grunde einer der tiefen Klüfte der Cordilleren aufgepflanzt waren. Da es mehrere tausend Fuß unterhalb der Puna-Ebene lag, herrschte dort ein ungleich wärmeres Klima, und in den Gärten gewahrte man häufig Zuckerrohr und die Yukka-Pflanze und Welschkorn auf den Feldern.

[334] Die Einwohner gehörten zu den Indios mansos, den gezähmten Indianern, und trieben Ackerbau oder lebten von der Jagd. Sie hatten auch das Christenthum angenommen, und auf einer erhöhten Stelle des Dorfes prangte eine Kirche mit dem Kreuz. Der Priester war der einzige Weiße in dem Dorfe, und auch er konnte nur vergleichsweise dafür gelten. Obwohl von spanischem Blut, würde er in jedem Theil Amerika’s oder Europa’s für einen „farbigen alten Gentleman“ gegolten haben.

Mein Gastfreund führte mich zu dem Pater, der mich herzlich aufnahm, und zu meinem Erstaunen erfuhr ich, daß er das Chacu begleiten, ja, die Führung desselben übernehmen würde. Er hatte das größte Interesse daran, bald sah ich indessen auch, weshalb dies der Fall war. Der Ertrag dieser jährlichen Jagd bildete einen Theil seines Einkommens. Die Vließe der Vicuña’s gehörten der Kirche, und da diese an Ort und Stelle mindestens einen Dollar pro Stück werth waren, so bildete diese Einnahme keinen üblen Zehnten. Den ganzen Tag über war er daher beschäftigt, seinen Pfarrkindern Rath in Bezug auf die Jagd zu ertheilen. Ich mußte bei ihm wohnen. Er hatte das beste Haus im Dorfe, unsere Mahlzeit bestand aus einem gebratenen Huhn, zu dem wir „Chika“ tranken, und nachher fehlten auch die Cigaretten nicht.

Es war ein ächtes Bild eines südamerikanischen Missions-Priesters. Außerordentlich gewissenhaft in Bezug auf die Moral seiner Heerde, und dabei selbst fett und liederlich, und auf gute Mahlzeiten, ein Glas „Yea-Brandy“ und Cigaretten erpicht. Er lebte indessen ganz patriarchalisch mit seinen Pfarrkindern und diese hatten ihn gerne.

Am Morgen zog die Expedition aus, jedoch erst, nachdem eine Messe für den guten Erfolg der Jagd gehalten war. Dann setzte sich die Cavalcade in Bewegung und zog den sich windenden Bergpfad nach den „Altos“ oder den Puna-Höhen hinauf, ganz nach der entgegengesetzten Richtung, von der ich gekommen war.

Die Expedition sah außerordentlich malerisch aus. Da waren Pferde, Maulesel und Lama’s, Männer, Weiber, Kinder und Hunde, was nur in dem Dorfe kriechen konnte, zog mit. Die „Chacu“ dauert nämlich Wochen lang. Es waren daher Zelte und Kochapparate mitgenommen, und die Weiber waren deshalb ebenfalls nothwendig. Sie hatten das Lager in Ordnung zu halten und für das Essen zu sorgen.

In beliebiger Ordnung oder vielmehr Unordnung erklommen wir das Gebirge, und unser Zug gewährte einen höchst malerischen Anblick: die Männer in ihren farbigen Poncho’s von Lammwolle und die Weiber in hellen Mänteln von Bageta, einem groben Tuch, das sie selbst bereiten. Mehrere Maulthiere trugen Bündel mit Lumpen nebst Stricken und Stäben, deren Gebrauch mir erst später erklärt wurde.

Etwa eine Meile von dem Dorfe wurde Halt geboten und ich fragte nach der Ursache. „Der Hunro,“ hieß es, und ich vernahm darauf, daß der Hunro eine Brücke sei, die über einen Abgrund geschlagen werde. Als ich näher ritt, sah ich darauf diesen und lernte die wunderliche Struktur der Brücke kennen.

Sie besteht aus einem Seile, das über den Abgrund gespannt und an beiden Enden befestigt wird. Darauf legt man ein Stück Holz, das die Form eines U hat und an einer Rolle über dem Seile läuft und durch diese nach beiden Seiten gezogen werden kann.

Auf dieses Stück Holz wird der Passagier festgebunden, indem er sich in die Höhlung hineinlegt, dann richtet man ihn wieder auf und kreuzt seine Beine über dem Hauptstrick und sagt ihm, daß er sich aufrecht und den Kopf so gerade als möglich halten soll, während er sich mit den Händen an die Seiten des Holzes klammert. Ich hatte schon die „Sogabrücken“ und die „Barbacoas“ in Peru passirt, aber diese Brücke kam mir denn doch etwas spanisch vor, und ich werde die Passage über dieselbe nie vergessen. Als man mich auf die beschriebene Weise festgebunden und ausgerichtet hatte, schob man mich ohne Weiteres vorwärts, und ich fühlte, daß ich über einem 200 Fuß tiefen Abgrund schwebte, den unten ein wilder Bergstrom durchtoste. Meine Knöchel glitten an dem Seil entlang, und dies gab mir eine so sonderbare Empfindung, daß ich mehrere Mal auf dem Punkte stand, sie hinweggleiten zu lassen. Dann wäre aber meine Lage noch gefahrvoller gewesen, denn dann hätte ich nur meine Arme als Stützpunkt gehabt. Ich hielt daher so fest als möglich, weil es mir immer vorkam, das Seil, mit dem ich an das Joch gebunden war, gäbe nach.

Nachdem ich eine Zeit lang rufen und jauchzen gehört, sah ich mich auf der andern Seite und wieder auf festem Boden.

Für die Angst, die ich ausgestanden, wurde ich darauf beinahe belohnt, als ich den dicken Pater hinüberziehen sah. Dies sah ungemein komisch aus, und ich lachte laut auf, weil ich mir einbildete, er habe auch über mich gelacht. Er nahm dies indessen ganz gut auf und versicherte mir, ihm mache es keine Furcht, da er an derlei Brücken gewohnt sei. Dies ist die gewöhnliche Art in den Andes, über Ströme und Abgründe zu setzen, da die dünne Bevölkerung es nicht dazu bringen kann, wirkliche Brücken zu bauen. Die Pferde und Maulthiere können natürlich nicht über den Hunro befördert werden, sondern müssen durch den Strom geführt werden, was oft äußerst gefährlich ist.

Diesmal kam Alles glücklich hinüber, und wir setzten unsern Zug nach den Altos fort, die wir gegen Abend erreichten. Dann wurden die Zelte aufgeschlagen. Das des Paters war natürlich das größte und ich theilte es mit ihm. Die Pferde und Lastthiere wurden angekoppelt und weideten auf der Ebene.

Die Luft war schon kalt und frostig, denn wir befanden uns beinahe drei Meilen Über der Meeresfläche. Die Frauen und Kinder suchten Paquia, trockenen Mist, um Feuer zu zünden, und diese loderten bald überall lustig empor, da es hier, wo große Heerden Lama’s und Hornvieh zu weiden pflegten, nicht an diesem Material fehlte. Um zu den Vicuña’s zu kommen, mußten wir noch mehre Altos ersteigen.

Als wir uns am nächsten Morgen in Bewegung setzten, theilte sich der Zug. Eine Parthie Jäger nahm die Lastthiere mit den Seilen, Pfählen und Lumpen mit sich und ihr folgten sämmtliche Weiber und Kinder, sowie die Hunde. Sie hatten die Bestimmung, wie ich jetzt erfuhr, das Treiben zu beginnen, indem sie eine weite Kette um die Ebene schlossen. Die Pfähle wurden in den Boden getrieben, die Stricke daran befestigt und die Lumpen an letztere angehängt; dieses Netz wagt kein Vicuña zu überspringen.

Als die Kette fertig war, die wohl sechs Meilen umfaßte, hörten wir aus weiter Ferne von verschiedenen Seiten den Hallohruf der Treiber, und es währte nicht lange, so sahen wir an unserm Gesichtskreis sich etwas regen. Ich stand mit dem Pater auf einer Anhöhe, von der aus wir den Kreis sehr gut übersehen konnten. Richtig, es waren die Vicuña’s, wir sahen ihr orange-farbenes Vließ deutlich schimmern, und sahen darauf, wie die einzelnen Rudel, von ihrem Leibhirsch geführt, sich nahten, dann wieder Halt machten und nach verschiedenen Richtungen ausbrachen. Der alte Pater war ganz entzückt, als er so viele Rudel erblickte.

Mira,“ rief er aus, mira, Señor, ein, zwei, drei, vier Rudel – und wie stark sind sie. Ah! Carambo – Jesus!“ fuhr er dann fort, plötzlich den Ton ändernd, carrambo malditos esos guanacos (die verdammten Guanaco’s).“

Ich sah nach der Richtung, welche er bezeichnete und gewahrte ein schwaches Rudel Guanaco’s, das über die Ebene setzte. Ich konnte sie sehr wohl von den Vicuña’s unterscheiden, weil sie größer und röthlicher waren. Doch was ärgerte sich der Pater so sehr über sie? !

„Ah, Señor,“ sagte er seufzend zu mir, „diese Guanaco’s werden Alles verderben – sie werden die ganze Jagd zu Grunde richten, Caspita!“

„Wie so?“

„Ah,“ rief der Pater aus, „diese Guanaco’s sind rücksichtslose Biester. Sie kehren sich nicht an die Stricke, sondern rennen sie durch und lassen die Andern entwischen. – Santissima virgen!“

„Was sollen wir thun?“

„Nichts, als der Sache ihren Lauf lassen.“ !

Nach kurzer Frist erschienen die berittenen Jäger und schlossen den verhängnißvollen Kreis immer enger. Die Vicuña’s stürzten in einzelnen Rudeln wild nach allen Seiten, wendeten aber immer wieder kurz um, wenn sie die Frauen und Kinder vor sich erblickten. Es waren im Ganzen gegen sechzig Stück, die zuletzt in einem einzigen, verwirrten Haufen zusammenliefen, und mitten unter ihnen waren die Guanaco’s, acht bis zehn an Zahl. Zuletzt brach einer ihrer Leithirsche nach einer Seite hin auf, wo er einen Ausgang entdeckt zu haben glaubte; das ganze Rudel folgte und stürzte gegen die Kette. Die Jäger, welche zu Fuß waren, so wie die [335] Weiber und Kinder schützten sie aber überall und stellten sie rasch wieder her, wo sie etwa zerriß. Inzwischen kamen die berittnen Jäger heran, sprangen von ihren Pferden, faßten Posto und rückten, ihre „Bolas“ (Büchsen) schwingend, im Kreise vor, einander zurufend, den Angriff zu beginnen. Bald krachten die Büchsen gegen die rathlos umherirrenden Vicuña’s, und der Rasen wurde mit Thieren bedeckt, die im Todeskampfe zuckten. Ein merkwürdiges, höchst lebendiges Bild. Da stand ein Jäger, die Bola über den Kopf wirbelnd, da stürzte ein anderer auf ein getroffenes Vicuña, und ein Dritter beugte sich über ein schon am Boden liegendes mit flammendem Jagdmesser, um es abzufangen, und stürzte sich dann abermals in den Kampf.

Ein interessantes Zwischenspiel bildete es, als mein alter Jagdfreund so gescheut war, das Rudel Guanaco’s gesondert zu verfolgen, um sie aus dem Felde zu treiben. Er jagte sie den Stricken zu, und als die an diesen Stehenden sie zurückjagen wollten, rief er ihnen zu, sie sollten sie laufen lassen. So trieb er sie immer näher an die Stricke, bis sie durchbrachen und verschwanden.

Die armen Vicuña’s, nahe an fünfzig, wurden sämmtlich erlegt oder gefangen. Sie wagten es nie, bis an die Stricke zu laufen oder hinüber zu springen, sondern kehrten immer wieder um und ließen sich umzingeln.

Am Interessantesten wurde die Jagd, als nur noch wenige Thiere übrig waren, denn ihnen wandten sich eine Menge Jäger zu, welche sie nach den verschiedensten Richtungen trieben, bis sie endlich von einer Menge Schüsse zugleich getroffen niederstürzten. Etwa zwanzig Minuten nach dem Beginn der Jagd fiel das letzte Thier. Dann wurden sie abgeledert, die Felle auf einen Haufen gepackt, und das Fleisch an die Familien vertheilt, welche an der Chacu Theil genommen hatten. Mein Pater hatte alle Ursache, mit der Jagd zufrieden zu sein.

Schließlich wurden die Pfähle ausgezogen und mit den Seilen und Lumpen zusammengelegt, damit sie am nächsten Tage den gleichen Dienst leisten können, das Fleisch auf die Pferde und Maulthiere gepackt, und hierauf nach dem Lager gezogen, wo sodann eine Fest- und Freudenscene folgte, wie sie dem armen Volke nur einmal des Jahres zu Theil wird.

Die Jagd dauerte zehn Tage, und ich blieb während dieser ganzen Zeit bei meinen halbwilden Freunden. Im Ganzen wurden etwas mehr als 500 Vicuña’s, ein paar Guanaco’s, einiges Rothwild der Andes (Cervus antisensis) und ein halbes Dutzend schwarze Bären (Ursus ornatus) getödtet. Natürlich wurden nur die Vicuña’s in dem Treiben erlegt, die andern Thiere schossen die Jäger gelegentlich, so wie sie dieselben aufgespürt hatten.

In ähnlicher Weise, wie hier die Vicuña’s, jagen die indianischen Jäger in Nordamerika die Büffel, indem sie dieselben zu Pferde umzingeln und dann einzeln erlegen.




13. Ein Abenteuer auf der Bärenjagd.

Der schwarze oder amerikanische Bär (Ursus americanus) ist der bekannteste von allen. Ihn sieht man am Häufigsten in Menagerien und zoologischen Gärten, weil auf ihn am meisten Jagd gemacht und er überall hin ausgeführt wird. Man unterscheidet ihn leicht von den braunen Bären Europa’s, sowohl durch seine Farbe, seinen geschickteren Gliederbau und durch sein glätteres Fell. Im Norden von Amerika giebt es außerdem noch den grauen, den braunen und den weißen Polarbären. Dem letzteren gleicht er im Bau am meisten, auch sind beider Felle gleich glatt, der schwarze Bär ist jedoch kleiner und erreicht höchstens zwei Drittheile vom Gewicht des Polarbären. Seine Farbe ist gewöhnlich dunkelschwarz, bis auf einen röthlichen Strich um die Schnauze. Er ist sehr gefräßig und verschlingt sowohl Fleisch als Früchte, Nüsse und Wurzeln. Für gewöhnlich frißt er jedoch nicht Fleisch, und wird er durch Hunger dazu getrieben, so zerreißt und verschlingt er sein Opfer, während es noch schreit, und man kann sagen, daß er es zuweilen lebendig verschlingt. Seine Lieblingsspeise bildet bekanntlich Honig und er weiß desselben sehr geschickt habhaft zu werden, indem er die Höhlung der Bäume, in welcher die Bienen bauen, mit seinen scharfen Klauen so erweitert, daß er dazu kann. Die Stiche der Bienen kümmern ihn dabei wenig, da sie ihn nicht verletzen. Er erklimmt die Bäume rutschend, und wenn er hinabsteigt, läßt er sich hinabgleiten, wie es der Mensch thut. Er ist durch die Waldregionen von ganz Nord- und Südamerika verbreitet. In dem letzteren giebt es jedoch auch noch eine andere Art desselben, Ursus ornatus.

In den offenen Prairie-Distrikten haust der graue Bär, und nur in den Waldthälern der Rocky Mountains findet man ihn in Gemeinschaft mit dem schwarzen Bären. Den braunen Bären, der mit dem europäischen identisch ist, findet man in den öden baumlosen Steppen, welche sich im Norden durch den ganzen Kontinent Amerika’s bis zum Eismeere hinziehen. Hohle Bäume bilden gewöhnlich seine Wohnung, häufig genügt ihm auch ein umgestürzter Baumstamm, sich dahinter zu verbergen. Ferner benutzt er Felsenhöhlen, sobald sie ihm einen sichern Versteck bieten. Im Winter schläft er, jedoch nur während der Kälte; sobald das Wetter wärmer wird, wacht er auf, und im südlichern Klima ist er das ganze Jahr hindurch sichtbar.

Man jagt ihn mit Hunden und wenn er sich in seine Höhle rettet, räuchert man ihn hinaus. Ehe er nicht verwundet wird, greift er den Menschen nicht an, aber wenn er es thut, ist er sehr gefährlich. Die Kraft seiner Vorderklauen ist so groß, daß er den Menschen leicht darin erstickt. Er ist jedoch sehr empfindlich an der Schnauze, und wenn der Jäger kaltblütig genug ist, ihm darauf einen tüchtigen Schlag zu versetzen, wendet er sich erschreckt waldeinwärts.

Häufig fängt man ihn in Fallen, welche so eingerichtet sind, daß zwei starke Holzstücke nach Entfernung des Sperrholzes, das sie oben auseinander hält, zusammenschlagen. Oft tödten sie den Bären auf der Stelle, es genügt aber auch, wenn sie nur eine Klaue desselben festhalten, da er nicht im Stande ist, sich daraus zu befreien.

Als ich einmal in den nordamerikanischen Wäldern auf der Bärenjagd war, wo wir das Glück gehabt hatten, einen Bären nach kurzem Spüren von dem Baume herunter zu schießen, auf den er sich gerettet hatte, erzählte uns, nachdem wir uns im Walde gelagert, ein alter Trapper eine merkwürdige Geschichte, die ihm vor Jahren auf der Bärenjagd begegnet war, und ich kann mich nicht enthalten, sie nachzuerzählen, da der alte Mann für durchaus wahrheitsliebend galt, und die Art seiner Mittheilung durchweg davon zeugte, daß er wirklich Erlebtes schilderte.

„Ich wohnte damals,“ begann er, „in Ost-Tennessee am Tennesseefluß, mit einer alten Mutter in einer ärmlichen Hütte, und wenn ich die nöthigsten Feldarbeiten gethan hatte, dachte ich natürlich an nichts Anderes als an die Jagd, denn diese brachte uns immer etwas zu leben, und die Felle rentirten besser als unser Acker. Ich mochte wohl achtzehn Jahre alt sein, als ich einen Morgens am Ufer des Flusses im Schlamme die Spuren eines Bären fand. Ich folgte ihnen, sie gingen mir aber verloren als ich an härteren Boden kam. Da war so dichtes Buschwerk, daß keine Katze, geschweige denn der Bär hätte hinein kriechen können; ich ging daher zurück und spürte nach andern Richtungen. Endlich sah ich einen umgestürzten Baumstamm liegen, der Spuren von Schmutz hatte, den war der Bär offenbar entlang gelaufen. Ich folgte, ging bis an’s Ende und sah die Höhlung, die sich der Bär gemacht hatte, als er durch dns Buschwerk kroch. Da mußte ich nach, kostete es auch, was es wolle. Es war keine leichte Arbeit, denn da waren Disteln, Brennesseln und Dornen, so scharf wie ein Angelhaken.

„Mit Mühe und Noth kroch ich durch das Dickicht, wobei ich ein paar Mal daran dachte, wie angenehm es sein würde, wenn mir der Bär auf diesem Wege entgegen käme. Es geschah aber nicht, und als das Gesträuch dünner wurde, sah ich plötzlich ein Stück Fels vor mir. Darin mußte der Bär seine Höhle haben, und richtig, bald sah ich auch den Eingang, vor den der Bär Steine und Lehm gehäuft hatte, um ihn zu verdecken. Natürlich lauerte ich nun noch eine Weile, ob der Bär sich nicht zeigen würde und hielt meine Büchse fertig, um ihm eine Hand voll Blei zuzuschicken, wenn er seine Schnautze zeigte. Er kam aber nicht, und ich mußte an meinen Rückzug denken, weil es allmälig dunkelte und ich sonst den Weg nicht wieder gefunden hätte.

„Ich ging also nach Hause. Der Bär lag mir aber fortwährend im Sinn, und es stand fest bei mir, ich mußte ihn aus seinen Schuhen treiben und sollte ich ihm auch acht Tage nachstellen. Am nächsten Morgen machte ich mich daher wieder nach der Höhle auf und nahm außer meiner Büchse noch eine Axt, einen Topf [336] mit Syrup und ein paar Büschel Welschkorn mit, um dem Bären eine Falle zu bereiten. Ich fand auch bald ein paar tüchtige Holzstücke, die ich dazu brauchen konnte, hieb sie zurecht und richtete sie mit der ganzen Kraft meines Leibes auf. Wenn sie auf den Bären niederfielen, sollten sie ihn wohl festhalten. Just war ich so weit mit der Falle fertig, daß ich den Köder darin zurecht legte und den Syrup aufschmierte, als ich hinter mir das Schnüffeln des Bären hörte. Rasch drehe ich mich um, nach ihm zu sehen, und erblicke ihn aufrecht vor seiner Höhle stehen, da fühle ich auch in demselben Augenblick einen Schlag von hinten und falle auf die Erde flach wie ein Pfannkuchen.

„Ich dachte zuerst, es hätte mir Einer einen Schlag versetzt. Wäre es nur so gewesen, aber es war was viel Schlimmeres. Die Falle hatte mich gefaßt, und lag mit ihrem ganzen Gewicht auf mir, indem sie meine beiden Schenkel einklemmte. In der Eile des Umdrehens hatte ich den Drücker berührt und das verdammte Holz hatte meine Schinken gefaßt.

„Ich war zwar etwas verletzt, aber das ging noch, und anfangs hoffte ich, ich würde mich herausziehen können, aber je mehr ich zog, je schlimmer wurde es, desto weher thaten mir meine Beine und desto fester hielt sie das Holz. Ich konnte sie weder bewegen noch mich umdrehen und mit den Händen an den Block kommen. Meine eigene Falle hatte mich gefangen und ich war in einer furchtbaren Lage. Vor mir der Bär und die Hütte meiner Mutter zwei Meilen weit entfernt. Und selbst darauf konnte ich nicht rechnen, daß sie mich suchen würde, denn sie war daran gewöhnt, daß ich vier Tage lang auf der Jagd ausblieb. Ich konnte also nur darauf rechnen, daß zufällig einer meiner Nachbarn des Weges käme. Ich rief daher so laut als ich konnte. Das schreckte den Bären und er kroch in seine Höhle zurück. Das war nun allerdings ein Gewinn, denn ich hatte dadurch das Mittel gefunden, ihn von mir fern zu hallen. Ich rief und rief, aber immer kam nur mein eigener Wiederhall zurück, und es schien mir zuletzt, als verspotte mich dieser. Mein nächster Nachbar wohnte freilich fünf Meilen weit, wie konnte ich darauf denken, daß er mich hörte? Ich hatte also die fröhliche Aussicht, hier zu verkommen und zu verhungern, wenn die Bären mich nicht fraßen. – So kam und verging die Nacht, die längste und furchtbarste, die ich je durchlebt habe. Vor Schmerzen konnte ich nicht schlafen und hörte daher das Krächzen der Eulen und zuletzt auch, als es graute, das Schüffeln des Bären, der aus seiner Höhle kroch, und bald darauf gewahrte ich, daß es gar zwei waren. Sie bewegten sich mit ihren dicken Leibern wie dunkle Schatten um mich herum, und standen zuweilen aufgerichtet vor mir wie ein paar schwarze Teufel. Sie hatten offenbar die Furcht vor mir verloren, denn sie kamen immer näher, und ich mußte erwarten, daß sie mich angreifen würden. Die Angst, welche ich hiervor empfand, gab mir auch zugleich Muth. Dicht vor mir lag meine Büchse, ich ergriff diese, und strengte alle Kraft an, mich so weit aufzurichten, daß ich sie in schußgerechte Lage bringen konnte. Ein Bär stand nur vier Schritt weit von mir, ich säumte daher nicht länger, sondem sandte ihm ohne Weiteres die volle Ladung in’s Gesicht. Er fiel um und blieb liegen wie ein gefällter Stier. Er war mausetodt. Das war gut, nun konnte ich auch darauf rechnen, daß die Bärin, denn ich hatte das Männchen geschossen, alsbald zurückkehren und mich mit doppelter Wuth angreifen würde. Ich beeilte mich daher, wieder zu laden, da ich glücklicher Weise auch zu meiner Jagdtasche gelangen konnte. Es währte auch nicht lange, so kam die Bärin. Als sie ihren Gatten am Boden liegen sah, gab sie ein lautes Gebrumm von sich, stand dann still, als sei sie höchlichst überrascht und lief dann auf den Cadaver zu, ihn zu beschnüffeln. Jetzt konnte ich darauf rechnen, daß sie sich nach zwei Sekunden auf mich losstürzen würde und säumte nicht, ihr meine Kugel vor die Stirn zu senden. Das that’s. Ich hatte sie durch’s Auge in’s Gehirn getroffen, und sie stürzte rücklings auf ihren Bärengatten nieder.

„Nun bekam ich wieder frischen Muth. Die Bären hatten mich also wenigstens nicht fressen sollen, und ich mußte noch zu etwas Besserem bestimmt sein. Ich beschloß daher, auszuharren. Endlich mußte man mich ja doch vermissen und suchen, und dann mußte man meinen Ruf hören. Aber der Hunger peinigte mich. Wie zum Hohn lagen da die beiden Bären vor mir und ich konnte sie nicht erreichen. Die Noth macht indessen erfinderisch. Ich hatte ein Seil mitgebracht, um die Falle in die Höhe ziehen zu können, und da ich es nicht gebraucht hatte, lag es am Boden. Das haschte ich, machte eine Schlinge, warf sie nach dem Bären aus, zog diesen an mich, schnitt die Zunge heraus und aß diese roh. Das stillte meinen Hunger, aber dafür plagte mich nachher der Durst. Ich zog den Bären näher und schnitt seine Gurgel durch, aber sein Blut war festgefroren, und ich konnte mir nur helfen, indem ich es aus dem Fleisch, das ich ausschnitt, aufsog. So verging der Tag und es kam die zweite Nacht. Dann und wann hatte ich Eulen und auch noch andere Kreaturen, die eine, glaub’ ich, war ein Fuchs, zur Gesellschaft, schreckte sie aber mit meiner Stimme zurück. Am nächsten Morgen raffte ich meine Kräfte auf’s Neue zusammen, um zu rufen, denn nun rückte ja die Hoffnung immer näher, daß man mich suchen würde, und richtig, eine Stunde nach Sonnenaufgang hörte ich eine Stimme. Das Herz pochte mir gegen die Rippen, so groß war meine Freude. Ich rief noch lauter und lauschte. Es kam eine Antwort.

„Hol’ Euch – was brüllt Ihr denn so?“ rief die Stimme.

„Ich schrie laut: „Hallo!“

„Wer zum Teufel ist denn das?“ fragte die Stimme.

„Casey,“ rief ich zurück, die Stimme meines Nachbarn erkennend, „um’s Himmels willen hierher.“

„Ja, ja, ich komme schon, es ist nicht leicht hier durch das Gestrüpp zu kommen.“

„Seid Ihr das, Redword?“

„Was zum – habt Ihr? – Hol’ der Teufel das Gestrüpp!“

„Endlich brach er sich zu mir Bahn und schlug die Hände über den Kopf zusammen als er mich und daneben die Bären sah.

„Natürlich machte er mich so schnell als möglich frei, aber ich konnte meine Füße nicht gebrauchen. Casey mußte mich nach Hause tragen, und ich lag sechs Wochen bis ich wieder gehen konnte, und hab’s auch nie ganz überwunden.“

Damit endet Redword’s Geschichte.




Anmerkung des WS-Bearbeiters:

Dieser Beitrag erschien als Nr. 12+13 in der Reihe Jagd- und Lebensbilder aus Amerika
Nr. 10+11 Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. 10. Der Cougar. 11. Das Vicuña siehe Heft 7