Rede vor dem Rathaus Schöneberg am 26. Juni 1963 (John F. Kennedy)

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Textdaten
Autor: John F. Kennedy
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Titel: Rede vor dem Rathaus Schöneberg
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Erscheinungsdatum: 26. Juni 1963
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Übersetzer: Amerika Dienst
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Quelle: United States Diplomatic Mission to Germany, Commons
Kurzbeschreibung: Präsident John F. Kennedy besuchte anlässlich des 15. Jahrestages der Berliner Luftbrücke die Stadt Berlin und hielt am 26. Juni 1963 vor dem Schöneberger Rathaus vor mehr als 400.000 Menschen die folgende, hier ins Deutsche übersetzte, Rede. Sie ist wegen ihrer Schlussworte in die Geschichte eingegangen.
Diese Übersetzung ist US-PD, da es sich um eine Übersetzung der US-Botschaft in Deutschland handelt.
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Meine Berliner und Berlinerinnen,

ich bin stolz, heute in Ihre Stadt zu kommen als Gast Ihres hervorragenden Regierenden Bürgermeisters, der in allen Teilen der Welt als Symbol für den Kampf- und Widerstandsgeist West-Berlins gilt.[1] Ich bin stolz, auf dieser Reise die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit ihrem hervorragenden Herrn Bundeskanzler besucht zu haben, der während so langer Jahre die Politik der Bundesregierung bestimmt hat nach den Richtlinien der Demokratie, der Freiheit und des Fortschritts.

Ich bin stolz darauf, heute in Ihre Stadt in der Gesellschaft eines amerikanischen Mitbürgers gekommen zu sein, General Clays,[2] der hier in der Zeit der schwersten Krise tätig war, durch die diese Stadt gegangen ist, und der wieder nach Berlin kommen wird, wenn es notwendig werden sollte. Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: Ich bin ein Bürger Roms.[3] Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: Ich bin ein Berliner. Ich bin dem Dolmetscher dankbar, daß er mein Deutsch noch besser übersetzt hat.[4] Wenn es in der Welt Menschen geben sollte, die nicht verstehen oder nicht zu verstehen vorgeben, worum es heute in der Auseinandersetzung zwischen der freien Welt und dem Kommunismus geht, dann können wir ihnen nur sagen, sie sollen nach Berlin kommen.[5]

Es gibt Leute, die sagen, dem Kommunismus gehöre die Zukunft. Sie sollen nach Berlin kommen. Und es gibt wieder andere in Europa und in anderen Teilen der Welt, die behaupten, man könne mit dem Kommunismus zusammenarbeiten.[6] Auch sie sollen nach Berlin kommen. Und es gibt auch einige wenige, die sagen, es treffe zwar zu, daß der Kommunismus ein böses und ein schlechtes System sei, aber er gestatte es ihnen, wirtschaftlichen Fortschritt zu erreichen. Aber laßt auch sie nach Berlin kommen.

Ein Leben in Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. Aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten und sie daran zu hindern, woanders hinzugehen.

Ich möchte Ihnen im Namen der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, die viele tausend Kilometer von Ihnen entfernt lebt, auf der anderen Seite des Atlantiks, sagen, daß meine amerikanischen Mitbürger stolz, sehr stolz darauf sind, mit Ihnen zusammen selbst aus der Entfernung die Geschichte der letzten 18 Jahre teilen zu können. Denn ich weiß nicht, daß jemals eine Stadt 18 Jahre lang belagert wurde und dennoch lebt in ungebrochener Vitalität, mit unerschütterlicher Hoffnung, mit der gleichen Stärke und mit der gleichen Entschlossenheit wie heute West-Berlin.

Die Mauer ist die abscheulichste[7] und stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Systems. Die ganze Welt sieht dieses Eingeständnis des Versagens. Wir sind darüber keineswegs glücklich; denn, wie Ihr Regierender Bürgermeister gesagt hat, die Mauer schlägt nicht nur der Geschichte ins Gesicht, sie schlägt der Menschlichkeit ins Gesicht. Durch die Mauer werden Familien getrennt, der Mann von der Frau, der Bruder von der Schwester, und Menschen werden mit Gewalt auseinandergehalten, die zusammen leben wollen.[8]

Was von Berlin gilt, gilt von Deutschland: Ein echter Friede in Europa kann nicht gewährleistet werden, solange jedem vierten Deutschen das Grundrecht einer freien Wahl vorenthalten wird. In 18 Jahren Frieden und der erprobten Verläßlichkeit hat diese Generation der Deutschen sich das Recht verdient, frei zu sein, einschließlich des Rechtes, die Familien und die Nation in dauerhaftem Frieden wiedervereinigt zu sehen, in gutem Willen gegen jedermann.

Sie leben auf einer verteidigten Insel der Freiheit. Aber Ihr Leben ist mit dem des Festlandes verbunden, und deshalb fordere ich Sie zum Schluß auf, den Blick über die Gefahren des Heute hinweg auf die Hoffnung des Morgen zu richten, über die Freiheit dieser Stadt Berlin und über die Freiheit Ihres Landes hinweg auf den Vormarsch der Freiheit überall in der Welt, über die Mauer hinweg auf den Tag des Friedens mit Gerechtigkeit.[9] Die Freiheit ist unteilbar, und wenn auch nur einer versklavt ist, dann sind nicht alle frei.[10] Aber wenn der Tag gekommen sein wird, an dem alle die Freiheit haben und Ihre Stadt und Ihr Land wieder vereint sind, wenn Europa geeint ist und Bestandteil eines friedvollen und zu höchsten Hoffnungen berechtigten Erdteiles, dann, wenn dieser Tag gekommen sein wird, können Sie mit Befriedigung von sich sagen, daß die Berliner und diese Stadt Berlin 20 Jahre die Front gehalten haben.[11]

Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger dieser Stadt Berlin, und deshalb bin ich als freier Mann stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner.



Anmerkungen von Wikisource:

  1. Im Original spricht Kennedy nur den Kampfgeist (fighting spirit) an.
  2. siehe: Lucius D. Clay
  3. Kennedy verwendet im Original den lateinischen Ausspruch: »civis Romanus sum.«
  4. Im englischen Original kommt noch besser nicht vor.
  5. Die wörtliche Übersetzung würde lauten: Es gibt viele Leute in der Welt, die wirklich nicht verstehen, oder sagen, dass sie nicht verstehen, was das große Problem zwischen der Freien Welt und der Kommunistischen Welt ist. Sie sollen nach Berlin kommen.
  6. Die wörtliche Übersetzung würde lauten: Und es gibt einige in Europa und andernorts, die sagen, dass wir mit den Kommunisten zusammenarbeiten können.
  7. Eigentlich offensichtlichste (the most obvious).
  8. Die wörtliche Übersetzung würde lauten: … sie trennt Ehemänner und Ehefrauen und Brüder und Schwestern, und sie trennt ein Volk, das wünscht vereint zu sein.
  9. Es fehlt der Satzteil: … beyond yourselves and ourselves to all mankind. ( … über euch und uns selbst hinweg zur ganzen Menschheit.)
  10. Eigentlich heißt es: … und wenn ein Mann versklavt ist, dann sind alle nicht frei.
  11. Die wörtliche Übersetzung würde lauten: Wenn alle frei sind, dann können wir nach vorne blicken zu dem Tag, wenn diese Stadt und dieses Land und dieser großartige europäische Kontinent in einer friedlichen und hoffnungsvollen Welt geeint sein werden. Wenn dieser Tag schließlich kommen wird, und er wird kommen, dann können die Menschen von West Berlin mit nüchterner Befriedigung auf die Tatsache zurückschauen, dass sie nahezu zwei Jahrzehnte lang an der Frontlinie standen.