Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856)/Bruchstücke

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Anmerkungen Kinder- und Haus-Märchen. Band 3 (1856) von Brüder Grimm
Bruchstücke
Zeugnisse
Die Bruchstücke befinden sich auch als Einzeltexte unter:
  1. Der Mann vom Galgen (1856)
  2. Die Laus (1856)
  3. Der starke Hans (1856)
  4. Der gestiefelte Kater (1856)
  5. Die böse Schwiegermutter (1856)
  6. Märchenhafte Bruchstücke in Volksliedern (1856)


[265]
Bruchstücke.


[267]
1.
Der Mann vom Galgen.

Eine alte Frau bekommt spät Abends Gäste und hat nichts mehr von Speise über, weiß nicht, was sie ihnen kochen soll, geht zum Galgen, wo ein Todter hängt, schneidet ihm die Leber aus und brät sie den Fremden, welche sie aufessen.

Um Mitternacht klopfts an der Hütte, die Frau macht auf, es ist ein Todter mit kahlem Haupt, ohne Augen und mit einer Wunde im Leib.

     „Wo sind deine Haare?“
„Die hat mir der Wind abgeweht.“
     „Wo sind deine Augen?“
„Die haben mir die Raben ausgehackt.“
     „Wo haste deine Leber?“
„Die hast du gefressen.“


2.
Die Laus.

Es war einmal eine Königstochter die war so reinlich, daß es gewiß keine reinlichere auf der Welt gab: sie duldete nicht den kleinsten Schmutz oder Flecken an sich. Doch ihrer Reinlichkeit zum Trotz geschah es, daß man zu einer Zeit eine Laus auf ihrem Kopfe fand. Ein jeder rief „das ist ein großes Wunder, die Laus darf nicht getödtet, sie muß mit Milch groß gefüttert werden“; sie ward also mit Sorgfalt herabgenommen. Von der guten Nahrung wuchs sie [268] und ward viel größer als sonst wohl eine Laus wird, ja am Ende so groß wie ein Kalb. Als sie gestorben war, ließ ihr die Königstochter das Fell abziehen, gerben und zubereiten und sich ein Kleid daraus machen. Kam nun ein Freier, so gab sie ihm auf zu rathen von welchem Thier das Fell wäre, das sie zum Kleid trage. Da aber keiner so glücklich war es herauszubringen, so mußten sie nach einander wieder abziehen. Endlich aber kam einer doch hinter das Geheimnis.

Ohne Zweifel aus einem Märchen das mit dem ital. vom Floh im Pentamerone (1, 5) verwandt ist.


3.
Der starke Hans.

Der starke Hans kommt zum Teufel in die Hölle und will ihm dienen, da sieht er die Töpfe beim Feuer stehen, worin die Seelen stecken. Mitleidig hebt er die Deckel auf und erlöst sie; worauf ihn der Teufel wegjagt. Zu vergleichen ist die deutsche Sage Nr. 52.


4.
Der gestiefelte Kater.

Das Märchen wird gewöhnlich nach Perraults französischer Darstellung erzählt, doch hat sich bei den Siebenbürger Sachsen eine eigenthümliche und gute Überlieferung (in Haltrichs handschriftlicher Sammlung Nr. 13) davon erhalten, der Federkönig. Auch kommt in einem östreichischen Volkslied (bei Schottky und Zischka S. 12) die Idee vor,

hop, hop, Heserlmann,
unsre Katz hat Schtiferln an,
rennt damid af Hollabrun[1],
findt a Kindl in de Sunn.
wiä soll’s hoaßen?
Kitzl oda Goaßl.

[269] Das Märchen von dem gestiefelten Kater in den Bearbeitungen von Straparola, Basile, Perrault und Ludwig Tiek mit zwölf Radirungen von Otto Speckter Leipzig 1843 in 4. Bei Straparola 11, 1. Im Pentamerone 2, 4. Norwegisch bei Asbjörnsen S. 200. Schwedisch bei Cavallius Nr. 12.


5.
Die böse Schwiegermutter.

Es war eine alte böse Königin, die ließ, während ihr Sohn in den Krieg gezogen war, ihre Schwieger sammt ihren beiden Kindern in einen Keller sperren. Danach sprach sie eines Tages zum Koch „geh und schlachte eins von den Kindern und bereite es mir zu, ich will es essen“. „Mit was für einer Brühe?“ „Mit einer braunen“ sprach das böse Weib. Der Koch konnte es nicht übers Herz bringen, das schöne Kind zu tödten, und die Mutter bat so flehentlich: da nahm er ein Schweinchen und bereitete es zu, und die Alte aß die Speise mit Begier. Nicht lang darauf rief sie den Koch abermals und sprach „das Kinderfleisch schmeckt so zart, richte mir auch den andern Knaben zu“. „Mit was für einer Brühe?“ „Mit einer weißen“ sagte das Weib. Der Koch that aber wie das erstemal und setzte ihr ein Spanferkel vor, das sie mit noch größerer Lust verzehrte. Endlich will die Alte auch die junge Königin essen, der Koch schlachtet dafür eine Hirschkuh. Nun hat die junge Königin ihre Noth die Kinder vom Schreien abzuhalten, damit die Alte nicht hört daß sie noch am Leben sind.

Das italienische und französische Märchen vom Dornröschen bei Perrault und Basile (Pentamerone 5, 5) stimmen in ihrem Schluß hiermit überein, welcher aber im deutschen fehlt. Vergl. Anmerkung Nr. 50.

[270]
6.
Märchenhafte Bruchstücke in Volksliedern.

Wickerlein, Weckerlein,
wilt mit mie essen?
bring mie ein Messer.
Wickerlein, Weckerlein,
lauf übers Äckerlein,
hat mehr Bein als meiner Hund kein.

Fischarts Gargantua im Spielverzeichnis Cap. 25.


Die Finger krachen,
die Männer wachen.

Daselbst.


Mathes, gang ein! Pilatus, gang aus!
ist eine arme Seele draus.
Arme Seele, wo kommst du her?
Aus Regen und Wind,
aus dem feurigen Ring.

Andr. Gryphius Gedichte S. 768.

  1. Marktflecken in Unteröstreich.


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