Mancherley Regen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Johann Peter Hebel
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Mancherley Regen
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 42-49
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803-1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[42]
Mancherley Regen.

Der beste Regen, meint der Adjunkt, sey doch immer der, mit welchem der Himmel unsere Felder und Weinberge tränkt, und den Segen fruchtbarer Zeiten sendet. Aber was sagen wir dazu, fragt der Adjunkt, wenn Schwefel oder Blut regnet, wenn Frösche, Steine oder gar Soldaten-Hüte regnen?


1.

Schwefelregen.

Nach den Gewittern im Frühjahr, wenn sie mit starken Regengüssen verbunden waren, sieht man oft am Rande der Lachen, die vom stehenden Regen-Wasser entstanden sind, ein gelbes Pulver, das wie kleingeriebener Schwefel aussieht. Nun meinen ohnehin noch [43] viele Leute, daß die Gewitter von schweflichten Dünsten entstehen, die sich in den Wolken erzeugen, und bilden sich alsdann ein, es sey mit dem Regen solcher Schwefel vom Gewitter herabgefallen, und denken daran, daß ja auch schon einmal Feuer und Schwefel vom Himmel regnete auf Sodom und Gomorra. Allein fürs erste wohnen wir Gottlob nicht in Sodom und Gomorra. Für das andere kann manchmal etwas so oder so aussehen, und es ist doch etwas anders, wie man schon oft mit Schaden erfahren hat. Und so ist auch das gelbe Pulver auf den Regenpfützen kein Schwefel: auch wenn es sich am Feuer entzündet, nicht, sondern Blüthenstaub von den Bäumen. In den Tulpen stehen inwendig im Ring herum sechs kleine Säulen, auf deren Spitzen ein schwarzer Staub sitzt. Wer daran riecht, bekommt daher eine schwarze Nase. Auf den Lilien ist er schön gelb, und wer an eine weiße Lilie riecht, bekommt davon eine gelbe Nase. Das ist Blüthenstaub. Er findet sich in allen Blumen und in allen Blüthen, denn er ist unentbehrlich und nothwendig, wenn aus der Blüthe Frucht und Saamen entstehen soll. Wenn es nun im Frühjahr, wo die Bäume blühen, starke Regengüsse giebt, so schwemmt der Regen diesen Staub von den Blüthen ab, und dieß ist auch eine Hauptursache, warum kein gutes Obst-Jahr zu erwarten ist, wenn es viel in die Blüthen geregnet hat. Wo nun viel solcher blühenden Bäume beysammen stehen, da schwemmt auch der Regen viel solchen Blüthen-Staub herab. Dieser sammelt sich alsdann wieder auf der Erde, und bleibt liegen, wenn das Wasser verdünstet, und das ist der vermeintliche Schwefelregen. Im Sommer [44] und Spätjahr, wo doch die Gewitter meistens heftiger sind, wird niemand mehr etwas von Schwefelregen sehen, weil dann das Blühen ein Ende hat. Da regnen Aepfel, Nüsse, Eicheln etc. von den schweren Aesten der Bäume herab, aber kein eingebildeter Schwefel mehr.


2.

Blutregen.

Im Frühjahr und im Sommer kann es wohl geschehen, daß man hie und da viel rothe Tropfen, wie Regentropfen, noch naß oder vertrocknet auf dem Laub oder auf Gegenständen von hellerer Farbe wahrnimmt, die auf der Erde liegen, z. B. auf Tuch, das zum Bleichen in Grasgärten ausgebreitet wird. Und weil man nicht begreifen kann, woher das kommen mag, und weil man lieber etwas unglaubliches, als etwas natürliches glaubt, so faßt mans kurz und sagt, es habe Blut geregnet, und das bedeute Krieg.

Allein, wie nicht alles Schwefel ist, was gelb aussieht, so ist auch nicht alles Blut, was eine rothe Farbe hat. Dießmal geht die Sache so zu. Aus einem kleinen Ey, das den Winter über irgendwo an einer Hecke oder an einem Baumzweig klebte, brütet im Frühjahr die Sommerwärme ein kleines lebendiges Räuplein aus. Nach wenig Wochen, wenn sich die Raupe groß und rund gefressen hat, kriecht sie irgendwo in die Höhe, wenn sie nicht schon oben ist, hängt sich mit dem Hintertheil des Körpers fest, mit dem Kopfe abwärts, streift die Raupenhülle ab, und verwandelt sich in eine eckige Gestalt, die man Puppe nennt, ohne Kopf, ohne Füße und Flügel. Man sieht dem Ding nicht an, was es seyn und werden [45] soll. Aber wieder nach kurzer Zeit spaltet sich die Haut und es kommt etwas mit kleinen zusammengeschrumpften Flügeln und einem dicken unförmlichen Hinterleib hervor, dem man wohl ansieht, daß es gern ein Schmetterling oder Sommervogel werden möchte. Nach wenigen Stunden, wo es stille sitzen bleibt, sind die schönen farbigen Flügel gewachsen und ausgebreitet. Aus dem Hinterleib gehen sechs bis acht rothe Tropfen ab, die auf die Erde herabfallen, alsdann ist der Sommervogel gemacht, und flattert leicht und fröhlich in der Luft herum, und von Blume zu Blume. Das kann der liebe Gott, aus einer häßlichen und verachteten Raupe einen schönen und fröhlichen Sommervogel machen. Wo nun ganze Hecken oder Bäume im Frühjahr mit Gespinnst überzogen sind, in welchem viele tausend solcher Eyer verborgen seyn können, da brütet auch die Sonnenwärme alle auf einmal aus. Alle, die davon kommen, können daher auch, wenn sie reichliche Nahrung haben, zu gleicher Zeit ihre Vollkommenheit erreichen, zu gleicher Zeit sich in Puppen verwandeln, und zu gleicher Zeit als Schmetterlinge wieder aus der Puppe zurückkehren. Wo nun viele dergleichen nahe beisammen sind, da geben sie auch viele rothe Tropfen von sich, ehe sie davon fliegen. Hundert in einem Garten können schon 6 – 800 Tropfen geben, und das ist alsdann der eingebildete Blut-Regen.


3.

Froschregen.

Man spricht auch von einem Froschregen. Aber das wird noch niemand gesehen haben, daß es Frösche aus der Luft herab regnete. Die Sache verhält [46] sich ganz kurz so: Im Sommer bey anhaltend trockner Hitze zieht sich eine Art von Landfröschen in benachbarte Wälder und Buschwerke zurück, weil sie dort einen kühlern und feuchtern Aufenthalt haben, und verhalten sich ganz stille und verborgen, so daß sie niemand bemerkt. Wenn nun ein sanfter Regen fällt, so kommen sie in zahlreicher Menge wieder hervor, und erquicken sich in dem nassen, kühlen Gras. Wer alsdann in einer solchen Gegend ist und auf einmal so viele Fröschlein sieht, wo doch kurz vorher kein einziges zu sehen war, der kann sich nicht vorstellen, wo auf einmal so viele Frösche herkommen; und da bilden sich einfältige Leute ein, es habe Frösche geregnet. Denn aus lieber Trägheit läßt man eher die unvernünftigsten Dinge gelten, als man sich die Mühe giebt, über die vernünftigen Ursachen dessen nachzudenken oder zu fragen, was man nicht begreifen kann.


4.

Steinregen.

Aber mit dem Steinregen verhält es sich anderst. Das ist keine Einbildung. Denn man hat darüber viele alte glaubwürdige Nachrichten und neue Beweise, daß bald einzelne schwere Steine, bald viele mit einander von ungleicher Größe, mir nichts, dir nichts, aus der Luft herabgefallen sind. Die älteste Nachricht, welche man von solchen Ereignissen hat, reicht bis in das Jahr 462. vor Christi Geburt. Da fiel in Thracien, oder in der jetzigen türkischen Provinz Rumili, ein großer Stein aus den Lüften herab, und seit jener Zeit bis jezt, also in 2267 Jahren, hat es, so viel man weiß, 38mal Steine geregnet. Z. B. im Jahr 1492. am 4. November fiel bey Ensisheim ein [47] Stein, der 260 Pf. schwer war. Im Jahre 1672. bey Verona in Italien zwey Steine von 200 und 300 Pf. Nun kann man denken, von alten Zeiten sey gut etwas erzählen. Wen kann man fragen, obs wahr sey? Aber auch ganz neue Erfahrungen geben diesen alten Nachrichten Glauben. Denn im Jahr 1789. und am 24. July 1790. fielen in Frankreich, und am 16. Juny 1794. in Italien viele Steine vom Himmel, das heißt, hoch aus der Luft herab. Und den 26. April 1803. kam bey dem Ort l’Aigle im Orne-Departement in Frankreich ein Steinregen von 2000 – 3000 Steinen auf einmal mit großem Getöse aus der Luft.


Sonntags den 22. May. 1808. sind in Mähren Steine vom Himmel gefallen. Der Kaiser von Oestreich ließ durch einen sachkundigen Mann Untersuchung darüber anstellen. Dieß ist der Erfund.

Es war ein heiterer Morgen, bis um halb sechs Uhr ein Nebel in die Luft einrückte. Die Filial-Leute von Stannern waren auf dem Weg in die Kirche, und dachten an nichts. Plötzlich hörten sie drei starke Knälle, daß die Erde unter ihren Füßen zitterte; und der Nebel wurde auf einmal so dicht, daß man nur 12 Schritte weit zu sehen vermochte. Mehrere schwächere Schläge folgten nach, und lauteten wie ein anhaltend Flinten-Feuer in der Ferne, oder wie das Wirbeln großer Trommeln. Das Rollen und das Pfeifen, das zwischen drein in der Luft gehört wurde, brachte daher einige Leute auf den Gedanken, jetzt komme die Garnison von Telisch mit türkischer Musik. An das Kanoniren dachten sie nicht. Aber während als sie vor Verwunderung und Schrecken [48] einander ansahen, fieng in einem Umkreis von ungefähr 3 Stunden ein Regen an, gegen welchen kein Mantel oder Maltersack über die Achseln schützt. Eine Menge von Steinen, von der Größe einer welschen Nuß bis zu der Größe eines Kindskopfs, und von der Schwere eines halben Lothes bis zu 6 Pfund, fielen unter beständigem Rollen und Pfeifen aus der Luft, einige senkrecht, andere wie in einem Schwung. Viele Leute sahen zu, und die Steine, welche sogleich nach dem Fallen aufgehoben wurden, waren warm. Die ersten schlugen nach ihrer Schwere tief in die Erde. Einer davon wurde 2 Fuß tief herausgegraben. Die spätern ließen es beym nächsten bewenden, und fielen nur auf die Erde. Ihrer Beschaffenheit nach sind sie inwendig sandartig und grau, und von aussen mit einer schwarzen glänzenden Rinde überzogen. Die Zahl derselben kann niemand angeben. Viele mögen in das Fruchtfeld gefallen seyn, und noch in der Erde verborgen liegen. Diejenigen, welche gefunden und gesammelt worden, betragen an Gewicht 2 1/2 Centner. Alles dauerte 6 bis 8 Minuten, und nach einigen Stunden verzog sich auch der Nebel, so, daß gegen Mittag alles wieder hell und ruhig war, als wenn nichts vorgegangen wäre. Dieß ist die Begebenheit. Was es aber mit solchen Steinen, die vom Himmel fallen, für eine Bewandniß habe, daraus machen die Gelehrten ein Geheimniß, und, wenn man sie fragt, so sagen sie, sie wissen es nicht.


5.

Hutregen.

Am unbegreiflichsten ist es, daß es einmal Soldaten-Hüte soll geregnet haben. Ein Bürger aus einem [49] kleinem Land-Städtchen irgendwo in Sachsen soll eines Nachmittags nicht weit von einem Berg auf seinem Felde gearbeitet haben. Auf einmal ward der Himmel stürmisch; er hörte ein entferntes Donnern; die Luft verfinsterte sich; eine große schwarze Wolke breitete sich am Himmel aus, und ehe der gute Mann es sich versah, fielen Hüte über Hüte rechts und links und um und an aus der Luft herab. Das ganze Feld ward schwarz, und der Eigenthümer desselben hatte unter vielen hunderten die Wahl. Voll Staunen lief er heim, erzählte was geschehen war, brachte, zum Beweis davon, so viel Hüte mit, als er in den Händen tragen konnte, und der Hutmacher des Orts mag keine große Freude daran gehabt haben. Nach einigen Tagen erfuhr man aber, daß hinter dem Berg in der Ebene ein Regiment Soldaten exerzirt hatte. Zu gleicher Zeit kam ein heftiger Wirbelwind oder eine sogenannte Windsbraut, riß den meisten die Hüte von den Köpfen, wirbelte sie in die Höhe über den Berg hinüber, und ließ sie auf der andern Seite wieder fallen. So erzählt man. Ganz unmöglich wäre wohl die Sache nicht. Indessen gehört doch eine starke Windsbraut und folglich auch ein starker Glaube dazu.