Med. Topographie Gmuend:069

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Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
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Steigen oder Fallen der Dosis bis zur Krisis gereicht werden. Mohnsaft diente nur bey entstandener und anhaltender Diarrhö in Verbindung mit den passenden Mitteln, und bey dem sich nicht selten einstellenden quälenden Husten mit Goldschwefel u. a. außerdem schadete er mehr als er nützte. Aeußerlich durfte die gleichzeitige Anwendung reizender Mittel, besonders wenn die Delirien, Krämpfe und Convulsionen und der soporöse Zustand immer mehr zunahmen, nicht vergessen werden: als Sinapismen, Blasenpflaster auf die Arme und Waden, das Waschen und Einreiben mit aromatischen Wässern, Klystire aus Valer. mit und ohne Camph. welches alles zu seiner Zeit und unter gehörigen Umständen gebraucht gute Dienste leistete. Daß übrigens bey sich manchmal einfindenden Anomalien der Krankheit, wie Lokalentzündungen, besonders peripneumonischen Behandlungsweise zweckmäßige Abänderungen erforderte, ist leicht zu erachten; so wie in einer andern Zeit in der nemlichen Krankheit bey entgegengesetzter – sthenisch entzündlicher – herrschender Constitution auch eine entgegengesetzte Heilmethode im allgemeinen indizirt seyn kann und angewendet werden müßte, jedoch immer mit Berücksichtigung der pathologischen Singularitäten bey einzelnen Individuen und in einzelnen Orten und Gegenden. Der zu frühe Gebrauch des Weins schadete gerne, vermehrte gewöhnlich das Delirium, oder erregte dasselbe, wenn es erst vorüber war, schnell auf ein neues; am dienlichsten war er im Uebergang in die Reconvalescenz und besonders in dieser, wo er in Verbindung mit den nöthigen stärkenden Arzneymitteln

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dem Genesenden zur leichtern und frühern Wiedererlangung seiner Kräften sehr verhülflich war. Das Aderlassen, welches manche, ohne vorher ärztlichen Rath einzuholen, im Anfang der Krankheit auf eigne Faust an sich vornahmen, so wie auch genommene Abführungsmittel schadeten allzeit in dieser Krankheit zu dieser Zeitperiode.

Der erste Grund der Entstehung dieses kontagiösen Fiebers lag sicher in damals gleichzeitigen Zusammentreffen mehrerer dasselbe begünstigender Einflüsse, und mag nebst andern Uebeln zunächst und großentheils mit im Gefolge des in damaligen naßkalten Herbst ausgebrochenen französisch-Oestreichischen Krieges gelegen seyn. Gleich in den ersten Wochen des Ausbruchs desselben füllte eine Menge Kranker und Verwundeter von beyden Nationen die Spitäler in Schwaben und bald auch in Baiern, zumal an der Militairstraße, wo auch die ersten Spuren der Krankheit zunächst empfunden wurden. Die oft nicht gleich zu beseitigende Unreinlichkeit und nur halbe Verpflegung bey einer großen, sich schnell anhäufenden Menge von Kranken, welche oft noch aus Mangel des nöthigen Lokale in zu kleinen Krankenzimmern zusammengedrängt liegen mußten; der beschwerliche Transport der Verwundeten bey höchst ungünstiger Witterung u. s. w. mußten nothwendig die Entstehung bösartiger Fieber unter ihnen ungemein begünstigen, die dann durch die oft nur halb rekonvalescirende Kranken bey ihrer weitern Transportirung in andere Orte verpflanzt, und auf solche Art unter die Einwohner dieser Gegenden, wo dieselbe immer mehr oder weniger mit jenen in Berührung kamen, verbreitet werden