Mein alter Koffer

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Textdaten
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Autor: Friedrich Gerstäcker
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Titel: Mein alter Koffer
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 352
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[352] Mein alter Koffer. Ich bin eben wieder von einer kleinen Tour nach Hause zurückgekehrt und mein alter Koffer steht noch neben mir in der Stube, kaum geräumt, aber jeden Augenblick bereit, auf’s Neue seine Ladung einzunehmen und mich auf einer frischen Reise zu begleiten. Alter, ehrlicher Koffer, wie manche lange Strecke haben wir schon zusammen zurückgelegt, und wie jugendfrisch sieht er eigentlich noch aus! Ein paar Runzeln hat er freilich bekommen und ein paar Narben, es geht das nicht anders im Leben, bei Menschen, wie bei Koffern, aber zäh hat er sich gehalten – und wenn ich denke, was er Alles durchgemacht!

Ich traf neulich einen Amerikaner, der mir seinen Koffer rühmte und behauptete, ein solches Fabrikat könne nur in Amerika geliefert werden; ich bewies ihm, daß unsere deutschen Arbeiter das Nämliche und Besseres leisten, wenn sie wollen. Diesen Koffer habe ich im Jahre 1849 von Moritz Mädler am Markt in Leipzig für elf Thaler gekauft, und wie viel tausend Meilen ich mit ihm in der Zeit gemacht, wäre wohl kaum zu sagen. Dabei ist nie ein Ueberzug über seine schwarze Haut gekommen und trotzig hat er der brennenden Sonne der Tropen, wie Schnee, Regen und Salzwasser die Stirn geboten.

Von 1849–52 begleitete er mich um die ganze Erde, dann lange Jahre auf allen Zwischenreisen, 1860 und 61 wieder nach Süd-Amerika, 1862 nach Afrika, und immer und immer hielt er treu aus. In Valparaiso lief er mir freilich einmal davon und ich mußte eine weite Strecke hinter ihm dreinfahren – er war damals noch jung. In Californien ließ er sich einmal plündern, wie es auch schon manchem mit Vernunft begabten Menschen geschehen ist, aber nichts konnte uns trennen. Packträger haben ihn über die Cordilleren geschleppt, die Südsee-Insulaner ihn über den Korallensand ihrer Eilande gezogen; auf den Rücken eines Maulthieres geschnallt, ist er durch die Pampas geflogen, das Cap Horn hat er umschifft und das Cap der guten Hoffnung, die Landengen von Panama und Suez gekreuzt und mehr als einmal die Spritzwellen der See über sich hinwegschlagen lassen. In Java ist er dabei von Termiten angefallen, in Abyssinien von Scorpionen besucht worden, hat bald in Hotels, bald unter einem Baume logirt, kennt die unteren Schiffsräume von zahllosen Fahrzeugen und darf sich rühmen, unausgesetzt den wahrhaft grausamen Mißhandlungen getrotzt zu haben, mit denen Koffer und sonstiges Passagiergut in ordentlich durchdachter Weise von deutschen Eisenbahn-Bediensteten behandelt werden. Aber trotzdem, wie wenig verändert, seit ich ihn im Laden kaufte, steht er da! Er ist älter geworden, ja, aber wahrlich nicht schlechter oder weniger brauchbar, und ich fürchte fast, daß er mich noch überlebt und mein Sohn vielleicht einmal das Geschäft mit ihm fortsetzt.

Darum tadle mir Keiner deutsche Fabrikate! Die Franzosen mögen eleganter, die Engländer und Amerikaner oft praktischer arbeiten, als die Deutschen, doch nie im Leben solider und dauerhafter, und dafür ist mein alter schwarzer Koffer zwar ein stummer, aber doch beredter Zeuge.
Fr. Gerstäcker.