Melpomene/Band 1/009 Bei dem Grabe eines Mannes, der von Jägern erschossen wurde

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aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 44-47
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9. Bei dem Grabe eines Mannes, der von Jägern erschossen wurde.

Melod. III. XVIII.

1. O welche trauervolle Leiche
Versenkten wir in dieses Grab!
Er stürzte, wie vom Blitzesstreiche
Getroffen, in den Tod hinab.
Er hatte kühn sich unterwunden,
Zu üben eine Frevelthat,
Und leider seinen Tod gefunden,
Und mußte sterben ohne Gnad.

2. Er war dem Müsiggang ergeben,
Wie leider! viele Menschen sind,
Und hatte also nicht zu leben
Genug für sich und Weib und Kind;
Verfiel daher auf den Gedanken:
Das schöne Wild im Walde sey
Für Jedermann, und ohne Schranken
Steh es zu schiessen jedem frey.

3. Er gieng daher mit zween Kamraten,
In einer schönen Sommernacht,
Um sich zu holen einen Braten,
In einen Wald mit Vorbedacht.
Sie standen an auf einer Höhe
Und lokten durch das Rufsgeschrey
Das Wild herbei in ihre Nähe,
Daß besser es zu treffen sey.
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4. Es kam, und stand vor ihren Bliken,
Sie sahns, und zielten alle drey,
Und im Begriffe; loszudrüken,
Erschraken sie durch ein Geschrey;
Denn: Hallt! erscholls in ihren Ohren;
Die Jäger hatten aufgepaßt,
Und sich zu ihrem Tod verschworen,
Und sie schon auf die Muk gefaßt.

5. Sie wollten der Gefahr entspringen,
Und flohn davon in rascher Eil;
Allein in einem Nu durchdringen
Drei Schüsse sie wie Donnerkeil;
Sie stürzten hin an ihren Wunden,
Und raften schnell sich wieder auf,
Doch als der Schreken kaum verschwunden
Versagten ihre Füß den Lauf.

6. Sie sanken hin sich zu erhollen,
Von der Entkräftung auszuruhen,
Und fragten sich zu spät: was sollen,
Was können nun wir Arme thun?
Der eine lispelte: mir tosen
Die Ohren, und ich seh nichts mehr,
Der andre sprach: und in den Hosen
Lauft mir das warme Blut umher;

7. Der dritte sprach: ich kann nichts klagen,
Als daß ich recht erschrocken bin;
Gott Lob und Dank! allein wo tragen
Wir nun den Halbentseelten hin?
Der aber seufzte: laßt mich liegen,
[46] Und bindet meine Wunden zu,
Sonst fall ich in die letzten Zügen,
Und schließ im Tod die Augen zu.

8. Sie thatens unter Thränenblicken,
Und trugen langsam ihn nach Haus;
Da mußte er im Blut erstiken
Und hauchte seine Seele aus. –
Und welch ein Schrecken! welche Schmerzen;
Als dieses Weib und Kinder sah’n
Drangs ihnen wie ein Dolch zum Herzen,
Sie fiengen laut zu schreien an.

9. Doch alles Schreyen war vergebens
Sein Leben kehrte nicht zurück;
Der Funken des erloschnen Lebens
Erwacht durch keinen Thränenblick;
Vergebens weinen sie, und winden
Sich klammernd ihre Hände wund,
Sie grämen sich umsonst, und finden
Doch nirgends einen Trostesgrund.

10. Sie rufen zwar des Himmels Rache
Um Straf für seine Mörder an;
Allein die Straf ist Gottes Sache
Gerechtigkeit sein weiser Plan.
Und ach! was ist ein Menschenleben
In einem wilden Jäger-Blick!
Sie schössen einen todt, und gäben
Um keinen Haasen ihn zurück.

11. Und wenn sie dir das Leben rauben
Als wie dem größten Bösewicht,
So sind sie schadenfroh, und glauben
[47] Gethan zu haben ihre Pflicht,
Und ziehen jubelnd sich zurücke
In ihrer Wälder schwarze Nacht,
Als hätten sie ein Heldenstücke,
Und keinen Menschenmord vollbracht.

12. So gehts, wenn auf verbothne Weise
Sich Jemand zu ernähren sucht;
Die ungerecht erworbne Speise
Ist die für ihn verbothne Frucht,
Und bringet, statt ihn zu ernähren,
Das End von seinem Lebenslauf,
Und ungerechte Güter zehren
Auch die mit Recht erworbnen auf.

13. Laßt uns daher die Diebereyen
In Haus und Feld und Wäldern fliehn,
Und unser Brod aus einer treuen
Berufs- und Pflichterfüllung ziehn;
Dann strebt uns Niemand nach dem Leben
Wir leben lang und werden alt,
Und dürfen einstens nicht erbeben
Vor strenger Todes Allgewalt.

14. Nun ruhe sanft in deinem Grabe,
Du armer, mitleidwerther Mann!
O daß dir Gott verziehen habe,
Was du vielleicht aus Noth gethan.
Wir aber wollen stets zufrieden
Mit unserm Stand und Gute seyn,
Dann gehen, sind wir hier verschieden,
Wir sicher dort zum Leben ein.

Anmerkungen

Jungs Errata (Bd. 2, S. 293) wurden in den Text eingearbeitet.