Melpomene/Band 1/039 Bei dem Grabe des Herrn Alois Staudacher, Chirurgs von Erolzheim

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aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 150–156
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[150]

39. Bei dem Grabe des Herrn Alois Staudacher, Chirurgs von Erolzheim.

Melod. III.

1. Nun endlich ruht von seinen Leiden
Der Herr Staudacher Alois,
Der in den höchsten Seelenfreuden
Das Leben dieser Welt verließ,
Weil er erst auf dem Sterbebette
Die heiß ersehnte Ruhe fand,
[151] Und seine schwere Leidenkette
Zerrissen war in Todeshand.

2. Er weihte sich von zarter Jugend
Mit allem Fleiß der Chirurgie,
Und wandelte die Bahn der Tugend
Mit Heldenmuth und vieler Müh;
Er wollte sich der Liebe Gottes
Und Menschenliebe gänzlich weihn,
Und nach der Fordrung des Gebothes
In dieser Liebe thätig seyn.

3. Doch welche schwere Prüffung hatte
Sein Tugendvorsatz zu bestehn
Als Bürger, Vater, Mensch und Gatte,
Um sich am End bewährt zu sehn!
Es hatte kaum mit Vaterfreuden
Die treue Gattin ihn beschenkt;
Sie wurden aufgelöst in Leiden,
Und mit der Frau ins Grab versenkt.

4. Da lag es nun in seinen Armen,
Das schwache mutterlose Kind,
Und schrie um Hülfe und Erbarmen,
Allein sein Schrein verflog in Wind;
Denn seine erste Lebensquelle
Versiegte in der Mutter Grab,
Und Wasser trat an ihre Stelle,
Das man dem armen Säugling gab.

5. Indessen ward des Kindes Leben
Gepflegt von seinem zweiten Weib,
Und ihm das Nöthige gegeben,
[152] Und es gerieth an Seel und Leib;
Es wuchs heran, und lernte gehen,
Und lallte schon so manches Wort,
Auf einmal wars um es geschehen
An einem schlammerfüllten Ort.

6. Es gieng, vom falschen Glanz betrogen,
Und stürtzte in den Schlamm hinab,
Und wurde todt herausgezogen,
Weil es kein Lebenszeichen gab;
Und auch die beßten Mittel wecken
Es nicht mehr aus dem Todesschlaf;
Man denke sich des Vaters Schrecken,
Da so sein Kind ein Unglück traf.

7. Zwar dieses Kinds Verlurst ersetzte,
Bald eine große Kinderzahl,
Woran er herzlich sich ergötzte;
Da kam der Sorgen große Qual:
Die Unglücksfälle kehrten wieder
Die theure Mutter wurde krank,
Das Übel drang durch alle Glieder,
Und warf sie auf die Folterbank.

8. Man brauchte freilich Medizinen
In Absicht auf die Besserung,
Die öfter zwar zu helfen schienen,
Allein es war nur Linderung.
So brachte sie neun lange Jahre
Auf ihrem Schmerzenlager zu,
Und fand am Ende in der Bahre
Die lang und heiß ersehnte Ruh. —
[153]
9. Nun ward er zweimal bei den Kranken
Vom Nervenfieber angesteckt,
Und, ohne im Vertrauen zu wanken,
Aufs Schmerzenlager hingestreckt;
Doch Gottes Vaterhuld erlößte
Ihn von der doppelten Gefahr,
Indem er beidemal genesste,
Und so dem Tod entrissen war.

10. So gab er oft sein theures Leben,
Aus Liebe zu den Kranken, preis,
Der Pflicht und Tugend ganz ergeben,
Und scheute sich auf keine Weis:
So half er manchem armen Kranken,
Der in den letzten Zügen lag;
Doch jetzt begann er selbst zu wanken
Berührt von einem halben Schlag.

11. Da sank er unvermuthet nieder
An der getroffnen Seite lahm,
Erholte doch sich langsam wieder,
Weil er die beßten Mittel nahm:
Bald kam zum ersten Schlag der zweite,
Und dieser war viel stärker noch,
Und lähmte auch die andre Seite,
Und spannte ihn ans Leidenjoch.

12. Da lag er nun ganz unbeweglich
Auf seinem Schmerzenbette dort,
Und seiner Zunge wars unmöglich
Zu reden nur ein einz’ges Wort.
[154] Er seufzte stets nach dem Befreyer
Von seiner namenlosen Qual. —
Auf einmal stand sein Haus in Feuer
Entflammt von einem Blitzestrahl.

13. Gepriesen sey des Herren Namen!
So dachte er mit Heldenmuth,
Denn jtzt verzehren mich die Flammen
Und enden meine Leidenwuth.
Allein der Sohn dem Schlaf entrissen,
Springt, halb bedeckt, dem Vater bei
Durchs Feuer unter seinen Füssen,
Ob er noch wohl zu retten sey.

14. Er schwingt ihn eilig auf den Rücken
Und ruft: »geschwind, die Leiter her!«
Um auf derselben zu entrücken
Den edlen Schatz dem Feuermeer:
So stieg er mit der theuren Bürde
Die steile Leiter schnell hinab,
Nicht ahnend, daß sie brechen würde;
Allein es brach der erste Stab.

15. Erschrocken stürtzt er auf den zweiten
Der ihn mit seinem Vater hielt,
Und glücklich wurde, ohne Gleiten,
Des Vaters Rettung ganz erzielt.
So trug Aeneas einst Anchisen
Den Vater aus dem Trojabrand,
Nur sichrer, weil mit starken Füssen
Er stets auf festem Grunde stand.
[155]
16. Als kaum der Vater so den Flammen
Entrissen war durch seinen Sohn,
So stürtzte schon das Haus zusammen,
Und krachte wie ein Donnerton;
Und beide sagten für das Leben,
Daß ihnen Gott erhielt: Gott Lob!
Er gibt und nimmt, kann wieder geben,
Und priesen Gott: als wie der Job.

17. Indessen traf den kranken Armen
Der Schlag vor Schrecken nocheinmal,
Doch ohn’ sich seiner zu erbarmen
Und zu verkürtzen seine Qual;
Er hatte namenlos zu leiden
Beinahe noch ein ganzes Jahr,
Bis seine Seele zu den Freuden
Des Himmels ganz geläutert war.

18. Doch trug er alle diese Schmertzen
Mit unerschütterter Geduld,
Und bath mit liebevollem Herzen
Gott um Verzeihung, Gnad und Huld,
Empfieng mit wahrer Vorbereitung
Der Sterbesakramente Gnad,
Und übergab sich Gottes Leitung,
Und wallte froh den Todespfad.

19. Denn er ist ja von allen Mängeln
Gereinigt durch der Leiden Glut
Und sicher wird er mit den Engeln
Geniessen dort das höchste Gut.
Denn wer wie er das Böse meidet,
[156] Und auch die kleinste Schuld bereut,
Und jede Pein geduldig leidet,
Gelangt ins Reich der Seligkeit.

20. Laßt uns daher die Sünde hassen,
Und gänzlich uns der Tugend weihn,
Und uns auf Gott allein verlassen,
Und in den Leiden standhaft seyn,
Geduldig tragen die Beschwerden
In Hinblick auf die Seligkeit,
Die droben uns zu Theil soll werden,
Und die uns Gottes Hand verleiht.

Anmerkungen (Wikisource)

Erolzheim liegt am Rande des Illertals im heutigen Landkreis Biberach.

Jungs Errata (Bd. 2, S. 294) wurden in den Text eingearbeitet.