Melpomene/Band 1/082 Bei dem Grabe der alten Frau Marianna Geromiller

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aus: Melpomene
Seite: Band 1, S. 256–257
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82. Bei dem Grabe der alten Frau Marianna Geromiller.

Melod. II.

1. Hier schlummert sie im Schoos der Erde,
Die stille fromme Dulderin;
Es floß in Wohlstand und Beschwerde
Ihr langer Lebenslauf dahin
Und endlich schloß zur wahren Ruh
Der Tod ihr sanft die Augen zu.

2. Sie hat in ein und achtzig Jahren,
In Glück und Unglück viel erlebt,
Doch sich in Freuden und Gefahren
Der Tugend treu zu seyn bestrebt,
Und beim Verlust wie beim Gewinn
Blieb immer gleich ihr Tugendsinn.
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3. Mit aller Kraft beraubten Füssen
Hat sie schon mehr als Tag und Jahr
Dort auf dem Bette liegen müssen,
Wobei sie stets geduldig war,
Und sich ergab in ihr Geschick
Bis auf den letzten Augenblick.

4. Nur langsam schlich zu ihrem Herzen
Des bittern Todes kalte Hand,
Und zog mit stets vermehrten Schmerzen
An ihrem starken Lebensband;
Sie röchelte sechs Tage lang,
Bis ihr der Tod zum Herzen drang.

5. Doch wallte sie ihr ganzes Leben
Beständig auf der Bahn der Pflicht,
Und schaute ohne Furcht und Beben
Dem nahen Tod ins Angesicht,
Und starb in höchster Zuversicht
Auf Jesu gnädiges Gericht.

6. Dieß Alles läßt uns gründlich hoffen:
Daß, als ihr Lebenshauch verschwand,
Sie dort für sich den Himmel offen,
Und so den Lohn der Tugend fand,
Und nun der höchsten Seligkeit
Mit allen Seligen sich freut.

7. Laßt uns daher, so lang wir leben,
Der Tugend stets beflissen seyn,
Nach Gottes Wohlgefallen streben,
Und ihm das Herz zum Opfer weihn;
Dann führet uns der Tod gewiß
Zum Leben ein im Paradieß.