Michel Berend (Die Gartenlaube 1866/38)

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Autor: unbekannt
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Titel: Michel Berend
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aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 595, 597
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Michel Berend.


Wieder ein deutsches Grab in fremder Erde – und zwar ein deutsches Dichtergrab. Erst wenn sie draußen sterben, erfährt man daheim, was man an ihnen verloren hat. Und nach so vielen Verlusten sind wir noch heute nicht im Stande, die Summen von Talent, Wissen, Geist und Charakter zu schätzen, welche von den Stürmen des Vaterlandes als frische, grüne Blätter vom Baume Deutschland in alle Winde getrieben wurden. Zu diesen frischen, grünen Blättern gehörte Michel Berend. Seine deutschen Landsleute und Collegen von der Presse haben ihm am 7. September in Brüssel das letzte Geleite gegeben. Dort hatte die Cholera ihn hingerafft.

Berend ist der Sohn eines Bankiers in Hannover. Das [597] stürmische Streben einer poetischen Seele scheint ihn früh erfaßt zu haben, aber Vieles ihm unerfüllt geblieben zu sein. Das verräth die spätere Klage:

Wollte einst was Rechtes werden,
Doch mein Vater sagt’ es oft,
Daß man nie erreicht auf Erden,
Was man wünscht und was man hofft.

Und mein Vater war im Rechte;
Wen’ger wünscht’ ich jedes Jahr –
Was ich heut noch werden möchte,
Ist ein Knabe, wie ich’s war.

Aus der glücklichen Kindheit, auf die dieses Gedichtchen schließen läßt, trat er in ein äußerlich und innerlich bewegtes Leben, wie auch dafür seine Gedichte zeugen. Mißstimmung und Thatendrang trieben ihn aus dem Vaterlande – über das Meer, das er in seinem „Atlantischen und Transatlantischen“ besingt. Ob es Heimathsehnsucht war, die ihn von drüben wieder herüber zog?

Da geht ein junger Bursch vorüber,
Summt vor sich hin ein deutsches Lied,
Und trüber wird’s um mich und trüber,
Da Lied und Bursche weiter zieht.

Ich wollte mich doch nimmer kränken,
Nicht um das Land und nicht um sie –
Da kommt das alte Heimgedenken
Mit seiner alten Melodie.

Und er zog wieder heim-, wenigstens europawärts, wohin zunächst, wissen wir nicht; daß eine unglückliche Dichterliebe mit an seinem Herzen zog, spricht er selbst so reizend schön aus:

O daß Du mein geworden wärst,
Ich hatte Dich so lieb!
Der Hafen warst Du, dem ich zu
Durch wüste Wogen trieb.

Der Himmel hat es nicht gewollt,
Mein Kahn treibt still allein –
Wir hätten überselig doch
Zusammen können sein!

Im Juni 1854 schrieb er von Paris aus an Robert Prutz die Widmung seiner Gedichte, deren zweite Auflage bei Schnee in Brüssel erschienen ist. Wie auch in der französischen Hauptstadt sein Blick und Herz „dem armen Volke“ zugewandt war, dafür spricht sein ergreifendes Gedicht „Eine Bettelgeschichte“, und die Klage über sein eigenes unstetes Leben wird in seinem „Ahasver“ laut. In Brüssel, wo er seine letzten Jahre zubrachte und hauptsächlich als Correspondent für die Kölner Zeitung, die „Freie deutsche Presse“, die „Gartenlaube“ und andere Journale thätig war, gehörte er zu den beliebtesten Persönlichkeiten des dortigen Schriftstellerkreises. Dafür zeugt sein Leichenbegängniß, das unter großer Betheiligung auf dem israelitischen Friedhofe stattfand. Der Oberrabbiner Astruc und Max Sulzberger, der Chef-Redacteur der „Etoile belge“, feierten würdig des deutschen Dichters und Publicisten Ehrengedächtniß. Das dauerndste Denkmal hat er sich selbst errichtet in seinem tief aus dem Herzen gekommenen und zu allen Herzen dringenden Lied „An meine Mutter“, das wir aus dem nun längst vergriffenen Jahrgang 1856 der „Gartenlaube“ noch ein Mal hervornehmen und als selbstgewundenen Kranz auf des Dichters Grab legen.