Nachtfeste der Lagunenkönigin

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Autor: Friedrich Hofmann
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Titel: Nachtfeste der Lagunenkönigin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 139–142
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Nachtfeste der Lagunenkönigin.
Von Friedrich Hofmann.

Am zweiten Sonntag des Wonnemonds 1855 machte in La Mira, jenem Marktflecken von Palästen der venetianischen Großen und Reichen, der an der Heerstraße von Fusina nach Padua liegt und wo ich den ganzen Mai jenes Jahres verlebte, bei Tische Graf M. mir und meinen jungen Freunden, deren Studien ich damals zu leiten hatte, die Mittheilung, daß heute die Gemeinde der Erlöserkirche – Il Redentore – aus der Giudecca, einer Vorstadtinsel von Venedig, ihr jährliches Kirchenfest feiere und zwar bei Nacht, mit Illumination und großer Procession in illuminirten Barken und Gondeln. Er lud uns ein, diese Herrlichkeit mit ihm zu beschauen. Die Dämmerung brach schon herein, als wir nach halbstündiger Wagenfahrt die nächste Eisenbahnstation Marano erreichten. Bald brauste die lange Waggonreihe des Abendzuges von Verona, Brescia und Padua heran, und fort ging’s nun mit Dampf. Hinter Mestre empfangen uns die zweihundert und zweiundzwanzig Bogen der berühmten Lagunenbrücke, der längsten Brücke der Welt; da wir aber ihre volle Stundenlänge in acht Minuten zurücklegen, so entschwindet diese Großartigkeit unseren Augen, die ohnedies von dem mit jeder Minute mächtiger vor uns auftauchenden Bilde von Venedig vollständig in Anspruch genommen werden. Diese Fahrt über die dunkeln, stillen Gewässer war entzückend. Links und rechts endlose Ferne, darüber der ungeheuere Riesendom des Himmels und vor uns schwamm eine lange, schmale Wolke, mit Sternchen besäet, auf dem glanzlosen Spiegel. Je näher wir ihm kamen, desto zackiger und sternenreicher wurde der Wolkenstreif, und endlich zeichneten sich Thürme, Kuppeln und Dachgiebel am Himmel ab und von den Sternen standen die oberen alle fest, und die unteren zitterten in den Lagunen. Ein schriller Pfiff, – die Locomotive begrüßte den Bahnhof. Nun war noch eine unheimliche Passage durchzumachen: es führte kein anderer Weg in die Stadt, als der durch das Paßbureau und Mauthamt. Da saßen sie in langer Reihe, die Vehmrichtergesichter, die jeden Herankommenden mit den Blicken anbohrten, um die gefährliche Person in ihm zu entdecken. Wehe hier dem, der keine guten Briefe hatte! Uns war’s besser, unter des Grafen Anführung zogen wir ungehemmt, jedoch respectvoll entblößten Hauptes, an der langen Reihe vorüber und zur andern Thür wieder hinaus – und Gott Lob, da ist der große Canal und da tanzen die Gondeln – rasch hinein! Erst wenn man in der Gondel sitzt, ist man in Venedig.

Aber was ist das? Ich wußte doch ganz genau, daß man eine Anzahl Treppen von der Ufermauer abwärts zu steigen hatte, um an den Wasserspiegel des Canale grande zu gelangen, – heute kam uns die grüne Fluth schon oben an der zweiten Stufe entgegen.

„Ah, wir sind zu einer ‚Springfluth‘ zurecht gekommen,“ rief Graf M. freudig. „Wir verdanken dies der Nähe des Neumondes, der sich mit dem Vollmond abwechselnd bisweilen das Vergnügen macht, der Lachlust der Venetianer für sie immer neuen wenn auch noch so alten Stoff zu liefern und nebenbei die Reinigung [140] und Erfrischung der Canäle zu besorgen. Die schönste Überraschung bereitet diese Fluth stets auf der Piazzetta und dem Marcusplatze, wo sie eine allgemeine Flucht verursacht, bis die Gondeln zu Hülfe kommen und das interessante Vergnügen einer Gondelfahrt zwischen der Marcuskirche und den Procuratien gewähren, die den Männern vom Ruder gute Beute abwirft, bis die ebenso unangemeldet fallende Fluth die ganze Flottille auf’s Trockene setzt. Eilen wir, vielleicht erhaschen wir noch etwas von dieser Lustbarkeit.“ Und wacker griffen die beiden Gondeln aus, die unsere Gesellschaft besetzt hatte.

Hier begannen schon die Anzeichen des Festes. Gondeln, an deren Häuschen bunte Lampen befestigt waren, und Barken, zum Theil mit Teppichen geschmückt und mit kleinen Mastenpaaren, zwischen welchen Reihen von bunten Lampen an Tauen schwebten, kamen, erst ziemlich einzeln, aus den Seitencanälen in den Canale grande herein, der bekanntlich ganz Venedig in Form eines umgekehrten S durchschneidet.

Wie oft ich auch hochentzückt am Tage und unter den Strahlen der Morgen- und Abendsonne diese Prachtpalast-Wasserstraße dahingefahren war, so überragt doch der Eindruck dieser Nachtfahrt jede andere Erinnerung. Die zahlreichen Gasflammen an den beiden Seiten des Canals legten auf den Wasserspiegel und auf die Façaden der Paläste, Häuser, Kirchen ihre sanft ineinander übergehenden Licht- und Schattenwechsel; bald standen die Vorsprünge der architektonischen Verzierungen in grellem Licht, bald legte geheimnißvolles Halbdunkel sich über die ganze Fläche und ließ nur die Spitzbogen der Altanfenster aus dem Dunkel hinter ihnen hervortreten, bald gossen die hohen Spiegelscheiben selbst festlichen Lichtstrahl aus, bald öffnete sich der Blick in eine Seitengasse, – und das Alles ist Stadt und ist lebenvolle Straße, auf der man so geräuschlos dahinfährt, so sanft über die nur vom Ruderschlag gekräuselten Wellen. Man muß sich wach erhalten, um von den ewig wechselnden Bildern nicht in das Reich der Träume verlockt zu werden. Wie gern möchte man vor jedem Meisterwerke und Kunststück der Architektur anhalten, wie gern es hier begeistert schildern, aber – dazu war damals und ist jetzt keine Zeit. Wir eilen vorwärts, das bunte, laute Festleben mehrt sich um uns, da schwingt der kühne Bogen der Rialtobrücke sich über den Canal, auf seiner Höhe von glänzenden Läden strahlend, unten von den dahinziehenden Gondeln und Barken in wechselndem Lichte spielend. Erst einen Gruß zur Linken hinaus: Fondaco dei Tedeschi, die Kaufhalle der Deutschen, hieß und war einst dieser Palast, dessen Außenwände Tizian’s Farbenpracht geschmückt und wo deutscher Gewerbfleiß eine Schutzstätte hatte, als noch Augsburg und Nürnberg freie Reichsstädte waren und die freie Venezia ihre eigene Krone trug. Das ist Alles vorbei – und wir sind vorbei. Ein paar kräftige Ruderschläge und hinter uns lag Rialto und vor uns dehnte die längste, fast gerade Strecke des Canals sich aus, die reichste an hochragender Baupracht, lichtstrahlend und auf der breiten schimmernden Fläche übersäet mit tanzender und pfeilgeschwind dahinfliegender Lampenlust der Barken und Gondeln.

Aber warum plötzlich heraus aus all’ dieser Herrlichkeit? Beim Palast Grimani, – damals Sitz des k. k. Postamts, – wo die andere Hälfte des verkehrten S des großen Canals beginnt, bogen unsere Gondler links in den dort mündenden Seitencanal ein. Ihre Absicht war die vortreffliche, uns aus dem kürzesten Wege in die Nähe des Marcusplatzes zu bringen; sie schlug jedoch so sehr fehl, daß wir selbst zum Gegenstand des Springfluth-Volksvergnügens werden sollten. Die klugen Männer hatten den höheren Wasserstand entweder nicht, oder für sich nur allzugut berechnet. Anfangs verstimmte mich ein wenig der Contrast zwischen der hellen Festfreude des breiten Canals und der plötzlich uns umgebenden tiefen Stille im Halbduster spärlicherer Beleuchtung. Als wir aber unter der ersten der vielen die Seitencanäle überspringenden Brücken nur mit genauer Noth und heftigem Reiben des Häuschendachs am Gewölbe durchgekommen waren und nun wieder eilig weiter fuhren, flogen schon allerlei Witzworte über unsere Köpfe weg von Fenster zu Fenster, – und richtig, bei der zweiten Brücke hielten beide Gondeln, sie konnten nicht durch. Da saßen wir. Umkehren und den weiten Bogen des großen Canals fahren würde zu viel Zeit gekostet haben. Graf M. entschied für Aussteigen. Da aber zu beiden Seiten die Gebäude bis an den Canal reichten, so mußten wir die Brücke selbst ersteigen. So kletterten wir denn am Geländer empor, gehoben und geschoben von den Gondlern, die, bezahlt waren sie ja, dann eiligst und mit jedem Ruderschlag niederträchtiger lachend davon fuhren.

Uns eröffnete sich nach beiden Seiten die Aussicht in eine lange schmale Gasse, beide hell erleuchtet, an allen Fenstern schwatzende und lachende Köpfe, und von beiden Seiten wurden wir von dem neckischen Volke zum Springfluthfest eingeladen, denn beide Gassen waren überschwemmt. Es half uns nichts, dasselbe Vergnügen, das uns die Venetianer auf dem Marcusplatze machen sollten, mußten wir hier ihnen bereiten, wollten wir nicht zwischen den zwei Feuern des Hohns ausharren, bis die Fluth sich verlief. Hinein denn in die Gasse zur Linken und entschlossen vorwärts gepatscht. Es war etwas wie ein gelindes Spießrutenlaufen, das wir hier auszuhalten hatten. Mir dem nichtswürdigsten Schelmenton der Bedauerniß, mit ewigem „poveretti!“ – „ach, die Armen!“ – verfolgte ein Lachsturm unsern nassen Gänsemarsch, – und uns blieb nichts übrig, als um die Wette mit zu lachen. Erst am Ende dieser Gasse kamen wir auf’s Trockene. Graf M. eilte nun mit uns in das Hotel Vittoria. Während unsere Stiefel trocken gerieben und frische Strümpfe beigeschafft wurden, nahmen wir barfuß im eleganten Speisesaal unsere Abendmahlzeit ein. Dann ging’s mit raschen Schritten zum Festort. Abermals durch lange schmale Gassen, über die Eisenbrücke des Canale grande, am Palast der Akademie der schönen Künste vorüber und von hier an vom Menschenstrom durch eine neue Gassenreihe mit fortgeschoben, gelangten wir endlich an den Canal der Giudecca – und stimmten unwillkürlichen das bewundernde Ah! ein, das hier jedem Mund entfuhr. Jenseits des hier über tausend Fuß breiten Canals dehnte in einer Länge von wohl fünftausend Fuß eine Strahlenlinie von zahllosen Lichtern sich aus. Jeder Palast, jedes Haus, jede Hütte der Uferstraße der Giudecca hatte das Möglichste von reicher und geschmackvoller Illumination gethan; vor Allem herrlich erhob sich die Strahlenpyramide der Redentorekirche vom Portal bis zur Thurmspitze, und Alles dies wiedergespiegelt in den zitternden Lagunen, die außerdem noch von den Gondel- und Barkenlampen nicht Buntes genug wiederzuspiegeln hatten – es war ein Anblick, der Stillstehen und Schweigen gebot!

Eine Schiffbrücke verband heute die Stadt mit ihrer Vorstadtinsel. Sie lief vor dem Portal der Redentorekirche aus und war so breit, daß sie bedeutende Menschemnassen zugleich zu tragen vermochte. Die mannigfaltigsten Gruppen drängten hier dicht aneinander, daß das Auge nichts Einzelnes und Besonderes fassen konnte. Man schwamm recht eigentlich im allgemeinen Wonnemeer mit fort und verlor die Absicht der Beobachtung.

Leider sollte das ganze Fest zu Wasser und uns nach dem überstandenen Fußbad auch noch ein Bad von oben bereitet werden. Wir hatten bereits den guten Willen des Himmels dazu an seinen „einberufenen“ Wolkenhaufen gesehen. Nachdem wir vergeblich in die Kirche einzudringen versucht und uns, als Männer von deutscher Geduld, einen Standort im Freien gewählt hatten, von dem aus wir den Blick nach Venedig hinüber und auf die bei der Dogana ankernden und meistens ebenfalls mit bunten Lampen geschmückten Kauffahrteischiffe frei hatten, und als eben eine Flottille von Barken zur Aufnahme der Procession um die Giudecca sich ordnete und ein Gegenstrom von Menschen sich aus der Kirche heraus und zur Schiffbrücke hinwälzte, – da öffneten sich plötzlich, nach Anmeldung durch einige Blitze und Donnerschläge, die Schleußen des Himmels – und machten dem größten Theil der Illuminationspracht und der Procession mit einem Male ein Ende.

Die Venetianer scheuen das Wasser von oben leidenschaftlich. Welch’ ein Rennen begann über die Schiffbrücke hinüber! Nie habe ich einen volkbedeckten Raum in kürzerer Zeit reinfegen sehen. Von der rückfluthenden Menge war die Kirche von Neuem überfüllt, und ohne das Treiben im Freien konnte auch das Volksfest, das sich an den kirchlichen Act anschließt, sich nicht entfalten. Wir für unsere Personen feierten es in Vittoria, und jetzt nicht wieder barfuß, bei einer Flasche Lacrimä Christi und frohen Erinnerungen an die Volksfeste der Heimath. –

Holder, als in dieser Nacht des Wonnemonds, war mir der Himmel bei einer andern Nachtkirchweihe ich Herbst. Ich hatte mich einem Kreise deutscher Künstler angeschlossen. Mit ihnen saß ich eines schönen Abends im Café Florian am Marcusplatz, und zwar in der Loge „Nerly“. Die Künstler unter unseren

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Das Kirchweihfest von S. Simeone piccolo in Venedig.

[142] Lesern wissen, daß dies der Name eines deutschen Malers ist, der seit Jahrzehnten in Venedig lebt, als braver Deutscher zu seiner Stammkneipe sich dieses Café erlesen und hier als der freundliche Schützer und Berather aller deutschen Genossen aufgesucht wurde. – An diesem Abend ermahnte er uns, das Kirchweihfest von San Simeone piccolo nicht zu versäumen, das soeben beginnen werde. Sofort ward, gehorsam seinem Winke, ausgetrunken und aufgebrochen.

Wir schlugen den nächsten Weg zur Rialtobrücke ein und bestiegen dort die Gondel, die uns den großen Canal entlang in kurzer Zeit zur Feststätte trug. Die genannte Kirche liegt dem Bahnhofe gegenüber am großen und einem Seitencanale. Eine Uferstraße zieht sich dort vor den Häusern hin und die Kirche begrenzt ein freier Raum. – Schon aus der Ferne erkannten wir an dem Lichtmeer, daß auch dieses Fest in Ehren steht. Die Kirche selbst, ein Kuppelbau mit Säulenportal, nach dem Muster des Pantheon in Rom, strahlte von bunten Lampen und Laternen, die ihr Licht auf die Guirlanden und Kränze warfen, mit denen sie geschmückt war. Aus den hohen Fenstern drang ihre innere Erleuchtung, diese ward aber schier verdunkelt von der bunten Umgebung. Alle benachbarten Gebäude hatten ihren Illuminationsschmuck angethan, köstliche Teppiche hingen von den Balconen herab und noch köstlichere Augen schauten darüber hernieder auf das scenenreiche Spiel der Volkslust. Wie die Menge auf dem Lande, so wogt’s auf dem Wasser in Gondeln und Barken und in der Luft von allen möglichen Tönen, Musik, Gesang, Reden, Schreien und Lachen durcheinander. Bald da, bald dort leuchten bengalische Flammen auf, mit tausendstimmigem Ah! begrüßt, und derselbe Gruß gilt dem Mond, der plötzlich hinter den hohen Dächern mit ihren posaunensturzartigen Schornsteinen hervortritt. Und welche Gestalten und Gesichter entzücken das Auge! Fehlt es auch nicht an Männern und alten Weibern, welche uns an Dämonen und Hexen erinnern, so verzeihen wir ihnen Allen ihre häßlichen Gesichter den vielen leibhaftigen Madonnen zu Liebe, die uns Alle so aufrichtig gnädig anlächeln mit den wundervollsten Linien des Mundes und bodenlos tiefen Augen.

Hier freut man sich darüber, daß die Gondel in dem Gedränge nur ruckweise vorwärts kommt; man ärgert sich nur, daß man nicht nach allen vier Seiten hin zugleich sehen kann. Endlich gelang es uns, bei einem der freien Plätze das Land zu gewinnen, und nun wurde uns erst die natürliche Gruppirung des Festes klar. Hier, auf diesen Reihen von Bänken, zwischen diesen Buden, welche, und zwar zur besonderen Ehre des Festes, in den schönsten und wirklich oft kunstwerthvollen Gefäßen, Fische und Backwerk aller Art, Salami und Melonen, Wein und Limonade und Gott weiß was Alles feil boten, erlustirte sich das eigentliche sogenannte „Volk“, während die vornehmere Welt auf dem Wasser blieb; aber hier wie dort wurde mit gleichem Appetit gegessen und getrunken, Guitarre und Gesang klangen von der Bank wie von der Gondel, nur den neckischen Fächerschlag, in welchem die venetianischen Schönen so unnachahmliche Anmuth zeigen, vermißte man hier. Dagegen nimmt die ungebundene Lust viel wechselndere Gestalt an. Da schreit, singt, tanzt, redet und lacht Alles durcheinander, Käufer und Verkäufer überbieten sich in Lungenkraftproben, und dazwischen die herrlichen Leierkästen, Ziehharmonicas und Dudelsäcke, das Stampfen und Zischen der Tanzenden, und das Krachen und Knattern abgebrannter Feuerwerke – kurz, es ist viel auf einmal, was über einen armen Menschenkopf hier herfällt, aber man wird nicht müde und wir Deutschen hielten Stand.

Wir wollten des Festes Ende sehen und haben es nicht bereut, obwohl wir hier Vergleiche anstellen mußten, die ähnlichen heimathlichen Festen nicht zur Ehre ausfielen. Oder brauchen wir erst zu schildern, wie namentlich in Gegenden, wo Bier und Branntwein ihren Einfluß kennzeichnen, das Bild eines Kirchweihschlusses aussieht? Wie so ganz anders, wie beruhigend, mit der ausgelassensten Lust versöhnend erlebten wir dies hier! Etwa eine Stunde nach Mitternacht begannen die Gondeln und Barken zu verschwinden, gleichzeitig verloschen, hübsch nach und nach, die Lichter der Häuser, Balcon um Balcon schloß sich, und als ob die Volkslust zwischen den Buden sich ohne das vornehme Publicum der Balcone und Gondeln nicht mehr behaglich fühle, ward Bank um Bank leer, jubelte Trüppchen um Trüppchen ab, so daß Gesang und Klang nach allen Seiten hin verhallten. Endlich saßen wir allein da vor dem grauenden Morgen und sahen die Herbstnebel über dem Canale grande dampfen.

Ja, sie sind schön, die Kirchweihnächte der Lagunenkönigin! Und da Venedig neunzig Kirchen besitzt, so wird es wohl eben so viele Feste dieser Art feiern. Mitfeiern möchte man sie alle, aber auch alle, beschreiben? Doch wohl nicht.