Neuer Görlitzer Anzeiger/Berzdorf auf dem Eigen II

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Autor: Ernst Krische
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Titel: Heimatbilder #39: Berzdorf auf dem Eigen II.
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aus: Neuer Görlitzer Anzeiger, Jahrgang 1927, Nummer 237
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Erscheinungsdatum: 9. Oktober 1927
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Erscheinungsort: Görlitz
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Quelle: Digitalisate auf Commons
Kurzbeschreibung: Heimataufsatz
siehe Berzdorf auf dem Eigen
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Kirche mit Kirchbauergut
Alte Linde
Inneres der Kirche
Alte Kirche von 1763

[1]

H·e·i·m·a·t·b·i·l·d·e·r
Berzdorf auf dem Eigen
39.
II[1].

Obgleich Berzdorf nur ein kleines Dorf ist, so ist ihm dennoch schon frühzeitig die Segnung einer eigenen Kirche zuteil geworden. Sie ist in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im romanischen Stil, wie heute noch drei Fenster, Chorgewölbe und Schwibbogen nachweisen, erbaut worden.

Schöner konnte die Baustätte der Kirche inmitten des Dorfes von ihrem Erbauer nicht gewählt werden. Es müssen doch seinerzeit außerordentlich günstige Verhältnisse für die Erbauung einer Kirche mitgesprochen haben, wenn man bedenkt, daß der kleine Ort nicht mal einem Besitzer allein gehörte, sondern drei nachweist.

Die Anhöhe der Kirche mit Kirchhofsanlage zeigt das Charakterische einer Schanzanlage: sicher war wohl schon vor der Erbauung der Kirche eine Stätte der Gottesverehrung hier vorhanden.

Ob Berzdorf ebenfalls, gleich den Nachbardörfern Schönau und Tauchritz nach Jauernick früher eingepfarrt war, muß fraglich erscheinen; denn eine Trennung von Jauernick kam nur dadurch zustande, daß die Dörfer bei Gründung einer eigenen Kirchfahrt einwilligten, als Abkommen den vierten Teil des Dezemgetreides weiter nach Jauernick zu entrichten. So hatte nach dem Jauernicker Zehntenregister Schönau drei Malter Getreide abzuliefern. Berzdorf dagegen findet keine Erwähnung.

Nach einer schriftlichen Überlieferung, die seinerzeit aus der Tradition – sowie vorhandenen Urkunden – geschöpft und um 1612 ihren schriftlichen Niederschlag fand, wird die Erbauung der Kirche dem Ritter Heinrich von Radeberg zugeschrieben. Er ist derselbe, den wir bereits als Lehnsherrn des v. Kamenzschen Anteils begegneten.

Der Bau der Kirche hat sich auf dem v. Schönburgschen Anteil vollzogen, der ehemals einen Rittersitz bildete, auf dem das Patronatsrecht der Kirche ruhte.

Lehnsherr war ebenfalls genannter v. Radeberg. Sein Schloß oder Wohnung hatte er mit der Kirche durch einen 17 Ellen langen, hölzernen Gang, 10 Ellen hoch über der Erde, verbunden.

Vor der Kirchenrenovation 1909 konnte man an der westlichen Kirchenmauer noch Merkmale der Stelle finden, die auf unserem Bild durch einen Strich gekennzeichnet ist, wo dieser hölzerne Gang einst in die Kirche führte.

Um den Beweis für die künftige Erhaltung der Kirche zu erbringen, erfolgte von dem Erbauer zugleich die Aussetzung der Pfarrwidemut als Pfarrlehn. Auch wurden zwei Widemuthäuser, ein Widemutgärtner sowie ein Widemutbauer (Nr. 32) zu Dienstleuten bestimmt, um dem Pfarrer bei Bestellung der Widemut behilflich zu sein. Den noch übrigen Teil des Ritterguts teilte genannter Heinrich v. Radeberg in vier Bauerngüter auf.

Bei dieser Aufteilung kamen namentlich dem der Kirche nächstanliegenden Kirchbauergut die Gebäude des Rittergutshofes zu Wohn- und Wirtschaftszwecken zugute, während sich die Besitzer der anderen drei Güter erst Höfe erbauen mußten, der Nachteil wurde durch eine größere Zumessung von Land ausgeglichen.

Die Abgabe von Zinsgetreide an die Klosterherrschaft betrug bis zur Ablösung (1838) von einem Hufengut jährlich 12 Scheffel Getreide. Von dieser Abgabe waren die letzten vier genannten Güter gänzlich befreit.

Bei dem genannten Kirchbauergut befindet sich an der Westseite ein alter Lindenbaum. (Er ist im Hintergrunde des Gehöfts durch ein Kreuz gekennzeichnet auf unserem Bilde.) Dieser alte Baumriese ist geköpft und bietet jetzt mit seinen Aststummeln und seinem Standort an einer alten Steinmauer mit schwach vorgezogenen Steinpfeilern ein grotesk wirkendes Naturbild. Diese Mauer ist sicher noch ein Überrest von den alten Steinmauern des ehemaligen Rittergutshofes, die erst im 17. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgebrochen wurden.

Beide, Baumriese und Mauer, verdienen gewiß, im Bilde erhalten zu werden.

Als die Hussiten vom 12. bis 15. Mai 1427, Neiße abwärtskommend, in hiesiger Gegend die Adligenhöfe zu Radmeritz und Tauchritz in Asche legten und bis Bernstadt vordrangen, ist von ihnen auf diesem Zuge auch die Berzdorfer Kirche in Brand gesteckt worden; sie haben wohl auch sonst noch das Dorf verwüstet. Eine Anhöhe nordöstlich des Pfarrhofs erinnert heute noch durch den Flurnamen „Husstenberg“ oder „Hussitenberg“ an die Lagerung der Hussiten. (Im ersten Aufsatz abgebildet.)

Erst um 10 Jahre später nach dem Brande hat man das Sparrwerk und den Kirchturm auf die stehengebliebenen Mauern wieder aufgebaut. Bis dahin mag die Brandstätte der Kirche ein gar trauriges Bild geboten haben. Ein früherer Aufbau war aber nicht möglich, wurde doch die Umgegend hier noch wiederholt von den Hussiten heimgesucht.

Mit dem brennenden Turmgebälk waren die Glocken herabgestürzt und geschmolzen. Man hat 1440 drei neue Glocken zu Zittau gießen lassen.

Nach Vollendung der inneren Einrichtung der Kirche, Bau der unteren Emporen und Anbringung der Kanzel an der Südseite, ist sie im Jahre 1443 durch den Weihbischof zu Meißen (Johannes Erler aus Moys), Bischof von Garda genannt, in honorem Beatae semper Virginis et St. Martini geweiht worden. Vorher hatte genannter Bischof die Jauernicker Kirche und, von Berzdorf gehend, die Deutschossiger Kirche geweiht.

Ein schöner Zug kirchlicher Gesinnung ist es, daß den Berzdorfern zu allen Zeiten die Erhaltung ihrer Heimatkirche am Herzen gelegen hat. So ward etwa um 1610 die ganze Kirche innen, Decke, Wände und Emporen, von neuem mit reichem Bilderschmuck, biblischen Darstellungen aus dem Alten Testamente versehen. Der Maler hatte sich auf einem Staffeleibild an der[WS 1] südlichen Wandfläche des Schwibbogens, das das jüngste Gericht darstellte, mit den Buchstaben C. E. (Casper Ender) verewigt.

Während des Siebenjährigen Krieges waren Kirchturm und Dachung immer mehr in Verfall geraten, und man muß daher die Gemeinde um so mehr schätzen und bewundern, wenn sie trotz aller Notlage, die der Krieg über das Dorf gebracht hatte, nach dem Kriege es ermöglichte, der so sehr baufälligen Kirche zu Hilfe zu eilen. Zur Bestreitung der Baukosten wurden reichlich freiwillige Gaben gespendet sowie Anlagen erhoben.

Auch waren vom Oberamt im Bautzener und Görlitzer Kreise 125 Kirchenkollekten ausgeschrieben worden, die aber viel schlechtes und verrufenes Geld ergaben. Turm und Glockenstuhl, die ursprünglich durch zwei Säulen im Schiff der Kirche unterstützt waren, erhielten bei diesem Bau nur eine Stützsäule; Kirchdach sowie Turm wurden mit Schindeln gedeckt.

Am 1. Oktober 1764 ward unter angemessener Feierlichkeit sowie Hebemahlzeit der Turmknopf mit Wetterhahn aufgesetzt.

Unser Bild zeigt die Kirche mit dem alten Turm. 1844 ward der Turmknopf herabgenommen, neu vergoldet und wieder aufgesetzt. Leider waren alle Urkunden, die man 1764 mit hineingelegt hatte, vermorscht vorgefunden worden. An Stelle des alten Wetterhahnes hat man hierbei eine Fahne angebracht, die heute noch die Jahreszahl 1844 trägt. 1868 wurde das schuppenartige Gewand der Schindeldachung auf Kirche und Turm – bei ersterer durch Ziegeldachung ersetzt und letzterer mit Blech beschlagen – in Landesfarben weiß und grün angestrichen.

Bis zur Erbauung der Kunnerwitzer Kirche (1839) hielten sich die Jauernicker und Niechaer (obgleich hier nicht eingepfarrt) kirchlich nach Berzdorf. Es muß auch ihnen nachgerühmt werden, daß sie für die Erhaltung und Verschönerung der Berzdorfer Kirche mit gesorgt haben, als sei es ihre eigene. Durch diesen Zuzug von Kirchengästen aus den Grenzkommunen machte sich ein fortgesetztes Einbauen der oberen Emporen, sowie 1770 der Altar-Emporen, nötig, auch wurden sonst noch, wo es anging, Kirchenstände (sogar an der Mittagseite des Altarraums) errichtet.

Im Laufe der Zeit war das Innere der Kirche nicht nur recht baufällig, sondern erschien auch veraltet und unzweckmäßig. Dank der Liebe zur Heimatkirche wurden von den Gemeindegliedern reichlich Spenden zur Erhaltung gezeichnet, so daß 1909 eine großzügige Kirchenrenovation stattfinden konnte.

Zwei Namen verdienen genannt zu werden, die reiche Geldmittel spendeten: Herr W. Zachmann †, bekannt als Verfasser der Heimatbücher „Auf dem Bauernhofe“ und „Im Lenz und Frühsommer“; beides sind Bücher von kulturhistorischem Wert (im Verlag bei Arwed Strauch, Leipzig), ferner Frau verw. Gutsbesitzer Alwine Brüchner †. Der Bau ist von dem Baumeister R. Schröter † in Bernstadt in höchst zufriedenstellender Weise ausgeführt worden. In Schmuck und Schönheit prangt nunmehr das uralte Dorfkirchlein. Alles Zwecklose und Entbehrliche an Emporen, Treppen sowie Stützsäule des Turms und Glockenstuhls in der Kirche sind beseitigt worden. Die bemalte Kassettendecke, Emporen und Gestühl finden, in dunkler Naturbeize gehalten, harmonischen Anschluß an die buntbemalte, etwa 350 Jahre alte Kanzel sowie an den reich vergoldeten Altar, der noch ein Zeuge aus der Zeit des Papsttums ist. Er ist ein früher, in der Oberlausitz üblicher, sogenannter Flügelaltar im gotischen Stil, in Holzschnitzerei verfertigt, und stellt ein kunstvolles sowie kostbares Kleinod dar.

Den Mittelschrank zieren drei große Figuren, darstellend entweder den heiligen Martin oder den Bischof Benno, mit Stab, die rechte Hand zum Schwur erhoben. In der Mitte die Gottesmutter mit dem Jesuskindlein, das die Weltkugel in den Händen hält. Zur anderen Seite die heilige Elisabeth im Begriff, Kranke zu laben; in der linken Hand einen Weinkrug, in der rechten einen Teller mit Früchten haltend. In den Seitenflügeln des Altars befinden sich in vier Abteilungen die zwölf Apostel in symbolischer Darstellung. Bei der Kirchenrenovation 1909 wurde der Altar von der „Königl. Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler Sachsens“ unentgeltlich restauriert.

1502 wurden zwei steinerne Nebenaltäre an die Mauer des Schwibbogens (einer gegen Mittag, der andere gegen Mitternacht) errichtet, die 1802 abgebrochen worden sind. Um 1702 erhielt die Kirche die erste Orgel, 1719 die erste Turmuhr, 1748 ward die zweite aufgestellt, und 1910 ward die gegenwärtige Uhr von einem Berzdorfer Kind, Herrn Fabrikbesitzer Ad. Zücker in Zittau, der Kirche geschenkt.

Die Berzdorfer Kirche kann sich auch der Ehre rühmen, daß eine Ordinationsfeier in ihr stattgefunden hat, und zwar am 21. August 1904, zugleich mit der Einweisung des gegenwärtigen amtierenden Herrn Pfarrers J. Klein in sein Amt.

Berzdorf erreicht man bei einer Fußwanderung: von Bahnhof Nikrisch, Deutsch-Ossig (Streitholzweg), Klein-Neundorf sowie von Niecha und Jauernick aus in ca. einer halben Stunde. In drei gemütlichen Gaststätten mit Lauben und Gärten: Gasthaus „Glückauf“, Gerichtskretscham und Gasthaus „Zur Eintracht“, wird man gute und freundliche Verpflegung finden.

E. K.

  1. Siehe auch Nr. 225.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Korrigiert. In der Vorlage: dier.