Onkel und Neffe (Rudolf Lavant)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Onkel und Neffe
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Deutscher Jugendschatz
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Genossenschafts-Buchdruckerei später Wilhelm Fink
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[2]
Onkel und Neffe.
Erzählung von Rudolf Lavant.

Der 24. Decbr. des Jahres 1851 war einer von den kalten, frostklaren, glitzernden deutschen Wintertagen, nach denen man sich im sonnigen, duftigen Süden oftmals so plötzlich und so schmerzlich sehnt. Der Schnee knirschte unter jedem Schritt, er ächzte unter den Rädern der Wagen und der Rauchfrost der Nacht vorher hatte die kahlen Ebereschen an der Landstraße in lose, duftige Spitzenschleier gehüllt. Das sah denn ganz reizend und mährchenhaft feierlich aus und eine Kinderphantasie konnte die ganze Welt für verzuckert und verzaubert halten, wenigstens so lange, bis die Schwinge einer Krähe die Aestchen streifte und der zarte Schmuck derselben sich ablöste und niederstäubte.

Der nicht mehr junge, elegant gekleidete Mann, der um die Mittagsstunde einen Nebenpfad durch den Wald zwischen dem böhmischen Städtchen A. und der bairischen Stadt H. verfolgte, schien Sinn und Auge für diese frische winterliche Schönheit zu haben; er ging langsam, blieb wohl auch einmal stehen und achtete so wenig darauf, ob er an jeder Kreuzung weiter von der Chaussee abkam, wie jemand, der jeden Weg und Steg genau kennt und sicher ist, sich jeden Augenblick orientiren zu können. Aber plötzlich blieb er doch betreten stehen, ja seine Wange verfärbte sich sogar ein wenig. Aufmerksam gemacht durch ein zorniges Zischen und Pfauchen über ihm, hatte er emporgesehen und seine Augen waren denen einer ungewöhnlich großen schwarzen Katze begegnet, die auf dem vorstehenden dürren Ast eines starken Baumes saß und sich wie zum Sprung zusammengeduckt hatte; ihre Augen funkelten in grünem und gelbem Lichte und mit dem starken, buschigen Schweif peitschte sie sich, gereizt und doch unschlüssig, die Flanken. Derartige Begegnungen verursachen auch dem Beherzten ein unbehagliches Gefühl, wenn er waffenlos ist – die Möglichkeit, daß eine solche halbverhungerte Bestie herabspringt, wenn man sich von der Stelle rührt, ist ja nicht ganz ausgeschlossen und man kann dann doch mindestens arg zerkratzt und gebissen werden. Der Fremde errieth instinctiv, daß er nichts Besseres thun konnte, als seinen Feind scharf zu fixiren und ihn nicht aus den Augen zu lassen – so sahen sich denn Mann und Bestie mehrere Minuten lang zuwartend und drohend an und die Hand des ersteren schloß sich unwillkürlich fest um seinen zierlichen Spazierstock, als könne ihm derselbe in dem bevorstehenden Kampfe etwas nützen.

Da kam von der andern Seite des [3] Weges aus dem Unterholz ein Geräusch wie von brechenden Aestchen und dann, gedämpft und von Eifer fast zitternd, der Ruf:

„Ruhig stehen bleiben – ich muß erst laden!“

Es war niemand zu sehen – die Stimme war aber unverkennbar die eines Knaben gewesen und erwartungsvoll lauschte der Fremde hinüber. Er hörte deutlich, wie eine Kugel in den Lauf gestoßen wurde, wie der eiserne Ladestock klapperte, wie der Hahn knackte und dann – ein scharfer Krach, das Aufblitzen eines Schusses und die Katze fiel lautlos und schwer herab auf den Weg und streckte nach einem kurzen, leichten Zittern die krallenbewehrten Tatzen steif von sich – von ihr war nichts mehr zu fürchten. „Hurrah!" hatte unmittelbar nach dem Schuß die helle fröhliche Knabenstimme von vorhin gerufen und im nächsten Augenblick sprang der kleine Schütze aus dem Unterholz über den Graben auf den Weg – mit einem sichern elastischen Sprung, während ein andrer Knabe, mit Gewehr und Jagdtasche beladen, langsamer und bedächtiger folgte.

Der glückliche Schütze schien sich allerdings viel weniger um den fremden Herrn zu kümmern, der ihm freundlich die Hand hinhielt, als um seine Beute. Mit von Eifer und Stolz gerötheten Wangen und blitzenden Augen bückte er sich nach dem Thier, hob es an den Hinterbeinen in die Höhe und rief seinen Gefährten herbei, der ziemlich linkisch näher trat.

„Nun schau nur einmal, Hans, was das für eine Mordsbestie ist! Aber getroffen hab' ich sie, daß der Onkel seine Freude dran haben wird. Schau her, in den Rachen und dann durchs Rückgrat – drum hat sie auch keinen Muxer mehr gethan! Du hast mich nicht umsonst angefletscht, schwarzer Satan, gerade zwischen die Zähne hast Du die Kugel bekommen! Wahrhaftig – kein weißes Härchen an dem Ungethüm; willst Du dir eine Mütze aus dem Pelz machen lassen, Hans?" so sprudelte es heraus und der Fremde legte endlich lächelnd die Hand auf die Schultern des kleinen Patrons und sagte:

„Hab vielen Dank, mein Junge – ich wußte wirklich nicht, was ich anfangen sollte und hätte mich wohl lange von dem Thiere anglotzen lassen können, ehe mir jemand zu Hilfe gekommen wäre. Aber sag einmal, kleiner Forstmann, gibt es denn viel solches Raubzeug hier herum?"

„Das will ich meinen und nicht bloß solche Katzen, die aus den Dörfern fortlaufen und im Walde in kurzer Zeit ganz und gar verwildern. Kommen Sie mit uns? Ich zeige Ihnen dann den Hühnergeier, den ich vor acht Wochen im Park geschossen habe; der Onkel hat ihn ausgebalgt, den Balg im Rauchfang gedörrt und ihn dann mit ausgespreizten Flügeln ans Hofthor genagelt und da soll er zur Erinnerung bleiben."

„Du hast ja rechte Heldenthaten zu erzählen – wie alt bist Du denn eigentlich?"

„Ach, schon neun Jahr und schießen kann ich seit dem achten – das hat mir der Onkel gleich gelehrt und später soll ich auch ein eignes Gewehr bekommen; das da gehört ja dem Onkel und wir haben es nur nach Hause tragen sollen."

„Womit hast Du denn aber da den Geier geschossen? Doch nicht mit der Armbrust?" Der Kleine sah den Frager ein wenig mitleidig an; hielt er es wirklich für möglich, einen Geier mit der Armbrust aus der Luft herab zu holen? Ein Jäger war der Herr ganz sicher nicht, sonst fragte er nicht so merkwürdig.

„Mit demselben Gewehr hier – komm Hans, gieb mir die Büchse und die Jagdtasche wieder und schlepp Du die wilde Katze heim – wird aber die Tante ein paar Augen machen! Gehen Sie noch ein Stück mit? Wenn Sie mögen, erzähle ich Ihnen, wie das mit dem Geier war. Sehen Sie, hier die Feder auf meinem Hut hab ich mir aus dem einen Flügel gezogen."

Der Fremde, den die kecke Art und der naive Stolz des Knaben belustigten, erwiderte:

„Gewiß mußt Du mir das erzählen, ganz ausführlich, aber sage, wo bist Du denn eigentlich zu Hause?"

„Ja so, das können Sie ja nicht wissen – drüben in Schloß Galendorf."

„Also ein Neffe des Freiherrn von Wildenstein?"

„Gott bewahre! der Herr von Wildenstein kommt nur immer Sonnabends heraus zu uns geritten und bleibt den [4] Sonntag da und da hat er denn auch zweimal Neffen mit gehabt, aber das waren langweilige, bequeme Peter und furchtsam wie die Hasen. Nein, es war zu lächerlich und mit dem einen hab ich mich tüchtig gerauft, weil er den Hans einen schmutzigen Bauerlümmel nannte."

„Nun, und wer hat denn da den Kürzeren gezogen?"

Der Kleine lachte hell auf. „Er war ziemlich einen Kopf größer als ich, aber ein prasseldürrer Schlankel, und ich hab ihn bald unter mir gehabt. Und dann schrie er schon nach den ersten Püffen so jämmerlich, daß das ganze Haus zusammen lief und nachher ist er nur noch im Bogen um mich herumgegangen. Und der will einmal Officier werden!"

„Nun, da sieh nur zu, daß er nicht einmal Dein Leutnant wird – vielleicht fiele es ihm ein, wie Du ihn als Knabe gebläut hast und er striche Dirs nachträglich an."

„Das wäre hübsch – aber das kann gar nicht sein, denn er ist ja ein Bayer und ich bin ein Sachse."

„So? Und wie kommst Du denn da nach Galendorf?"

„Mein Papa wohnt in Dresden und ich habe noch vier kleinere Geschwister, und da hat mich die Tante auf ein paar Jahre fortgeholt, denn der Onkel und die Tante sind alle beide unverheiratet und haben auch keine Kinder, und da ists doch in dem weitläufigen Schloß recht einsam für sie, und sie sind froh, daß sie mich haben und wollen mich am liebsten gar nicht wieder fortlassen."

Der Fremde mußte diese kindliche Auseinandersetzung aus irgend einem Grunde sehr interessant finden; er forschte weiter:

„Aber sehnst Du Dich denn nicht zurück nach Deinem schönen Dresden?" Der Kleine sah ihn erstaunt an – augenscheinlich war ihm ein solcher Gedanke noch nicht gekommen. Er erwiderte lebhaft:

„Da wäre ich doch recht dumm. Dort habe ich keinen Wald, keinen Park, keinen Forellenbach, nur einen kleinen staubigen Garten vor dem Hause, und wenn auch ein Springbrunnen drin ist, davon hab' ich doch weiter nichts. Und dann ist der Onkel doch auch so gut; er nimmt mich mit zum Angeln, ich gehe jeden Tag mit ihm in den Wald, ich lade und putze seine Gewehre und stopfe ihm die Pfeife, und er sagt mir, wie die Bäume und Sträucher und die Vögel heißen und die Schmetterlinge. Wollen Sie sich meine Sammlung ansehen? Von Trauermänteln habe ich sechszehn Stück – einer schöner als der andre, sogar einen Segelfalter habe ich auf dem Schlosse von einer Luke aus mit dem Netz gefangen und der Onkel spannt sie mir auf."

„Er ist also sehr gut und freundlich und zankt niemals?"

„Nun, manchesmal wird er auch wild, aber doch nicht gegen mich. Den alten Tagewächter Andres, der immer betrunken ist, haben wir diesen Sommer zufällig dabei ertappt, wie er halbreife Aepfel von den Bäumen an der Wallgrabenmauer schlug – den hat der Onkel freilich tüchtig zugedeckt: das ging immer rechts und links um die Ohren und der alte Kerl war halb todt vor Schreck. Hinterher hats dem Onkel aber doch wieder leid getan und er hat Abends drüben in der Schenke zwei Maaß für den Andres bezahlt. So wars auch mit der alten Hannkathrin ihren Hühnern; die kamen uns über die Mauer in den Gemüsegarten geflogen, zerkratzten die Beete und scharrten den Samen heraus, und es half immer nur ein paar Tage, wenn ich die Vogelflinte mit Erbsen lud und unter sie hinein pfefferte, daß die Federn flogen und sie wie toll durcheinander gackerten und nicht wußten, wohin sie rennen sollten. Schließlich erwischte der Onkel einmal ihren schönen bunten Hahn, drehte ihm den Hals um und warf ihn über die Mauer, aber am nächsten Tage, als ich ihm sagte, wie unglücklich die alte Hannkathrin wäre, die mir so oft Eier schenkte, schickte er mich mit ein paar Gulden Schmerzensgeld hinüber zu ihr."

„Nun – und die Tante, ist die auch so gut mit Dir?" forschte der Fremde weiter.

„Ach, die Tante Theres – nun freilich ist sie gut, sehr gut und lieb, aber sie ist doch nur ein Frauenzimmer, nicht wahr, und versteht nichts vom Jagen und Fischen und fürchtet sich vor den Flinten, sogar vor den Raupen und Eidechsen und Laubfröschen. Wenn wir vom Angeln kommen und bringen ein tüchtiges Gericht mit, so schleppt sie die Fische in die Küche und sagt gar nichts [5] – das muß dann so sein, haben wir aber nur ein paar Schwänzchen, so foppt sie uns den ganzen Abend und will wissen, ob sie etwa den Herrn Pfarrer und den Herrn Schullehrer auch noch zum Fischessen einladen soll und da kann der Onkel zuletzt ganz fuchtig werden. Sie will auch keine Sperlinge mehr braten weil ihr das Rupfen zu viel Mühe mache und die Dinger die Butter nicht werth wären, höchstens auf Kreuzschnäbel will sie sich noch einlassen, und ich habe doch die Spatzen zu Dutzenden von den Kirschbäumen geschossen, gleich vom Fenster aus. Wenn ich meine Bilderbogen austuschte oder auf Pappe gezogene Soldaten ausschnitt und die Spatzen ließen sichs in den Vogelkirschen gar zu wohl sein, nahm ich eben die Flinte aus der Ecke und schoß zum Fenster hinaus, und da ist der Tante in der Kochstube manchesmal vor Schreck das Geschirr aus der Hand gefallen und zertöpfert. Sie sagt, sie wäre ein bissel nervös, aber der Onkel und ich wissen nichts von Nerven, da braucht die Tante auch keine zu haben. Das war mit der armen Blindschleiche auch so eine Geschichte – hat da der Onkel gelacht!"

„Wie war denn das? Hat die Tante etwa gedacht, das wäre eine giftige Brillenschlange?"

„Das war diesen Sommer. Ich hatte mich mit einem Schüsselchen voll Wald-Erdbeeren – die aus dem Garten mag ich nicht, die haben gar keinen rechten Geschmack – und Milch auf die Bruchsteine gesetzt, die seit Jahr und Tag vor der Thür liegen – es sollte einmal irgend etwas gebaut werden, ist aber nichts daraus geworden – und da kam zwischen den Steinen das zierliche Köpfchen zum Vorschein und sah mich mit dem klugen Augen ganz vernünftig an; ich dachte mir: „was willst Du denn?" und ließ sie natürlich gehen; sie kam immer weiter heraus und zuletzt steckte sie den Kopf in die Milch und fing an zu saufen – ganz manierlich, und ich hatte meine Freude dran und sah ihr zu – gewiß hatte sie lange nichts so Gutes gehabt. Auf einmal kommt meine Tante in die Thür und wird kreideweiß – sie schreit laut auf und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, daß die Schlange wieder zurückfährt und die Knechte und Mägde zusammenlaufen und fragen, was los sei. Und dann mußten die Steine weggeschafft und die Schlange aufgejagt werden und die Knechte waren mit Prügeln und Mistgabeln hinter ihr her, durch den ganzen Hof, bis sie sie hatten, als aber der Onkel nach Hause kam, nannte er den Hansgörg, der sie aufgespießt hatte, einen richtigen alten Esel und sagte ihm, daß das Thier so unschuldig sei wie eine Bachstelze oder ein Rothschwänzchen. Zu mir aber sagte er, so seis recht – Männer dürften sich vor nichts fürchten. Mir hat er aber die Furcht auch recht bald abgewöhnt."

„Wie hat er denn das angefangen? willst Du mir das auch erzählen?"

„Warum denn nicht? Als ich vierzehn Tage da war und in allen Ecken bis auf den Boden und in den Kellern Bescheid wußte, wurde mir eines schönen Abends gesagt, ich schliefe nicht mehr mit parterre, sondern im ersten Stock in dem kleinen Zimmer neben dem Ahnensaal, wo die vielen alten geschwärzten Bilder hängen. Es ging auch niemand mit, und als ich fragte, ob ich das Licht mitnehmen dürfe, meinte der Onkel, es sei ja Mondschein und taghell und er wollte doch einmal sehen, ob ich ein tapfres Herz hätte. Mir wars freilich Angst und Bange, aber ich habe doch nichts gesagt, und als sich die Geschichte erst einige Male wiederholt hatte, standen mir die Haare nicht mehr zu Berge und ich wartete früh mit dem Heruntergehen nicht, bis es ganz hell geworden war und sah mir zuletzt, wenn es hell genug dazu war, auch die häßlichen alten Herren und Damen an den Wänden ganz kaltblütig an und zuletzt konnte ich sogar in den Spiegel sehen, und das hätte ich mir in den ersten Nächten doch um keinen Preis getraut. Jetzt geh ich Nachts durch den Wald und wenn man die Hand vor den Augen nicht sieht, und nur einmal ists mir unheimlich gewesen, – als ich auf einer sumpfigen Waldwiese Irrlichter herumtanzen sah; nachher hat mir der Onkel aber auch das ganz einfach und natürlich erklärt."

Ueber diesem Geplauder, das den Fremden ganz eigenthümlich zu bewegen schien und seine Mundwinkel mehr als einmal zucken ließ, während Hans mit der Katze in einiger Entfernung hinterhertrottete. [6] – der fremde Herr genirte ihn doch und schüchterte ihn ein – war man aus dem Walde getreten und das nur noch eine gute Viertelstunde entfernte hochgelegene Schloß ließ seine Fensterreihen in der Mittagssonne blitzen. Der Fremde machte Halt und als der Knabe ihn verwundert ansah, sagte er:

„Nun muß ich umkehren, mein kleiner Freund – sag aber, wie heißt Du denn eigentlich?"

„Robert Wirth, und der Onkel Heinrich Walther und die Tante Therese Walther – aber ich hab' gedacht, Sie kommen mit? der Onkel kommt Mittags nicht heim und ißt beim Förster, und einen Teller Suppe und ein Stück Hasenbraten gibt Ihnen die Tante gern – sie freut sich immer, wenn Gäste kommen, am meisten freilich, wenn sie es schon ein paar Tage vorher weiß – dann gibt es Serviettenkloß und den macht, wie sie sagt, auf der ganzen Welt niemand besser als sie; es wäre auch ihres Vaters und ihres Bruders Ferdinand Leibgericht gewesen."

So, da hast Du also noch einen Onkel?"

Ja, den kenne ich aber nicht, der wohnt in Italien, wo die feuerspeienden Berge sind, oder sonstwo; die Tante kramte einmal in einer alten Kiste und da fiel ihr eine Bleistiftzeichnung in die Hände, die sie lange betrachtete; schließlich kamen ihr Thränen in die Augen und das kann ich nicht sehen. Ich fragte sie nach dem Bilde und da hat sie mir das gesagt und auch, daß sie diesen Bruder wohl nie wiedersehen würde. Mir fiel das ein paar Tage später ein, als ich mit dem Onkel im Holze war und ich fragte ihn nach Onkel Ferdinand und warum er nicht einmal zu uns käme; da machte er aber ein ganz finsteres Gesicht und fragte barsch, wer mir die Dummheiten in den Kopf gesetzt hätte und verbot mir, den Namen wieder zu nennen; solche Dinge zu wissen, sei ich noch viel zu jung und ein richtiger Junge sei auch nie neugierig – das wären nur die Mädchen und denen hielte mans zu Gute, weil es in der Natur läge."

„Der Onkel verwaltet das Gut für den Herrn von Wildenstein?“

Ja, sie sind Schulkameraden und haben immer zusammen gejagt, gefischt und Bäume gepflanzt, und als Herr von Wildenstein das Gut kaufte, bat er den Onkel, es ihm zu verwalten – das könne doch niemand so gut als er, und für ihn wäre es doch auch eine Beschäftigung nach seinem Herzen, wie er sie sich schon oft gewünscht hätte."

„Nun hab schönen Dank, mein Junge – der Onkel wird ja heute doppelt stolz auf Dich sein und wer weiß, was Du Schönes bescheert bekommst. Heute Abend brennt doch ein Baum bei euch?"

„Freilich – Onkel hat selbst eine junge Edeltanne ausgesucht und der Jägerbursche hat sie gestern mit hereingebracht. Der wird übrigens nicht schlecht über die Katze staunen und nun muß er mir auch einen von seinen jungen Dachseln schenken. Denken Sie sich, der nimmt Nachts nicht bloß die alte gute Diana, sondern auch ihre vier Jungen mit ins Bett – es krabbelt und wimmelt nur so unter der Decke."

„Allerdings eine tolle Wirthschaft, aber sage, hast Du Dir denn recht viel gewünscht?"

„So viel, daß der Onkel sagte: „Nun hör' aber bald auf." Einen großen Baukasten; ein Schiff, das ich im Mühlteich schwimmen lassen kann, eine aus Bindfaden geknüpfte Jagdtasche, eine große Naturgeschichte mit Bildern, ein Dutzend Bilderbogen, neue Zeichenvorlagen u.s.w. Die Hauptsache habe ich aber nicht einmal gesagt: einen Muscheltuschkasten möcht ich gern, wie Pfarrers Alfred einen hat, mit Gold- und Silbermuscheln; ich hab aber erst vor einem Vierteljahr einen Täfelchen-Tuschkasten bekommen und wollt ich jetzt schon wieder einen haben, so könnte der Onkel sagen, ich wäre unverschämt. Und das thäte mir sehr leid, denn ich habe ihm schon große Sorge gemacht. Denken Sie sich, ich hatte diesen Sommer zu viel von den kleinen süßen Stachelbeeren mit der pelzigen Haut gegessen und da hab ich die Ruhr bekommen und bin sehr, sehr krank gewesen. In einer Nacht ist der Onkel, um den Arzt zu holen, hinein in die Stadt geritten und hat gleich ein zweites Pferd mitgenommen, damit der Doctor aufsitzen konnte, er hat aber auch die geladenen Pistolen in die Halfter gesteckt, und die Tante hat gemeint, wenn ich todt gewesen wäre, [7] als er zurück kam, hätte er sich erschossen, denn Papa und Mama würden ihn verantwortlich gemacht haben, als ob er mich nicht ordentlich beaufsichtigt hätte."

„Ja, da wird er am Ende auch zanken, daß Du aus seinem Gewehr geschossen hast?"

„Ach Gott behüte; zum Schein wird er freilich ein wenig brummen und schelten, aber heimlich schmunzelt er doch und wenn ich ihn dann beim Kopf nehme und ihm auseinandersetze, wie die Sache war, gibt er sich gleich zufrieden. So war's ja auch, wie ich den Geier – aber sehen Sie, nun hab' ich Ihnen die Geschichte noch gar nicht erzählt" –

„Recht hast Du, aber laß Dich das nicht verdrießen; vielleicht komme ich während der Feiertage einmal zu Dir und lasse mir zeigen, was Du bekommen hast und dann erzählst Du mir haarklein, wie Du dem Geier beigekommen bist."

„Ach, das wäre hübsch – aber von dem Muschelkasten dürfen Sie nichts erwähnen."

„Gewiß nicht – adieu, kleiner Schütze!"

Und der Herr trat durch den Wald den Rückweg an, während Robert und Hans rasch dem Schlosse zuschritten.

[10]
2.

Das alte Schloß, einst ein festes Raubritternest, dient jetzt friedlichen Zwecken, es ist in eine Brauerei verwandelt; der Wallgraben ist längst trocken gelegt und zur Anlage von Baumschulen und Gemüsebeeten verwendet worden, und die Nachkommen der Wegelagerer von einst haben sich auf der zugänglichsten Seite des Berges, wo auch die Fahrstraße sich im Bogen emporzieht, in Büchsenschußweite von der Burg ihrer Ahnen ein etwas düstres und im Zopfstyl gehaltenes, aber recht behagliches Schlößchen erbaut, während Park- und Gartenanlagen, terrassenförmig aufsteigend, die drei steilen Seiten des Berges bedecken.

In diesem neuen Schloß, das mit der sorglosen Raumverschwendung früherer Jahrhunderte erbaut ist und die eine Seite eines Vierecks bildet, dessen andere drei Seiten von Stallungen, Scheunen, Wirthschaftsgebäuden und der Wohnung des Oekonomie-Pächters gebildet werden, wohnt im Erdgeschoß der Verwalter Walther mit seiner Schwester und seinem kleinen dresdner Neffen; die sämmtlichen übrigen Räume stehen leer, wenn der Besitzer nicht am Sonnabend Abend gekommen ist und die Nacht im Fremdenzimmer zubringt. Für die drei Menschen ist das saalähnliche Parterrezimmer, in dem sie sich meist aufhalten, auch viel zu groß; das Licht der Hängelampe vermag den weiten Raum nur sehr theilweise zu erhellen und in den Ecken webt ein geheimnißvolles Dämmern. Die schweren geschnitzten Möbel, die von Alter und Rauch ein tiefes Dunkel angenommen haben, würden dem Gemach ein düsteres Aussehen verleihen, hätte sich nicht seit vielen Wochen eine geschickte Frauenhand mit Erfolg bemüht, diesen Raum lichter, freundlicher, behaglicher zu machen – es ist recht traulich und gemüthlich in dem Zimmer der alten Leute und ihres kleinen Lieblings und während draußen ein schier undurchdringliches Gewühl und Gewimmel von großen grauen Flocken die Luft erfüllt, legt das prasselnde Feuer im Ofen unstete rothe Lichtstreifen auf die Eichendielen und zu der Hängelampe über dem weißgedeckten Tisch steigt aus der geöffneten Suppenschüssel der helle Dampf empor.

Der alte Jäger will Abends, wenn er aus Frost und Gestöber heimkommt, seine heiße, wärmende Suppe haben, die er schweigend auslöffelt. Der kleine Robert sitzt ihm lesend gegenüber, den Arm auf den Tisch gestemmt; sein Jagdabenteuer mit der schwarzen Katze hat er natürlich längst hastig und freudestrahlend erzählt und der Alte hat mit mühsam unterdrückter Bewunderung und in überwallendem Stolz einmal über das andere gemurmelt: „Wahrhaftig, besser hätte ich sie auch nicht treffen können und wenn's auch keine Distanz war – hast Deine Sache gut gemacht, Junge; und was wahr ist, muß gelten." Er hatte seine Meinung dahin ausgesprochen, daß das Thier sich gewiß schon seit Jahren im Walde herumtreibe und daß sich nach einer solchen Zeit zwischen wilden und verwilderten Katzen bezüglich ihrer Größe, Stärke und Wildheit kaum noch ein Unterschied entdecken lasse. Von dem fremden Herrn war nur sehr beiläufig die Rede; Robert hatte gefunden, er habe Aehnlichkeit mit dem Herrn Advocaten aus H., der einmal zu Besuch da gewesen und die Tante hatte lächelnd hinzugefügt:

„Ja so, das war damals, wo ich Windbeutel gebacken hatte und Du mich um noch einen ,Advocaten‘ batest; als wir Dich fragten, was das heißen sollte, zeigtest Du auf die Schüssel und meintest, der Onkel hätte Dir einmal gesagt, jeder Advocat sei ein Windbeutel", aber weiter hatte sich Niemand für den Fremden interessirt und der Onkel sprach die Vermuthung aus, der Herr möge wohl ein Amtsbruder eines der Pfarrer in den umliegenden Ortschaften gewesen sein, der während der Festtage vikarire.

Der alte Jäger hatte inzwischen abgetafelt [11] und das war für Robert ein Wink, sein Buch zuzuschlagen und zu ihm auf das altvätrische Sopha zu springen; die großen Aufschlagestiefel standen längst am Ofen und die Hilfeleistung beim Ausziehen derselben und das Herbeibringen der gefütterten Hausschuhe war Roberts Amt bei des Onkels Nachhausekommen. Noch lieber war ihm aber die Sophastunde; der Onkel erzählte ihm entweder Jagdepisoden, die er mit leuchtenden Augen anhörte oder wichtige Begebenheiten aus der Geschichte oder er lehrte ihn Vogelstimmen nachahmen, und es war höchst ergötzlich, wenn sie ein kleines Zankduett zwischen Hühnerhund und Dachshund aufführten, bis die Tante demselben durch energische Proteste ein Ende bereitete.

Am Abend vorher hatte der Alte von den Durchzügen der unbärtigen Knabensoldaten Napoleons und der mit allerlei Beute bepackten Kosakenpulks erzählt, die während der Freiheitskriege das Städtchen H. berührt hatten, und diese Erzählungen mußten wohl einen tiefen Eindruck auf das Gemüth seines jugendlichen Zuhörers gemacht haben, denn der Onkel fragte plötzlich mit seinem gutmüthigsten Lächeln und in bester Laune:

„Nun sag aber einmal, Katzentödter, was hast Du denn heute früh im Park der Marlene und der Babett für einen historischen Vortrag gehalten? Die Babett sagte mir vorhin, Du müßtest doch einmal ein wahrer Ausbund von Gescheitheit werden, denn schon jetzt seist Du ganz grausam gelehrt und hättest ihnen Geschichten erzählt von Russen und Preußen und Oestreichern und Schweden und Franzosen und von einem Pollakenherzog, daß ihnen Mund und Nase offen gestanden hätten – und die Worte hättest Du dabei gesetzt, besser und zierlicher wie der Herr Schullehrer."

Robert wurde ein wenig roth, sagte aber lebhaft und eifrig:

„Ja sieh, Onkel, das war Dir so. Ich sah ihnen zu, wie sie die ausgesägten Zacken von den Obstbäumen zerhackten und bündelten, und da meinte die Marlene, ich könnte ihnen wohl etwas erzählen. Da hab ich sie gefragt, ob sie denn etwas von der großen Leipziger Schlacht wüßten, und denke Dir, die großen Frauenzimmer hatten in ihrem Leben noch nichts davon gehört, und als ich ihnen erzählte, wie sie die Brücke zu früh in die Luft gesprengt haben und so viele ertrunken sind, selbst der Marschall Poniatowski, da faltete die Babett die Hände und fing an zu flennen und meinte: „Ach, Du lieber Gott, die armen Leute – und gewiß lauter hübsche junge Menschen! Es ist eine Sünd' und Schande, wie sies im Kriege treiben, und wenn nur die Türken nicht einmal zu uns kommen, denn die verschonen Frauen und Kinder nicht!" Da hab ich sie aber gehörig ausgelacht und ihr gesagt: „Aber Du weißt doch auch von der Gotteswelt nichts, Babett! Die Türken – das wären mir die Rechten! Die denken nicht dran, zu uns zu kommen, die sind heilfroh, wenn man sie in Frieden aus ihren langen Pfeifen rauchen läßt."

„Na, da hat die Babett einmal etwas Neues gehört, zum Lohn dafür, daß sie Dir im Sommer Frösche für die Krebse fangen half, die uns der Freiherr über den Hals schickte, und die bei dem großen Festessen verspeist werden sollten. Weißt Du noch, wir hatten sie in den einen steinernen Röhrtrog gethan. Du konntest aber doch nicht genug Frösche schaffen, und als wir die Kerle herausnahmen, fehlten eine ganze Menge – die großen hatten sich über die kleinen hergemacht und sie aufgefressen."

„Ach ja, das war damals, wie die Schnecken in der Nacht die blechernen Stürzen von den eisernen Töpfen abhoben, und als die Kochfrau früh in die Küche kam, krochen die Schnecken am Boden, an den Wänden und an der Decke herum!"

Die Sache mußte wohl sehr komisch ausgesehen haben, denn Robert klatschte in die Hände und brach in ein übermüthiges Gelächter aus: „Wer wird aber auch Schnecken essen! Da lob ich mir doch ein Stückchen Hecht."

„Ach so", mischte sich die Tante ein, „da kommt auch die Rache mit ins Spiel, denn das vergißt Du den Hechten Dein Lebtag nicht, daß Dich der große, der sich an der Nachtschnur gefangen hatte, bei einem Haar in den Teich gezerrt hätte, als Du ihn herausziehen wolltest; wäre die Weide nicht gewesen, an die Du Dich klammertest, [12] er wäre Herr über Dich geworden und ohne den Onkel hättest Du ihn überhaupt nicht aufs Land gebracht – es war freilich auch ein Mordskerl."

„Nun ja, er hat derb gerissen und die Schnur schnitt mir schlimm in die Finger, aber losgelassen hätte ich ihn doch nicht, da hätt' es werden können, wie es wollte; der Hans freilich, der hätte gedacht, er hätte ein Krokodill an der Leine – ich habe es ihm nämlich in meiner kleinen Naturgeschichte gezeigt und ihm vorgeredet, die gäbe es auch bei uns, sie säßen nur ganz tief unten."

„Ja so, wie ist denn das", mischte sich der Onkel wieder ein, „was willst Du denn dem Hans bescheeren?"

„Ich weiß schon, was ihm Freude macht – das alte Bilderbuch, das ich noch aus Dresden mitgebracht habe und in dem ich jede Zeile auswendig weiß, und eine Schachtel Bleisoldaten – die Schotten, die gar keine Hosen anhaben – und meinen kleinen Papierdrachen. Weißt Du noch, Onkel, wie das ganze Dorf zusammenlief, als ich den aus Dresden bekommen hatte und zum ersten Male auf dem Anger steigen ließ? Und er hatte nicht einmal eine richtige Wage und schoß einmal links und einmal rechts kopfüber herunter. Da ist der große, den wir dann gebaut haben, doch ein andres Stück Arbeit! –"

„Und wer bekommt denn sonst noch etwas?"

„Das liegt alles schon parat; ich habe doch nach und nach, wenn wir in der Stadt waren, von den alten Basen so viel Zuckerzeug bekommen, Lebkuchen und Pfeffernüßchen und was es nur gibt, und wenn man so groß ist, wie ich, schickt sichs doch nicht mehr, solche Näschereien zu essen – das wird alles vertheilt und Pachters Mariechen bekommt das Meiste, weil sie krank war. Sie soll ihren Theil auch nicht in einer Düte bekommen, sondern in der runden Pappschachtel, mit dem hübschen Bild auf dem Deckel, in der mir meine kleine Schwester Amely, das gute Ding, die ersten Strümpfe geschickt hat, die sie mit ihren winzigen Fingerchen gestrickt hat. Das muß doch recht niedlich aussehen, wenn sie mit den großen Nadeln hantiert. Nun, meinetwegen, ich lern's nicht – nicht wahr, Onkel, von den Männern stricken nur die alten Schäfer, damit sie nicht so arge Langeweile haben?"

„Hast Du denn auch an den alten blinden Drechsler Polenz gedacht, der Dir so viele Bolzen zu Deiner Armbrust – weißt Du, zu der aus einer Dachschindel geschnitzten? – drehte und gar nicht ärgerlich wurde, wenn Du auch an einem Tage ein halbes Dutzend verschossen hattest?"

„Aber, Onkel – wie werd' ich denn den alten Polenz vergessen! Der bekommt sogar, in rosa Seidenpapier eingewickelt, einen funkelnagelneuen Gulden, den ich mir beim Briefträger eingewechselt habe, und eine Flasche Rum; es wäre doch recht schlecht von mir, wenn ich an ihn nicht denken wollte."

„Von Einem hast Du mir aber doch noch nichts gesagt – vom rothen Christian in der Schenke, und ihr habt euch doch so viel mit einander abgegeben."

Es lag ein eigenthümlicher Ton in der Frage, die jedenfalls einen tieferen Sinn hatte, und Robert erröthete denn auch bis in die Schläfe und sagte endlich trotzig:

„Nein, Onkel, der bekommt nichts – wir sind nicht mehr gut mit einander."

Der Onkel stellte sich sehr verwundert und fragte:

„Ja, was habt ihr beiden rabbiaten Kerle denn mit einander gehabt?"

„Ach weißt Du, Onkel, er ist schlecht – denke Dir, dem Officier meiner einhauenden französischen Kürassiere hat er den Kopf abgebrochen, und ich hatte die Schachtel erst den Tag vorher auf dem Jahrmarkt mir gekauft."

„Nun, das wird unabsichtlich geschehen sein, aus Versehen, meinetwegen aus Ungeschick."

„Nein, nein," betheuerte Robert eifrig, „er hat ihm den Kopf absichtlich mit der kleinen Zange abgezwickt; er ist boshaft und neidisch und hat mir die Soldaten nicht gegönnt – und das ist ja auch kein Wunder, denn Du hast mir doch selber gesagt: ,Ellernholz und rothe Haare wachsen auf keinem guten Boden.‘"

„So, habe ich das gesagt? Das ist aber doch mein Ernst nicht gewesen und ich habe es sicherlich nur scherzhaft gemeint."

„Das weiß ich freilich nicht, aber sieh, Onkel, er ist auch dumm, so dumm [13] – nein, Du glaubst es gar nicht. Wenn ich ihm eine Aurora zeige und dann ein Pfauenauge und ihn am andern Tage frage, wie die Schmetterlinge heißen, so macht er ein stupides Gesicht und sagt: ,Das ist ein Buttervogel und das ist auch ein Buttervogel.'"

„Ja sieh, das wird aber auch alles sein, was sein Vater weiß – die Leute auf dem Lande kümmern sich nicht um die Namen der Schmetterlinge und wissen nur, daß die Raupen der Weißlinge ihren Kohl fressen."

„Das ist ja alles richtig, aber wenn ich's ihm sage, so soll er sich's merken. Und siehst Du, eins namentlich werde ich ihm nie vergeben. Du hattest doch, als die Kartoffeln gehäufelt wurden, den Mägden gesagt, sie möchten acht geben, ob sie nicht vielleicht eine große grün und gelbe Raupe fänden, und die Sabine hat auch eine gefunden und weil das große dumme Frauenzimmer, die sich vor dem wildesten Ochsen nicht fürchtet, sie nicht anzugreifen wagte, hat sie den kleinen Zweig, an dem sie saß, abgebrochen und in der Schürze mit Zittern und Zagen hereingebracht. Ich war drüben am Teich und ließ flache Steine über's Wasser tanzen – ich weiß es noch wie heute – und bei Dir war der böhmische Oberförster mit dem gewichsten Schnurbart im Zimmer und da wollte sie nicht klopfen und stand an der Hausthür und ekelte sich vor der Raupe. Und da fing die an zu kriechen und in ihrer Angst nimmt sie den Zweig aus der Schürze und legt ihn auf die Schwelle und läuft wieder hinaus auf's Feld und denkt, wir werden das Thier schon finden. Darüber kommt der Christian und bildet sich ein, Gott weiß was vor sich zu haben und tritt mir die prächtige Todtenkopfraupe mit seinem Holzpantoffel zu Brei, und es war doch die einzige, die gefunden worden ist, und ich kann nun lange warten, bis ich einen Todtenkopf in meiner Sammlung habe."

„Das ist nun freilich ein großes Verbrechen, aber wer wird denn so unversöhnlich sein, Junge? Das ist man ja gar nicht gewöhnt von Dir."

„Ach, Onkel, das ist noch gar nicht alles! Du weißt doch noch, wie ich mir in Pachters Haferfeld die zwei großen grünen Graspferde gefangen hatte, die in der Pappkirche vor dem Fenster die ganze Nacht so lustig sangen? Da hat mir der dumme Tölpel, der Christian, das Gazefenster hineingestoßen, und fort waren die beiden, und ich hatte das Nachsehen – nein, ich kann nicht wieder gut mit ihm werden, und da soll ich ihm auch noch etwas zu Weihnachten schenken?"

Der Onkel blies eine große Rauchwolke von sich. „Ich will Dir einmal etwas sagen, Junge. Als die beiden Brüder aus der Schmiede, mit denen Du doch auch erst gut Freund gewesen warst, das kleine Kätzchen zu Tode gesteinigt hatten und sich Dir gegenüber dessen auch noch rühmten und Du in eine Rauferei mit ihnen geriethest, weil sie sich nicht überzeugen lassen wollten, daß dies eine abscheuliche Grausamkeit gewesen sei, und Du mit braunen und blauen Flecken und einem tüchtigen Loch im Kopfe heim kamst, habe ich Dir da den geringsten Vorwurf gemacht, obgleich die Geschichte leicht schlimm hätte ablaufen können?"

Die Augen des Kleinen blitzten. „Nein, Onkel. Du hast mir im Gegenteil gesagt, ich hätte recht gethan – ein ordentlicher Mensch dürfe kein Unrecht leiden und wenn er sich zehnmal sagen müsse, daß er den Kürzeren ziehen werde, und leider ließen die meisten Menschen aus Feigheit das Unrecht geschehen, statt mannhaft dagegen aufzutreten und nothfalls die Fäuste zu gebrauchen."

„Du sagtest damals, Du würdest mit den beiden Thierquälern nie wieder ein Wort reden und sie nie wieder ansehen, denn ein Mensch, der ein armes Thier mit boshafter Freude quäle, sei durch und durch schlecht, und man könne niemals wieder Vertrauen zu ihm haben."

„Ja, das hab' ich gesagt und ich hab's auch gehalten. Sie sind mir wieder in den Weg gelaufen und wollten thun, als sei gar nichts vorgefallen, ich hab' ihnen aber erklärt, ich möchte nichts mit ihnen zu thun haben, denn sie würden doch einmal weiter nichts als Schinderknechte. Daß sie mich so dämisch geprügelt hätten, daraus machte ich mir weiter nichts und sie hätten ja auch jeden Puff und jeden Schlag ehrlich zurückbekommen, aber das arme blutige Kätzchen hätte ich immer noch vor Augen und würde es auch nie vergessen können."

„Nun ja – und nicht wahr? ich habe Dir nie gesagt, daß Du Frieden [14] mit ihnen schließen solltest, obgleich es dem alten Schmied recht fatal war, daß Du nicht mehr in die Schmiede kamst, sodaß er mich geradezu fragte, ob man Dir denn ein scheeles Wort gesagt oder Dir sonst etwas zu Leide gethan hätte – wäre das, so würde er seine Buben dermaßen karbatschen, daß sie sich's gewiß nie wieder einfallen ließen, sich an Dir zu reiben. Sie hätten es ja verdient gehabt, aber Du wolltest nicht den Angeber spielen, und das hat mir auch wieder von Dir gefallen."

„Ach ja, Du sagtest mir, die Angeber wären in Deinen Augen beinahe die allerschäbigste und allerverächtlichste Sorte Menschen – man nenne sie auch – ja, wie war das nur? – halt, ich hab's – ,Denuncianten‘."

„Nun sieh, Robert – in diesem Falle habe ich Dir also keine Vorstellungen gemacht und nicht verlangt, daß Du versöhnlich sein solltest. Was aber den rothen Christian anbetrifft, so bist Du nicht im Recht, denn er hat nichts gethan, was man nicht vergeben und vergessen könnte. Eine Weile magst Du ja auch um solcher Kleinigkeiten willen trotzen – denn es sind eben doch nur Kindereien – aber die Geschichten sind ja schon alt, so alt, daß Gras darüber gewachsen sein könnte, und der Christian, dem es so leid thut, daß Du nichts mehr von ihm wissen willst, gibt sich ja alle Mühe, sich mit Dir auszusöhnen – da muß man versöhnlich sein und darf seinen Groll nicht hegen und pflegen, als wäre er ein liebenswürdiges und ehrenvolles Gefühl."

Der Kleine war nahe am Weinen; des Onkels ungewohnt ernste und eindringliche Worte machten einen tiefen Eindruck auf ihn, aber es wurde ihm doch sehr schwer, den verlangten Entschluß zu fassen; er hatte sich seit Wochen in den Zorn gegen den einstmaligen Gespielen hineingelebt, und es kam ihm hart an, alle erlittene Unbill vergessen zu sollen. Endlich sagte er aber doch, mit gesenktem Kopf und ziemlich kleinlaut:

„Nun ja, Onkel, recht wirst Du schon haben, und wenn der Christian zu mir kommt und mir ein gut Wort gibt, will ich nicht mehr an seine schlechten Streiche denken und ihm die Hand geben, wenn mir's auch das erste Mal sauer werden wird."

Der Onkel strich sich den schon reichlich mit Grau durchschossenen Schnurbart, hob den Kopf seines Neffen am Kinn in die Höhe und sagte freundlich:

„Siehst Du, daß es Dir gar nicht so ernst mit dem Zürnen war und daß ein gut Wort immer eine gute Statt findet? Man soll sein Herz nicht zu einer Mördergrube machen, Junge – man thut damit nicht blos den andern, sondern auch sich selber weh und macht sich manchen Tag trübe, der heiter sein könnte. Aber wie wäre es denn, wenn Du nach dem ersten Schritt, der auch im Guten der schwerste ist, auch den zweiten thätest und hinüber zum Christian gingst und ihn fragtest, ob er nicht morgen einmal kommen wolle, um sich Deine Bescheerung anzusehen? Er kommt – verlaß Dich d'rauf – und da kannst Du ja immer etwas für ihn zurecht stellen."

Die Widerstandskraft des kleinen Robert war bereits gebrochen – er holte tief Athem und sagte dann mit einer gewissen Anstrengung:

„Ja, Onkel, ich will gehen – gleich nachher."

Es zuckte eigenthümlich in dem gebräunten, wetterharten Gesicht des Alten und seine breite, schwere Hand glitt schmeichelnd über den dunkelbraunen Lockenkopf seines Lieblings, aber er sagte nur ganz einfach: „Recht so!" und als Robert hastig nach seiner Pelzmütze lief und die Handschuhe, die ihm die Tante aufdringen wollte, lachend ablehnte, rief er ihm nach:

„Was ich Dir noch sagen wollte – drüben auf der Chaussee ist ein ganzer Schwarm Krammetsvögel in die Vogelbeeren eingefallen und morgen Nachmittag gehen wir hinüber und schaffen der Tante Vorrath in die Küche." Er wußte genau, welche Freude er dem Kleinen machte, der mit einem jubelnden: „Also endlich sind sie da! Das hat aber lange gedauert!" davonsprang und im Hofe mit einem Satze einen hohen Schneehaufen übersprang. Nun war das Friedenschließen gar nicht mehr schwer.

[18]
3.

Während der Abwesenheit Roberts hatte sich die Tante in das Nebenzimmer begeben, um dort die letzte ordnende Hand an die Bescheerung zu legen; erst im Laufe des Nachmittags hatte ein besonderer Bote aus H. die Dresdner Kiste gebracht, deren bunter Inhalt noch manche Aenderung des Arrangements nothwendig machte. Ihr Bruder war allein im Wohnzimmer zurückgeblieben, hatte sich eine frische Pfeife in Brand gesetzt und sich so in seine geliebte „Augsburgerin" und in einen Artikel über die Nothwendigkeit eines größeren Schutzes für die Fische in fließenden Gewässern vertieft, daß er ein mehrmaliges schüchternes Klopfen an der Thür ganz überhörte. Es war ein ziemlich ungeduldiges: „Herein!", mit dem er aufsprang, als er endlich das Klopfen vernahm, und die Zeitung zur Seite legte, um ein paar Schritte nach der Thür zu thun. Diese hatte sich inzwischen geöffnet und ein kleiner Knabe war in derselben erschienen, in der Rechten einen Brief haltend und in der Linken verlegen die abgeschabte, mottenzerfressene Pelzmütze drehend.

„An mich?" fragte der alte Herr, „und von wem?"

„Ich weiß nicht; ein fremder Herr in der Schenke, ein ganz feiner, hat ihn mir gegeben und ich habe einen halben Gulden Botenlohn bekommen – so viel verdient der Vater am Webstuhl von früh bis mittags nicht und ich bin nur die paar Schritte heraufgelaufen. Auf Antwort brauche ich nicht zu warten, Herr Verwalter." Und ziemlich eilfertig machte der kleine Patron kehrt und ließ den Empfänger mit der geheimnißvollen Botschaft allein.

Die Handschrift der Adresse wie das Siegel waren demselben fremd, wenngleich die erstere eine gewisse vage Erinnerung in ihm wecken wollte. Er riß den Brief hastig auf, entfaltete ihn und trat mit ihm an den Tisch und in den Lichtkreis der Lampe; aber kaum hatte er die Anrede gelesen, als eine seltsame Veränderung mit ihm vorging; sein offenes, freundliches und joviales Gesicht verdüsterte sich, seine buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen und auf der gerunzelten Stirn erschien ein drohender rother Fleck; wer den Alten kannte, wußte, daß in diesem Moment nicht gut Kirschen mit ihm essen war – Holz- und Wilddiebe hatten zu ihrem Schaden an sich erfahren, wie wenig mit ihm zu spaßen war, wenn diese Symptome sich zeigten. Er setzte sich wieder auf's Sopha, um langsam, jedes Wort wägend, den Brief zu lesen, aber es war, als würde er dabei nur starrer und unbeugsamer, knorriger und feindseliger, und als er den Brief heftig zurückschob, kam halb unbewußt von seinen Lippen ein trotziges: „Nein – niemals!" Hart und scharf klang es auch, als er im nächsten Augenblick hinüber ins Nebenzimmer rief: „Theres – bist Du so weit?"

Ueberrascht und fast erschrocken, denn sie kannte diesen Ton trotz oder gerade wegen seiner Seltenheit nur zu gut, ohne eine Ahnung davon zu haben, was denselben in dieser Stunde veranlaßt haben könnte, trat das trotz ziemlicher Beleibtheit flinke und resolute alte Mädchen rasch ins Zimmer und fragte besorgt:

„Was ist denn da plötzlich los, Heinrich? Seid ihr wieder einmal einer Wilddieberei auf der Spur? Heute Nacht wirst Du aber doch nicht hinausgehen – bei dem heillosen Wetter? Diese unseligen Geschichten! ich sage Dir, da passirt auch einmal ein Unglück, Du bist nicht vorsichtig genug und traust Keinem zu, daß er es mit Dir aufnimmt und – „Ach, wer spricht denn davon?" ward sie ziemlich kurz und rau unterbrochen. „Ich habe die Kerle, die das Knallen in unsern Forsten nicht lassen können, gehörig auf dem Strich, aber wenn zehnmal drüben im Wolfsholz ein angeschossener und im Busch verendeter Bock läge, das sollte mir die Weihnachtsfreude nicht verderben und ich dächte [19] nur: Brüderchen, Dein Brod ist gebacken und Dich fassen wir schon noch einmal." Aber da hast Du eine andere, saubere Bescheerung – wenn das nicht am Ende eine abgekartete Geschichte ist. Du steckst hoffentlich nicht mit unserem edlen Bruder unter einer Decke? Es würde auch nichts nützen, denn ich lasse mich nicht überrumpeln, und ihr würdet euch sehr irren, wenn ihr darauf bautet, einmal eine plötzliche Weichheit für eine Aussöhnung auszubeuten."

Tante Therese war so verwirrt von diesen dunklen Andeutungen und dieser rauhen Heftigkeit des ja sonst grundgutmüthigen Bruders, daß sie ihn bestürzt und fragend ansah. Diese Bestürzung war so beredtsam, daß sie den alten Herrn sofort überzeugte und entwaffnete und er begütigend sagte:

„Na, sei nicht so außer Dir, Theres – ich seh ja schon, daß Du mir die Suppe nicht eingebrockt hast und von dem ganzen Plan, mich alten Kerl am Christabend, wo man doch etwas weicher gestimmt ist, zu überfallen, kein Wort weißt. Aber da lies einmal das Geschreibsel – viel schöne, hübsch gedrechselte Worte, aber das hilft Alles nichts. So beschwatzt man ein gefühlvolles Mädelchen, aber nicht einen alten, harten Kerl wie mich."

Tante Therese hatte inzwischen den Brief vom Tisch genommen und begann zu lesen, während ihr Bruder, die Arme auf der Brust verschränkt, mit großen, festen Schritten, von denen die Dielen leise knarrten, im Zimmer auf und ab ging; sonst war kein Laut umher zu hören, als das monotone hastige Getick der großen Taschenuhr des alten Herrn, die bereits an der Wand hing, das Prasseln des Holzes im Ofen und das leise Rauschen des Briefblatts, das die Tante in von der heftigen inneren Erregung zitternden Händen hielt. Und draußen fiel der Schnee dichter und dichter und lange verharrten die beiden alten Leute in wortlosem Schweigen. Endlich hob die Tante, als der Bruder bei seinem Aufundabschreiten wieder bei ihr angelangt war, den Blick – eine schwere Thräne hing an ihrer Wimper und bittend sah sie den Erzürnten an. Aber dieser schien eisern bleiben zu wollen. Er murrte:

Na ja, das hätte ich mir denken können – Rührung und Thränen, ohne die geht es halt nicht ab. Auf die Weiberleut' hat er sich eben immer verstanden, der Herr Bruder Ferdinand – und er hat nichts vergessen und verlernt, wie mir scheint."

„Hast Du vergessen, Heinrich? Ich wollte, Du könntest es. Das Geschehene läßt sich doch nicht ungeschehen machen, und willst Du denn nie vergeben, was doch mehr jugendlicher Leichtsinn und Unbesonnenheit war und die Folge eines allzu lebhaften Temperaments, als Böswilligkeit und Verdorbenheit des Characters? So viele Jahre sind darüber hingegangen, und wir sind alt darüber geworden und haben längst angefangen, grau zu werden – soll unser Groll uns am Ende überleben, obgleich Ferdinand ein braver, ordentlicher Mann geworden ist und uns jetzt, sein Unrecht einsehend, die Hand zur Versöhnung bietet und uns von ganzem Herzen um Verzeihung bittet?"

„Er hat sich nicht wie ein Walther gehalten – er hat einen Makel auf unsere fleckenlose Familienehre gebracht – der Vater ist um seinetwillen früher zur Grube gefahren, und wie er mich aus meiner Carrière geworfen und mich um mein Lebensglück geprellt hat, einer verächtlichen und gewissenlosen Eitelkeit zu Liebe, rechnest Du das für nichts, Theres?"

„Das läßt Dich nur Deine Bitterkeit sagen, Heinrich. Du weißt, wie tief ich das Alles empfunden habe, wie leid mir gerade um Dich gewesen ist und wie ich es bewundert habe, daß Du Alles ohne einen Laut der Klage ertrugst und Dich in Dein Schicksal fandest und nur darauf bedacht warst, den Eltern ihren Lebensabend zu verschönern und sie für den Verlust des Sohnes zu entschädigen. Aber Du würdest noch größer vor mir dastehen, wenn Du bewiesest, daß Du auch vergeben und vergessen kannst, wie ich vergeben und vergessen habe. Muß ich Dich erst daran erinnern, daß auch mir der Bruder viele Hoffnungen geknickt und meine Zukunft zerstört hat? Ich möchte nicht, daß wir einander vorrechneten, wer am meisten verloren und gelitten hat."

„Nun ja, das will ich auch nicht bestreiten, Theres, – es war hart für mich, auf die Forstcarrière verzichten zu müssen, an der mein ganzes Herz hing, weil Vater sein ganzes Vermögen opfern mußte, um Ferdinands leichtsinnige Schulden [20] zu bezahlen und einen öffentlichen Skandal zu verhüten, der für den alten stolzen Mann unerträglich gewesen wäre, aber es war auch hart für Dich, daß Dir Dein Bräutigam infolge dieser Vorfälle den Rücken kehrte. Nun könnte ich zwar sagen, daß an einem Manne, der so schwach war, dem Drängen seiner Verwandten, die eurer Verbindung von Anbeginn entgegen gewesen waren, nachzugeben, nicht allzu viel verloren gewesen ist, aber man weiß ja, wie ihr Weiberleute an eurer ersten Liebe hängt und verzweifelt tief ists bei Dir schon gegangen, denn Du hast Dich ja nicht entschließen können, einen Andern zu nehmen und bist bei Deinem alten Heinrich geblieben, sodaß mir wenigstens ein Frauenzimmer wohlgewollt hat; die andern haben ja von dem rauen alten Burschen nie etwas wissen mögen, die launenhafte Mamsell Fortuna nicht ausgenommen."

Das war freilich wieder ein Scherz, aber er kam doch recht bitter heraus, und es schien ganz, als sei der Alte auf dem besten Wege, sich noch tiefer in seine Unversöhnlichkeit hineinzureden. Die Tante war denn auch sehr zweifelhaft, ob es rathsam und nicht das Allerverkehrteste sei, weiter in den Bruder zu dringen; sie machte ein sehr bekümmertes Gesicht und zauderte mit der Antwort.

Da ging die Thür rasch auf und herein sprang Robert und stäubte sich den Schnee von dem pelzverbrämten Polenmützchen; die halbgeschmolzenen Flocken, die gegen die heiße Ofenplatte spritzten, zischten auf und mit von der Kälte und von Herzensfreudigkeit hochgerötheten Wangen stieß er munter heraus:

„So, das wäre glücklich abgemacht – es ist mir aber auch gar nicht sauer geworden, Onkel, und ich hätte wirklich nicht gedacht, daß es so leicht ist, sich auszusöhnen und zu vergeben."

„Nun ganz so leicht ist‘s doch nicht, das beweist Dir der Onkel!" sagte sanft, aber traurig die Tante – „er soll vergeben und vergessen und kann es nicht über sich gewinnen."

Robert, dem nun erst die bekümmerte Miene der Tante und das finstre Gesicht und die gerunzelten Brauen des Onkels auffielen, sah die Beiden verdutzt an und fragte endlich kleinlaut und schüchtern:

„Ist denn das, was die Tante sagt, wirklich wahr, Onkel?"

Der Alte murrte: „Das fehlt nun gerade noch, Theres, daß Du dem Jungen von solchen Dingen vorredest – was versteht denn er davon? Aber komm her, Robert – da nun einmal so viel heraus ist, will ich Dir wenigstens das sagen, was Du verstehen kannst. Was willst Du einmal werden?"

Robert machte große Augen; wozu diese Frage, auf welche die Antwort selbstverständlich war?

„Nun, das weißt Du doch, Onkel – Förster – was sonst?"

„So habe ich gerade gesprochen, auch als ich schon viel älter war, als Du. Aber sieh, wenn man es als Forstmann zu etwas Ganzem und Ordentlichem bringen will, muß man studiren und die Forstakademie besuchen, und das, mein Junge, kostet Geld, mehr Geld, als die meisten Leute haben. Mein Vater hätte es nun gehabt; es war sein eigner Wunsch, daß ich Forstmann werden sollte, aber – mein Bruder Ferdinand hat ihn um Alles gebracht. Er wollte immer hoch hinaus, unsere Verhältnisse waren ihm zu bescheiden, über unsere Verwandten und Bekannten rümpfte er die Nase und fühlte sich nur wohl in Gesellschaft von jungen, lockern adligen Officieren; und die ließen sich den Bürgerlichen gefallen, der sich durch Wetten und am Spieltisch Geld abnehmen ließ, viel mehr Geld, als er zu verlieren hatte. Das Ende vom Liede war, daß er auch Geld verspielte, das ihm nicht gehörte, und als er nicht mehr aus noch ein wußte, ging er bei Nacht und Nebel durch und hinterließ uns die ganze Bescheerung. Unser Vater mußte Alles opfern, was er besaß, damit sein Sohn nicht steckbrieflich verfolgt ward und mit der Forstcarrière war's aus – und mit manchem Andern auch."

Der kleine Patron hatte athemlos zugehört, und nun irrte sein Blick hin und her zwischen Onkel und Tante. Diese sagte endlich entschlossen:

„Eins mußt Du aber auch noch wissen. Dein Onkel Ferdinand ist damals in die weite Welt gegangen und dort ein tüchtiger, braver Mensch geworden; er hat sich ein großes Vermögen erworben; er ist verheirathet und hat solche kleine Buben wie Du, aber er ist doch aus Italien hierher gereist, um uns um Verzeihung zu bitten; das Leid, welches er [21] uns durch seinen jugendlichen Leichtsinn zugefügt hat, bereut er von ganzem Herzen, bittet uns um Verzeihung und wird nicht eher wieder froh werden, als bis wir wieder mit ihm ausgesöhnt sind und ihn als Bruder aufnehmen."

Der Kinderkopf war rasch fertig mit seiner Ueberlegung. „Was der Onkel gethan hat, war also nicht Bosheit, sondern nur Leichtsinn? Da werde ich also den Onkel aus Italien bald sehen? Bringt er auch seine Buben mit? Das soll aber eine Schneeball-Schlacht werden, und dann fahren wir mit dem Rennschlitten den Schloßberg hinunter, daß es nur so saust. Die werden aber Augen machen; denn in Italien wissen sie doch gar nicht, was Schnee ist!"

„Damit ist es nun freilich nichts, seine Buben hat er daheim gelassen." –

„Ach ja, den kleinen Italienern könnten hier leicht die Ohrläppchen und die Nasenspitzen erfrieren."

„Aber auch den Onkel wirst Du wohl nicht sehen; denn – sieh nur hin, Dein Onkel Heinrich mag ihn nicht aufnehmen!"

„Ja aber, Onkel," fragte Robert verblüfft, „hast Du mir denn nicht gesagt, daß man versöhnlich sein müsse?"

Der alte Herr war nur zu geneigt, das verfänglich werdende Gespräch gewaltsam abzubrechen – durch einen seiner Machtsprüche, gegen die man nicht opponiren durfte. Aber die naive Herzlichkeit, mit der der Kleine fragte, entwaffnete ihn, und er ließ sich zu einem grollenden: „Für gewisse Dinge giebt es keine Verzeihung!" herbei.

So rasch ließ sich Robert freilich nicht abschrecken. Er fragte hartnäckig und unverdrossen weiter.

„Aber doch nur für Bosheiten – hast Du nicht so gesagt? Wenn Jemand ein schlechtes Herz hat, hab' ich mir gedacht; aber der Onkel kann doch nicht schlecht gewesen sein, denn er ist ja gut geworden, und wenn Jemand kommt und uns um Verzeihung bittet, sollen wir unser Herz nicht zu einer Mördergrube machen. So war's doch?"

„Du wirst keck, Junge, – freilich, Du redest so, wie Du's verstehst und da kann man Dir's nicht weiter übel nehmen. Du hältst in Deiner kindlichen Beschränktheit für Eigensinn, was Charakter ist. Ich kann Dir doch unmöglich Rechenschaft über meine Empfindungen ablegen und sie gegen Dich vertheidigen."

Robert sah in diesem Augenblick recht hilflos und entmuthigt aus. Dennoch wagte er noch eine Frage:

„Aber, Onkel, gilt denn das, was Du mir vor einer Stunde gesagt hast, nur für Kinder, nicht auch für die großen Leute?"

Der alte Herr konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Du wirst mir am Ende noch beweisen, daß das zerstörte Lebensglück zweier Menschen auch nicht mehr zu bedeuten habe, als ein abgebrochener Zinnsoldatenkopf, als ein zerstörtes Graspferdhäuschen und eine zertretene Raupe."

Die Tante hatte bisher geschwiegen, nur ihr Blick hatte gerührt auf dem erhitzten Knabengesichtchen geruht. Nun aber sagte sie ernst:

„Und wenn er das behauptete, könntest Du ihm im Ernst widersprechen? Unsere Schmerzen und Kümmernisse kommen uns freilich neben denen der Kinder unendlich groß und erhaben vor, während wir über sie und ihre Thränen lächeln, aber es fragt sich eben, ob uns, wenn man von uns Vergebung und Vergessen fordert, in Wirklichkeit mehr zugemuthet wird, als ihnen. Robert‘s Gefühl den Beleidigungen des rothen Christian gegenüber war vielleicht ebenso tief und echt, als das Deinige Ferdinand gegenüber es ist, und wenn wir uns auf den Standpunkt des Kindes stellen, war es wohl ebenso berechtigt. Der Kampf, den es ihn kostete, alle erlittene Unbill zu vergessen und seinem kleinen Feinde die Hand zu reichen, war vielleicht ein ebenso harter, als der, den Du in diesem Augenblicke kämpfst. So lange Du ihm nicht beweisen kannst, daß Ferdinand ein schlechter Mensch ist, wird er zwischen Deinen Lehren und Deinem Handeln einen Widerspruch finden und nicht begreifen, warum Du nicht verzeihen willst, während er verziehen hat und seine Tante – gleichfalls von ganzem Herzen verzeiht."

Dieses Stück praktischer Philosophie wirkte freilich auf Robert weit weniger, als auf den Onkel, der nachdenklich den Kopf in die Hand stützte und an der Pfeifenspitze kaute. Robert hatte nur noch einen Trumpf in der Kinderhand. In einem bittenden Tone, den das Herz [22] des alten Herrn unwiderstehlich fand, sagte er:

„Sieh, Onkel, was die Tante kann, die doch nur ein Frauenzimmer ist, mußt Du doch auch können, und dann – es ist ja Alles so lange her, daß – nicht wahr, so heißt es? – Gras darüber gewachsen sein könnte."

Der Alte lachte nur über das altkluge, männlich-selbstbewußte „nur ein Frauenzimmer", – aber wenn er seinem Empfinden auf den Grund gegangen wäre, würde er wohl die Entdeckung gemacht haben, daß es ihm sehr lieb war, über diese naive Aeußerung lachen zu können; die aufquellende Weichheit ließ sich ja so am besten verbergen. Robert verstand dies Lachen nicht zu deuten – er sah nur, daß die Tante sich hastig die Augen trocknete und zur Seite sah; diese kerngesunde, tapfere Mädchennatur war die echte Schwester ihres Bruders – sie gehörte zu den Menschen, die eine zarte Scheu der Seele bestimmt, ihre Gemüthsbewegungen zu verbergen und mit ihren Thränen zu kämpfen, so lange es nur irgend geht, die lieber gefühllos, als allzu gefühlvoll erscheinen wollen und sich selbst in den Stunden des Alleinseins die aufsteigende Thräne im Auge zerdrücken, als sei es eine Schwachheit, zu weinen. Robert unternahm also einen Sturm, der mehr von Rath- und Hilflosigkeit, als von Zuversicht zeugte.

„Onkel, lieber Onkel", bat er, „kannst Du Dich denn gar nicht wieder mit dem Onkel Ferdinand vertragen? Siehst Du, ich will gar nichts zu Weihnachten haben, nicht einmal einen Baum, ich will auch gerne Alles hergeben, was aus Dresden gekommen ist; trag' Alles, Alles fort und vertheil' es unter die Dorfkinder, aber sag dem Onkel, daß er zu uns kommen soll, und wenn er kommt, gibst Du ihm die Hand und bist nicht mehr böse auf ihn." Es war ihm sehr ernst, bitter ernst mit seinem Anerbieten, – das Opfer, welches er bringen wollte, erschien ihm so groß, daß ihm die hellen Thränen in die Augen schossen und daß er bitterlich zu schluchzen begann. Er hatte des Onkels wettergebräunte Hand erfaßt und sich tief auf dieselbe herabgebeugt, halb beschämt, halb in Furcht vor einem ernsten Tadelswort; er beugte seinen lockigen Kopf noch tiefer, als er fühlte, wie sich des Onkels andre Hand auf denselben legte, und er wagte nicht früher aufzublicken, als bis der Onkel, sich mühsam zusammennehmend und doch mit einem schier verdächtigen Beben und Aussetzen der Stimme sagte:

„Na, laß nur gut sein, Junge – sollst Deinen Willen haben – es ist doch Alles Eins – und am Ende habt ihr Recht. Du willst auf Deine Bescheerung verzichten – so will ich denn meinen Groll drangeben; er soll mir nicht mehr werth sein, als Dir Deine Christgeschenke, und Du sollst Dir den neuen Onkel, den Du Dir so theuer erkauft hast, nun auch selber holen."

Robert schrie laut auf: „Onkel, herzensguter, bester Onkel, ist es denn wahr? Tante, Tante, hörst Du denn nicht – der Onkel Ferdinand soll kommen und holen soll ich ihn – ja, aber wo ist er denn? Ist er in der Stadt? – Wird der Schlitten angespannt? Dann nehmen wir aber den Rustan und die Sascha, die laufen am besten und sind ausgeruht, und nicht wahr, sie bekommen die blau und weißen Federbüsche auf den Kopf?"

Die Tante hatte sich dem alten Herrn, von Freude und Dankbarkeit überwältigt, an die Brust geworfen, er schob sie aber ruhig zurück und sagte mit wieder angenommener Rauhheit:

„Mach's kurz, Theres, und weine mir nichts vor – ich kann's nicht leiden, wie Du weißt. Du hast ja nun Deinen Willen; aber wenns der Robert, der Blitzjunge, nicht gar so beweglich gemacht hätte, wär' wohl nichts daraus geworden. Wer soll dem Tausendsakermenter etwas abschlagen? Ich brings nicht fertig."

Die Tante lächelte durch Thränen. „Daß Du Dich doch immer schlechter machen mußt, als Du bist! Als wenn Dirs jetzt nicht ordentlich leicht und wohl wäre, und als ob Du dem Robert nicht mit Freuden nachgegeben hättest! Aber denk nur nicht, daß ich Dich nicht auch kenne, Alter – dazu leben wir doch zu lange beisammen."

„So, jetzt redest Du Dir wohl auch noch ein, daß ich Dir nachgegeben hätte? Fräulein Theres, das wäre ein Trugschluß, laß Dir das für zukünftige Fälle gesagt sein." Und der Alte wendete sich zu Robert, der sich Hals über Kopf und in froher Verwirrung reisefertig gemacht [23] hatte. „Anzuspannen brauchen wir nicht und die Federbüsche können wir in Ruhe lassen, Du müßtest sie denn selber aufstecken wollen. Dein Onkel Ferdinand ist unten in der Schenke – lauf und hol ihn!" [28] Hurrah!" jubelte Robert, und hinaus war er, wie ein Wirbelwind; er flog den Berg hinab und an der Thür der Schenke prallte er an den Wirth an, der sich breitspurig hingepflanzt hatte und hinaus in das Gestöber sah. Verwundert fragte er den Kleinen:

„Wohin so eilig, Junker Sausewind? Das geht ja wie der Blitz!"

„Nun, zu wem soll ich denn sollen? Zu meinem italienischen Onkel, der muß ja bei Ihnen sein."

„Ja, sag mal, wie sieht denn dein Onkel aus? Kennst Du ihn denn?

„Nein, aber jedenfalls ist er recht braun im Gesicht oder olivenfarbig, wie der alte Napoleon – das versteht sich doch von selber?"

„Ein fremder Herr, ein ganz feiner, sitzt drinnen, aber braun oder olivenfarbig, wie Du sagst, ist er nicht – da wirds wohl nicht der Richtige sein."

Darauf hörte der kleine Patron aber schon nicht mehr – er hatte bereits die Thüre zur Gaststube aufgerissen und suchte sich in dem Tabaksnebel, der dieselbe erfüllte, zu orientiren. Es war Niemand da, den er für seinen Onkel hätte halten können, wohl aber trat der Herr auf ihn zu, den er am Vormittag im Walde getroffen hatte.

„Suchst Du Jemanden, mein kleiner Schütze? Das ist doch hübsch, daß wir uns hier wieder finden. Willst Du mich mit zu Deinem Onkel und zu Deiner Tante nehmen?"

„Sie können schon mitgehen, wenn Sie wollen, aber Sie suche ich nicht – ich suche meinen italienischen Onkel, der hier sein soll. Aber – ach Gott! – ich glaube, er ist nicht da."

„Nun, das müssen wir doch erst abwarten. Sage, wie heißt denn Dein italienischer Onkel?"

„Ferdinand Walther heißt er und der Onkel und die Tante warten auf ihn und wenn ich ihn nicht bringe, ist uns Allen die Freude versalzen."

„Wie wäre es denn nun, wenn ich dein Onkel Ferdinand Walther aus Italien wäre? Willst Du mich als Deinen Onkel anerkennen?"

Robert sah ihn zweifelhaft von der Seite an. „Das wäre mir schon recht, aber – Onkel – Du – bist ja gar nicht ein bissel olivenfarbig und das gehört sich doch für einen Italiener, wie schwarzes Haar."

Der Fremde lachte hell auf. „Nun, da nimm mich eben weiß und blond – ich habe nicht braun werden wollen, will mir aber in Zukunft rechte Mühe geben, damit ich Dir in Zukunft noch besser gefalle. Wollen wir gehen, mein Herr Neffe?“

„Du bist‘s also wirklich? Nein, ist das aber komisch! Das hätt' ich heute Vormittag wissen sollen!"

„Warum aber, mein kleiner Schütze?"

„Da hättest Du gleich mitgehen müssen, und was hätte dann der Onkel sagen wollen, wenn Du einmal da warst?"

„Er hat also erst keine Lust gehabt, mich aufzunehmen?"

„Nun, ein bissel Hitze hat es schon gekostet, aber das kann Dir der Onkel selber erzählen, dazu hab' ich jetzt keine Zeit." Und der kleine Bursche erröthete bis in die Schläfe; daß er auf seine Bescheerung hatte verzichten müssen, wollte er doch um keinen Preis sagen. [29] Onkel und Neffe stiegen, so schnell es gehen wollte, den Schloßberg empor, dann ließ sich letzterer nicht länger halten und lief voraus. Das Wohnzimmer war leer – er wartete hier, tief Athem holend, auf den Onkel und führte ihn an der Hand an die Thür des anstoßenden Zimmers. „Nun", sagte er endlich und legte die Hand auf die Klinke. Als die Thür sich öffnete, brach ihm strahlender Lichterschimmer entgegen – mit einem Blick das Zimmer überfliegend, sah er eine reiche Bescheerung ausgebreitet und nun trat selbst der italienische Onkel in den Hintergrund.

„Da habt ihr ihn!" und: „Onkel, Onkel, Du hast mir also nur etwas weiß gemacht?" – weiter war nichts aus Robert herauszubringen. Er eilte an den Bescheerungstisch und ein Ausruf des Entzückens nach dem andern verhallte ungehört, während die Geschwister sich stumm und bewegt umarmten. Endlich wendete sich Onkel Ferdinand an den Kleinen und sagte:

„Nun geh aber einmal in meinen Pelz – in der einen Tasche steckt etwas für Dich!"

Robert sprang hinzu; er riß hastig eine Enveloppe auf und jubelte: „Ein Muschel-Tuschkasten – mit Gold und Silber – aber Du bist gut, Onkel Ferdinand!"

„Schußgeld für die wilde Katze – das gehört sich doch so, denk' ich."

Mitternacht war schon vorüber, als die Geschwister noch plaudernd beisammen saßen und Robert staunend zuhörte. Draußen aber stöberte es in Einem fort, als sollte die ganze Welt unter Schneewasser begraben werden.