Organisches Edict vom 4. Jun. 1808, die Bildung des geheimen Rathes betreffend

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Autor: Maximilian I. Joseph (Bayern)
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Titel: Organisches Edict vom 4. Jun. 1808, die Bildung des geheimen Rathes betreffend
Untertitel:
aus: Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren, Band 2, S. 142–146
Herausgeber: Karl Heinrich Ludwig Pölitz
Auflage:
Entstehungsdatum: 1808
Erscheinungsdatum: 1817
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig und Altenburg
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[142]
b) Organisches Edict vom 4. Jun. 1808, die Bildung des geheimen Rathes betreffend.

Wir Maximilian Joseph von Gottes Gnaden König von Bayern
haben zur Vollziehung der im dritten Titel §. 2–3 der Constitution über die, die Errichtung des geheimen Rathes enthaltenen allgemeinen, Bestimmungen folgende organische Anordnungen zu treffen beschlossen, und beschließen hiermit wie folget:

Erster Titel.
Constituirung des Personals.

Art. 1. Wir und Unser Kronprinz wohnen den Sitzungen des geheimen Rathes bei.

Dieser soll bestehen a) aus Unsern Ministern; b) aus [143] 12, höchstens 16 geheimen Räthen, die Wir ernennen werden; c) auch Unsre Kronbeamte können während ihrer Anwesenheit in Unsrer Residenz den Sitzungen des geheimen Rathes beiwohnen, und nehmen alsdann ihren Platz nach Unsern Ministern; d) die Stelle des General-Secretärs bei dem geheimen Rathe wird Unserm geheimen Conferenz-Secretär übertragen.

Art. 2. Die geheimen Räthe werden anfänglich von Uns nur auf ein Jahr ernannt, und sind nicht eher als nach sechsjähriger ununterbrochener Dienstleistung in dieser Eigenschaft als permanent anzusehen.

Alle Jahre mit dem 1. October wird eine von Uns angeordnete Liste der geheimen Räthe erscheinen. Diejenigen, welche nicht auf dieser Liste stehen, hören von selbst auf, geheime Räthe zu seyn.

Art. 3. Der Gehalt eines geheimen Rathes wird auf 4500 Gulden festgesetzt, mit Einrechnung desjenigen, den ein Mitglied wirklich schon bezieht.

Art. 4. Der Gehalt des General-Secretärs ist 4000 Gulden; was derselbe dermal bezieht, wird gleichfalls eingerechnet.

Art. 5. Die auf Lebenszeit ernannten geheimen Räthe und der General-Secretär erhalten alle Vortheile der Pragmatik für den Staatsdienst, wenn sie ihnen nicht schon nach ihren bisherigen Dienstverhältnissen zustehen; so wie sie auch allen aus derselben hervorgehenden Verbindlichkeiten unterworfen sind.

Zweiter Titel.
Geschäftskreis des geheimen Rathes.

Art. 1. Unser geheime Rath ist in Gemäßheit des Titels III. §. 2. der Constitution die höchste berathschlagende Stelle in den wichtigsten innern Angelegenheiten Unsers Reiches.

Art. 2. Er kann sich nur auf unsern Befehl versammeln.

Art. 3. Er hat in keinem Geschäfte die Initiation, und kann nur über diejenigen Gegenstände berathschlagen, welche auf Unsern Befehl von Unsern Ministern an ihn gebracht [144] werden. Ueber die Gegenstände, die sich zur Berathung in dem geheimen Rathe eignen, werden die Sitzungen, so oft Wir es auf den Vortrag Unsrer Minister nöthig erachten, von Uns bestimmt. Es wird nie eine Vorstellung unmittelbar an den geheimen Rath gerichtet, sondern allezeit an Uns, mit Bemerkung des Gegenstandes.

Art. 4. Zufolge des §. 2. Titel III. discutirt und entwirft er die Gesetze und Hauptverwaltungs-Verordnungen nach den Grundsätzen, die ihm von Uns durch die einschlägigen Ministerien werden mitgetheilt werden.

Art. 5. Ueber die an Uns gerichteten und von Uns an ihn durch die einschlägigen Ministerien gewiesenen Fragen, den Sinn der Gesetze betreffend, hat der geheime Rath Uns sein Gutachten vorzulegen.

Art. 6. Er vereinigt mit dem Character der berathschlagenden Stelle den richterlichen in allen contentiösen administrativen Gegenständen, die auf Unsern Befehl durch die einschlägigen Ministerien an ihn gemacht werden, und für welche er die letzte Instanz nach den nähern Bestimmungen bildet, die hierüber sowohl in Beziehung auf die Gegenstände, als auf die dabei zu beobachtenden Förmlichkeiten nachfolgen werden.

Art. 7. Er beurtheilt a) die Competenz-Streitigkeiten zwischen der Gerichts- und Verwaltungsstelle; b) die Frage: ob öffentliche Beamte wegen begangenen Verbrechen vor Gericht gestellt werden können und sollen.

Art. 8. Wegen dieser Judicialgeschäfte versammelt sich der geheime Rath wöchentlich einmal an einem noch zu bestimmenden Tage. Bei diesen Versammlungen müssen jedesmal zwei Drittheile der Mitglieder gegenwärtig seyn.

Dritter Titel.
Geschäftsgang.

Art. 1. Aus der General-Versammlung des geheimen Rathes werden nach den ihr zugewiesenen Gegenständen drei Sectionen gebildet:

a) Der bürgerlichen und peinlichen Gesetzgebung, b) der Finanzen, und c) der innern Verwaltung.

Art. 2. Jede Section besteht wenigstens aus 3 Mitgliedern [145] Wenn kein besonderer Präsident als Vorstand der Section von Uns ernennt wird; so kommen dem ältesten Mitgliede derselben die Functionen des Dirigenten zu.

Art. 3. In den einzelnen Sectionen werden die dahin gewiesenen Gegenstände zum Vortrage in der allgemeinen Versammlung vorbereitet.

Art. 4. Die einzelnen Sectionen versammeln sich so oft, als es die Bearbeitung der ihnen zugewiesenen Gegenstände erfordert. Ein geheimer Secretär desjenigen Ministerial-Departements, zu dessen Geschäftskreise der zu bearbeitende Gegenstand gehört, führt dabei das Protocoll.

Art. 5. In der General-Versammlung wird allezeit auf den Vortrag derjenigen Section berathschlagt, welche den Gegenstand hiezu vorbereitet hat.

Art. 6. Wenn Wir oder Unser Kronprinz der Sitzung nicht in Person beiwohnen; so präsidirt der älteste der anwesenden Staatsminister.

Art. 7. Der General-Secretär führt in der General-Versammlung das Protocoll. In denjenigen Versammlungen, welche durch wichtige innere Angelegenheiten des Reiches, oder durch die zu discutirenden Gesetzentwürfe veranlaßt werden, ist er verbunden, über jeden dieser Gegenstände ein eigenes Protocoll zu führen, welches Uns durch den einschlägigen Minister zur Genehmigung vorgelegt wird. Derselbe führt auch das Einlaufsprotocoll über die an den geheimen Rath gewiesenen Gegenstände, verwahrt die Protocolle, und sorgt für die Fertigung der nöthigen Extracte, die von ihm unterzeichnet werden.

Art. 8. Die Erkenntnisse des geheimen Rathes in contentiösen administrativen Sachen; so wie die Entscheidungen der Anfragen, welche entweder Competenzstreitigkeiten der Gerichts- und Verwaltungsstellen, oder die Stellung eines öffentlichen Beamten vor das Gericht betreffen, werden in Unserm Namen mit Bemerkung der hierüber vorausgegangenen Vernehmung des geheimen Rathes durch die einschlägigen Ministerien ausgefertigt.

Art. 9. Sobald die Entschließungen des geheimem Rathes in organischen Verwaltungsgegenständen, die durch den einschlägigen Minister Uns vorgelegt werden, Unsere Genehmigung erhalten haben, bilden sie Decrete, und [146] werden von demselben Ministerium, in dessen Geschäftkreis sie einschlagen, in Unserm Namen ausgefertigt.

Art. 10. Ergibt sich der Fall, daß ein in dem geheimen Rathe auf Unsern Befehl in Berathung gekommener Gesetzentwurf nach Unserer durch den einschlägigen Minister zuvor hierüber erhohlten Genehmigung, den Reichsständen mitzutheilen ist; so wird derselbe jedesmal durch die von Uns dazu besonders zu ernennenden Mitglieder des geheimen Rathes mit dem in dem organischen Edict über die National-Repräsentation vorgeschriebenen Förmlichkeiten an die Versammlung der Reichsstände gebracht.

Art. 11. Ist über einen solchen Gesetzentwurf mit der National-Repräsentation das Erforderliche berichtigt; so kommt derselbe in das einschlägige Ministerium zurück, und wird, nachdem er Uns durch dieses zur endlichen Bestätigung wieder vorgelegt worden, auf gehörige Art ausgefertigt.

Art. 12. Ein jeder Unsrer Staats- und Conferenzminister wird hiemit beauftragt, zur Ausführung dieses organischen Edicts die in seinem Wirkungskreise einschlägigen weitern Einleitungen zu treffen, daß dasselbe mit Anfange des künftigen Etats-Jahres in Vollzug gesetzt werden kann.

München, den 4. Juny, 1808.

Max. Joseph.
Freiherr v. Montgelas.   Graf Morawitzky.   Freiherr v. Hompesch.
Auf königlichen allerhöchsten Befehl
v. Biarowsky.