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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855)

Aus dem „Krugbäckerlande“.


Wir wissen aus einem frühern Artikel der Gartenlaube, daß im Thone ein helles, geschmeidiges und Vieles versprechendes Metall wohnt, welches man neuerdings schon in ganzen Barren zur Prüfung vorlegte; ja man kann mit Recht darum behaupten, daß im Thone, in der Lehmgrube ein Silber gegraben werde. – Aber wenn je industriöse Köpfe die schmutzige Thongrube auch in anderer, uneigentlicher Bedeutung zu einer wahren Goldgrube gemacht haben, so gilt dies wohl in keinem Falle mehr von einem deutschen Boden, als von dem Krugbäckerlande, von jenem kleinen Ländchen, wo Tausende von Händen beschäftigt sind, aus der rohen, klebrigen Scholle Gold zu formen.

Es war im Frühlinge verwichenen Jahres, als das mainzer Dampfschiff mich endlich in Bonn an’s Land setzte, von wo ich zu Fuß den Rheingau zu durchwandern gedachte. Mein Weg führte mich auf dem rechten Ufer gar bald in die herrliche Gegend Montabaurs und somit auf nassauer Boden. Als ich über die Vorberge des Westerwaldes an der westlichen Seite desselben hinabgestiegen war, sah ich mich im Ensgergaue, einer Landschaft, die beim genaueren Betrachten einer gewaltigen Ameisencolonie gleicht. Da wühlen und stechen fleißige Hände in dem Boden herum, der weithin der ergiebigste Töpferboden ist. Die Flugtrappformation, die, mit Basalt abwechselnd, im sogenannten hohen Westerwalde vorherrschend ist, hat sich hier, in den Abhängen nach dem Ensgergaue, mit Thonschieferschichten bekleidet. Wo dieser mit Sand und Humus gemengt war, gab er, wie zumeist, wohl einen schweren und fetten, doch ergiebigen Boden. Doch ist die Dammerde häufig durch die mächtigsten Lager von Thonen unterbrochen.

Gerade im engeren Thale setzt sich ein 20–30 Fuß mächtiges Lager auf mehrere Meilen Weite fort. In zehn großen Gruben hat man bis jetzt den unterirdischen Schätzen einen Abfluß verschafft; da stechen und graben, tragen und karren die „Gräber“ zu den Werkhäusern, wo wiederum „Dreher, Former und Kaster“ die Verwandlungen mit den Thonschollen vornehmen. In dem liegenden Ofen wird dann das Steingut gebacken, wie der Nassauer spricht (wir sagen gebrannt), und eben deshalb heißt die ganze, etwas abgesonderte Gegend das Krugbäckerland oder Kannenbeckerviertel. Die Krugbäcker bildeten schon seit alten Zeiten eine gar stattliche Zunft im Lande; in kleinen Städten von kaum einigen Tausenden Einwohnern sitzen ihrer oft 20–25 neben einander; doch ist auch seit dem 1. Juli 1819 die Zunftverfassung aufgehoben und an deren Stelle Gewerbefreiheit getreten. – Weit und breit aber gehen die Waaren.

Fern auf Ungarns Haiden raucht der Czicos oder der Kaneß seinen Knaster aus einem netten Thonpfeifchen. Italien, Frankreich und die Niederlande sind für die irdenen Pfeifen der beste Markt, und oft verdankt der im Schatten eines Palastes ruhende Lazzaroni Neapels ebenso gut wie der keuchende Lastträger in Haag und Rotterdam die Glückseligkeit, die ihm eben sein Pfeifchen giebt, zum großen Theile unseren guten, nassauer Krugbäckern. Ja die große Thonwaarenfabrik von Vingender in Höhr schickte, wie mir ein Factor erzählte, schon seit einigen Jahren Sendungen ihrer Fabrikate bis in’s Yankeeland. Viele Waaren gehen auch trotz der hohen Zölle bis nach Rußland, und zwar nicht blos Pfeifen, sondern auch vorzüglich Blumennäpfe, Fensterterrinen für Schlingpflanzen und steinere Krüge. Seitdem Oesterreich freilich den neuen Zolltarif annahm, hat sich die Einfuhr dorthin um Etwas verringert.

Hast Du ein Mal, lieber Leser, eine selterser Wasserflasche, oder wie’s in Nassau heißt, einen Wasserkrug genauer angeschaut? Gewiß hat Dir die etwas plumpe Form der dickwändigen, schwachglasirten Flasche nicht gefallen; vielleicht meinst Du auch, daß der Thon bei dir zu Lande feiner und nicht so schmutzig grau vorkomme. Aber gerade mit diesem Thone ist der Thonwaarenfabrikation in hiesiger Gegend der rechte Zug gekommen und die Nachbarschaft der Mineralquellen sichert derselben auch die Erhaltung. Nassau hat bekanntlich gegen 140 Mineralquellen, worunter die berühmtesten zu Ober- und Niederselters, Sauerthal, Sauerbornsthal, Schlangenbad, Aßmannshausen, Braubach, Lorch, Burgschwalbach, Marienfels, Nied, Montabaur, Obershausen und Probbach sind.

Wie viele Krüge Selterserwasser mögen nur schon in die Welt verschickt worden sein, seitdem man 1525 schon die Hauptquelle zu Niederselters unweit Limburg entdeckte! Der Hauptkataster einer baumbacher Fabrik versicherte mir, daß diese Quellen und diese Thonlager mehr werth seien und mehr einbrächten als aller Johannisberger, Rüdesheimer und Aßmannshäuser. Ich glaube dem ehrlichen Gesichte recht gern, wenn ich sah, wie gut sich die Leute vom Gesteine zu nähren wußten. In Wahrheit gehen nach statistischen Nachrichten jährlich allein 1,500,000 Krüge mit Selterswasser, etwa 80,000 Gulden an Werth, in’s Ausland. Vom Fachinger Wasser führt man 500,000 Krüge zu 24,000 Gulden Werths aus. Da heißt’s nun freilich, Krüge schaffen, und der außerordentlichste Verkehr darf schon deshalb auf den Taunusstraßen nicht wundern. Die Taunuseisenbahn und die benachbarten Flüsse tragen neuerdings auch zur Verkehrserleichterung das Ihrige bei; eine neue Eisenbahn, längs der Lahn hin, ist projectirt.

Allerdings brauchen nicht alle Quellen die Flaschen in gleicher Menge; einige fast gar nicht, weil sie nicht getrunken werden. Doch kommen auch hier oft noch Probesendungen vor. Und wie viele Krüge erfüllen ihre Bestimmung schon innerhalb der Landesgränzen, seitdem Doctor Gloxinus aus Worms, ehrenwerthen Andenkens, kurz nach dem dreißigjährigen Kriege die hiesigen Bäder in Ruf brachte, einrichtete und zuerst in’s Schlangenbad einlud. – Mit diesen Wässern kommen die meisten nassauer Kannen (Flaschen) nach Frankreich und Deutschland. Das Wasser trinken die Gesunden und die Kranken, die Einen aus Delikatesse, die Andern aus Nothdurft und die Flaschen? – Die Flaschen verbraucht unsere Hausmutter, wenn sie das Bier auf Flaschen füllt und gerade diese starken, plumpen Flaschen mit Vorliebe. Warum? Sie hat denselben Grund, den auch die Versender der Mineralwässer haben, denn diese nehmen nicht blos der Nähe wegen diesen Thon. Wie könnte es sonst auch kommen, daß in fernen Badeörtern diese Flaschen gesucht würden, und sogar große Schiffsladungen des Rohmaterials in’s Ausland gehen? Die Lahn hinunter werden alle Jahre ungefähr eine Million Centner Thonschollen verfahren und seit 1842, wo es 919,125 Centner, und 1845, wo es 975,460 Centner waren, hat sich der Vertrieb immer mehr gesteigert. Viele Centner hinwiederum werden auf der Axe befördert. Nein, der Grund liegt nicht in der Nähe und somit Billigkeit des Materials, sondern in seinen qualitativen Eigenschaften.

Das gemeine Steingut zu diesen Mineralwasser- und Bierflaschen, Milchäschen, Fensterterrinen etc. besteht nämlich aus einem feinen, sehr zähen oder laimigen Thone, welcher Säuren, wenig Eisen und Salze, keinen Kalk, aber ziemliche Beigaben Sand enthält. Insgemein aber enthält der Thon Kalkerde (8–10 %) Bittererde, Kali, Natron, Eisenoxyd, Phosphor- und Schwefelsäure, sowie Chlor, Humus und stickstoffhaltige organische Reste. Gerade diese laimige Consistenz ist’s, welche den eingeschlossenen Wässern und Bieren den Geist erhält und der penetranten Kohlensäure am Meisten widersteht. Unsere guten Hausfrauen haben darum ganz Recht, wenn sie sich ihre Meinung, daß solche Flaschen das beste Bier liefern, nicht streitig machen lassen. Ueberdies verträgt auch diese Flasche aus demselben Grunde, abgesehen von ihrer Stärke, mehr Mißhandlungen, als manche andere eben so starke, aber sprödere.

Der Pfeifenthon, der bei Weitem feiner sein muß, ist ein eisen- und kalkfreier Thon, der im Hofe und in den Werkstuben durch Schlemmen, Einsumpfen, Schneiden und Treten („Walchern“) sorgfältig vorbereitet wird. Er darf keine Körner oder Steinchen enthalten. Der „Roller“ formt sich auf der glatten Tischplatte eine dünne, am Kopfende stärkere Walze, läßt sie kurze Zeit abtrocknen, durchsticht sie der Länge nach mit dem „Weiserdrahte“, legt sie darauf in die geölte, aus zwei Hälften bestehende messingene Form, so daß das dicke Walzenende in den Kopf zu liegen kommt und preßt nun diese zwei Hälften der Form mit der Schraubenpresse fest aufeinander. Die Höhlung des Pfeifenkopfs ist mit einem eisernen, ebenfalls geölten Kegel eingedrückt worden, nachdem man den Draht aus der Röhre etwas zurückgezogen hat. Besondere Aufmerksamkeit schenkt man der Mündung der Röhre in den Kopf. Dann nimmt man die Pfeifen am Drahte aus der Form, schabt die vorstehenden „Nähte“ ab, schneidet die Mündung eben und polirt sie halb trocken mit einem Achate. Nun

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1855). Leipzig: Ernst Keil, 1855, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1855)_148.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2023)